Fragmente und Aphorismen

Es gibt immer noch wohltätige Menschen, und wer einmal so glücklich ist, unglücklich zu werden, dem wird geholfen. Früher freilich nicht!

Seitdem das Wunderbare vor unsern Augen sich erfüllt hat, haben wir alle Berechnung für das Natürliche verloren.

Die Fürsten sehen immer noch nicht ein, daß die Polizei ihre gefährlichste Feindin, ja die einzige revolutionäre Macht ist, die sie zu fürchten haben. Sind wirklich Übel vorhanden, so werden sie von der plumpen und abgeschmackten Quacksalberei jener Staatsgewalt nur verschlimmert. Ist das Volk krank, so gebt ihm frische Luft und freie Bewegung, vertraut es aber nicht den ungeschickten Händen eitler, törichter und pflichtvergessener Pfuscher an.

Die Weiber haben Launen, weil sie zu gut sind, das Böse nach Grundsätzen, und zu schwach, das Gute mit Dauer zu üben.

Eitelkeit ist die sicherste Wächterin der öffentlichen Ruhe. Sie ist die Omphale des Ehrgeizes und legt ihm Rosenketten an. Wer am Schimmer des Goldes eine Freude findet, wird das Eisen nicht achten, und im Tanzschritte ist noch keiner auf den Thron gestiegen.

Beschränkten Menschen ist es eigen, daß sie die wenigen Ideen, die in dem engen Kreise ihrer Fassungskraft liegen, mit einer Klarheit ergreifen, die uns in der Schätzung ihres Geistes oft irre macht. Sie sind wie Bettler, die das Gepräge und die Jahreszahl jedes ihrer Kreuzer kennen.

Bei epileptischen Menschen hat man zuweilen bemerkt, daß, wenn sie aus ihrer Ohnmacht wieder erwachten, sie da in ihrer Rede fortfuhren, wo sie stehengeblieben waren, als ihr Niederfall sie unterbrochen hatte, mochte auch immer unterdessen die Rede ihre Bedeutung verloren haben. Man will bei einigen fallsüchtigen Staaten diese nämliche Erscheinung wahrgenommen haben.

Alle Aussprüche und Vollstreckungen einer geheimen Justiz sind heimliche Hinrichtungen, mit welchen bürgerliche Freiheit gar nicht zu vereinen ist. Ob eine streitige Sache dem Hans oder dem Kunz verbleibe, ob ein einzelner Missetäter bestraft werde oder nicht, dieses ist dem Gemeinwesen sehr gleichgültig. Aber die Zuversicht, daß Recht geübt werde, ist Lebensbedürfnis in der bürgerlichen Gesellschaft, und diese Zuversicht versagt die heimliche Justiz. Kein Fürst, kein Richter, kein Verwalter darf Glauben fordern an seine Gerechtigkeit; nur an Gott glaubt man, die Menschen aber will man sehen, hören, betasten, ausrechnen.

In der bürgerlichen Gesellschaft gibt das Volk seine natürliche Freiheit der Regierung als ein Darlehn gegen bedungene Zinsen hin. Werden ihm letztere vorenthalten oder geschmälert, dann zieht es sein Kapitel mit Recht zurück und sucht sich einen sicherern Schuldner.

Man sollte die Ministerstellen erblich machen, damit diejenigen, welche sie verwalten, an dem Wohle des Staates ein Familieninteresse fänden und nicht bloß auf ihren leiblichen Vorteil sähen. Schlimme Fürsten haben, an die Zukunft denkend, manche böse Tat unterlassen; einen eigensüchtigen Minister hält nichts zurück. Zu wissen aber ist, daß die politischen Trennungen und inneren Kämpfe, die jetzt stattfinden, nichts anderes sind, als ein Streit zwischen Volksfreiheit und Ministerialgewalt.

Gute Fürsten müssen wie fruchtbare Jahre angesehen werden. Man soll ihre Regierung dazu benutzen, Notmagazine von Volksfreiheiten Bund Gerechtsamen aufzuspeichern für die möglichen Hungerjahre eigenmächtiger Erbfolger. Vorsicht hierin ist nie überflüssig, Pharaos magere Kühe entbleiben nicht.

