Ein und zwanzigster Abschnitt.

Bruchstück einer Schrift über die Bekehrung des Sünders.

Wenn Gott eine Seele aus Gnaden würdigt sie wahrhaft zu rühren, so ist das erste, was er ihr einflößt, eine ganz außerordentliche Kenntniß und Einsicht, durch welche sie die Dinge und sich selbst auf eine ganz neue Art betrachtet.

Dieses neue Licht erweckt in ihr Furcht und erregt ihr eine Unruhe, welche die Ruhe stört, die sie bisher in den Dingen fand, die ihre Freuden ausmachten.

Sie kann die Gegenstände, die sie erfreuten, nicht mehr mit Ruhe genießen. Ein fortwährender Zweifel ficht sie bei diesem Genusse an und diese innere Einsicht läßt sie nicht mehr jene gewohnte Süßigkeit finden mitten unter den Dingen, denen sie sich mit voller Herzensergießung ergab.

Aber sie findet noch mehr Bitterkeit in den Uebungen der Frömmigkeit als in den Eitelkeiten der Welt. Von der einen Seite zieht die Eitelkeit der sichtbaren Gegenstände sie mehr an als die Hoffnung der unsichtbaren; und von der andern zieht die Beständigkeit der unsichtbaren sie mehr an als die Eitelkeit der sichtbaren. Und so erregt die Gegenwart der einen und die Abwesenheit der andern ihren Widerwillen dergestalt, daß in ihr eine Unordnung und Verwirrung entsteht, die ihr schwer fällt zu entwirren, die aber die Folge ist von alten lange empfundenen Eindrücken und von den neuen, die sie ernährt. Sie betrachtet die vergänglichen Dinge als vergehend und selbst schon vergangen und bei der gewissen Aussicht auf die Vernichtung alles dessen, was sie liebt, erschrickt sie in dieser Betrachtung, da sie sieht, daß jeder Augenblick ihr den Genuß ihres Guts entreißt und daß das, was ihr das Theuerste ist, mit jedem Moment hinschwindet, und daß endlich gewiß ein Tag kommen wird, an dem sie sich entblößt sehn wird von allen den Dingen, auf welche sie ihre Hoffnung gesetzt hatte. So begreift sie vollkommen, daß, wenn das Herz sich nur an vergängliche und eitle Dinge gehängt hat, die Seele sich am Ausgange aus diesem Leben allein und verlassen finden muß, weil sie nicht darauf bedacht gewesen ist sich an zu schließen an ein wahrhaftes und selbstständiges Gut, welches sie sicher stellen könnte während und nach diesem Leben.

Daher kommt es, daß sie anfängt als ein Nichts zu betrachten alles, was zurückkehren muß ins Nichts, den Himmel, die Erde, ihren Leib, ihre Verwandte, ihre Freunde, ihre Feinde, die Güter, die Armuth, das Unglück, das Glück, die Ehre, die Schande, die Achtung, die Verachtung, das Ansehn, die Dürstigkeit, die Gesundheit, die Krankheit und das Leben selbst. Genug alles, was kürzer dauern soll als die Seele, ist unfähig zu befriedigen das Verlangen der Seele, die ernstlich sucht sich in einer Glückseligkeit fest zu stellen, die eben so dauerhaft wäre als sie selbst.

Sie beginnt zu erstaunen über die Blindheit, in die sie versenkt war und wenn sie von der einen Seite erwägt die lange Zeit, da sie gelebt hat ohne diese Betrachtungen an zu stellen und die große Zahl von Menschen, die eben so leben, und von der andern, wie sehr es ausgemacht ist, daß die Seele unsterblich, wie sie ist, ihre Glückseligkeit nicht finden kann unter Dingen, die vergänglich sind und die ihr wenigstens beim Tode werden genommen werden, so geräth sie in eine heilige Verwirrung und in ein Erstaunen, welches ihr eine sehr heilsame Unruhe erregt.

Denn sie bedenkt: wie groß auch die Zahl derer sei, die in den Grundsätzen der Welt alt werden und welches Ansehn auch die Menge von Beispielen derer, die ihre Glückseligkeit auf die Welt gründen, haben möge, so ist doch nichts desto weniger ausgemacht, daß, selbst wenn die weltlichen Dinge einiges wahre Vergnügen enthielten(was für falsch erkannt ist durch eine unendliche Zahl von so traurigen und so fortgesetzten Erfahrungen), der Verlust dieser Dinge unvermeidlich ist im Augenblick, wo der Tod uns endlich ihrer berauben muß.

Also wenn die Seele Schätze zeitlicher Güter, von welcher Art sie auch seien, sich zusammengehäuft hat, sei es Gold, sei es Wissenschaft, sei es Ruhm, so ist es eine umgängliche Nothwendigkeit, daß sie sich von allen diesen Gegenständen ihrer Glückseligkeit entblößt findet und daß daher, wenn sie im Stande gewesen sind ihr zu genügen, sie doch nicht im Stande sein werden ihr immer zu genügen und daß, wenn dieses sich ein wahres Glück verschaffen heißt, es doch nicht heißen kann sich ein dauerhaftes Glück verschaffen, weil es begrenzt sein muß mit dem Lauf dieses Lebens.

So durch eine heilige Demuth, die Gott erhöht über den Stolz, fängt sie an sich zu erheben über den gemeinen Haufen der Menschen. Sie verdammt ihren Wandel, sie verabscheut ihre Grundsätze, sie beweint ihre Blindheit, sie legt sich auf die Erforschung des wahren Guts, sie begreift, daß es diese beiden Eigenschaften haben muß, erstlich daß es dauere so lange als sie und dann daß es nichts Liebenswertheres gebe.

