Achtes Kapitel.
Eine schlimme Nacht.

»Wie er sich hätscheln läßt!«

»Daß eine solche Weibervergötterung einem Manne nicht widerwärtig wird«, sagte der Major – »Und daß man uns dazu eingeladen hat!« der General.

»Sehn Sie mal«, rief Baron Eitelbach und öffnete eine Kapsel, in der einige Haare sich befanden. »Das soll ich in Gold fassen lassen. Meine Frau hat sie ihm selbst abgeschnitten.«

»Frau Baronin wollen sie als Medaillon tragen?«

»Versteht sich. Ich habe sie gefragt, ob ich ihr auch die Schere soll vergolden lassen. Da hat sie gleich einen Scherenorden drunter.«

»Tun Sie das ja nicht, Baron«, sagte der General, »man fände Anspielungen. Sie scheren unser Armeetuch genug.«

»Und er ist doch ein Mann«, äußerte der Major. »Welche Gedankenfülle, welche Jugendkraft, welches Morgenrot für unser Vaterland!«

»Sahn Sie, mit welcher Unbefangenheit die Alltag ihn empfing!« sagte der Regierungsrat. »Wie anders, ungeniert, unterhält sie sich mit ihm.«

Ein Geflüster war durch die Gesellschaft gegangen. Die schöne Baronin arbeitete sich zu der Gruppe, in der wir uns befinden: »Wissen Sie schon? 's ist nichts mit ihm. Er bleibt nicht hier. Der König will ihn nicht. 's ist doch schrecklich!«

Man steckte die Köpfe zusammen, und das Geheimnis, welches die Fürstin der Wirtin anvertraut, war längst ein Gemeingut, als die Gesellschaft zu Tische ging. Vorher aber sah man ein Schauspiel, es war ein Impromptu. Adelheid hatte von der Tafel einen Blumenkranz ergriffen und ihn plötzlich auf die Stirn des Dichters gedrückt: »Nun sind Sie ein freier Mann!«

Es war alles anders geworden, als die Geheimrätin gewollt. Die Bekränzung sollte stattfinden, aber in anderer Art, später, an der Tafel selbst. Sie hatte Figuranten geworben, die bei jedem Gespräch mit Phrasen aus des Dichters Schriften ihm antworten sollten; das mußte jetzt rückgängig gemacht werden, es paßte nicht mehr. Die Empfindsameren umringten ihn, statt mit Siegeshymnen, mit Kondolenzversicherungen. Es sah nicht wie bei einem Freudenfeste aus. Während die Mehrzahl nicht laut genug ihr Bedauern an den Tag legen zu können glaubte, schlichen andere fort. Die Geheimrätin begegnete dem General, der seinen Hut zum Gehen ergriffen.

»Auch Sie uns verlassen?«

»Man weiß nicht, was im Palais vorgegangen ist«, sagte der Offizier mit seiner soldatischen Offenheit, »nicht, inwieweit Seine Majestät sich über die Person des Herrn aus Bayreuth ausgesprochen haben.«

»Aber ein Charakter wie mein Herr General –«

»Hat auch Rücksichten zu nehmen. Der König, meine liebe Frau Geheimrätin, erfährt jeden Morgen genau, wer bei Rüchel war und wer bei Blücher war. Und Sie wissen gar nicht, wie diese Rapportements gemacht werden. Hat er sich nun wirklich ungnädig über den Poeten ausgedrückt, so wird auch von Ihrem Festin ihm berichtet, und Sie wissen nicht wie. Ihnen kann das nun nichts schaden, wenn einer sagt: ›Es ist doch auffällig, daß die Lupinus dem Fremden ein Fest gibt, als wenn er ein Potentat wäre, und grade in dem Augenblick, wo Eure Majestät sich so nachdrücklich über die Stellung ausgesprochen haben, die er nur beanspruchen kann.‹ Beyme setzt vielleicht hinzu: ›Und jetzt, wo Eure Majestät eben einen solchen Gnadenakt gegen ihren Schwager ausgeübt.‹Wer weiß denn, wer zwischen den Lippen murmelt: ›Undank ist der Welt Lohn!‹ Und wenn Lombard dabei ist, wird er sich die Gelegenheit entgehen lassen, mir einen kleinen Freundschaftsstoß zu versetzen? Ich höre ihn schon hinwerfen: ›Es ist doch noch sonderbarer, daß grade unser General dabeisein mußte. Er ist doch sonst kein Admirateur von Poeten.‹ – ›Sollte das andere Gründe haben?‹ fügt vielleicht noch ein guter Freund hinzu, denn Sie glauben nicht, wieviel gute Freunde jedermann am Hofe hat, der eine gute Stellung hat, die andern zu gut für ihn dünkt.«