Wenn der Fürst glaubt, das Volk sei ein Kutschpferd, das, mit Gebiß und Scheuleder versehen, der Staatskarosse, in welcher nur er sitzt, vorgespannt werden müsse – und wenn das Volk den Staat für einen Familienwagen hält, den der Regent allein fortzuziehen habe; dann irren beide. Aber was ist der Staat sonst? Es ist schwer, hierauf eine Antwort zu finden. Der politische Zirkel kann nie vollkommen zur Quadratur einer Definition gebracht werden.

Die Weiber verlangen das Größte und das Kleinste zugleich, sie fordern Liebe und auch, daß man artig gegen sie sei – eine Million in Scheidemünze.

Die politischen Nachtwächter, welche die Zeit ausrufen und ihre Warnung, das Haus vor Feuer und Licht zu bewahren, stündlich wiederholen, wecken freilich Völker und Fürsten aus dem Schlafe; aber sie sollen auch nicht schlafen, es soll Tag sein, und dann hören die Schreier von selbst auf.

Jene schöne Zeit, da noch – wenn selten ein schadenfroher Geist über Völker und Länder zog nichts bebte als die Erde und man Menschen weniger fürchtete als Gott, jene Friedenstage kehren in Europa nie zurück. Denn die Triebfeder seines Lebens ist gesprungen, und was man trüglich für erhöhte Kraft annimmt, ist nichts als das Schnarren und die Übereile der zerbrochenen Kette, die, in ungemessener Tätigkeit sich, abhaspelnd, dem Stillstande und dem Tode zuläuft.

Was ist die sogenannte Freiheit der Presse? – Die Erlaubnis, außerhalb der Festungsmauern spazierenzugehen, einem Staatsgefangenen auf sein Ehrenwort erteilt.

Den Füchsen hat man die Freiheit in engen Flaschen, den Störchen in flachen Schüsseln vorgesetzt. Die schlauen Füchse werden sich zu helfen wissen, sie werden der Flasche den Hals brechen; aber welche Hoffnung bleibt den dummen Störchen? Sie ließen sich wohl gar weismachen, es käme nur darauf an, sich den Schnabel putzen zu lassen! ... Aufgabe zur Übung des Verstandes: Wo sind die Füchse, und wo sind die Störche?

Freilich wäre der Staat berechtigt, die Herzen und Köpfe als Herde und Rauchfänge der menschlichen Seele bei seinen Bürgern von Zeit zu Zeit untersuchen zu lassen, um zu erfahren, ob alles brandfest gebaut, ob nicht viele feuerfängliche Materialien darin aufgehäuft sind und ob mit dem Lichte vorsichtig verfahren werde. Eine solche Seelenschau, verbunden mit den Löschanstalten der Zensur, würde eine vollständige Geniefeuerordnung bilden und das Gemeinwesen vor großen Unglücksfällen bewahren.

Es gibt politische Karyatiden, die sich mit tragischen oder komischen Fratzen gebärden, als trügen sie die Last des ganzen Staatsgebäudes auf ihren Schultern, und welche nichts weiter sind als die untern Teile des Hauses.

In Meinungskämpfen sei man dann am vorsichtigsten, wenn die Gegner sich uns nähern und uns beistimmen. Die Wahrheit dient oft nur als Leiter zur Lüge, der man verächtlich den Rücken kehrt, sobald die Höhe erreicht ist.

Kanonen- und Flintenkugeln sind oft Fleckkugeln zum Reinigen der beschmutzten Welt.

Warum ist die Heimat des Herzens die Fremde des Kopfes, oder umgekehrt, und warum darf niemand ohne Abzug und Nachsteuer aus einem Lande in das andere ziehen? Die Bundesakte, welche eine solche Freizügigkeit bewilligte, wäre die gemeinschaftliche heilige Schrift für die gesamte Menschheit.

