Siebentes Kapitel

Über den Umgang mit Leuten von allerlei Lebensart und Gewerbe

1.

Zuerst von den sogenannten Aventuriers. Ich rede hier nicht von den eigentlichen Betrügern und Gaunern; von diesen soll gleich nachher gehandelt werden; sondern von der unschädlichen Art der Abenteurer, die, wenn sie sich mit Madame Fortuna gar zu oft überworfen haben, zuletzt an die kleinen Neckereien dieses launischen Weibes so gewöhnt sind, daß sie immer aufs neue blindlings in den Glückstopf hineingreifen und es wagen, entweder auf die Finger geklopft zu werden oder einmal einen fetten Brocken zu erhaschen. Sie leben ohne festen Plan für den folgenden Tag auf gute Hoffnung los, unternehmen alles, was ihnen für den Augenblick eine Aussicht zu einigem Unterhalte zu eröffnen scheint. Wo reine reiche Witwe zu heiraten, eine Pension, eine Bedienung an irgendeinem Hofe oder dergleichen zu erhalten ist, da sind sie nicht saumselig. Sie taufen sich, adeln sich, schaffen sich um, sooft es ihnen beliebt und es die Sache erleichtern kann. Was sich als Edelmann nicht durchsetzen läßt, das versuchen sie als Marquis, als Abbé, als Offizier. Zwischen Himmel und Erde ist kein Fach, kein Departement, in welchem sie nicht bereit wären, sich an die Spitze der Geschäfte stellen zu lassen, keine Wissenschaft, über welche sie nicht mit einer Zuversicht plaudern, die sogar den Gelehrten zuweilen stutzen macht. Mit einer bewundernswürdigen Gewandtheit, mit einem savoir faire, das selbst der bessere Mann zum Teil von ihnen lernen sollte, gelangen sie zu Dingen, die der Rechtschaffenste und Verständigste nicht einmal zu wünschen den Mut hat. Ohne tiefe Menschenkenntnis haben sie grade das, womit man in dieser Welt über wahre Weisheit den Meister spielt – esprit de conduite. Gelingt das nicht, was sie unternehmen, so werden sie doch dadurch nicht in ihrem guten Humor gestört; die ganze Welt ist ihr Vaterland, und als blinde Passagiers sind sie auf den Postwagen ebenso zu Hause als in einer prächtigen Karosse. – Ein gutmütiges Völkchen, durch das Nomadenleben gewöhnt, Freuden und Leiden geduldig zu ertragen und zu teilen. Haben sie irgendwo ihre Rolle ausgespielt, so schnüren sie ihr Bündelchen und gehen aus ihren Palästen so leichtfüßig davon wie ein flüchtiger Morgentraum.

Als Gesellschafter mag man diese Leute nicht verachten! Sie haben so manches gesehn und erfahren, daß dem Menschenkenner ihr Umgang nicht ganz uninteressant sein kann. Ja, wenn sie sonst nicht bösartig sind, so findet man bei ihnen Teilnehmung, Dienstfertigkeit und Gefälligkeit in hohem Grade. Dagegen ist zu einer genauen freundschaftlichen Verbindung mit ihnen gar nicht zu raten. Man sei nicht zu vertraulich gegen sie und bediene sich nicht ihrer Hilfe zu wichtigen Geschäften. Teils leidet dadurch unser eigner Ruf; teils kann man sich von ihrem Leichtsinne und ihrer Charakterlosigkeit wenig wahre Hilfe versprechen; auch pflegen sie nicht eben sehr edel in der Wahl der Mittel zu sein, welche sie anwenden, um zu einem Zwecke zu gelangen.

2.