»General, aber bei Ihrem Renommee!«

»Je höher der Kornhaufen, so mehr Mäuse nagen unten. Mein Kommando wird mir Seine Majestät darum nicht nehmen, aber wird mir vielleicht das nächste Mal sagen: ›Sind auch ein so großer Verehrer von dem Herrn Romanschreiber? Meinte, die Lorbeerkränze schickten sich nur für Generale.‹ Und das wäre noch das beste, dann ist es ausgeschüttet. Ohnedem bleibt etwas, denn der König hat ein vortrefflich Gedächtnis. Und wissen wir, von wem und wann daran weitergebohrt wird! Ein wunder Fleck hat anziehende Kraft. Und weiß ich, was noch hier geschieht bei Tisch von den Admirateurs, welche Gesundheiten sie ausbringen! Kann nicht einer beim Wein eine Beleidigung gegen Seine Majestät aussprechen! Höre ich's ruhig mit an, so heißt's im Palais, ich habe eingestimmt, und rede ich drein – nein, meine gnädige Frau, ich will Ihr schönes Festin nicht stören.«

Sie selbst aber wollte es stören. Die Salatszene sollte nun unterbleiben. Sie war, als der General ihr begegnete, eben auf dem Wege zum kranken Johann gewesen, um ihm Konterorders zu geben. Sie hatte aber auch vorhin den Befehl zum Servieren gegeben, und in dem Augenblick brach die Gesellschaft um zu Tisch zu gehen auf. Es entwickelte sich heut alles gegen ihren Willen. Jean Paul hatte ihr seinen Arm reichen sollen. Ihrer Zweifel, ob es nicht jetzt passender sei, diese Ehrenpflicht dem vornehmsten Gast zu übertragen, ward sie überhoben, als der Dichter schon ihre Tochter entführte. Sie mußte, um nicht allein zu gehen, ihren Arm notgedrungen dem reichen, welcher allein ledig an der Tür stand, es war der Schwager, und sie mußte zufrieden sein, daß es ihr wenigstens gelang, eine Tafelordnung so ziemlich herzustellen.

Wenigstens saß Jean Paul neben ihr. Wenn er von dem Fehlschlag seiner Hoffnungen verstimmt gewesen, hatte er unter soviel Teilnahme und beim Klange der Gläser es überwunden. Der gute Wein wirkt nach einer Aufregung doppelt. Er sprach oder sang in Worten, die wie Streckverse klangen. Die Lüfte in den märkischen Pinien hätten ihm zugerauscht das alte Lied: ›Wo es dir wohl geht, ist dein Vaterland!‹, aber da sei aus dem blauen Äther eine Taube niedergerauscht mit einem Lorbeerzweig und habe ihm zugeflüstert: ›Der Dichter muß frei sein!‹ Und ein frischer Morgenwind habe seine Stirn, seine heiße Brust gekühlt, er sei erwacht und wieder arm, aber frei, frei wie der Vogel in der Luft, und dies Glas bringe er aus auf die Taube mit dem leuchtenden Fittich.

Nur ein Teil der Gesellschaft verstand es. Der Geheimrat von der Vogtei, der auch sein Glas gefüllt hatte und sich für verpflichtet hielt, als nächster Anverwandter der Wirtin die Gesundheit des Gastes zu übernehmen, unterbrach den Dichter: die erste Gesundheit gebühre ihm selbst. In einer Rede, die, wenn auch sonst nichts, doch verriet, daß er von dessen Schriften nichts gelesen, gratulierte er dem Poeten, der nun mit Piron sich die Grabschrift setzen könne:

Ci-gît Piron, qui ne fut rien,
Pas même académicien.

Aber wie Piron ein aimabler Poet geblieben, obgleich er sonst nichts gewesen, so werde auch ohne Präbende für sie alle hier:

Unser herrlicher Jean Paul Friedrich Richter
Bleiben ein ihnen unvergeßlicher Dichter!

Im Gläserklang erhob sich der Gast: »Unser Auge blickt nach den blauen Bergen, und unser Herz schwillt vor Sehnsucht, weil der Himmel sie küßt. Aber oben weht es uns zu rein an, wir atmen zu bang in der Nähe des Unaussprechlichen, und die Täler verschwimmen vor unsern Augen. So sehnt des Dichters Brust sich nach dem Schönsten und Höchsten, wie Semele nach Zeus' wahrhaftiger Gestalt. Aber in der Feuerglut zerspringt sein Herz, er kann nur leben im Tal, atmen im Duft der Kräuter, und die Berge über ihm, die Fußschemel des Unnennbaren, sind die Säulen der Ewigkeit, an denen sein Geist sich aufrankt.« Wer einmal dort oben vom Lichte getrunken, habe genug fürs Leben. Nun möge man ihn beglückt zurückkehren lassen in die stillen Täler seines Fichtelgebirges. Wenn seine Waldbäche über die bemoosten Steinblöcke rieselten, die Fichten säuselten, die Veilchen aus dem feuchten Grün dufteten, und wenn dann wieder an des Dichters Seele edle, schöne Frauen vorüberschwebten, Lianen und Natalien, im Diadem des Morgenrotes, wenn ihre Füße im Tau sich badeten, ihre seelenvollen Augen das Blau des Äthers saugten, um Huld und Wohlwollen für tausend blutende Herzen widerzustrahlen – dann kämen sie von den Bergen, die er einmal bestiegen, wo auch er Seligkeit getrunken. In seiner Eremitage nun kein Einsiedler mehr, umschwebten ihn Berlins edle Frauen, beim Frührot böten sie aus der Kristallschale ihm den Morgentrank, und wenn die Königin des Tages hinter die Berge sinke, sollte den Dichter einlullen die Harmonie ihrer Silberstimmen. Dies Glas leere er auf Berlins schönere Hälfte.