So leicht es ist, Kindern eine Fabel als Wahrheit zu erzählen, so schwer ist es, Männern die Wahrheit als Fabel darzustellen. Man hat uns alle zu den Griechen und Römern in die Schule geschickt, und nun, da wir in das Leben treten und das Erlernte auszuüben gedenken, verspotten sie uns und sagen: Alles, was wir gehört, sei nur Märchen gewesen. Aber es ist zu spät. O glückliche Verblendung der Blendwerkmacher! Sie meinten es recht klug zu machen, indem sie, um sich in die Gegenwart allein zu teilen, uns in die entfernteste Vergangenheit schickten, und sie vergaßen, daß die Geschichte rund ist wie die Erde und daß man fort und fort schiffend wieder zur Heimat gelangt.

Es gibt Menschen, die wohnen auf dem Cimborasso der Gemeinheit. Es ist unmöglich, ihnen beizukommen – sie behalten immer recht. Der Witz, der sie aufsucht, sinkt schon am Fuße des Berges entatmet nieder und bekennt mit Scham, daß ein Prügel besser sei als eine Lanze.

Der wahre Mut ist nicht bloß ein Luftball der Erhöhung, sondern auch ein Fallschirm des Herabsinkens.

Man baut selten seine Meinung auf festem Grunde, man baut sie in die Luft, gibt dem Zimmerwerke schwache Stützen, und erst wenn man mit dem Dache fertig ist, unterwolbt man das Gebäude. Auch vor dem gerechten Urteile geht oft ein Vorurteil her.

Keine größere Tücke kann das Schicksal gegen große Menschen üben, als wenn es sie am Schlusse einer alten Zeit erscheinen läßt. Sie sind dann nur die Leichensteine begrabener Geschlechter, und ihr Ruhm wird mit Füßen getreten. Welche aber das Geschick begünstigt,-die läßt es am Anfange einer neuen Zeit auftreten. Sie wachsen dann in das zarte Jahrhundert hinein, mit ihm gegen den Himmel, und werden unsterblich. Goethe und Napoleon gehören zu den einen; Voltalire, Rousseau, Washington, Lafayette zu den andern.

Sooft ich in eine Universitätsbibliothek kam, fühlte ich Lust, den im Saale Herumgehenden zuzuflüstern: Weckt die guten Bücher nicht, tretet leise auf, unterhaltet euch lieber mit den wachenden – mit den Professoren.

Die Haushaltsbücher der Erfahrung sind darum so schwer zu benutzen, weil die Geschichte nur die einzelnen Posten bemerkt, aber nie Summe und Transport zieht.

Napoleon war der hohe Priester der Revolution, und als er so dumm war, die Göttin um ihre Anbetung zu bringen, brachte er sich um seine Priesterwürde, und seine Macht ging unter.

Ja, Luther hatte es verstanden, als er dem Teufel das Tintenfaß an den Kopf geworfen! Nur vor Tinte fürchtet sich der Teufel, damit allein verjagt man ihn.

Wie habe ich mich auf meinen Reisen bemüht, etwas zu finden, das lächerlicher wäre als die deutsche Zensur! Aber ich habe vergebens gesucht. Wenn wir durchaus nicht reden wollten, sollten uns die deutschen Staatsmänner auf die Folter spannen, uns zum Reden zu zwingen. jede freie Zeitung würde Preußen ein Regiment ersparen.

Auch wissen sie das sehr wohl, nur meinen sie, es hätte Zeit bis zum Kriege. Sie füllen den Geist in kleine Riechfläschchen und verstopfen diese gut, und wandelt sie eine Ohnmacht an, greifen sie nach dem Spiritus. Es ist gar nicht zu sagen, welchen Hochmut die deutschen- Staatsmänner gegen die Schriftsteller zeigen, sobald diese von etwas Gegenwärtigem, Lebendigem, Barem reden. Die Wahrheit dürfen wir besitzen, aber das Münzrecht derselben behalten sie sich vor. Ich will nicht behaupten, daß sie uns so sehr verachten, uns nicht für hängenswert zu halten; aber sie verachten uns ziemlich, beschauen uns von hinten und vorn, lachen über unser düsteres, ledernes, fremdartiges Ansehen, wünschen spöttisch ihr Glückauf! und zählen heimlich die Taler, die wir aus dem dunkeln Schacht geholt. Das freie Wort belästigt sie wie eine Mücke. Die Unglückseligen! Darum zählen sie auch die Bajonette, nicht die Herzen, und zittern, wenn der Feind so viel Bajonette mehr zählt als die vaterländische Macht. Es wird ihnen so bange, wenn ein anderer Staat fett und dick wird; sie wissen nicht, daß Fett keine Nerven hat, daß den Dicken der Schlag droht. Sie wissen nicht, daß es in unsern Tagen nur das Herz ist, welches siegt, welches erobert.