Beschäme nicht leicht den Aventurier, auch den von schlechtrer Art nicht, wenn Du ihn irgendwo in einer erborgten Gestalt, unter falschem Namen oder mit selbstgeschaffnen Titeln und Ehrenzeichen geschmückt antriffst, insofern nicht wichtige Gründe eintreten oder Du besondern Beruf dazu hast. Auch würde Dir das nicht immer gelingen, denn seine Unverschämtheit möchte vielleicht Wege finden, das Unangenehme einer solchen Szene auf Dich selbst fallen zu machen. Doch kann es zuweilen nützlich sein, so einen Herrn unter vier Augen merken zu lassen, daß er von unsrer Bekanntschaft sei und daß es in unsrer Macht stehn würde, ihn zu entlarven, daß man aber seiner schonen wolle. Dann wird ihn vielleicht die Furcht vor der Entdeckung zurückhalten, böse Streiche zu spielen. Es gibt aber unter diesen Landläufern äußerst gefährliche Leute, Ausspäher, Verführer, Verleumder, Diebe und Schelme aller Art. Nicht nur sollte diesen die Tür jedes ehrlichen Mannes verschlossen bleiben, sondern die kleinern deutschen Fürsten würden auch wohltun, wenn sie sich weniger mit solchem Gesindel einließen, welches gewöhnlich mit einer Tasche voll von Plänen und Projekten zum Besten des Landes, zur Beförderung des Handels, zum Flor und zur Verschönerung ihrer Residenzen angezogen kommt, redliche Diener aus ihren Ämtern verdrängt und verdächtig macht, seinen Beutel zum Ruin des Landes spickt, freilich seine Rolle selten lange spielt, aber wenn es auch mit Schimpf und Schande beladen davongehn muß, mehrenteils viel gestiftetes Unglück zurückläßt, was es nie wiedergutmachen kann, und irgendeinen andere schwachen Herrn findet, mit dem es seine Operationen auf das neue anfängt. In diesen Fällen ist es Pflicht, dem Bösewichte öffentlich die Maske abzuziehn; doch tue man das nicht eher, als bis man die deutlichsten Beweise gegen ihn in Händen hat, denn dergleichen Menschen haben die Gabe, ihre Sache von solchen Seiten vorzustellen, daß man sehr viel wagt, wenn man sie mit unsichern Waffen angreift.

3.

Unter allen Abenteurern sind nach meiner Empfindung die Spieler vom Handwerke die verächtlichsten. Indem ich nun von ihnen rede, werde ich auch Gelegenheit nehmen, über das Spiel im allgemeinen und über das Betragen bei demselben etwas zu sagen.

Keine Leidenschaft kann so weit führen, keine kann den Jüngling, den Mann und ganze Familien in ein grenzenlosers Elend stürzen, keine den Menschen in eine solche Kettenreihe von Verbrechen und Lastern verwickeln als die vermaledeite Spielsucht. Sie erzeugt und nährt alle nur ersinnlichen unedeln Empfindungen: Habsucht, Neid, Haß, Zorn, Schadenfreude, Verstellung, Falschheit und Vertraun auf blindes Glück; sie kann zu Betrug, Zank, Mord, Niederträchtigkeit und Verzweiflung führen und tötet auf die unverantwortlichste Weise die goldne Zeit. Wer reich ist, der tut töricht, wenn er sein Geld auf so ungewisse Spekulation anlegt, und wer nicht viel zu wagen hat, der muß furchtsam spielen, kann die Launen des Glücks nicht abwarten, sondern muß bei dem ersten widrigen Schlage das Feld räumen, oder er wagt es darauf, aus einem Dürftigen ein Bettler zu werden. Doch ist die Torheit der erstern noch weit größer als die der letztern. Selten stirbt der Spieler als ein reicher Mann; wer daher auf diesem elenden Wege Vermögen erworben hat und dann nicht aufhört zu spielen, der hat zehnfaches Unrecht.

Hüte Dich, mit Leuten vom Handwerke Dich auf ein Spiel einzulassen, wenn Dir Dein Geld lieb ist!

Traue keinem von ihnen; in keiner Sache. – Die wenigen Ausnahmen, wo diese Regel einem ehrlichen Spieler von Profession unrecht tun könnte, verdienen nicht in Anschlag gebracht zu werden, und wer sich dieser verächtlichen Lebensart widmet, der mag es nicht übelnehmen, daß man ihm den Geist der Zunft zutraut, zu welcher er sich bekennt.

Laß Dich auf keine bloße Hasardspiele ein. Um geringen Preis gespielt, sind sie äußerst langweilig, und hohes Geld dem Ungefähr preiszugeben, ist Narrheit. Ein verständiger Mann verachtet jede Beschäftigung, bei welcher Kopf und Herz schlummern müssen, und man darf nur ein mittelmäßiger Rechner sein, um leicht zu kalkulieren, daß bei solchen Glücksspielen die Wahrscheinlichkeit immer gegen uns ist. Wollen wir aber gar keine Wahrscheinlichkeit annehmen, so bleibt der Erfolg ein Werk des Zufalls, und wer wird denn vom Zufalle abhängen wollen?

