Historischer Roman

Fünfzehntes Kapitel

Als König Teja das ganze Heer des Narses gegen die Mündung des Engpasses in Bewegung sah, sprach er zu seinen Helden: »Wohlan: so schaut denn statt der Sterne die Mittagssonne den letzten Kampf der Goten. Das ist die einzige Änderung unsres Entschlusses.« Er stellte eine Anzahl von Kriegern vor der Lavahöhle auf, wies ihnen die Leiche Theoderichs, auf purpurner Bahre aufgerichtet, und den Königshort und trug ihnen auf, während der Kampf um den Engpaß toben würde, die Purpurbahre und die Truhen in den Vesuv zu schleudern auf Adalgoths Wink, dem er mit Wachis die letzte Obhut des Passes anbefahl.

Die Unwehrhaften drängten sich um die Lavahöhle zusammen –: man sah keine Träne, man hörte kein Schluchzen. Die Krieger aber ordnete Teja nach Hundertschaften, und innerhalb derselben nach den Sippen, so daß Väter und Söhne, Brüder und Vettern nebeneinander fochten: ein Gefüge der Schlachthaufen, dessen grimmige Zähigkeit die römischen Legionen seit den Tagen der Kimbern und Teutonen, des Ariovist und des Armin erprobt. Die natürliche Beschaffenheit des letzten Schlachtfeldes der Goten wies von selbst auf die alte, von Odin gelehrte Schlachtordnung zum Angriff aus dem Engpaß: dem Keil.

Die tiefen, dichten Kolonnen der Byzantiner standen nun, wohl gegliedert, staffelförmig von dem Meeresufer an bis auf Speerwurfweite vor des Passes Mündung hintereinander aufgestellt: – ein prachtvoll schöner, aber furchtbarer Anblick. Die Sonne glänzte auf ihren Waffen, indes die Goten im Schatten der Felsen standen. Weit über die Lanzen und Feldzeichen der Feinde hinweg blickten die Germanen bis in das lachende, schimmernde Meer, das in wonnigem Lichtblau strahlte.

König Teja stand neben Adalgoth, der das Banner Theoderichs trug, in der Mündung des Passes. Der Dichter regte sich in dem Heldenkönig.

»Sieh hin«, sprach er zu seinem Liebling, »wo könnten wir schöner sterben? Nicht im Himmel der Christen, nicht in Meister Hildebrands Asgardh oder Breidablick kann es schöner sein. Auf, Adalgoth, laß uns hier sterben, unsres Volkes und dieser schönen Todesstätte wert.«

Und er warf den Purpurmantel zurück, den er über der schwarzen Erzrüstung getragen, nahm die kleine Harfe in den linken Arm und sang mit leiser verhaltener Stimme:

»Vom fernsten Nord bis vor Byzanz,
    Bis Rom – welch Siegeswallen!
Der Goten Stern stieg auf in Glanz: –
    In Glanz auch soll er fallen.
Die Schwerter hoch um letzten Ruhm
    Mit letzter Kraft zu werben: –
Fahr wohl, du stolzes Heldentum:
    Auf, Goten, – laßt uns sterben!«

Und mit kräftigem Schlag zerschmetterte er die im Tode noch hellaufklingende Harfe an dem Fels zu seiner Linken.

»Nun, Adalgoth, leb' wohl! Hätt' ich die Reste meines Volkes retten können! Nicht hier! Aber mit freiem Abzug gen Norden!

Es sollte nicht sein. Narses würd's kaum gewähren. Und die letzten Goten bitten nicht. Zum Tod!«

Und die mächtige Streitaxt an lanzengleichem Schaft erhebend, die gefürchtete Waffe, trat er an die Spitze des Keils. Hinter ihm Aligern, sein Vetter, und der alte Hildebrand. Hinter diesen Herzog Guntharis von Tuscien, der Wölsung, Graf Grippa von Ravenna und Graf Wisand von Volsinii, der Bandalarius. Hinter diesen Wisands Bruder: Ragnaris von Tarentum, und vier Grafen, dessen Gesippen. Darauf in steigender Breite, je sechs, acht, zehn Goten.

Den Schluß bildeten dichte Haufen, je nach Zehnschaften geordnet.

Wachis, neben Adalgoth in dem Engpaß haltend, gab, auf des Königs Wink, das Zeichen mit dem gotischen Heerhorn. Und nun brach die Sturmschar ausfallend aus der Schlucht.

Auf der nächsten breiteren Stelle vor dem Paß hielten die mit Johannes verbündeten Helden: nur Alboin, Gisulf und Cethegus fehlten noch. Hinter jenen zehn Führern standen zunächst Langobarden und Heruler, die sofort einen Hagel von Speeren und Pfeilen auf die vorbrechenden Goten schleuderten.

Zuerst sprang gegen den König, den die Zackenkrone auf dem schwarzen, geschlossenen Helm kenntlich machte, Althias, der Armenier. Sofort fiel er mit zerspaltenem Haupt.