Unter dem Gläserklang der Herren, unter den Verzückungen der Damen war Adelheid aufgestanden. Den Wink der Geheimrätin hatte sie nicht bemerkt. Ihre Augen gegen den Plafond gerichtet, tönte ihre metallreiche Stimme durch den Saal: »Aber die Sterne oben sind nicht stumm, sie tönen, im Festsaal des Ewigen kreisend, die Sphärensprache der Harmonie, und der Geweihte versteht sie. Der blasse Geweihte, der am Schmerzenslager überwindet, der Geweihte, dessen Stirn die Freude des Sieges rötet, und er, der Geweihte, der der Äolsharfe ihre Klagetöne abgelauscht, den Vögeln ihren Gesang, er, der die summenden Stimmen der Völker versteht, Phöbus' geweihter Priester hört den Gesang der Sterne –«

»Mamsell, der Salat!« flüsterte Johanns zitternde Stimme, aber er getraute sich nicht mehr, den Napf zu tragen. Die Geheimrätin war beim Anfang der Tafel wieder umgestimmt geworden, denn die Stimmung der Gesellschaft war entschieden für den Dichter, und die Lupinus teilte nicht die Besorgnis des Generals. Im Gegenteil schien ihr eine derartige Manifestation jetzt als ein Ehrenpunkt. Aber Jean Paul hatte ihr bei Tafel gar keine Aufmerksamkeit erwiesen. Er schwärmte in eignen Gefühlen, seine Komplimente waren nur an ihre Tochter gerichtet. Sie wollte es ihn empfinden lassen, und ihre Lippen hatten sich zu einigen spitzen Worten gespitzt, die mit dem Stichwort schließen sollten, auf welches Adelheid einzufallen hätte, als diese unerwartet, gegen die Verabredung, von einem Impuls sich hinreißen ließ. Unglücklich fügte sich auch hier alles, der kranke Johann stotterte zur Linken die Worte, während einer der sogenannten »Ausgestopften,« das heißt der gemieteten Lakaien, ihr zur Rechten den Salatnapf überreichte. Es war derselbe Lakai, dessen funkelnde Augen sie vorhin erschreckt. Adelheid ergriff in ihrer Ekstase den Napf, und statt ihn niederzustellen, hob sie ihn wie eine Opfervase empor – »Und er, der geweihte Priester, hebt die Schale den Göttern entgegen«, fuhr sie in der Rolle fort, entnommen aus irgendeiner Dithyrambe der Jean Paulschen Poesie, die wir wieder vergessen haben, vielleicht auch aus denen, die von der Geheimrätin zu diesem Zweck komponiert waren, als der »Ausgestopfte« ihr etwas zuflüsterte. Die Worte hörte man nicht, aber die Gesellschaft konnte nicht anders denken, als daß der Sinn von dem, was der Lohnlakai sprach, nichts anderes sei, als was der kranke Bediente ziemlich vernehmlich zur selben Zeit sprach: »Auf den Tisch, Mamsell, 's ist ja der Salatnapf!«

Adelheids Stimme stockte plötzlich. Als sie nach der Seite blickte, stieß sie einen Schrei aus. Darüber entfiel ihr der Napf. Viele Arme wollten helfen. Ein Armleuchter war umgestoßen. Die Kerzen fielen auf das Tischtuch; eine streifte an den Fruchtkorb, der mit künstlichen Papierblättern ausstaffiert war. Das Papier brannte, das Tischtuch brannte. Man schlug zu, man schlug ungeschickt zu. Man riß am Tischtuch, und noch ein Leuchter fiel. Es flammte auf und floß, man schrie: »Hilfe! Feuer!« Die Stühle schlugen um, die Damen in den leichten, Feuer fangenden Kleidern schrien am lautesten und stürzten fort. Herren und Bedienten rissen am Tischtuch. Es brannte schon lichterloh, die Kerzen vom Kronleuchter träuften, als einige entschlossene Arme die Tischtuchenden über die gesamte Verwüstung zusammenschlugen. Der Brand ward so erstickt, aber auch das Porzellan, Glaswerk, Torten und alles, was zerbrechlich war, in dem Chaos zusammengeschüttet und vernichtet.

