Bibliographischer Anhang.

Seite 8: Zu dem ersten Satz der Regel 5 hat Schopenhauer (in der S. 170 zu erwähnenden Handschrift Nr. 29) unter den Text gesetzt: Wortspiel mit dora und adora.

Seite 75: Zu dem Wort »ahnden« in Regel 144 hat Schopenhauer an den Rand seines Manuskripts geschrieben:

NB. dem Setzer: »ahnden«, nicht »ahnen, welches gar kein deutsches Wort ist.

Seite 134: Der »Große Feldherr« in Regel 265. Das Adjektiv ist von Schopenhauer absichtlich mit der Majuskel geschrieben, denn es handelt sich um die Uebersetzung von »Gran Capitan«, ein Beiname des berühmten Gonsalvo di Cordova, den er 1498 für die Eroberung des Königreichs Neapel erhielt.

I.

Schopenhauer's Gracian-Handschrift

Schopenhauer's Originalhandschrift der vorliegenden Übersetzung Gracian's befindet sich auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin (Schopenhauer's Nachlass No. 23, ein starker Band in Ouarto, unpaginirt). Dies vollständig druckfertige Manuskript hatte Schopenhauer im Jahre 1832 seinem Freunde, dem bekannten Hispaniologen, Hofrath I. O. Keil in Leipzig übersandt, um ihm für das Buch einen Verleger zu verschaffen. [1] Zu diesem Behufe hatte er die Übersetzung mit einer »Litterarischen Notiz für den Verleger« begleitet, welche, 8 Seiten umfassend, in der Berliner Originalhandschrift dem Texte vorgeheftet ist und folgendermaaßen lautet:

