Historischer Roman

Zwölftes Kapitel

Inzwischen hatte der Präfekt das Flußufer verlassen und den Weg nach dem Kapitol eingeschlagen.

Durch die Porta trigemina gelangte er nach dem Forum boarium. An dem Janustempel traf er auf ein Volksgedränge, das ihn eine Weile aufhielt. Trotz seiner Verwundung war er so geeilt, daß ihm Licinius und Syphax kaum zu folgen vermochten. Wiederholt hatten sie ihn aus den Augen verloren. Erst jetzt holten sie ihn ein. Er wollte nun durch die Porta carmentalis eilen und so die Rückseite des Kapitols gewinnen.

Aber er fand es schon dicht von Goten besetzt. Darunter war Wachis. Der erkannte ihn von fern.

»Rache für Rauthgundis!« rief er. Ein schwerer Stein traf des Präfekten helmloses Haupt. Der wandte sich und floh.

Nun erinnerte er sich einer Mauersenkung nordöstlich von jenem Tor. Dort wollte er versuchen, über den Wall zu steigen.

Als er sich aber dem Mauerrand näherte, schlugen abermals die Flammen auf dem Kapitol empor.

Drei Männer sprangen ihm gegenüber über die Mauersenkung. Es waren Isaurier. Sie erkannten ihn. »Flieh, o Herr! Das ganze Kapitol ist verloren! Der schwarze Gotenteufel!«

»Hat er – hat Teja den Brand gestiftet?«

»Nein: wir selbst zündeten eine Holzschanze an, darin sich die Barbaren festgesetzt. Die Goten löschen.«

»Die Barbaren retten mein Kapitol.« Bittern Schmerzes voll stützte sich Cethegus auf den Speer, den ein Söldner dem Wankenden reichte. »Nun muß ich noch in mein Haus.«

Und er wandte sich nach rechts, auf dem nächsten Weg den Haupteingang seines Hauses zu erreichen.

»O Herr, das ist gefährlich!« warnte einer der Söldner. »Bald werden die Goten auch dort sein. Ich hörte, wie der schwarze Gotenfürst immer nach dir rief und fragte. Er suchte dich überall auf dem Kapitol. Bald wird er dich in deinem Hause suchen.«

»Ich muß noch einmal in mein Haus!«

Aber kaum hatte er ein paar Schritte vorwärts gemacht, als eine Schar Goten, mit Römern gemischt, mit Fackeln und Bränden, von der Stadt her, ihm gerade entgegenkam.

Die vordersten, es waren Römer, erkannten ihn. »Der Präfekt!« – »Der Verderber Roms!« – »Er hat das Kapitol anzünden lassen!« – »Nieder mit ihm!«

Pfeile, Steine, Speere flogen ihm entgegen. Ein Söldner fiel, zwei entflohn. Cethegus traf ein Pfeil: er drang ihm nur leicht in die linke Schulter. Er riß ihn heraus. »Ein Römerpfeil! Mit meinem Stempel«, lachte er auf.

Mit Mühe entkam er ins Dunkel der nächsten schmalen Gasse. Vor seinem Hause lärmte nun der Haufe, vergeblich bemüht, die mächtige Haupttüre zu sprengen. Ihre Schwerter und Speere reichten dazu nicht aus. Cethegus vernahm es wohl und die Rufe des Zorns über das vergebliche Mühen.

»Die Tür ist fest!« sagte er sich. »Bevor sie eindringen, bin ich lange wieder aus dem Hause.« Durch die enge Seitengasse gelangte er an den Hintereingang seines Hauses, drückte an eine geheime Feder, trat in den Hof und eilte, die Türe offen lassend, in das Gebäude.

»Horch!« da donnerte von dem Haupttore her ein ganz andres, ein gewaltigeres Schlagen als bisher.

»Eine Streitaxt!« sagte Cethegus. »Das ist Teja.«

Cethegus eilte an eine schmale Mauerlücke, die von dem Eckgemach auf die Hauptstraße einen Blick gewährte.

Es war Teja.

Sein schwarzes, langes Haar flatterte um das unbehelmte Haupt. In der Linken trug er einen aus dem Feuer des Kapitols gerafften Brand, in der Rechten das gefürchtete Schlachtbeil. Über und über war es mit Blut bespritzt.

»Cethegus!« rief er laut bei jedem Schlag seines Beils wider die ächzende Haustür. »Cornelius Cethegus Cäsarius! Wo bist du? Ich suche dich im Kapitol, Präfekt von Rom! Wo bist du? Muß Teja dich an deinem Hausherd suchen?«

Da hörte der lauschende Cethegus eilende Schritte hinter sich. Syphax hatte das Haus erreicht und war durch die Hintertür ihm gefolgt. Er erblickte seinen Herrn. »Flieh, o Herr! Ich decke deine Schwelle mit meinem Leib.«

Und er eilte an ihm vorüber, durch eine Reihe von Gemächern, an die Haupttüre.

Cethegus wandte sich nach rechts. Kaum konnte er sich noch aufrecht halten.