Der zweite war der Heruler Rudolf. Er rannte den Speer mit beiden Händen, links gefällt, wider Teja. Dieser fing den Stoß unerschüttert mit dem schmalen Schild und stieß dem von dem Anprall Zurücktaumelnden die lanzengleiche Spitze des Schlachtbeils in den Leib.

Ehe er die Waffe aus dem Geschupp des Waffenrocks reißen konnte, waren zugleich Suartua, des gefallenen Herulers Neffe, der Perser Kabades und der Bajuvare Garizo heran. Letzterem, dem kühnsten und nächsten, stieß Teja den Schnabel des Schildes vor die Brust, daß er über den schmalen, glatten Lavasteig zur Rechten hinabstürzte. »Jetzt hilf, o heil'ge Waldfrau von Neapolis!« betete der Lange, dieweil er flog, »die du mir durch all diese Kriegsjahre geholfen«: und wenig geschädigt kam Miriams Bewunderer unten an, nur schwer betäubt vom Fall.

Dem Heruler Suartua, der das Schwert über Tejas Haupt schwang, schlug Aligern, hinzuspringend, den Arm samt dem Schwerte glatt vom Rumpf. Er schrie und fiel. Dem Perser Kabades, welcher den krummen Säbel von unten schlitzend gegen des König Weichen hob, zerschlug der alte Hildebrand mit der Streitaxt Visier, Antlitz und Gehirn.

Teja, seiner Streitaxt wieder mächtig und der nächsten Angreifer ledig, sprang nun selbst zum Ansturm vor. Er warf die Streitaxt im Schwung gegen einen im Eberhelm – Helm mit Haupt und Hauern des Wildebers – heranschreitenden Feind: Epurulf, der Alamanne war's: er stürzte rücklings. Über ihn beugte sich Vadomar, sein Gesippe, und wollte des Gotenkönigs schreckliche Waffe an sich reißen: aber im Flug war Teja zur Stelle, das kurze Schwert in der Rechten, hoch blitzte es, und Vadomar fiel tot auf seinen toten Freund.

Da rannten zugleich die beiden Franken Chlotachar und Bertchramm, die Francisca, eine Tejas Streitbeil ähnliche Waffe schwingend, herzu: beide Äxte sausten zugleich: die eine fing Teja mit dem Schild auf: die zweite, die hoch im Bogen, sein Haupt bedrohend, heranflog, parierte er mit dem eignen Beil: und rasch stand er zwischen den beiden Feinden, schwang die Axt im Kreise furchtbar um seinen Helm, und auf einen Schwung sanken beide Franken nach links und rechts mit zerspellten Sturmhauben.

Da traf sausend des Königs Schild ein Speer aus nächster Nähe: er durchbohrte den Stahlrand und streifte leicht den Arm. Während Teja sich gegen diesen Feind wandte – der Burgunde Gundobad war's –, lief ihn von hinten der Gepide Ardarich mit dem Schwerte an und schlug ihm einen schweren Streich auf das Helmdach, im Augenblick aber fiel Ardarich, von Herzog Guntharis' Wurfspeer durchbohrt. Und den Burgunden Gundobad, der sich grimmig wehrte, drückte der König mit dem Schild erst aufs Knie, er verlor den Helm, und Teja stieß ihm den Schildstachel in die Kehle.

Aber schon standen Taulantius, der Illyrier, und Autharis, der Langobarde, vor ihm. Mit schwerer Keule aus der Wurzel der Steineiche schmetterte der Illyrier auf des Königs Schild und schlug ein Stück des untern Stahlrandes heraus, gleichzeitig traf, dicht über diesem Sprung, des Langobarden Lanzenwurf den Schild und riß den Beschlag um den Schildnabel hinweg, schwer in dem Schilde haftend mit langem Widerhaken und ihn nach unten zerrend. Und Taulantius hob schon die Keule gegen des Königs Visier.

Da entschloß sich Teja kurz: den halbzertrümmerten Schild opfernd, schmetterte er diesen mit dem Stachel in des Illyriers Antlitz, den Schild fahren lassend, und fast gleichzeitig stieß er dem anstürmenden Autharis des Schlachtbeils Spitze durch den Ringpanzer in die Brust.

Aber nun stand der König ohne Schild: und die feindlichen Fernkämpfer verdoppelten ihre Speere und Pfeile. Mit Beil und Schwert nur wehrte Teja den von allen Seiten dicht heransausenden Geschossen. Und ein Hornruf von dem Paß her mahnte ihn, umzuschauen.

Da sah er den größten Teil der von ihm aus der Schlucht geführten Krieger gefallen. Die Ferngeschosse, die zahllosen, hatten sie niedergestreckt; und schon hatte sie, von der Linken einschwenkend, eine starke Schar Langobarden, Perser und Armenier von der Flanke erfaßt und im Nahkampf erreicht. Vom rechts aber sah der König eine Kolonne von Thrakiern, Makedonen und Franken mit gefällten Speeren auf die Wächter am Engpaß andringen, während eine dritte Abteilung, Gepiden, Alamannen, Isaurier und Illyrier ihn selbst und das schwache, noch hinter ihm haltende Häuflein von dem Rückweg nach dem Engpaß abzutrennen versuchte.