So konnte man vermuten, daß es hergegangen, denn der Brand war gelöscht, ehe die Nachtwächter Berlin in Alarm versetzten. Im übrigen wußte niemand später über den Hergang klare Auskunft zu geben. Es lag auch in mancher Interesse, es im dunkeln zu belassen. Die Entschlossensten hatten schnell ihre Damen fortgerissen, um den Abschied unbekümmert, nur Garderobe und Straße galt es erreichen. Wenn sie dem Feuerschaden auswichen, entgingen einige Damen dem des andern Elements nicht. Die Wassereimer, mit welchen die Diener ihnen entgegenstürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge kam einer Verstopfung nahe. Man sprach von Ohnmachten. Die ohnmächtig Gesagten leugneten es. Am Boden gelegen wollte niemand haben, nur vielleicht auf einem Stuhl. Viele ließen es sich nicht nehmen, daß die Wirtin wirklich im Gedränge ohnmächtig geworden. Nach ihren eigenen Äußerungen später konnte man es glauben, sie sprach von einem Schleier, der über sie gekommen, eine wohltätige Macht hätte die Schreckensszene vor ihr verhüllt. Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensszene für sie gewesen, wenn sie alle Urteile wirklich hören müssen, welche in der Aufregung über sie und ihr Fest laut wurden.

Die erste Gerettete war die Baronin Eitelbach. Als ihr Gemahl sie in den Wagen heben wollte, rief sie aus: »Herrgott, die Mamsell Alltag brennt ja.«

Sie wollte zurück. Der Gemahl aber stieß sie in den Wagen: »Entweder ist sie jetzt verbrannt, oder sie ist gelöscht; wir ändern's nicht.«

Der Lärm hatte auch den Geheimrat aus seiner Studierstube gelockt. Als er im Schlafrock und Pantoffeln in die Vorzimmer drang, war die Gesellschaft schon entflohen. Nur ein branstiger Qualm drang durch die Türen, Wasserrinnen ergossen sich über die Dielen, und Wirrwarr, Gedränge und Getreibe überall. Aus der Tür des Speisesaals trug ein Lakai Adelheid und legte die Ohnmächtige auf ein Sofa. Brust und Schultern waren in ein nasses Tuch eingeschlagen. Ihr Musselinkleid war von der Flamme ergriffen worden. Sie hätte mit einem Druck der Hand die Flamme löschen können, aber sie hatte wie eine Bildsäule dagestanden, regungslos. Der Bediente Johann hatte eine Serviette ergriffen, aber seine Hände zitterten, die Serviette geriet selbst in Brand. Da hatte einer der fremden Lakaien ihn fortgestoßen und mit Tüchern, die er schon in einen Wassereimer getaucht, das Feuer erdrückt. Aber jetzt war sie ohnmächtig geworden, und der Lakai, ein kräftiger junger Mann, hatte sie in das Entreezimmer getragen, als der Geheimrat dazukam.

Das war das Resultat einer kurzen Untersuchung, welche der Gelehrte angestellt und bei dem er sich, als er später in seine Arbeitsstube zurückkehrte, vollkommen beruhigte. »Jetzt muß man ihr die nassen Tücher abnehmen, sie erkältet sich sonst«, hatte er gesagt, der Lakai aber gerufen: »Man muß einen Arzt holen!« und war nach der Tür gestürzt. »Das wird nicht nötig sein«, hatte der Legationsrat Wandel gesagt, der aus der dampfenden Stube trat. »Es ist nur eine Affektion der Nerven.« Er hatte mit dem Geheimrat die nassen Tücher abgezogen und gefunden, daß keine Brandverletzung stattgefunden, selbst der Brandfleck am leichten Oberkleide war geringfügig, die Flamme hatte nicht einmal das festere Unterkleid ergriffen. Der Legationsrat steckte das Essenzbüchschen, welches er geöffnet, wieder in die Tasche, murmelnd: »Hydor ariston!« Das hatte eine freundliche Falte auf die Stirn des Geheimrats gelockt. Er redete den Legationsrat lateinisch an, und dieser antwortete lateinisch. Herr von Wandel hatte eine schöne, reine Aussprache, nicht ganz ciceronianisch, aber er applizierte sehr geschickt einige Feinheiten der Latinität: »Es ist nichts als eine psychische Aufregung, vielleicht Exaltation für den Dichter, vielleicht etwas anderes – aber es geht schnell vorüber, sie wird sich von selbst erholen!« Und so geschah es, auf einige Tropfen, die er aus einem Wasserglase auf ihr Gesicht spritzte, schlug Adelheid die Augen auf. Sie erkannte die Gegenstände, atmete und machte eine Bewegung mit der Hand, daß die Herren sich entfernen möchten. »Das übrige wird weibliche Pflege und ein Kamillentee tun«, beruhigte der Gast den Wirt.