Er erreichte noch den Zeussaal. Hier sank er zusammen. Doch augenblicklich sprang er wieder auf.

Denn krachend und schmetternd scholl es vom Haupteingang her. Das feste Tor war endlich eingeschlagen. Dröhnend fiel es nach innen: und Teja betrat das Haus seines Feindes.

Auf der Schwelle sprang ihm, aus geduckt kauernder Stellung aufschnellend wie ein Panther, der Maure an den Hals, mit der Linken seine Gurgel umkrallend, in der Rechten blitzte das Messer. Aber der Gote ließ die Axt fallen: ein Ruck seiner Rechten, und wie eine fortgeschleuderte Kugel flog der Angreifer zur Seite, die Tür hinaus, und rollte die Stufen hinab auf die Straße.

»Wo bist du, Cethegus?« scholl nun Tejas Stimme näher und näher dringend im Atrium, im Vestibulum.

Einige Türen, die der Schreibsklave Fidus verriegelt hatte, sprengte rasch sein Beil.

Nur wenige Schritte trennten die beiden Männer.

Mühsam hatte sich Cethegus bis in die Mitte des Zeussaals geschleppt. Er hoffte immer noch das Schreibgemach erreichen und aus der Cäsarstatue die anvertrauten Schriften und Schätze nehmen zu können.

Da krachte nochmals eine gesprengte Tür, und Cethegus hörte Tejas Stimme aus dem Schreibgemach: »Wo bist du, Cethegus, Hausherr?«

Atemlos lauschte Cethegus.

Er hörte, wie in der Bibliothek der Teja nachdringende Haufe die Ahnenbilder und die Büsten zerschlug.

»Wo ist dein Herr, Alter?« rief Tejas Stimme.

Der Sklave hatte sich in das Schreibgemach geflüchtet.

»Ich weiß es nicht, bei meiner Seele.«

»Auch hier nicht? Cethegus, Feigling! Wo steckst du?«

Da hatte auch die Menge offenbar das Schreibgemach erreicht.

Cethegus vermochte nicht mehr zu stehen. Er lehnte sich an den marmornen Jupiter.

»Was wird mit dem Hause?«

»Verbrannt wird es!« antwortete Teja.

»Der König hat das Brennen verboten«, mahnte Thorismut.

»Ja! Dies Haus aber hab' ich mir vom König erbeten. Es wird verbrannt und der Erde gleichgemacht. Nieder mit dem Tempel des Teufels! Nieder mit seinem Allerheiligsten: – dem Götzen hier!«

Und ein furchtbarer Schlag erscholl.

Krachend, schmetternd stürzte die Cäsarstatue in vielen Trümmern auf den Mosaikboden. Goldstücke, Kästchen, Kapseln rollten umher.

»Ah, der Barbar!« schrie Cethegus außer sich.

Und alles vergessend wollte er mit dem Schwert in das Schreibgemach stürmen. Da fiel er bewußtlos auf das Antlitz nieder zu Füßen der Jupiterstatue.

»Horch, was war das?« fragte eine Knabenstimme.

»Die Stimme des Präfekten!« rief Teja und riß die Türe auf, die das Schreibgemach von dem Zeussaal trennte.

Mit dem Brande vorleuchtend und hoch die Streitaxt schwingend sprang er in den Saal.

Aber der Saal war leer.

Eine Blutlache lag zu den Füßen des Jupiter, und eine breite Blutspur führte von da an das Fenster, das in den Hofraum blickte.

Auch der Hof war leer.

Nacheilende Goten aber fanden die kleine Hofpforte geschlossen, und zwar von außen. Der Schlüssel steckte auf der Straßenseite im Schloß.

Als man mit Mühe – nach langer Arbeit – auch diese Tür gesprengt – gleichzeitig fast hatten andre Goten, aus dem Hauptausgang auf die Straße und um die Ecke des Hauses eilend, die schmale Seitengasse erreicht – und die Gasse mit deren Gebäuden absuchte, fand man nur an der Ecke das Schwert des Präfekten, das Fidus, der Schreibsklave, erkannte.

Finster blickend nahm es Teja und kehrte in das Schreibgemach zurück. »Lest alles sorgsam auf, was des Präfekten Götzenstatue barg. Hört ihr, alles. Schreibereien zumal, und bringt sie dem König – wo ist der König?«

»Aus dem Kapitol zog er mit Römern und Goten in die Kapelle Sankt Peters, dort mit allem Volk das Dankgebet zu sprechen.« –

»Gut, sucht ihn in der Kirche und bringt ihm alles. Dazu des Entflohenen Schwert. Sagt: Teja schickt ihm das.«

»Soll geschehn. Du aber – gehst du nicht mit zum König und in die Kirche?«

»Nein.«

»Wo verbringst du die Siegesnacht und feierst den Dankgottesdienst?«

»Auf den Trümmern dieses Hauses!« sprach Teja.

Und er stieß den Brand in die Purpurteppiche des Lagers.

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