Es ist mit der Herrschbegierde wie mit der Eßlust. Bei schwachen Gemütern ist jene oft am stärksten, wie diese oft am größten ist bei Menschen von schwacher Verdauung.

Es ist nichts angenehmer, als aus einem Übel, das uns begegnet, Vorteil ziehen – und man kann das immer. Dieses ist in einem andern als dem gewöhnlichen, aber in einem schönern Sinne eine Schadenfreude. Man kann den Teufel nicht feiner prellen.

Der Verstand, als Blitzableiter des Unglücks, kann es an dem Herzen der Menschen unschädlich herabführen, vermag aber nicht, es abzuwenden.

Was nützen uns oft die wärmsten Freunde? Sie lieben uns höchstens wie sich selbst – aber wie lieben sie sich selbst!

Es gibt Fußpfade, die zu dem Geiste und Herzen der Menschen schneller und anmutiger führen als jene staubigen Heerstraßen einer feindlichen und grämlichen Lehre, auf welchen die Hartnäckigkeit den Angriff erwartet, sich verteidigend in den Weg stellt oder uns mit ihren Ausfällen zuvorkommt.

Man fand im Altertum geld- und geistreichere Menschen als jetzt, aber der Wohlstand war weniger verbreitet; es gab keine Bemittelte.

Vor allen Kindern, die uns begegnen, sollten wir uns tief und ehrfurchtsvoll verneigen; sie sind unsere Herren, für sie arbeiten wir. Ein Kind in der Hütte ist mehr als ein Greis auf dem Throne. Schon darum muß man suchen, Vater zu werden, um Kinder ohne Neid betrachten zu können.

Ein Zuckerbäcker in Spanien hat neulich erfunden, warmes Eis zu bereiten. Der Erfinder hat wahrscheinlich an Höfen gedient.

Liegt ein Vornehmer krank auf seinem Lager, dann eilt die bezahlte oder die bettelnde Sorgfalt, Stroh auszubreiten über das Pflaster der nah gelegenen Gassen, damit nicht der schwere Fuß des Lastträgers, noch der Trott der Pferde, noch die rasselnden Räder den Leidenden aus seinem Fieberschlummer stören. Dieser ist froh, daß die Welt so stille sei; aber die geschäftige Menge treibt sich umher wie immer, jeder wandelt seinen Weg der Lust und Not, die Wagen rollen nicht minder schnell, keiner verliert, und nur der Dieb gewinnt, daß er, wenn die Nacht herannaht, zögernden Schleichens überhoben, seiner Beute rascher entgegenstürzen darf ... So auch gehen Gedanken und Reden wie früher ihren gewohnten Weg, nur leisern Trittes, über die welche Decke hin, mit der man, empfindliche Köpfe zu schonen, die Straßen der öffentlichen Meinung belegt hat.

Beim Beginnen einer Unternehmung und unweit des Zieles ist die Gefahr des Mißlingens am größten. Wenn Schiffe scheitern, so geschieht es nahe am Ufer.

Die französische Revolution wird nach und nach in alle europäischen Sprachen übersetzt werden, und es ist nicht ratsam, dieses zu verhindern. Man nötigte hierdurch alle Welt, Französisch zu lernen, um das Original zu verstehen. Die Fehler des Originals aber könnten in der Übersetzung verbessert werden.