Litterarische Notiz zu Gracians Handorakel der Weltklugheit

Für den Verleger

Das seit anderthalb Jahrhunderten in Europa berühmte Buch Gracians erschien in Spanien 1653. [2] Bald darauf machte Amelot de la Houssaye eine französische Übersetzung, welcher er den selbsterfundenen Titel l'homme de cour de Gracian gab, der gar nicht paßt, da das Buch keineswegs bloß auf Hofleute berechnet ist, sondern für Weltleute jeder Art. Seine Uebersetzung ist unvollkommen und fehlerhaft, weil er das Original, welches sehr schwer ist, nicht gehörig verstand. Dennoch wurde, nicht lange darauf, seine französische Uebersetzung zwei Mal ins Deutsche übersetzt, und noch dazu sehr schlecht. Dann machte ein Dr. Müller in Leipzig Anno 1717 eine deutsche Uebersetzung nach dem Spanischen Original, um die Unvollkommenheit der französischen ins gehörige Licht zu setzen. Dieser Müller hat zwar das Original meistens richtig verstanden: allein er hat keine eigentliche Uebersetzung, sondern eine Paraphrase des Textes gegeben, die so weitschweifig ist, daß sein § immer 3 bis 4 Mal so lang ist als der Spanische, wobei die kernige Kürze, die dem Gracian wesentlich ist, ganz verloren gegangen: Gracian überläßt den Uebergang von Einem Gedanken zum andern meistens dem Nachdenken des Lesers: Dr. Müller hat ihm diese Mühe ersparen wollen: daher die Breite. Ueberdies schreibt er im unerträglichen, steifen, mit Lateinischen und Französischen Brocken gespickten Stil seiner Zeit; so daß er jetzt durchaus nicht mehr zu lesen ist. Da er nun seiner Paraphrase noch sehr ausgedehnte moralische Anmerkungen, die an Langweiligkeit alle Vorstellung übertreffen, beifügte, auch den Spanischen Text jedem § beidrucken ließ, so besteht sein Buch aus 2 Bänden in 8° von mehr als 1500 Seiten zusammen. Heut zu Tage ist es in jeder Hinsicht unbrauchbar. Darauf erschien 1750 in Wien eine Lateinische Uebersetzung «des Gracianischen Handbuchs, welche eingeständlich bloß nach der Französischen des Amelot de la Houssaye verfertigt ist und auch den Titel dieser führt: Homo aulicus. Dazu ist sie in einem so schlechten und sonderbarem Latein, daß sie äußerst schwer zu verstehen ist. Seitdem ist, meines Wissens, nichts geschehn: es müßte denn etwa in Italien oder England seyn. Denn eigentlich verdient keine Erwähnung ein kleines, schlechtes Machwerk, welches 1826 erschien unter dem Titel: Das schwarze Buch [3] oder Lehren der Lebensweisheit Gracians. in 16°. Preis 6 Ggr. – Dies ist eines der Produkte der Buchmacherei, womit sie jede bemerkte Lücke in der Litteratur durch eine Schmiererei auszufüllen eilt. Der Verfasser, der, dem Stile nach zu urtheilen, ohngefähr ein Prinzlicher Kammerdiener seyn möchte, hat die alte Französische Übersetzung vor sich gehabt: aus dieser hat er nun hin und wieder allerlei einzelne Sätze, die ihm gefielen, übersetzt, diese nunmehr, ganz aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, unter gewisse, selbstgemachte Rubriken zusammengestellt und sie mit seinen eigenen Gedanken verbunden und zusammengekittet: wodurch heterogene Dinge zusammenstehn. Das Ganze ist kaum halb so lang als gegenwärtiges Hand-Orakel und enthält zudem noch manches was gar nicht von Gracian ist. Mit gegenwärtigem Hand-Orakel ist es also in keinem Betracht als dasselbe Buch anzusehn.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß von Gracian's noch immer so allgemein bekanntem Werk durchaus keine lesbare deutsche Übersetzung vorhanden ist, eine richtige und genaue aber in gar keiner Sprache, weshalb die Liebhaber sich mit der veralteten und unvollkommenen französischen begnügen müssen. Daher nun tritt, in gegenwärtiger Uebersetzung, dieses Buch mit einem alten Ruhm und zugleich doch so gut als völlig neu auf. Dabei ist es durchaus das Einzige seiner Art und nie ein anderes über denselben Gegenstand geschrieben worden: denn nur ein Individuum aus der feinsten aller Nationen, der spanischen, konnte es versuchen. Knigge und Karl aus dem Winkel, über den Umgang mit Menschen, haben nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit, selbst dem Gegenstande nach, mit diesem Buch; in der Ausführung stehen sie unermeßlich weit davon ab. Dasselbe lehrt die Kunst, deren Alle sich befleißigen und ist daher für Jedermann. Besonders aber ist es geeignet, das Handbuch aller Derer zu werden, die in der großen Welt leben, ganz vorzüglich aber junger Leute, die ihr Glück darin zu machen bemüht sind, und denen es mit Einem Mal und zum voraus die Belehrung giebt, die sie sonst erst durch lange Erfahrung erhalten. – Das einmalige Durchlesen ist offenbar durchaus unzulänglich, vielmehr ist es zu anhaltendem, gelegentlichen Gebrauche gemacht und recht eigentlich ein Gefährte für das Leben: daher wird, wer es gelesen, oder auch nur darin geblättert hat, es besitzen wollen, welches der in jedem Fall geringe Preis leicht machen wird. Auch werden alle die, welche seit ihrer Jugend es bloß dem Rufe nach, oder aus der Französischen oder Lateinischen Uebersetzung kennen, gern eine authentische, genaue und elegante deutsche Übersetzung erscheinen sehn. Auch in Oesterreich kann dies Buch nicht verboten werden. Gracian war ein Spanischer Geistlicher. Es muß ein eleganter 12° Band werden von etwa 250 Seiten.

Diese Übersetzung ist durchaus nach dem Spanischen Original, ohne daß ich irgend eine Übersetzung dabei zur Hand gehabt hätte, mit besonderer Liebe und Sorgfalt gemacht und giebt nicht nur den Sinn des Originals vollkommen wieder, sondern auch den Geist und den gedrungenen, sentenziösen, wortkargen Stil, der dem des Lehrbriefes im Wilhelm Meister am nächsten kommt; so weit es in der von der Spanischen so himmelweit verschiedenen Deutschen Sprache, ohne schwer verständlich zu werden, irgend möglich war. Eine Vergleichung gegenwärtiger mit irgend einer der vorhandenen Übersetzungen wird einen überraschenden Unterschied zeigen, und auch ohne Kenntniß des Originals wird man leicht sehen können, wer diesem am treuesten ist. Einige wenige und ganz kurze Noten habe ich, besonders mit Rücksicht auf ungelehrte Leser, hinzugefügt: das Original hat gar keine.