Auf die sogenannten Commercespiele tue entweder auch Verzicht oder lerne sie vorher recht und spiele mit gleicher Aufmerksamkeit, es mag um hohen Preis oder um eine Kleinigkeit gelten. Lerne Dich aber auch im Spiel bemeistern. Mache nicht durch gehäufte Fehler an Aufmerksamkeit und Kunst Dich selber arm und Deinen Mitspielern Ungeduld und Langeweile.

Zeige keine böse Laune, wenn Du schlechte Karten bekommst, wenn Du verlierst. Wer nie Geld im Spiele verlieren will, der muß sich auf die Blindekuh einschränken.

Spiele nicht so unerträglich langsam, daß Deinen Gesellschaftern alle Geduld vergeht.

Zanke nicht, wenn Deine Mitspieler Fehler machen.

Zeige keine laute Freude, wenn Du gewinnst; das pflegt dem, welcher verloren hat, empfindlicher zu sein als der Verlust selbst.

Nötige niemand zum Spielen, wenn er nicht gern oder unglücklich spielt. Dies geschieht vielfältig von Leuten, denen es eine wichtige Angelegenheit ist, ihre Partien vollzählig zu haben.

- Doch diese Materie ist wohl kaum einer so langen Abhandlung wert. – Wenden wir uns zu andern Gegenständen.

4.

Unter den Abenteurern unsrer Zeit spielen die Geisterseher, Goldmacher und andre mystische Betrüger keine unbeträchtliche Rolle. Diese Art von Schwärmerei, nämlich der Glaube an übernatürliche Wirkungen und Erscheinungen, ist sehr ansteckend. Bei dem Gefühle, wie manche Lücke in unsern philosophischen Systemen und Theorien übrigbleibt, solange unser Geist in den Grenzen irdischer Ausdehnung eingeschränkt ist, und bei der Begierde, dennoch über die Grenzen dieser Eingeschränktheit hinaus Blicke zu tun, scheint es dem Menschen ganz natürlich, die unerklärbaren Sachen a posteriori zu erläutern, wenn es mit den Beweisen a priori nicht recht gehn will; das heißt: aus den gesammelten Tatsachen Resultate zu zielen, die ihm angenehm sind, Resultate, die theoretisch durch Schlüsse nicht vollständig herauskommen. Da geschieht es denn, daß, um eine Menge solcher Tatsachen zu gewinnen, man geneigt ist, jedes Märchen für wahr, jede Täuschung für Realität zu halten, damit man seinem Glauben Gewicht gebe. Je aufgeklärter aber die Zeiten werden, je emsiger man sich bestrebt, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, desto sichtbarer wird es uns, daß wir auf Erden diesen Grund nicht finden, um desto leichter also geraten wir auf jenen Weg, den wir vorher verachtet haben, solange noch auf dem hellen Wege der Theorien neue Entdeckungen zu machen waren. Ich glaube, das dies eine ungezwungene Erklärung des Phänomens ist, das so manchen höchst wunderbar scheint, des Phänomens, daß in den Zeiten der größten Aufklärung ein blinder Glaube an Ammenmärchen grade am stärksten einreißt.

Diese Stimmung des Publikums nun machen sich eine Menge Betrüger zunutze, die teils planmäßig verbunden, uns zu unterjochen, teils einzeln nach Zeit und Gelegenheit darauf ausgehn, die Augen der Schwachen zu blenden.

Sei es nun dabei auf unsre Geldbeutel oder auf Tyrannei über unsern Willen, oder auf irgendeinen andern moralischen, intellektuellen oder politischen Mißbrauch abgesehn, so ist es immer sehr wichtig, dagegen auf seiner Hut zu sein.