Schädliche Ideen werden oft nur durch Mitteilung unschädlich gemacht. Mancher Gedanke und manches Gefühl, in der Hirnschale und der engen dunkeln Brust eines Menschen sich entzündend, haben Zerstörung um sich her verbreitet und würden, hätten sie bei Tage und frei sich entladen dürfen, gefahrlos und lächerlich verpufft sein.

Die Freiheiten, die man zu Zeiten dem Volk gestattete, sollten nichts als eine Probe sein, ob wohl die Ketten noch gut anliegen. So geschieht es, daß man eine schon verschlossene Tür wieder öffnet, uni zu sehen, ob sie recht verschlossen war.

Man betrachte die Geschichte der Vergangenheit nicht als ein düsteres memento mori, sondern als ein freundliches Vergißmeinnicht, dessen Lehre man sich mit Liebe erinnern soll.

Mündliche Verleumdung ist das Geschoß aus einer Windbüchse: Man sieht das Schlachtopfer fallen, doch der Täter der geräuschlosen Tat bleibt unentdeckt. Gedruckte Übelrede ist die Kugel eines Pulvergewehres, wobei Knall und Licht den Mörder verraten und der Strafe überliefern.

Ihr Lehrer der Wahrheit, laßt euch nicht abschrecken, wenn die Zensur nach den Grundsätzen einer pharaonischen Polizei die neugeborenen Kinder eures ihr allzu fruchtbar dünkendes Geistes umbringen läßt. Einst wird doch einmal irgendein fürstliches Herz sich eines ausgesetzten Mosesgedankens erbarmen, ihn aufnehmen, erziehen, bilden – und dieser wird der Befreier seines Volkes.

Die Zufälle, als sinnentstellende Druckfehler im Geschichtsbuche der Menschheit, werden zwar wie in den andern Büchern hinter dem Werke verzeichnet; aber sie können nicht wie in jenen auch verbessert werden.

Es gibt politische Schriftsteller in Deutschland, denen es weder an Freimütigkeit noch an Einsicht, noch an Kraft der Rede gebricht und dennoch bewirken sie nicht, was sie sich vorbedacht und was zu wünschen wäre. Sie erreichen es darum nicht, weil sie, ängstlich, mißverstanden zu werden, unverständlich sind. Denn sie ahnen es nicht, wie ausgebreitet unter dem deutschen Volke der klare Sinn der rechtlichen Freiheit sei. Jene Schriftsteller machen es wie gemeine Leute, wenn sie mit Franzosen sprechen, die ihre eigene Muttersprache ausländisch radebrechen, weil sie glauben, sich so deutlicher zu machen.

Nicht allen Revolutionen gehen Zeichen und Warnungen vorher, es gibt auch eine politische Apoplexie.

Wenn eine Schrift ausgezeichnete neue Ideen enthält, deren Verbreitung aber bei den obwaltenden Verhältnissen bedenklich gefunden würde, so möge der Druck derselben zwar von der Zensur verboten werden, aber die Regierung sollte das Werk gegen eine Belohnung des Verfassers an sich bringen, um entweder die darin enthaltenen Lehren sogleich im stillen zu benutzen oder um die Schrift aufzubewahren, bis die Zeit kommt, wo die Bekanntmachung derselben zum allgemeinen Besten ersprießlich wird. Hierdurch würde die gefährlichste Folge des Preßdruckes, nämlich die Beschränkung des menschlichen Geistes und der Kindermord der Ideen vermieden werden. Von solchen dem Umlaufe entzogenen Werken bilde sich der Staat ein Ideenmagazin, das in Zeiten einer geistigen Hungersnot Rettung bringe.

Unglücklicherweise hat die sittliche Blindheit viel Ähnlichkeit mit der körperlichen. Eine angehende wird schwer gehoben, man muß den Star erst reif werden lassen. Aber darüber vergeht ein großer Tell des Lebens, und der endlich Geheilte findet eine neue, ihm unverständliche Welt. Was er früher begriffen hätte, sah er nicht, und was er jetzt sieht, begreift er nicht.

