Anhang.

B. Von den religiösen Handlungen

Es giebt vier Gattungen religiöser Handlungen, nämlich das Gebet mit Einschluß der Waschung, das Almosengeben, das Fasten und das Wallfahren.

Das Gebet nebst der Waschung

Die Waschung ist als Vorbereitung auf das Gebet anbefohlen, weil die Körperreinheit als Sinnbild der Seelenreinheit betrachtet wird. Sie wird mit besonderer Genauigkeit im Koran vorgeschrieben. Das Gesicht, die Arme, die Ellbogen, die Füße und ein Viertheil des Kopfes müssen einmal, die Hände, der Mund und die Nasenlöcher dreimal gewaschen, die Ohren müssen mit dem Reste des für den Kopf gebrauchten Wassers befeuchtet und die Zähne mit einer Bürste gereinigt werden. Die Waschung muß auf der Rechten angefangen und auf der Linken geendigt werden; bei der Waschung der Hände und Füße muß man bei den Fingern und Zehen beginnen; wo Wasser nicht zu haben ist, kann feiner Sand gebraucht werden.

Das Gebet soll an jedem Tage fünfmal verrichtet werden. Die erste Gebetszeit ist früh zwischen dem Anbruch der Morgenröthe und Sonnenaufgang; die zweite beginnt Mittags, wenn die Sonne nach Westen sich zu neigen anfängt, und endigt, wenn der Schatten des Körpers dem Körper an Größe gleich kommt; die dritte beginnt Nachmittags, wenn der Schatten länger wird als der ihn werfende Körper, und schließt noch vor Sonnenuntergang; die vierte dauert von Sonnenuntergang bis zum Ende der Abendröthe; die fünfte vom Anbruche der Nacht bis vor Aufgang der Morgenröthe. Ein sechstes Gebet zwischen der ersten Nachtwache und dem Tagesgrauen ist nicht geboten, sondern wird freiwillig verrichtet.

Diese Gebete sind nur Wiederholungen derselben preisenden Ausrufung: »Gott ist groß! Gott ist mächtig! Gott ist allmächtig!« und werden von Gewissenhaften an einer Perlenschnur gezählt. Sie können sie in der Moschee oder auf jedem gesäuberten Platze verrichten. Während des Gebetes sind die Augen nach dem Kebla oder nach der Gegend von Mekka gewendet; dies ist in jeder Moschee durch eine Nische, Al Mehrab genannt, und äußerlich durch die Richtung der Thürme und Thore angedeutet. Selbst die beim Gebete zu beobachtenden Stellungen sind vorgeschrieben, und der feierlichste Act der Anbetung besteht in der Neigung des Vorderkopfes bis zur Erde. Frauen dürfen die Arme beim Beten nicht ausstrecken, sondern müssen sie über die Brüste zusammenschlagen. Sie dürfen nicht so tiefe Verbeugungen wie die Mannspersonen machen, müssen mit leiser und sanfter Stimme beten und dürfen die Männer nicht in die Moschee begleiten, damit die Gemüther der Gottesverehrer in der Andacht nicht gestört werden. Wenn sich die Gläubigen an Gott wenden, so sind sie verpflichtet, dies mit Demuth zu thun, weshalb sie kostbare Schmucksachen und prächtige Anzüge abzulegen haben.

Viele von den mohammedanischen Gebräuchen beim Gebete sind denen ähnlich, welche schon vorher von den Sabäern beobachtet wurden; andere stimmen mit dem Ceremonial überein, welches von den jüdischen Rabbinern vorgeschrieben war. Solche sind die Stellungen, die Verbeugungen und Niederwerfungen und die Wendung des Gesichtes nach dem Kebla, welches jedoch bei den Juden in der Richtung des jerusalemischen Tempels war.

Beten ist bei den Moslemen eine tägliche Uebung; aber am Freitage wird eine Predigt in der Moschee gehalten. Dieser Tag wurde als derjenige, an welchem der Mensch geschaffen wurde, unter den morgenländischen Völkern allgemein heilig gehalten. Die sabäischen Götzendiener weihten ihn der Astarte oder der Venus, dem schönsten unter den Planeten und dem glänzendsten unter den Sternen. Mohammed bestimmte ihn zum Sabbat seiner Anhänger, zum Theil vielleicht aus ehemaliger Gewohnheit, hauptsächlich aber, um ihn vom Sonnabende der Juden und vom Sonntage der Christen zu unterscheiden.

Die Almosen.