Soeben erhalte ich noch »Gracian's Mann von Welt frei bearbeitet von Heidenreich in einem Nachdruck Reutlingen 1804; die ächte Ausg. scheint 1803 bei Martini in Leipzig, der das M. S. nach dem Tode Heidenreichs in Auktion erstanden hat, erschienen zu seyn. Diese Uebersetzung ist wahrscheinlich die beste vorhandene, jedoch, wie alle übrigen, nach dem Französischen, und daher sehr schlecht: vom Stil, Ton und Geist Gracian's ist nicht die leiseste Spur, vielmehr an dessen Stelle ein breiter, gemeiner, ekelhafter Predigerton getreten; und selbst der Sinn ist fast in jedem § verfehlt oder verunstaltet, oder so verkürzt, daß nicht die Hälfte dasteht: auch sind, statt 300 §§, nur 274 da. Nichts ist tauglicher den Werth meiner nach dem Original abgefaßten Übersetzung zu zeigen, als die Vergleichung mit dieser Heidenreich'schen, die gleichsam das Resultat aller bisherigen, sämmtlich nach dem Französischen gemachten Übersetzungen ist. Durch diese Vergleichung allein kann man den relativen Werth meiner Übersetzung beurtheilen, wie durch Vergleichung mit dem Spanischen Original den absoluten. Ich wünsche sehr, daß man beide anstelle.

Auf diese – hier als solche zum ersten Male wiedergegebene – »litterarische Notiz« folgt dann das Titelblatt, [4] welches ich oben (S. 3) reproducirt habe: nur fehlen in der Originalhandschrift die Worte:

»von Arthur Schopenhauer«

woraus sich vermuthen läßt, daß Schopenhauer seine Arbeit damals anonym herausgeben wollte.

Außer der im Vorstehenden beschriebenen Handschrift befindet sich auf der Berliner Bibliothek noch ein zweites Gracian-Manuskript Schopenhauer's (Schopenhauers Nachlass No. 29; ein unpaginirtes Heft in Quarto), welches den Titel führt:

Balthasar Gracian'sOrakel Weltklugheit in dreihundert Lebensregeln aus dem Spanischen Original aufs Neue übersetzt von Felix Treumund.

Auf eine vorangehende »Litterarische Notiz« (4 Seiten) folgen hier die Regeln 1-50. Obwohl dieses Manuskript ebensowenig ein Datum der Abfassung trägt wie das Manuskript Nr. 23, ergiebt sich doch aus einer Vergleichung des Textes der litterarischen Notiz und der 50 Regeln mit dem Text der vollständigen Handschrift, daß wir hier nur Schopenhauers ersten Versuch einer Gracian-Uebersetzung haben, der von ihm zum Druck bestimmte, definitive Text aber allein in der Handschrift Nr. 23 vorliegt.

Bei meiner Herausgabe der letzteren hatte ich daher auf jene frühere keinerlei Rücksicht zu nehmen. Meine Ausgabe ist die erste, welche Schopenhauer's Handschrift genau, bis auf die kleinsten Eigenthümlichkeiten seiner Orthographie und Interpunktion, wiedergiebt.

Einen durchweg unzuverlässigen Abdruck der Handschrift hat, zwei Jahre nach Schopenhauer's Tode, Julius Frauenstädt gegeben (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1862).

II.

Das spanische Original.

Die, sehr seltene, Editio princeps führte folgenden Titel: oracvlo manval y arte de prvdencia. Sacada de los aforismos que le discurren en las obras de Lorenço Gracian. Publicala D. Vicencio Juan de Lastanosa. Y la dedica al Excelentissimo Señor D. Luis Mendez de Haro. Con licencia. Madrid, Francisco Lamberto, 1653. [160 pp. in 24°]

Während die Nationalbibliothek zu Madrid kein Exemplar dieser ersten Ausgabe besitzt, befindet sich dieselbe auf dem British Museum. (Catalogue of printed books. London 1888. Artikel Gracian).

Die vorgedruckte »Aprobacion del Padre Alonso Muños de Otalora de los Clerigos Menores, Calificador de 1a Suprema«, also die Druckerlaubniß der geistlichen Censur, trägt das Datum »a 14 de Mayo de 1653«.