Sie sieht, daß sie bei der Liebe, die sie für die Welt gehabt hat, an der Welt diese zweite Eigenschaft in ihrer Verblendung fand, denn sie erkannte nichts Liebenswertheres. Aber da sie hier nicht die erste sieht, erkennt sie, daß dies nicht das höchste Gut ist. Sie sucht es also anderswo, und da sie durch einen ganz reinen Verstand erkennt, daß es nicht ist in den Dingen, die in ihr sind oder außer ihr oder vor ihr, so fängt sie an es über sich zu suchen.

Diese Erhebung geht so hoch und übersteigt alles, so daß sie nicht stehn bleibt beim Himmel(er vermag ihr nicht zu genügen), noch über dem Himmel, noch bei den Engeln, noch bei den vollkommensten Wesen. Sie geht hindurch durch alle Creaturen und kann ihr Herz nicht eher anhalten, als bis sie zum Throne Gottes gelangt ist, in welchem sie beginnt ihre Ruhe zu finden und jenes Gut, welches so ist, daß es nichts Liebenswertheres giebt und welches ihr nicht genommen werden kann als mit ihrer eignen Zustimmung.

Denn wenn sie auch noch nicht jenen Freuden empfinden, mit welchen Gott die Geübtheit in der Frömmigkeit belohnt, begreift sie doch, daß die Geschöpfe nicht liebenswerther sein können als der Schöpfer, und ihre Vernunft, unterstützt durch das Licht der Gnade, läßt sie erkennen, daß es nichts Liebenswertheres giebt als Gott und daß er nicht genommen werden kann als nur denen, die ihn verwerfen; denn ihn begehren ist ihn besitzen und ihn verwerfen ist ihn verlieren.

So freut sie sich ein Gut gefunden zu haben, das ihr nicht geraubt werden kann, so lange sie es begehren wird und das nichts über sich hat.

Und in diesen neuen Betrachtungen gelangt sie zur Einsicht in die Größe ihres Schöpfers und zu tiefen Erniedrigungen und Anbetungen. Sie demüthigt sich tief in seiner Gegenwart. Sie ist nicht im Stande einen Begriff von sich selbst zu bilden, der niedrig genug wäre, noch einen Begriff von diesem höchsten Gut zu fassen, der erhaben genug wäre und so strengt sie sich aufs Neue an um sich bis zu den letzten Abgründen des Nichts zu erniedrigen, indem sie Gott betrachtet in Unermeßlichkeiten, die sie auf einander häuft. Endlich in dieser Auffassung, die ihre Kräfte erschöpft, betet sie ihn im Stillen an, sie betrachtet sich als sein verächtliches und unnützes Geschöpf und mit wiederholten Bezeugungen ihrer Ehrfurcht betet sie ihn an und segnet ihn und möchte ihn für immer segnen und anbeten.

Darnach erkennt sie die Gnade, die er ihr erwiesen hat seine unendliche Majestät einem so armseligen Wurm zu offenbaren, sie fängt an sich zu schämen, daß sie diesem göttlichen Herrn so viele Eitelkeiten vorgezogen hat und getrieben von Reue und Buße nimmt sie ihre Zuflucht zu seinem Mitleid um seinen Zorn an zu halten, dessen Wirkung ihr im Anblick seiner Unermeßlichkeiten furchtbar erscheint.

Sie richtet heiße Gebete zu Gott um von seiner Barmherzigkeit zu erhalten, daß, wie es ihm gefallen hat sich ihr zu offenbaren, es ihm auch gefalle sie zu ihm zu führen, und ihr es möglich zu machen, daß sie zu ihm komme. Denn es ist Gott, wonach sie strebt und sie strebt auch nicht anders zu ihm zu gelangen als durch Mittel, die von Gott selbst kommen, weil sie will, daß er selber sei ihr Weg, ihr Gegenstand und ihr letztes Ziel. In Folge dieser Gebete begreift sie, daß sie ihren neuen Einsichten gemäß handeln muß.

Sie beginnt Gott zu kennen und verlangt zu ihm zu kommen, aber da sie die Mittel nicht weiß um dahin zu gelangen, wenn ihr Verlangen aufrichtig wahrhaft ist, macht sie es eben so wie wenn jemand an einem Orte an zu kommen wünschte, aber den Weg verloren hätte und seine Verirrung erkennet, er würde doch seine Zuflucht zu denen nehmen die, die diesen Weg genau kennen: eben so befrägt sie die, welche sie belehren können über den Weg, der zu dem Gott führt, den sie so lange Zeit verlassen hat. Aber indem sie frägt um den Weg kennen zu lernen, entschließt sie sich den Rest ihres Lebens der erkannten Wahrheit gemäß ein zu richten und da ihre natürliche Schwäche verbunden mit der Gewohnheit der Sünde, in der sie gelebt hat, sie dahin gebracht haben, daß sie unvermögend ist die Glückseligkeit zu erreichen, die sie begehrt, so ersteht sie von seiner Barmherzigkeit die Mittel zu ihm zu kommen, sich an ihn zu hängen, an ihm zu hangen ewiglich. Ganz beschäftigt mit dieser Schönheit, so alt und so neu für sie, fühlt sie, daß alle ihre Bewegungen sich nach diesem Gegenstande hinwenden müssen; sie begreift, daß sie hienieden an nichts mehr denken soll als nur daran Gott an zu beten als erschaffene, ihm Dank u bringen als verschuldete, ihm genug zu thun als strafbare, ihn zu bitten als dürftige, bis sie nichts mehr zu thun habe als ihn zu sehn, zu lieben, zu loben in Ewigkeit.

 Top