Der Geheimrat hatte dem Legationsrat die Hand gereicht und den Wunsch seiner näheren Bekanntschaft ausgedrückt. Er tat dies selten. Im Speisesaal grinste ihn die Verwüstung an. Es dampfte, flutete, er mußte über umgeworfene Stühle, Tische, Scherben steigen. Wenn das in seiner Studierstube passiert wäre! Der blasse Geisterschreck, den dieser Gedanke auf sein Gesicht zauberte, trieb ihn zu einer ungewohnten Tätigkeit. Er rief den Dienern, den Mägden, er legte selbst Hand mit an.

Da flog ein erstes Lächeln über die weißen Lippen der Geheimrätin, und es zuckte etwas von Leben in ihrem starren Blicke. Sie hatte bis da regungslos auf dem Kanapee halb gesessen, halb gelegen, vielleicht im Gedränge von den Fortstürzenden dahin gestoßen. Das Eau de Cologne, was Lisette ihr ins Gesicht gesprengt, war ohne Wirkung geblieben. Jetzt, beim Anblick der Tätigkeit ihres Mannes kehrte das Leben zurück. Die Zunge löste sich, sie konnte sprechen, es platzte heraus wie ein Lachen: »Mit den Pantoffeln! Sie erkälten sich ja im Wasser die Füße.«

Der Geheimrat fühlte jetzt, was ihm ein Unbehagen verursacht, für das er sich keinen Grund anzugeben gewußt. Er ging im Wasser, seine Füße waren ganz naß.

»Aber es muß doch Ordnung geschafft werden, meine Liebe.« Er sah sich um.

»Dafür wird Lisette sorgen, die versteht es besser. Gehn Sie in Ihre Stube und ziehen sich andere Strümpfe an, morgen ist alles wieder wie sonst.«

»Aber – ich hoffe, die Inkommodität wird Ihnen nicht schlecht bekommen?«

»Ganz und gar nicht«, sagte die Geheimrätin, die aufgestanden war. »Eine kleine Störung in den Gewohnheiten des Lebens. Weiter nichts. Morgen ist's vergessen. Ich hoffe, daß in Ihrer Stube nichts derangiert ist.«

Das hoffte der Geheimrat auch; er hatte hier nichts mehr zu tun. Die Geheimrätin ließ sich von Johann führen. Mit jedem Schritte, den sie tat, ging sie fester. Der Bediente hielt sich an dem Türpfosten, als er sie in ihr Schlafzimmer gebracht. Sie maß ihn mit einem durchdringenden Blicke: »Was soll das werden mit Ihm, Johann?«

Er verstand es: »Um Gottes Erbarmen, gnädige Frau Geheimrätin, stürzen Sie mich nicht in mein Elend.«

Ihm war es, als bohrte ihr Blick in sein Herz, aber sie sagte: »Morgen früh soll Hofrat Heim kommen.«

Er ging. Sie rief ihn zurück: »Nein, nicht Heim! Der ist zu nichts zu brauchen«, murmelte sie. »Selle, rufe Er den Geheimrat Selle, ich lasse ihm meine dringende Empfehlung machen« – Sie stockte und hub wieder an: »Nicht zu Selle, zum alten Geheimrat Mucius, ich ließe ihn dringend bitten.«

Johann war gegangen. Sie schellte wieder: »Es soll mich niemand stören. Was auch vorfalle. Ich werde mich selbst ausziehen. Lisette soll mit den andern die Sachen fortschaffen, aber sie soll sich nicht unterstehen, Lärm zu machen. Ich will nichts mehr wissen, versteht Er mich.«

Johann ging. Sie rief ihn doch wieder zurück: »Morgen früh wird niemand vorgelassen. Niemand.«

»Herr Jean Paul Richter fragten, wann er seine Aufwartung machen könne, um Abschied zu nehmen.«

»Ich bin nie, wenn er sich meldet, zu Hause.«

Sie stand noch eine Weile, nachdem der Bediente fort war, die Blicke auf die Diele geheftet. Ihr mußte sehr heiß sein, sie schöpfte tief Atem, riß Tuch und Kleidungsstücke auf und warf sich auf das Sofa, den Kopf im Arm gestützt.

Sie wollte nichts von dem Geräusch hören, und hörte doch alles, das Aufheben jedes Stuhls, das Klappern der Teller, so leise Mägde und Diener ihr Geschäft verrichteten. Sie gab sich Mühe, die Tritte jedes einzelnen zu erkennen, und indem sie sich darüber ärgerte, horchte sie nur immer schärfer. Sie haderte innerlich, diese Magd sollte einen Verweis erhalten, jene entlassen werden.