Die nächste bekannte Ausgabe erschien zu Amsterdam »En casa de Juan Blaeu 1659 [166 pp. in 24°]. Der Titel stimmt mit dem der Originalausgabe genau überein. Wir haben bereits oben (S. 166) gesehen, daß Schopenhauer diese Ausgabe seiner Übersetzung zu grunde gelegt hat. Das Exemplar, aus welchem er übersetzt hat, befindet sich jetzt in meinem Besitz (vgl. Edita und Inedita Schopenhaueriana S. 103 ff.).

Die Amsterdamer Ausgabe von 1659 ist die früheste, welche die Nationalbibliothek in Madrid besitzt, woraus vielleicht zu schließen, daß zwischen 1653 und 1659 andere Ausgaben des »Oraculo« nicht erschienen sind. Die nächstfolgende, in Spanien erschienene Ausgabe, welche ich auf jener Bibliothek vorfand, war die von 1664 in den »Obras de Lorenzo Gracian. Tomo primero. Que contiene El Criticon, Primera, Secunda y Tercera Parte. El Oraculo. Y el Heroe ... Ultima, impression mas corregida ... En Madrid. Por Pablo de Val. Año de 1664. Das »Oraculo« nimmt daselbst die Seiten 449–513 ein.

Weitere Madrider Ausgaben kamen 1720 und 1773 heraus, außerdem eine zu Barcelona 1757: sämmtlich in zwei Bänden in Quarto. – Vor den, von Schopenhauer erwähnten Antwerpener Ausgaben erschienen noch zwei daselbst, die erste 1669 (2 Bände in 4°: das »Oraculo« steht hier im 2. Bande S. 639–440), die zweite 1702, in deren Besitz Schopenhauer erst kam, nachdem er die Übersetzung beendet hatte (vgl. meine »Edita und Inedita« S. 177).

Verfasser der Aphorismen des »Oraculo« war der, im Jahre 1604 zu Calatayud in Aragon geborene, Jesuitenpater Baltasar Gracian, Rektor des Kollegiums zu Tarragona in der Provinz Cataluña, gestorben, im Alter von 54 Jahren, am 6. December 1658. Der Herausgeber des Büchleins war der als Numismatiker bekannte aragonische Gelehrte, von dem Gracian in einem seiner Werke sagt: nuestro mayor amigo don Vincenzio Juan de Lastanosa, benemerito universal de todo lo curioso, selecto gustoso, en libros, monedas, estatuas, piedras, antiguedades, pinturas, flores, y en una palabra, su casa es un emporio de la mas agradable y curiosa variedad« (»Agudeza y Arte de Ingenio« discurso XII). Lastanosa hatte auch die, in dem »Oraculo« ausgezogenen Schriften seines Freundes herausgegeben. Wenn er auf den Titeln dieser Schriften, ebenso wie auf dem des »Oraculo«, seinen Autor mit dem Vornamen Lorenzo nennt, so ist der Grund, daß Baltasar Gracian als Geistlicher seine weltlichen Bücher nicht mit seinem richtigen Namen in Druck ausgehen lassen wollte: Lorenzo Gracian ist also der Schriftstellername Baltasar Gracian's. Don Nikolas Antonio de Sevilla vermuthet in seiner »Bibliotheca Hispana«: Lorenzo sei ein Bruder Baltasars gewesen: indessen erwähnt Gracian in seiner schon citirten Schrift »Agudeza« öfter seiner drei Brüder Pedro, Filipo und Remondo – alle drei Geistliche –, er scheint also einen Bruder mit Namen Lorenzo nicht besessen zu haben. In seiner letzten, kurz vor seinem Tode, unter seinem richtigen Namen herausgegebenen geistlichen Schrift »El Comulgador ... por el P. Baltasar Gracian de la Compañia de Jesus, Letor de Escritura« hat Gracian übrigens seine früheren weltlichen Werke ausdrücklich anerkannt. Während er nämlich in der »Al letor« überschriebenen Vorrede zu diesen fünfzig Kommunionsbetrachtungen sagt: »Unter den verschiedenen Büchern, zu deren Vater man [d.h. der Freund Lastanosa] mich gemacht, erkenne ich nur dieses allein als meinen legitimen Sohn an, da ich dieses Mal mehr meinem Herzensdrange, als [wie bei den früheren Büchern] meinem Genie gefolgt bin« (Entre varios libros, que se me han prohijado, este solo reconozo por mio, digo legitimo sirvuiendo esta vez al afecto mas que al ingenio) so sagt er andererseits in der Widmung des »Comulgador« an die Marquesa de Valdueza: »Dies kleine Buch tritt als ein großer Nebenbuhler um die vielfältige Gunst auf, mit welcher Eure Excellenz den »Heroe«, den »Discreto« und das »Oraculo« nebst den andern Brüdern derselben, beehrt haben.« (Emulo grande es este pequeño libro de la mucha cabida que halloron en el agrado de V. Excelencia ›el Heroe‹, ›el Discreto‹, y ›el Oraculo‹, con otros suos hermanos). Schopenhauer hatte also völlig recht, auf das Titelblatt seiner Übersetzung, statt des nom de plume »Lorenzo«, den wirklichen Verfassernamen Baltasar Gracian zu setzen.

