Carl von Ossietzky über Europa

  • Es gibt nur ein Bündnis, das gut und organisch gewachsen wäre: das deutsch-französische. Das wäre die erste und einzige unter allen alten und neuen Allianzen, die sich nicht gegen einen Dritten richtet. Es wäre die Allianz für Europa.

Carl von Ossietzky

er Publizist

* 03.10.1889 Hamburg
† 04.05.1938 Berlin

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Die Zeiten der Krieges, des Hasses und der "Erb-Feindschaft" sind zum Glück lange vorbei. Die neue Freundschaft mit unserem direkten Nachbarstaat Frankreich hat nicht nur bewährt, sondern auch vertieft und weiterentwickelt. Die Menschen nähern sich mehr und mehr an, was nicht nur die Grenzregionen, wie beispielsweise das Elsass betrifft, sondern sie vernetzten sich umfassend durch Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Und heute spricht man in vielen Bereichen sogar vom deutsch-französischen Motor, von dem Kraft und neue Impulse für ganz Europa erwartet werden.

Beispiel sind nicht nur die vielen gegenseitigen Städtepartnerschaften, die die deutsch-französische Freundschaft durch gegenseitige Besuche und ein lokales Miteinander pflegen, sondern auch der Kulturaustausch ist ebenso rege, wie die regelmäßigen politischen Treffen, die in vielem ein großes Maß an Übereinkunft heute finden.

Keiner mag sich heute mehr vorstellen, dass wir jemals in die Zeiten der heißen Kriege miteinander zurückfallen. Der Gedanke allein erscheint schon barbarisch.

Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die beiden großen Staatsmänner, waren es, die die Idee der europäischen Einigung in ganz besonderer Weise vorantrieben und als die treibenden Kräfte der Versöhnung angesehen werden. Diese historische Leistungen fand ihren politischen Ausdruck im Elysée-Vertrag von 1963, der die neuen guten Beziehungen untereinander auch institutionalisierte. Doch auch dieser neue Aufbruch war latenten Schwankungen unterworfen, die auch mit dem wirtschaftlichen Erstarken der Bundesrepublik Deutschland zu tun hatten. Die nächste Politikergeneration, zu denen Ludwig Erhard ebenso gehörte wie auch Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt auf der deutschen, so wie nach Charles de Gaulle auch Georges Pompidou von Seiten Frankreichs, beschränkt sich mehr auf schulpolitische Maßnahmen.

Versöhnung der Herzen

In der Ära von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing taute das Beziehungseis zwischen Deutschland und Frankreich wieder auf eine freundliche Temperatur auf, die sogar als herzlich bezeichnet. Und sie zog sich mit dem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand positiv in die Zukunft hinein. Die engen politischen Beziehungen zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wurden sogar mit dem Kunstwort Merkozy geadelt. Und heute ist es der noch junge Politiker Macron, der starke Impulse nach Europa sendet und die Beziehungen zu Deutschland besonders intensiv pflegt.

Zu der Befriedung der beiden "Erzfeinde" Deutschland und Frankreich kam es nicht zuletzt durch die historischen Versöhnungsgesten zwischen großen Europa-Politikern, die legendär geworden sind.

Dazu gehörte nicht nur die Umarmung von Adenauer und de Gaulle anlässlich der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages, nicht nur das Miteinander Hand in Hand von Kohl und Mitterand in Verdun im stillen Gedenken an die Opfer der deutsch-französischen Kriege, sondern auch die Umarmung von Schröder und Chirac anlässlich des 60. Jahrestages der Landung der Allierten in der Normandie sowie auch der Staatsbesuch von Joachim Gauck mit Hollande angesichts des Gedenken des Massakers von Oradour.

Die gewachsene, enge Beziehung ist heute selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags, der vor 150 Jahren undenkbar gewesen war. Nach den für Frankreich erfolgreichen napoleonischen Eroberungskriegen kamen 1794/95 viele rheinische Gebiete unter französische Herrschaft. Und 1798 wurde der Rhein als französische Ostgrenze erklärt. Erst nach Napoleons Niederlagen 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig und 1815 bei Waterloo, wurden die Grenzen neu gezogen. Frankreich musste die eroberten Gebiete abtreten und sich auf die Grenze vor 1794 zurückziehen. Doch das Aufkommen starker nationalistischer Strömungen in Frankreich führte dazu, erneut den Rhein als ›natürliche Grenze‹ Frankreichs anzustreben. Aber das Undenkbare wurde von Menschen beider Länder dennoch erreicht und der Frieden zwischen zwei langen verfeindeten Völkern überwunden. Das Bündnis, die deutsch-französische Freundschaft, wurde tatsächlich zu einer Allianz für Europa.

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