Was glühte in ihren Adern, was war die trockene Hitze, die ihr alle Spannkraft raubte, was die Unruhe, die jede Anwandlung von Schlaf verscheuchte? Ein verlorener Tag? Es war nur ein Tag unter vielen. Eine verlorene Schlacht in einem Kriege, in einem langen, trostlosen mit dem Leben. – Und von wem war sie geschlagen? – Von allen. Heut, wo sie so sicher auf einen Sieg gerechnet. Sie kannte die Gesellschaft, die bösen Zungen, die Macht des Lächerlichen. Ihre Niederlage war eine auf lange Jahre hinaus. Sie hörte schon die Fragen mit spöttischem Lächeln: »Waren Sie auch bei dem Zauberfest der Geheimrätin?« Die ebenso lächelnden Antworten: »Sie hat es sich etwas kosten lassen. Recht schade, wozu das?« – »Sie hat einmal kein Geschick dazu.« – »Die Apotheose Jean Pauls war doch au comble du ridicule.« – »Und dazu das Unglück noch! Die arme Frau. Warum wird sie aber nicht klug!« Oder die bittersten: »Es ist ihr schon recht, daß sie mal die Lektion bekommen hat!«

Sie war unerschöpflich in der Selbstmarterung, sie verteilte diese Sarkasmen und Bonmots, zu deren Zielscheibe sie sich selbst machte, unter ihre Bekannten, ihre besten Freunde. Und hatte sie es denn von ihnen anders erwartet? Sie lachte auf. Ach, das Lachen half nichts. Sie empfand einen ungeheuren Durst, aber nicht Wasser, nicht Wein konnte den stillen. Aber an wem diesen Durst kühlen? – Laforest, warum mußte er das erste Zeichen zum Aufbruch geben, er, der nur gekommen schien, um Audienz zu geben, Huldigungen zu empfangen. Der General, der feige davonlief? Mochte er laufen. Jean Paul, der, erstickt von Eitelkeit, nur im Lobe sich berauscht, nur mit den jungen Mädchen getändelt, ohne ihr, die sie mit so raffinierter Sinnigkeit das ganze Fest für ihn bereitet, nur ein Wort des Dankes zu sagen, nur die gewöhnlichste Aufmerksamkeit zu erweisen. Alle, alle hatten sich nur um sich bekümmert, um andre Gestirne, sie war eine Einsiedlerin gewesen in ihrer Gesellschaft.

Die Dienerschaft draußen mußte mit ihrer Verrichtung zu Ende sein. In der Stille hörte man nur noch vereinzeltes Türenklappen und Hinundherlaufen. Sie lauschte aufmerksamer. Den Tritt kannte sie. Der Legationsrat war noch im Hause geblieben? Er kam grade auf ihre Tür zu. Endlich ein Mensch, ein Geist, der sich ihrer annehmen, mit dem sie ihre Gedanken austauschen könnte. Sie war aufgesprungen. Sie wollte die Tür aufreißen. – Nein, es war an ihm. Gleichviel, wollte er sich melden lassen, klopfen, eintreten. Er blieb stehen. Sie glaubte ihn gähnen zu hören. Er zog sich den Überrock an. Er sprach leise mit Lisette. Es war von Tropfen und andern Hausmitteln die Rede, für eine Magd, die der Schreck niedergeworfen, von einem Tee, den sie dem Geheimrat kochen sollte. Auch dem Johann sollte sie davon eine Tasse geben – von ihr kein Wort! – Er fragte nicht nach ihr. War sie kein menschlich Wesen? Hatte der Schreck auf sie keine Einwirkung? Hatte er sie vergessen?

Er war fort, sie lag wieder auf dem Sofa. Ihre Stirn war so heiß, so heiß – ein kühlender Tropfen nur! Aber vor dieser Stirn tanzten Bilder in erschreckender Klarheit. Sie wußte jetzt, wer ihre Feindin war. Wen hatte Wandel hinausgeführt, wem seinen Kavalierdienst erwiesen, die gewöhnlichsten Regeln der Artigkeit gegen die Wirtin, wer diese auch gewesen, verletzend? Weil sie die Vornehmre, die Vornehmste war? Oh, dahinter steckte mehr. Die Fürstin war es, welche, unter der Maske der anspruchslosesten Holdseligkeit ihr den Abend verdorben, welche ihr auf ihrem eigenen Grund und Boden eine totale Niederlage beigebracht. Sie hatte das Fest beherrscht, sich Huldigungen darbringen lassen, durch ihr Gespräch sie selbst gefesselt, daß sie ihr Auge der Gesellschaft entzog. Dann, nachdem sie ihr durch die böse Nachricht den Todesschlag versetzt, war sie triumphierend fortgegangen. Aber nicht Zufall war es – nein, Plan; ein weit hinausreichender Plan. Der Fürstin, die einen Kreis um sich zaubern wollte, waren die angenehmen Zirkel der Geheimrätin im Wege. Hatte sie nicht in einem langen Gespräch sie nach allen Verhältnissen, Personen ausgefragt! Wozu das? Sie wollte auskundschaften, was den Zauber dieses Kreises bilde. Was konnten die fremde, vornehme Frau sonst die Verhältnisse eines bürgerlichen Hauses in Berlin interessieren! Und jetzt wußte, kannte sie alles, und hatte vielleicht alles zerstört. – Wer würde denn noch ihre Gesellschaft besuchen? Nicht weil der König sich gegen den Dichter ausgesprochen. Oh nein, das konnte ihrer Sozietät grade einen neuen Reiz geben, die freien mutigen Geister locken, aber vor dem Fluch des Lächerlichen flieht die Geisterwelt. Und er – sollte, könnte ihr dabei hilfreiche Hand geleistet haben! Unmöglich!