Ist es nicht möglich zu tadeln, ohne zu spotten, und zu spotten, ohne zu verwunden? Müssen Aufklärer den Lichtscheren gleich sein, die nur helle machen, indem sie schneiden? Verdrießliche Notwendigkeit!

Ein verrostet Schild flehte zur Sonne: Sonne, erleuchte mich! Da sprach die Sonne zum Schilde: Schild, reinige dich!

Die Erfahrung bereitet uns vorsorglich harte und trockene Lehren, welche als Schiffszwieback für das menschliche Herz ausdauern zur langen Seefahrt des Lebens. Wir müssen uns daran sättigen oder verhungern. Frische Nahrung genießt der Mensch nur zweimal: auf der seligen Insel der Kindheit und einst wohl in dem Hafen der Ruhe.

Lots Frau, weil sie stehenblieb und rückwärts sah, wurde in eine Salzsäule verwandelt. Das Salz, welches erhält, ist ein treffendes und warnendes Bild für die Konservatoren der alten Zeiten, die auch stehenbleiben und zurücksehen.

In Republiken wird das Gefühl der Freiheit erst in ihrem Mißbrauche zum Genuß, ja, die gesetzliche Freiheit selbst kann sich oft nur durch ihre Ausschweifungen erhalten.

Eine unbeschränkte Herrschaft gleicht einem Garten ohne Zaun. Der Besitzer kann freilich überall hinaustreten, aber der Fremde kann von allen Seiten hereinkommen.

Moral ist die Grammatik der Religion; es ist leichter, gerecht als schön zu handeln.

Es ist leicht den Haß, schwer die Liebe, am schwersten Gleichgültigkeit zu verbergen.

Was für den Körper der Schwindel ist, das ist Verlegenheit für den Geist.

Um Kindern Moral in Beispielen zu lehren, dazu gebraucht man die Geschichte. Das heißt, ihnen Schwert und Lanze als Messer und Gabel in die Hände geben.

Der Mensch ist wie eine Spieluhr. Ein unmerklicher Ruck – und er gibt eine andere Melodie an.

Warum Shakespeare auf deutschen Bühnen kein Glück macht? Weil man nicht gewohnt ist, mit Vorlegelöffeln zu essen.

Die Deutschen lassen sich leicht unter eine Hut bringen; aber unter einen, schwer. Sie sind nur einig, wo es etwas zu leiden gibt, wo zu tun, niemals.

Einen Dieb zum Nachtwächter und einen Jesuiten zum Zeitungsschreiber bestellen, das ist einerlei.

Wenn sie eine kleine Zeitung unter ihre Faust gebracht, frohlocken sie, daß sie den Strom der Zeit aufgehalten! Sie gleichen jenem dummen Teufel, der die Quelle in Donaueschingen mit seiner Hand bedeckte und dabei lachend ausrief: Wie werden sie sich in Wien wundern, wenn auf einmal die Donau ausbleibt.

Eine schwache Regierung zu stärken, muß man ihre Macht vermindern. Die Staatspfuscher begreifen das nicht.

Man kann die Gedanken wie die Naturkörper ordnen; sie stehen auf niederer oder höherer Stufe, gleich Steinen, Pflanzen, Tieren. Es gibt mineralische, vegetabilische und tierische Ideen. Den deutschen Ideen, so kostbar sie auch sind, fehlt es an Leben. Ein Demant ist mehr wert als ein Ochs; aber ein Ochs lebt.

Die Geschichte lehrt uns die Tugend, aber die Natur predigt unaufhörlich das Laster.

Das Unglück ist der Ballast, der uns auf dem Ozean des Lebens im Gleichgewichte erhält, wenn wir keine Glücksgüter mehr zu tragen haben.

Das Philosophieren ist eine angeerbte Krankheit des menschlichen Geistes, der Fluch des mit Schmerzen Gebärens.

Ein Mann von Geist wird nicht allein nie etwas Dummes sagen, er wird auch nie etwas Dummes hören.

Jede Stunde, dem Hasse vergeudet, ist eine Ewigkeit, der Liebe entzogen.