Es giebt zwei Arten von Almosen, nämlich erstlich solche, welche das Gesetz vorschreibt; sie heißen Zacat, gleichen dem Zehnten in der christlichen Kirche und werden in bestimmt bezeichneten Antheilen von Geld, Waaren, Vieh, Getreide oder Baumfrüchten entrichtet; dann freiwillige Gaben, Sadacat genannt, welche der Geber nach eigenem Gutdünken spendet. Jeder Moslem ist verpflichtet, auf die eine oder die andere Weise ein Zehntel seines Einkommens den Hilfsbedürftigen und Nothleidenden zur Erleichterung mitzutheilen.

Das Fasten

Vom Fasten wird angenommen, daß es ebenfalls von den Juden entlehnt sei. In jedem Jahre muß sich jeder wahre Gläubige dreißig Tage lang, während des Monates Rhamadan, vom Aufgang bis zum Untergange der Sonne des Essens und Trinkens, des Bades, der Parfümerien, der ehelichen Beiwohnung und aller andern sinnlichen Ergötzlichkeiten enthalten. Dies wird als großer Triumph der Selbstverleugnung, als Ertödtung und Bezähmung der verschiedenen Begierden und als Reinigung der Seele und des Leibes angesehen. Von diesen drei Stücken der religiösen Praxis pflegte der Prinz Abdalasis zu sagen: »Beten führt uns die Hälfte des Weges zu Gott; Fasten geleitet uns bis an seine Thürschwelle; aber Almosen bringen uns vor sein Angesicht.«

Das Wallfahren

Jeder wahre Gläubige ist verbunden, während seines Lebens entweder in Person oder durch einen Stellvertreter eine Pilgerreise nach Mekka zu machen. Im letzteren Falle muß sein Name in jedem Gebete, das der Stellvertreter verrichtet, genannt werden. Verpflichtet zu der Pilgerfahrt sind jedoch nur freie Personen von gesundem Geiste, die außerdem genug Körperkraft und Vermögen besitzen, um die Strapazen und Ausgaben bei der Reise tragen zu können. Der Pilger ordnet vor der Abreise seine sämmtlichen Angelegenheiten, die öffentlichen wie die häuslichen, gleich als wenn er sich auf den Tod vorbereitete. An dem festgesetzten Tage, entweder an einem Dienstage oder Donnerstage oder Freitage, welche dem Vorhaben günstig erachtet werden. versammelt er seine Weiber, Kinder und alle seine Hausgenossen und empfiehlt sie und alle seine Angelegenheiten während seines heiligen Unternehmens mit Andacht der Obhut Gottes. Hierauf zieht er das eine Ende des Turbans unter dem Kinn hin bis auf die entgegengesetzte Seite des Kopfes, ergreift einen Stock von bitterer Mandel, nimmt von den Seinigen Abschied und eilt aus dem Gemache mit dem Rufe: »In dem Namen Gottes unternehme ich dieses heilige Werk, indem ich auf seinen Schutz vertraue. Ich glaube an ihn und in seine Hände lege ich meine Thaten und mein Leben.« Beim Verlassen des Thores wendet er das Gesicht nach dem Kebla, wiederholt bestimmte Stellen aus dem Koran und fügt hinzu: »Ich wende das Gesicht nach der Heiligen Kaaba, dem Throne Gottes, um die Wallfahrt zu vollbringen, welche in seinem Gesetze geboten ist, und die mich ihm näher bringen soll.« Endlich setzt er den Fuß in den Steigbügel, schwingt sich in den Sattel und empfiehlt sich wiederum Gott dem Allmächtigen, Allweisen und Allbarmherzigen und tritt die Wallfahrt an. Die Zeit der Abreise wird immer so berechnet, daß die Ankunft in Mekka zu Anfang des Pilgermonats Dhu'l-Hadschdschi erfolgt.

Drei Gesetze müssen während dieser frommen Reise beobachtet werden. Diese sind: Fange keinen Zank an; ertrage mit Sanftmuth jegliche Bitterkeit und Schmähung; befördere Frieden und Wohlthätigkeit unter den Genossen der Karavane. Außerdem soll der Pilger während der Wallfahrt bei Geschenken und Werken der Barmherzigkeit freigebig sein.