Eine unaussprechliche Bitterkeit ergriff die Gequälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was kann überhaupt eine Frau, und wenn sie den Mut einer Judith und Herodias besaß, in dieser Welt der Konventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Ätna, den Atem muß sie in sich zurückpressen, sonst verwundet sie sich selbst. Die Macht des Lächerlichen umstarrt sie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wut als Karikaturen wiedergeben. Gibt es denn keine Mittel für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Sie erinnerte sich, was Wandel von den großen Frauen gesprochen, die ihre Welt beherrscht, von den Fabelköniginnen Semiramis und Zenobia bis zu den Katharinen von Medici und der großen Zarin auf dem russischen Thron. – Torheit, an solche Möglichkeit zu denken! Und wenn die Revolution fortgärte über die Welt, sie erhöbe nur Männer, und die Weiber blieben Sklavinnen und Intrigantinnen. Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit giftigen Nadeln zu stechen, ihnen vergönnt! Einen Verhaßten – mag eine Frau, die einen Mächtigen beherrscht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr Haß nicht an einzelnen sich genügen läßt, wenn die Vernichtungslust ihre Adern wie ein wildes Feuer durchglüht, wenn sie die Armseligen, Gemeinen, Undankbaren von der Erde wegspülen möchte, wie Pharaonis Scharen das Rote Meer – wenn sie fühlt, mit diesem Rachekitzel der Menschheit selbst einen Dienst zu leisten! – Sie kann nur morden im Traume!

Sie preßte ihre Hände an die heiße Stirn, als sie wieder ein Geräusch hörte. – Das war Adelheids Stimme, hell – wie ein Aufschrei. Es kam von weitem her, aber nicht weit genug, daß es von ihrem Zimmer sein konnte. Da kam ihr das Mädchen wieder in den Sinn. Sie hatte gar nicht an sie gedacht. Was war aus ihr geworden? Sie sann nach. Eine dunkle Vorstellung, daß man »Hilfe! Sie brennt!« gerufen. Sie durfte sich versengt haben. Von ihren Feinden war ja alles geschehen, der Sache einen Eklat zu geben. Aber der Ton kam wieder; nicht mehr ein Schrei, aber der bange tönende Schall, den die Menschenstimme annimmt, wenn etwas Ungewöhnliches uns überkommt. Sie hörte noch eine andre Stimme. Auch ein Schrei, wie wenn man Geister erblickt. Das war keiner von der Dienerschaft, auch nicht ihr Mann. Wie ein tiefes Schluchzen! Eine heftige Bewegung. Sie hörte Männertritte. An Mut fehlte es der Geheimrätin nicht. Sie ergriff den Leuchter und trat hinaus. Die Kerze warf nur ein schwaches Licht in den verwüsteten Saal. Ihr »Wer ist da?« hallte ohne Antwort durch die Räume, aber aus dem Kabinett daneben war eine Gestalt bei ihrem Eintritt fortgeeilt. Sie schlüpfte durch die Tür nach dem Entree. Sehen konnte sie nur einen Schatten, sie hörte das leise Klinken der Tür draußen, sie hörte deutlicher Tritte, die auf der Treppe allmählich verhallten.

Im Kabinett stand Adelheid, die zugedrückten Hände an der Stirn. Sie atmete schwer; ein intensives Zittern schüttelte ihre Glieder. Sie erschrak aber nicht, als sie die Hände allmählich vom Gesicht fortzog, nicht vor dem Glanz des Lichtes und nicht vor dem Anblick und dem forschenden Blick der Geheimrätin.

»Was war das, Adelheid? Wer war hier?«

»Fragen Sie mich nicht«, antwortete das Mädchen. »Es war alles wie ein Traum.«

»In dem noch ein anderer mitträumte!«

Das Mädchen schöpfte nach Luft. Aber ihr Blick hatte doch eine Sicherheit, welche die Geheimrätin frappierte. Adelheid sank auf einen Stuhl und stützte den Kopf im Arme: »Es war fast zuviel!« schluchzte sie, »zu viel für mich. Und, mein Gott, warum komme ich dazu. Warum bin ich dazu ausersehen!«

Die Geheimrätin setzte sich neben sie: »Hat dich jemand gekränkt, beleidigt?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ein Mensch entschlüpfte durch jene Tür, er war bei dir –«

»Oh, mein Gott, er war bei mir, und nun ist er fort –«

»Und wer war es?«

»Das ist ein Geheimnis, lassen Sie es mir. Es sprengt mir die Brust, aber ich werde schon stark werden! Er ist fort, er wird nicht wiederkommen.«

»Ein Geheimnis vor der, die Mutterstelle an dir vertritt! – Bedenke, liebes Mädchen, es darf kein Geheimnis zwischen der sein, für deren Ehre ich durch deine Aufnahme in meinem Hause Bürgschaft vor der Welt leistete –«

»Die Sie – von da aufhoben«, fiel Adelheid schaudernd ein.