Wenn es in Waffenkriegen oft bedenklich ist, auf dem Schlachtfelde zu kämpfen, das der Feind anbietet, ist es in Meinungsstreitigkeiten immer rätlich, sich auf den Standpunkt zu stellen, den sich der Gegner gewählt.

Der Deutsche ist keusch und fordert von jedem, der sich mit einer Idee vermählt, eheliche Treue. Darum tadelt er auch so bitter jene Zeitungen, die als schlaue Kammerzofen der Zeit allen zärtlichen Launen ihrer Gebieterin schmeicheln und forthelfen. Aber das ist eine falsche Tugend. Seiner Handlungsweise muß man ergeben bleiben; dem Denker aber ist ein Harem erlaubt, damit er dem Zuge der Schönheit folge, nicht dem Zwange des Systems.

Frankreich ist das Ziffernblatt Europas; hier sieht man, welche Zeit es ist, in andern Ländern muß man die Uhr erst schlagen hören, um die Stunde zu erfahren – man verhört sich aber leichter, als man sich versieht.

Löwen und Despoten sehen schärfer in der Dunkelheit als bei Tage.

Wir werden erzogen, als sollten wir Könige werden. Was wir nicht alles lernen! – als sei Gehorchen so eine schwere Wissenschaft!

Jede Revolution endet, wie sie angefangen; wer daher nur versteht, die wesentlichen Erscheinungen einer Revolution von den zufälligen zu unterscheiden, kann sicher vorhersagen, wie sich die Geschichte dieses oder jenes Staates entwickeln wird. Wo wird Frankreich stille stehen? An der Stelle, von der es 1789 ausgegangen. Damals wollten die Franzosen eine konstitutionelle Monarchie – und sie wird ihnen werden. Weder die Republikaner, welche das Königtum umstürzen, noch die Ultras, welche die Konstitution vernichten wollen, erreichen ihren Zweck.

Ein französischer Arzt hat kürzlich eine Abhandlung über das Schreien und Weinen kleiner Kinder geschrieben und dargetan, daß die Kinder davon dumm würden. Jetzt wissen wir auch, warum man das Schreien verbreitet.

Gleich den Hunden auf der Straße, die hinter den Wagenrädern herlaufen und sie anbellen, rennt man schreiend und die Zähne fletschend hinter den Freigesinnten her, die doch nur die Räder sind der rollenden Zeit. Den lenkenden Geist aber, der sicher und bequem in der Kutsche sitzt, erreichen sie, ja, sie gewahren ihn nicht!

Wie wird es enden? ... Man hat eine Geschichte von einem jungen Offizier, der in seiner ersten Schlacht, bleich und zitternd, gedrängt zwischen der Liebe zum Leben und der Liebe zur Ehre, zu schwach, dem Triebe der Natur zu widerstehen, zu stark, ihm zu weichen, sich selbst tötete und starb aus Furcht zu sterben.... So wird es enden – nur war es dort nicht der Feldherr, welcher zitterte.

»Das Vaterland und die Menschheit verlieren an ihm viel« – sagte die Trauerrede. An wem? An Voltaire, Friedrich dem Großen, Washington, Franklin, an Napoleon etwa? Keineswegs; es ist von irgendeinem Polizeidirektor die Rede, der in irgendeiner kleinen Stadt vor kurzem gestorben ist ... Der Verstorbene war gewiß ein guter Vater, ein guter Sohn, ein guter Gatte, ein treuer Untertan, ein redlicher Beamter – aber das Vaterland, aber die Menschheit! Solche aufgeblasenen Redensarten finden sich in jedem Wochenblättchen. Von einem jungen Mädchen, das gestorben, heißt es: es sei im 18. Jahre seines tätigen Lebens aus der Welt geschieden! Des Kanzleistils eurer dumpfen Begeisterung, des Kommisstils eurer unschmackhaften Schmeichelei, könnt ihr euch seiner nie entwöhnen? Ist es nicht möglich, ist es gar nicht möglich, daß ihr besser und gesünder werdet?