Die Zahl der gesammten Schriften Gracians, aus welchen das »Oracu1o« geschöpft ist, giebt Lastanosa in seinem Vorwort (oben S. 6) auf zwölf an. In den »Obras« finden wir indessen – abgesehen von dem, dem »Oraculo« erst nachfolgenden »Comulgador« – nur sieben Werke vereinigt, nämlich

1) El Heroe, Gracians früheste Schrift, von 1630
2) El Politico Fernando
3) Agudeza y arte de ingenio
4) El discreto
5) El Criticon, primera parte de la niñes y juvetud (dedicado a Don Pablo de Parada)
6) El Criticon segunda parte de la varonil edad (dedicado al Seren. Señor D. Juan de Austria)
7) El Criticon tercera parte de la veyez (dedicado al Doctor D. Lorenzo Frances).

Die von Lastanosa nach seiner Angabe noch ausgezogenen übrigen 5 Schriften Gracians sind daher, falls sie überhaupt gedruckt worden, in die Gesammtwerke nicht aufgenommen. Von zweien kennen wir wenigstens die Titel, welche Lastanosa in seinem Vorwort zum »Discreto« (dessen Druckerlaubniß vom Juni 1647 ist) mittheilt. Er sagt daselbst, dieser seiner vierten Veröffentlichung der Arbeiten seines Freundes würden noch weitere folgen, »especialmente un Atento, y un Galante«. Diese beiden Schriften scheinen aber (vielleicht weil nicht vollendet) Manuskript geblieben zu sein.

III.

Uebersetzungen des ›Draculo‹.
1.
Italiänische:

Oracolo manuale, e Arte di Prudenza / Cavata dagl' Aforismi, che si discorrono nell' Opre di Lorenzo Gratiano / Mandalo in Luce D. Vincenzo Giovanni de Lastanosa. Diretto alla Nobiltá Venatiana e dedicato all' Illustr. & Eccelentiss. Sig. Leonardo Pesaro ... In Venetia MDCLXXIX.

– – In Venetia, MDCXC.

Beide Ausgaben befinden sich auf der Königlichen Bibliothek in Berlin. Eine spätere italiänische Uebersetzung, welche der Abbate Francesco Tosques unter dem Titel » Uomo di Corte« herausgab, ist nach der sogleich aufzuführenden französischen gemacht.

2.
Französische:

L'homme de cour / Traduit de l'Espagnol de Baltasar Gracian / par le Sieur Amelot de la Houssaie. Avec des notes. A Paris MDCLXXXV.

L'homme de cour de Baltasar Gracian. Traduit & commenté par le Sieur Amelot de la Houssaie, cidevant Secr´taire de l'Ambassade de France à Venide. Troisième édition revue et corrigée. Paris 1691.

Diese älteste französische Uebersetzung ist noch oft wiedergedruckt worden, im Auslande erschienen Nachdrucke: A la Haye 1692; Rotterdam 1728.

Maximes de Baltazar Gracien, traduites de l'Espagnol [par J. de Courbeville]. Paris 1730.

3. Englische:
The Courtier's Oracle; or the Art of Prudence ... Done into English. London 1694.

The Art of Prudence; or a Companion for a Man of Sense. Made English ... and illustrated with the Sieur Amelot de la Houssaie's notes, by Mr. Savage. London 1702.

– – 2th edition London 1705.

– – 3th edition London 1714.