Wenn er in die Nähe von Mekka kommt, so läßt er das Haar und die Nägel wachsen, entkleidet sich bis auf die Haut und legt den Ihram oder das Pilgergewand an, welches aus zwei Stücken ohne Naht und Verzierung und aus jedem Stoffe, nur nicht aus Seide bestehen darf. Eins derselben ist um die Lenden gefaltet, das andere wird über den Nacken und die Schultern geworfen, wobei jedoch der rechte Arm frei bleibt. Der Kopf ist unbedeckt, nur den Greisen und Schwachen wird erlaubt Etwas um denselben zu legen, wenn sie Armen dafür ein Almosen reichen. Schirme sind als Schutzmittel wider die Sonne erlaubt, und arme Pilger ersetzen durch einen Lappen am Ende eines Stabes die Stelle derselben. Der obere Theil des Fußes muß bloß sein; zu diesem Zwecke werden besondere Sandalen angeschafft, oder es wird ein Stück vom Oberleder des Schuhes ausgeschnitten. Der auf solche Weise gekleidete Pilger heißt AI Mohrem. Der Ihram der Frauen besteht in einem weiten Mantel und Schleier, durch welche die ganze Person eingehüllt wird, so daß bei strenger Beobachtung die Handgelenke, die Knöchel und sogar die Augen verdeckt sind.

Wenn der Ihram einmal angelegt ist, so muß er bis zur Beendigung der Pilgerfahrt getragen werden, wie unangemessen er auch der Jahreszeit oder der Witterung sein mag. Während der Pilger mit demselben bekleidet ist, muß er sich aller Heftigkeit im Ausdrucke, alles wollüstigen Umgangs, aller Zänkereien und Gewaltthätigkeiten enthalten, ja nicht einmal einem Insecte, das ihn belästigt, darf er das Leben nehmen, obgleich eine Ausnahme rücksichtlich der bissigen Hunde, der Skorpione und der Raubvögel gemacht wird.

Bei der Ankunft in Mekka läßt er das Gepäck in irgend einer Niederlage und begiebt sich, ohne Aufmerksamkeit auf ein weltliches Geschäft, geraden Weges nach der Kaaba, geleitet von einem der Metowefs oder Führer, welche immer zur Hand sind, um Pilgern ihre Dienste anzubieten. Wenn er in die Moschee durch das Bab el Salam, d. i. das Thor der Begrüßung, eintritt, so wirft er sich viermal auf die Erde und wiederholt gewisse Gebete, wenn er unter dem Gewölbe hingeht. Bei der Annäherung an die Kaaba wirft er sich dem Schwarzen Steine gegenüber viermal nieder und küßt hierauf denselben, oder wenn er durchs Gedränge daran verhindert wird, berührt er ihn mit der rechten Hand und küßt dann diese. Nach dem Weggange vom Schwarzen Steine behält er das Gebäude auf der linken Seite und verrichtet die sieben Umgänge, die ersten drei schnell und die letzten vier in langsamem und feierlichem Schritte. Gewisse Gebete werden mit leiser Stimme wiederholt und am Schlusse jedes Umganges wird der Schwarze Stein geküßt. – Der Towaf, d. i. Procession, um die Kaaba war eine Ceremonie, welche lange vor Mohammeds Zeit beobachtet und von beiden Geschlechtern ganz nackend vollzogen wurde. Mohammed verbot diese Entblößung und ordnete den Ihram an. Die weiblichen Hadschdschi halten den Towaf gemeiniglich des Nachts, obschon sie ihn bisweilen unter die Männer gemischt bei Tage verrichten. – Nach Beendigung der sieben Umgänge drückt der Pilger die Brust an die Mauer zwischen dem Schwarzen Steine und dem Thore der Kaaba und bittet mit ausgestreckten Armen um Vergebung seiner Sünden. Hierauf begiebt er sich nach dem Makam, d. i. nach Abrahams Station, wirft sich viermal auf die Erde, bittet um die Vermittelung Abrahams, und von da zur Quelle Zem Zem, und trinkt so viel Wasser, als er schlucken kann.

Während dieser sämmtlichen Förmlichkeiten hat der ununterrichtete Hadschdschi den Metowef (Führer) nahe bei sich, welcher ihm Gebete zur Wiederholung vormurmelt. Jetzt wird er aus der Moschee durch das Thor Bab el Zafa zu einer mäßigen, ungefähr fünfzig Schritt entfernten Anhöhe, dem Hügel Zafa, geführt, wo er, nachdem er mit aufgehobenen Händen ein Gebet gesprochen hat, den heiligen Gang beginnt. Dieser heißt Saa, d. i. Prüfung, und geht durch eine gerade und ebene Straße, Mesaa genannt, die eine Länge von sechshundert Schritt hat, wie ein Markt mit Buden besetzt ist und sich an dem Platze Merowa endigt. Dieser Gang der Prüfung wird zum Andenken an Hagars Wanderung unternommen, welche über dieselbe Stelle ging, um Wasser für ihren Sohn Ismael zu suchen. Der Pilger geht manchmal langsam wie ein Suchender, dann springt er an einen bestimmten Platz, und schreitet wiederum ernst weiter, bisweilen stehen bleibend und ängstlich rückwärts blickend.