Es gibt zwei Arten, Früchte vor Fäulnis zu bewahren und sie eßbar zu erhalten: durch Essig und durch Zucker. Die Konservatoren der alten Zeit haben den Essig gewählt. Warum den Essig, da er vielen widersteht, warum nicht lieber den Zucker, womit man Weiber, Kinder, Fliegen und die Menge lockt? ... Aber desto besser; sauer oder süß, die alte Zeit ist eine ungesunde Lebensnahrung.

»Der Mensch denkt's, Gott lenkt's« ... Das ist nun wieder nicht wahr. Wenn Gott lenken will, macht er, daß die Menschen nicht denken, er läßt sie den Kopf verlieren.

Es wird noch dahin kommen, daß man in politischen Schriften sich nur der Vokale wird bedienen dürfen. A, e, i, o, u – nichts Allgemeineres als das. Diphthonge haben schon viel Unbescheidenes, und man wird sie bloß in seltenen Fällen verstatten, wo es nottut, das Volk zu begeistern so etwa in Befreiungskriegen.

Deutschlands Hemmschuh, man wisse ihn zu achten; Torheit, ihn zu schmähen, weil er aufhält! Die zahmsten Pferde, die besonnensten Wagenführer machen ihn nicht überflüssig. Die Zwingburgen lagen so hoch, der Weg ist gar zu steil.

Ein Geck hatte zwei Wintermonate in Paris zugebracht. Als er nun in die Heimat zurückgekehrt, zierte er sich immerfort französisch zu reden. Da fragte ihn ein Spötter: Lieber Freund, wissen Sie auch, wie Gewitter auf französisch heißt? ... Man könnte diese Frage den Diplomatikern machen. Sie haben das Land der Menschheit im Winter bereist und glauben es zu kennen. Wissen Ew. Exzellenz, was ein Gewitter ist?

Es ist erstaunlich, wie sehr die Journalisten an Feinheit, Gewandtheit, Zweideutigkeit, Unerforschlichkeit und allen übrigen diplomatischen Tugenden täglich zunehmen, und nach einigen Jahren, wenn die Zensur so lange fortdauert, wird man die Gesandtschaftsstellen nur mit Zeitungsschreibern besetzen. Statt zu sagen Rußland, sagen sie: »eine große nordische Macht«; statt zu sagen Österreich, sagen sie: »eine große süddeutsche Macht«. Die Hälfte der Konjugationen der Zeitwörter gerät ganz in Vergessenheit, denn man gebraucht keine Indikative mehr, sondern nur noch Konjunktive. Man schreibt nicht: »Tunis ist ein Raubstaat«, sondern: »Wenn es einen Staat gäbe, der mitten im Frieden Handelsschiffe anderer Nationen wegnähme, so könnte ein solcher Staat allerdings ein Raubstaat genannt werden.« Welch ein Heimlichtun! Das ist wie auf Maskenbällen, wo man schon für maskiert gilt, wenn man die Maske an den Hut steckt.

Es ist eine schöne Erfindung unserer Zeit, den Gelddurst der Gegenwart mit den Weinlesen der Zukunft zu stillen und auf die bequemste Art von der Welt lustig in den Tag hineinzuzechen. Unsere Enkel werden auch so klug sein als wir und auf ihre Nachkommenschaft Wechsel ausstellen. Diese treibt es dann so fort. Endlich am jüngsten Tage wird es auf der ganzen Erde nur ein einziges Lumpenvolk geben, mit dem sich der Teufel selbst nicht wird befassen wollen. Dann kommen die Armen in den Himmel, und die Christenheit wird es mit Beschämung erfahren, daß sie der Judenschaft ihre ewige Seligkeit zu verdanken hat.

Wenn Uhrmacher den Zeiger auf eine frühere Stunde setzen wollen, dann drehen sie ihn nicht zurück, sondern sie lassen ihn vorwärts den ganzen Kreis durchlaufen, bis er auf die gehörige Stunde kommt. Nun ist zwar die Menschheit keine Uhr; da es aber Leute gibt, die sie dafür ansehen, so sollten sie auch nach den Regeln der Mechanik verfahren.

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