Obgleich ich mich nicht fest überzeugen kann, daß eben alle Abenteurer solcher Art, daß die Cagliostros, Saint Germains, Schröpfer und Konsorten bis auf den armen Masius hinunter sämtlich von einer einzigen Triebfeder regiert werden und daß jeder solcher Wundermann seine Unternehmungen auf denselben Zweck zu leiten die Absicht haben sollte, so sind wir doch denen allen Dank schuldig, die uns vor solchen Abenteurern warnen und uns wenigstens zeigen, wohin das führen könnte. Um aber nicht zu wiederholen, was so vielfältig ist gesagt worden und noch immer gesagt wird, so will ich hier bei dem Betragen gegen Leute von der Art nur folgende Vorsichtigkeitsregeln vorschlagen:

Laß es an seinen Ort gestellt sein, ob man Geister sehn und Gold machen könne oder nicht. Leugne nicht das, wovon Du nicht das Gegenteil so klar beweisen kannst, daß es nicht möglich ist, dagegen etwas einzuwenden – denn Beweise, die auf Vordersätzen beruhn, welche nur konventionell angenommen sind, können bloß den überzeugen, der Lust hat, davon überzeugt zu werden. – Aber baue nicht auf die Möglichkeit einer Sache den Schluß auf ihre Wirklichkeit, noch auf metaphysische Positionen moralische Handlungen. Sollte auch jemand durch Schlüsse überführt werden können, daß wohl sehr wahrscheinlich jedes sichtbare Wesen von einer Menge unsichtbarer umgeben ist, so bleibt es doch immer töricht gehandelt, wenn dies sichtbare Wesen seine sichtbaren Handlungen mehr nach der vermutlich unsichtbaren Gesellschaft, die ihn umgibt, einrichtet als nach den Sitten der wackern wirklichen Personen, unter denen es umherwandelt.

Man zeige also in Worten und Handlungen mehr Wärme für tätige, nützliche Wirksamkeit als für Spekulation, so werden sich die Herrn Mystiker nicht leicht zu uns gesellen.

Gerät man aber an einen solchen Wundermann, und es ist uns daran gelegen, ihn und sein System genauer kennenzulernen, so hüte man sich, vorher Unglauben und Vorwitz zu offenbaren. Er wird sonst bald merken, daß mit uns nicht viel anzufangen ist, daß wir nicht empfänglich für seine Weisheit sind; er wird uns nicht einweihn in seine Geheimnisse, nicht zulassen zu seinem esoterischen Unterrichte, und wir werden den Vorteil entbehren, uns und unsre Freunde von dem wahren Zusammenhange zu unterrichten – ungerechnet, daß es sich wirklich für einen vernünftigen Mann nicht schickt, sich früher für oder gegen eine Sache einnehmen zu lassen, bevor er dieselbe kaltblütig untersucht hat, wäre auch aller Anschein dagegen, besonders wenn es Dinge betrifft, in welchen selbst der Weiseste lebenslang im Finstern tappt.

Glaubt man zuversichtlich einen Betrug entdeckt zu haben, so ist Spott, so ist Persiflage nicht das Mittel, Schwärmer zu bekehren. Man gehe also Schritt vor Schritt, und da die Sinne leichter getäuscht werden können als die Vernunft, so fordre man, bevor man sich auf Erscheinungen, Proben und Prozesse einläßt, daß uns vor allen Dingen zuerst die Theorie, auf welcher das alles beruht, recht deutlich erklärt werde, und hier lasse man sich nicht etwa auf eine bildliche Sprache ein, sondern auf bestimmte, verständliche deutsche Worte und auf den Ideengang und Sprachgebrauch, der einmal unter Gelehrten üblich ist. Es mag vielleicht sehr viel Weisheit in dem Jargon der Mystiker stecken; aber für uns kann nur das Wert haben, was wir verstehen. Man gönne also einem jeden die Freude, einen schmutzigen Kiesel für einen Diamanten zu halten, aber wenn man kein ebenso großer Kenner von Edelgesteinen ist, so sage man gutmütig ohne Scham frei heraus, daß man diesen Stein für nichts anders als für einen schmutzigen Kiesel halten könne. Es ist keine Schande, etwas nicht einzusehn, aber es ist mehr als Schande, es ist Betrug, das Ansehn haben zu wollen, als verstünde man – was man nicht versteht.

Hat Dich indessen ein Landstreicher, ein Goldmacher oder Geisterseher bei Deiner schwachen Seite gefaßt, eine Zeitlang sein Spielwerk mit Dir getrieben – oh, wer ist mehr in dieser Leute Händen gewesen als ich? – und Du entlarvst endlich den Schurken, dann scheue Dich nicht, nein denke, daß es Pflicht ist zur Warnung andrer ehrlicher, leichtgläubiger Leute öffentlich den Betrug bekanntzumachen – möchtest Du auch dabei in keinem sehr vorteilhaften Lichte erscheinen.

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