»Und der geringste Verdacht, ein Geheimnis, was ich verdecken, ein Fleck, den ich beschönigen hülfe –«

»Wäre mein Verderben!« rief Adelheid aufspringend. »Ich weiß es, ich weiß alles – oh Gott, ich bin unglücklich, aber es ist nicht mein Geheimnis.«

»Wessen denn?«

»Dem ich auf seinen Knien versprach, es zu bewahren.«

»Auf seinen Knien!« Hätte die Lupinus der Beruhigung über einen Punkt bedurft, so war sie jetzt durch Adelheids Exaltation und durch die Sicherheit ihrer Sprache beruhigt. Aber dieser bedurfte sie nicht.

»Verstoßen Sie mich, gütige Frau! Ich weiß ja, welchen Undank ich auf mich lade. Stoßen Sie mich aus Ihrem Hause, zurück in meine ungewisse Lage – nein, mehr als das, es kostet Ihnen nur ein Wort, wenn Sie mich aufgeben, so fällt der ganze Fluch wieder auf mich, alle die bösen Erinnerungen, das Gerede erhält neue Kraft, dann bin ich vor der Welt verloren.«

»Exaltiere dich nicht«, sagte die Geheimrätin, »mich kümmert das Urteil der Welt nicht, ich verlange nur Wahrheit zwischen uns.«

»Und ich – darf sie Ihnen – heut nicht geben.«

»Heut nicht –« wiederholte langsam die Geheimrätin. »Da es kein Dieb und Räuber war, denn es ist doch nichts entwendet, und er floh vor dem Anblick einer schwachen Frau, kann es nur ein leidenschaftlicher Mensch gewesen sein. Da du aufschriest, war es auch kein Rendezvous, sondern er überraschte dich, und vielleicht aus Mitleid oder Schonung willst du seinen Namen jetzt nicht nennen. Nun, das pressiert ja auch nicht. Du willst ihn nicht wiedersehen, und wenn du es ihm selbst schon gesagt, überhebst du mich der Mühe, ihm mein Haus zu verbieten. Auch wirst du klug sein, um dich und mich nicht in Demelees zu verwickeln, und die Vorsicht gegen andere beobachten, die du gegen mich übst. Im übrigen könnte es mich wenig kümmern, wer es ist, da es an törichten Menschen in der Stadt nicht fehlt, die dich auf Schritt und Tritt angaffen und uns beiden Inkommoditäten verursachen, wenn ich nicht besorgen müßte, daß es einer der Freunde unseres Hauses wäre. Wenn das ist, müßte ich Mamsell Alltag bitten, bis morgen sich zu besinnen, ob Sie mir den Namen nennen will, denn Personen, welche hinter meinem Rücken das Recht der Gastfreundschaft verletzen, müßte ich den Stuhl vor die Tür setzen.«

Sie hatte sich umgewandt. An der Tür holte Adelheid sie ein. Sie preßte die Hand der Geheimrätin an die Lippen und bedeckte sie mit heißen Tränen: »Oh, verzeihen Sie mir, ich bin ein undankbares Geschöpf, aber – nicht so undankbar – nein, aus Ihrem Hause ist er nicht, er ist nie über Ihre Schwelle getreten, er darf nicht über Ihre Schwelle treten.«

Mit dem Lichtstrahl, der plötzlich in der Lupinus aufschoß, fiel ein schwerer Stein von ihrem Herzen. Es war ein erstes, wohlgefälliges Lächeln, das über ihre Lippen schwebte. Sie hatte an den Legationsrat gedacht, jetzt schämte sie sich fast, daß sie an ihn denken können.

Sie zupfte Adelheid am Ohr: »Nimm dich in acht! – So verrät man sich. – Ich hoffe, du hast dich gegen ihn nicht verraten? – Doch wie kam er ins Haus?« – Plötzlich stand der fremde Bediente vor ihren Augen, dessen blitzende Augen sie am Abend erschreckt. »Ich werde künftig dafür sorgen, daß man keine Verkleidungen in meinem Hause aufführt, und du – nun, das hängt von dir ab. – Es ist spät, wir wollen zu Bett gehen.«

Dem späten Einschlafen der Geheimrätin gingen Träume vorauf, die wir nicht begleiten. Nur einmal schrie und fuhr sie auf. Sie hatte von der Folter geträumt; ihre Glieder wurden zerschlagen. Sie befühlte ihren Arm. Sie hörte ein stilles Weinen. Die Wände sanken nieder, die ihr und Adelheids Schlafzimmer trennten. Adelheid lag auf ihrem Bett, mit den schlaflosen Augen ins Wüste starrend: »Es leidet noch eine hier«, flüsterte der Dämon, und eine wohltätige Wärme verbreitete sich wieder durch ihre Adern. Sie lächelte, als sie einschlief.

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