4.
Lateinische:

Balthas. Graciani, Hispani, Aulicus sive de prudentia civili et maxime aulica liber singularis olim hispanice conscriptus, postea et Gallice, Italice, Germanice editus, nunc ex Ameloti versione Latine redditus ... Franc. Glarianus Meldenus, Constantiensis, recensuit, latine vertit ... et notis illustravit. Accessit Joh. Gottl. Heineccii JC. praefatio. Francofurti ad Viadrum MDCCXXXI.

Ein Neudruck dieser Uebersetzung ist die von Schopenhauer oben, Seite 167, erwähnte: Viennae Augustae 1750.

Hominis Aulici notum Graciani oraculum prudentise, depromptum in sententiarum politicarum centurias III ... Latinorum lingua loquens per interpretem P.A.Ulrich 1734.

Diese, von der vorhergehenden unabhängige, zweite lateinische Uebersetzung ist gedruckt in dem Sammelwerk: Ostrowski-Daneykowicz, Swada polska y Lacinska. Vol. II. Lublin 1745. (Siehe: British Museum. Catalogue of printed books. a.a.O.)

5.
Ungarische:

Bölts és figyelmetes udvari ember. Irta Spányol nyelven Grátzian B. Froditotta Németbül Faludi F. ... Posonyban 1770. 1771.

Udvari Kátó Vagy is Grátzian B. nak Fludi F. által Magyarra forditatott CCC Makszmai .... Györölt 1790.

Beide im British Museum.

6.
Deutsche:

L'Homme de cour Oder der heutige politische Welt- und Staats-Weise / fürgestellet von Balthasar Gracian, Hispaniern, Und wegen seiner hohen Würde in unsre hochteutsche Sprache übersetzet, anitzo aus dem Original vermehret, und zum Andernmahl herausgegeben von Joh. Leonhard Sauter, J. U. D. Franckfurth und Leipzig. 1687. [CXVIII & 775 Seiten in 24]

Diese älteste, durchweg nach der Französischen gemachte Deutsche Uebersetzung befindet sich auf der Königl. Bibliothek in Berlin.

Balthasar Gracian's Homme de Cour, oder: Kluger Hof und Weltmann, nach Mr. Amelot de la Houssaie seiner französischen Version, in's Teutsche übersetzet von Selintes [= C Weissbach]. Nebst Herrn C. Thomasii judicio vom Gracian. Augspurg 1711.

Balthasar Gracians Oracul; d. i. Regeln der Klugheit. Aus dem Spanischen von A. F. Müller. 2 Bände. Leipzig 1715-1717.

– – 2. Auflage. Leipzig 1733.

B. Gracian's Uomo di corte oder kluger Hof- und Weltmann. Nach Fr. Tosques seiner Italiänischen Version ins Deutsche übersetzt von Christoph Heinrich Freiesleben. Altenburg 1723.

Die Kunst zu leben. Vortreffliche Regeln eines alten Weltmannes fürs menschliche Leben. Leipzig, Weygand, 1786.

200 Maximen: modernisirte Bearbeitung der Weißbach'schen Uebersetzung.

Der Mann von Welt, eingeweiht in die Geheimnisse der Lebensklugheit, ein nach Balthasar Gracian frei bearbeitetes vollständig hinterlassenes Manuskript von K. H. Heydenreich, herausgegeben von K. G. Schelle. Leipzig, Martini, 1803.

– –(Nachdruck): Reutlingen 1804.

Das schwarze Buch oder Lehren der Lebensweisheit Gracian's ... 1826.

Männerschule von B. Gracian. Aus dem Spanischen übersetzt von Fr. Kölle. Stuttgart 1838.

Die letztaufgeführte Übersetzung, eine Pfuscherarbeit, wie die vorhergehenden, erwähnt Schopenhauer auch in seinem oben (S. 165) aufgeführten letzten Briefe an I. G. Keil.

Ueber das Verhältniß der Schopenhauerschen Uebersetzung zum Urtext hat bereits jener mehrgenannte Kenner des Spanischen, in seinem, in Gwinner's Biographie abgedruckten Schreiben vom 16. Mai 1832 zutreffend geurtheilt: »Noch habe ich nicht daran kommen können, einen Vergleich mit dem Originale anzustellen; doch weiß ich im Voraus wie er ausfallen wird, da ich weiß, wie Sie alles, was Sie unternehmen, anfassen ...