Nachdem dieser Auf- und Niedergang auf dieser Straße siebenmal wiederholt worden ist, betritt der Hadschdschi am Merowa eine Barbierstube; sein Kopf wird geschoren, seine Nägel werden beschnitten, während der Barbier Gebete murmelt und der Pilger dieselben wiederholt. Die Abschnitzel des Haares und der Nägel werden in geweihten Boden begraben, und die wesentlichsten Pflichten der Wallfahrt sind erfüllt.

Am neunten Tage des Monats Al Dhu'l-Hadschdschi begeben sich die Wallfahrer in Eile und mit Lärmen auf den Berg Arafat, wo sie bis zu Sonnenuntergang bleiben; die Nacht bringen sie betend in der Kapelle Mozdalifa zu und steigen am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang in das Thal Mena hinab; daselbst werfen sie sieben Steine nach jedem der drei Pfeiler, um Abraham und auch Adam, wie Einige sagen, nachzuahmen, der von diesem Orte den Teufel mit Steinen vertrieb, als er von ihm in seinen Andachtsübungen gestört wurde.

Das sind die hauptsächlichen Förmlichkeiten, welche dieses bedeutungsvolle moslemische Glaubenswerk der Wallfahrt bilden. Bevor wir jedoch diesen Abriß des mohammedanischen Glaubens und die sagenhafte Geschichte seines Gründers schließen, können wir nicht umhin, eine von seinen Neuerungen zu bemerken, welche über alle seine Bekenner Verwirrung und über fromme Pilger besondere Unbequemlichkeiten gebracht hat.

Das arabische Jahr besteht aus zwölf Mondsmonaten, welche abwechselnd dreißig und neunundzwanzig Tage enthalten, so daß an jedem Sonnenjahre eilf Tage fehlen. Um diesen Mangel auszugleichen, wurde vor Mohammeds Zeitrechnung zu jedem dritten Jahre ein dreizehnter Monat hinzugefügt, zu demselben Zwecke, wie in dem christlichen Kalender in jedem Schaltjahre ein Tag eingeschoben wird. Mohammed, welcher ungebildet und mit der Sternkunde unbekannt war, schnitt diesen dreizehnten oder Schaltmonat ab, weil er der göttlichen Ordnung für die Umwälzungen des Mondes zuwider wäre, und gestaltete den Kalender um zufolge einer göttlichen Offenbarung während der letzten Wallfahrt. Dies wird in der neunten Sure des Korans in folgender Weise erwähnt: »Die Zahl der Monate ist zwölf, wie es von Allah geordnet und auf die ewigen Tafeln geschrieben wurde an dem Tage, wo er den Himmel und die Erde schuf. Versetze nicht den heiligen Monat in einen andern, denn das ist wahrlich eine Neuerung der Ungläubigen.«

Die Zahl der so ausfallenden Tage beläuft sich in 33 Jahren auf 363. Es wird daher nothwendig, am Schlusse jedes dreiunddreißigsten Jahres ein Schaltjahr hinzuzufügen, um die mohammedanische Zeitrechnung auf die christliche zurückzuführen.

Eine große Unbequemlichkeit, welche aus dieser Offenbarung des Propheten sich ergiebt, besteht darin, daß die moslemischen Monate die Jahreszeit nicht anzeigen, da sie jedes Jahr um eilf Tage früher anfangen. Dies ist zu gewissen Zeiten für die Andächtigen Mekkas eine empfindliche Beschwerde, da der große Pilgermond Dhu'I-Hadschdschi, in dessen Laufe sie halb nackend den Ihram zu tragen gezwungen sind, die Runde durch die Jahreszeiten macht, da er zu einer Zeit in den tiefen Winter, zu einer andern in die glühende Hitze des Sommers fällt.

Obgleich Mohammed laut der sagenhaften Geschichte dem Monde befehlen konnte, daß er vom Firmamente herabstieg und um das heilige Haus wandelte: so konnte er doch nicht die monatlichen Umwälzungen desselben beherrschen und fand, daß die Wissenschaft der Zahlen sogar über seine Prophetenbegabung erhaben ist.

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