»Ich habe seitdem Ihre Übersetzung mit dem Originale verglichen und die Treue und Präzision bewundert, mit der Sie den alten schwer zu übersetzenden Herrn im Deutschen wiedergegeben haben.« Bei der von Schopenhauer selbst treffend charakterisirten Beschaffenheit der früheren deutschen Übersetzungen ist er demnach der Erste, welcher das Meisterwerk des Spaniers der deutschen Litteratur wirklich angeeignet hat.

Berlin, im Oktober 1890

Nachwort zum zweiten Abdruck.

Am Texte war, abgesehen von der Korrektur einiger weniger Druckfehler, nichts zu ändern, dagegen ist der »Bibliographische Anhang«, namentlich in der Bibliographie der Übersetzungen, vielfach verbessert worden. Die S. 165 von mir signalisirten Briefe Schopenhauers an Johann Georg Keil sind inzwischen in Schemann's »Schopenhauer-Briefen« (Leipzig 1894) S. 171 ff. im Druck erschienen Aus dem ersten derselben, vom 16. April 1832, ergiebt sich, daß Schopenhauer im Jahre 1825 das Studium der spanischen Sprache begonnen hat und einige Jahre später mit der Übersetzung des »Oraculo« bereits »eine kleine Probe machte«. Diese Probe ist das oben, S. 170, von mir beschriebene Gracian-Manuskript Nr. 29. Wir erfahren, daß er dies Bruchstück von Berlin aus »dem Brockhaus einsandte«, um ihn zum Verlag zu bewegen: »er hatte aber keine Lust dazu.« Die genaue Abfassungszeit unserer vollständigen Übersetzung ersehen wir ebenfalls aus dem Briefe, indem Schopenhauer schreibt: »Hier in Frankfurt a. M., wohin ich im Herbste vor der Cholera geflüchtet bin und einstweilen sitzen bleibe, habe ich, bei guter Muße, das Ganze von Neuem und recht con amore übersetzt.« Die Gracianübersetzung fällt also in die Zeit vom September 1831 bis April 1832, und nicht »in die letzte Zeit seines Berliner Aufenthalts, also vor 1831«, wie Frauenstädt und Gwinner angeben.

Interessant ist schließlich, daß Schopenhauer sein an Keil übersandtes Manuskript des Gracian auf 10 Druckbogen schätzte, womit er genau den Umfang unsres Bandes der Universal-Bibliothek getroffen hatte.

Berlin, im Mai 1895.

Eduard Grisebach.

__________________
Anmerkungen:
  1. Vgl. meine »Edita und Inedita Schopenhaueriana« (Leipzig, Brockhaus, 1888) S. 195. Die noch vorhandenen, von dem Sohne Keil's aufbewahrten bezüglichen Briefe Schopenhauers sind datirt: Frankfurt a/M. 16. April 1832 15. Juni 24. Mannheim 4. August, Frankfurt a/M. 20. August 1839. Mit dem letzten Briefe erbittet sich Schopenhauer sein Manuskript zurück, welches 7 Jahre bei Keil gelagert hatte, nachdem die über die Herausgabe mit dem Leipziger Verleger Friedrich Fleischer angeknüpften Verhandlungen zu keinem Abschluß geführt hatten.
  2. Außer zahlreichen Spanischen Ausgaben sind auch in Holland und den Niederlanden mehrere zu verschiedenen Zeiten erschienen, von denen die beste in den Obras de Lorenzo Gracian, welche 1725 und 1740 zu Antwerpen (Amberes) in 4° erschienen, steht. Gegenwärtige Uebersetzung ist nach der Amsterdamer Ausgabe von 1659 gemacht.
  3. Den Titel Schwarzes Buch verdient Gracians verdienstvolles und unsterbliches Werk durchaus nicht, da es gar nicht unmoralisch ist, wie z. B §§ 16. 29. 120. 1S5. 280 genugsam beweisen. Aber die Dummen möchten gern, daß die Klugheit für unmoralisch gälte.
  4. Den Vornamen hat Schopenhauer hier Balthazar geschrieben, in der »Welt als Wille und Vorstellung« aber, wo er (I, § 50) diesen seinen Favoritautor citirt, schreibt er in der 2. und 3. Auflage Balthasar, und ebenso in der sogleich zu erwähnenden zweiten Handschrift.
 Top