Scharf blickte Teja nach dem Engpaß, da verschwand für einen Augenblick das Banner Theoderichs: es schien gefallen. Dies entschied des Königs Entschluß. »Zurück, zum Paß! Rettet Theoderichs Panier!« so rief er den hinter ihm Kämpfenden zu und stürmte zurück, indem er die ihn umgarnende Schar durchbrechen wollte.

Aber dieser war es grimmiger Ernst, denn Johannes führte die Isaurier. »Auf den König!« schrie er. »Laßt ihn nicht durch! Laßt ihn nicht zurück! Speere! Werft!«

Nun war Aligern heran: »Nimm rasch meinen Schild.« Teja ergriff den dargebotenen Büffelschild –: in diesem Augenblick flog des Johannes Wurflanze und hätte des Königs Visier durchbohrt, hob dieser nicht gerade noch den neugewonnenen Schild. »Zurück zum Paß!« rief Teja nochmal und rannte mit solcher Gewalt gegen den anstürmenden Johannes, daß dieser rücklings niederstürzte, die zwei nächsten Isaurier erschlug der König. Und nun eilten Teja, Aligern, Guntharis, Hildebrand, Grippa, Wisand und Ragnaris schleunigst gegen den Paß.

Aber hier tobte bereits der Kampf. Alboin und Gisulf hatten hier gestürmt, und ein schwerer, spitzer Lavablock, von Alboin mit zwei Händen geschleudert, hatte Adalgoth auf den Schenkel getroffen und für einen Augenblick ins Knie gestürzt. Doch schon hatte Wachis das sinkende Banner Theoderichs ergriffen und Adalgoth selbst, sich aufraffend, den eindringenden Langobardenfürsten mit dem Schildstachel aus dem Engpaß gestoßen. Des Königs und seiner umgebenden Helden plötzliche Rückkehr machte den Bedrängten Luft: haufenweise fielen die Langobarden vor den unerwartet im Rücken Angreifenden. Mit Geschrei brachen zugleich die Wächter des Passes hervor, und rasch sprangen und liefen die Langobarden, ihre Führer mit fortreißend, über die Lavaklippen hinab. Aber nicht weit kamen sie. Da nahm sie der Isaurier und Illyrier, der Gepiden und Alamannen starker Schlachthaufe, geführt von Johannes, auf. Dieser hatte, zähneknirschend, sich erhoben, den Helm zurechtgeschoben und war sofort, Kehrt befehlend, gegen den Paß gerückt, den Teja nun erreicht hatte.

»Vorwärts«, befahl er, »hierher zu mir, Alboin, Gisulf, Vitalianus, Zenon, drauf! Laßt sehn, ob dieser König denn wirklich ganz unsterblich ist.«

Teja hatte nun wieder seine alte Vorkämpferstellung, an der Mündung des Passes, eingenommen und lehnte, sich verkühlend, auf seinem Beilschaft.

»Nun, Barbarenkönig, geht's zum Ende. Bist du wieder in dein Schneckenhaus gekrochen? Komm heraus, oder ich schlag' dir ein Loch ins Haus! Komm heraus, wenn du ein Mann bist!« So rief Johannes und wog den Wurfspeer. »Gebt mir drei Speere!« sprach Teja und reichte Schild und Axt dem verwundet neben ihm stehenden Adalgoth. »So! Nun, sowie er gefallen, folgt mir.« Und ohne Schild trat er einen Schritt ins Freie, in jeder Hand Speere.

»Willkommen im Freien! Und im Tode!« rief Johannes und warf. Meisterhaft war sein Wurf gezielt, scharf auf des Königs Helmvisier. Aber Teja bog den Kopf zur Rechten, und an der Felswand splitterte die kräftig geschleuderte Eschenlanze.

Sowie Teja mit der Rechten nun seinen ersten Speer entsandte, warf sich Johannes auf das Antlitz: der Speer traf und tötete Zenon hinter ihm. Rasch war Johannes wieder auf den Füßen und schoß, wie der Blitz, auf den König los, den zweiten Speer, den des Königs Rechte entsandte, fing er mit dem Schild. Aber Teja hatte diesmal augenblicklich, nach dem Wurf aus der Rechten, auch aus der gleich geübten Linken eine Lanze geschleudert, und diese, von dem Anrennenden nicht bemerkt, durchbohrte den Schuppenpanzer und die Brust des tapfern Mannes, im Rücken hervordringend. Er fiel.

Da faßte seine Isaurier und Illyrier Entsetzen : denn er galt nach Belisar für den ersten Helden von Byzanz. Sie schrien laut auf, wandten den Rücken und flohen, in wilden Sätzen, ordnungslos, den Berg herabspringend, verfolgt von Teja und seinen Treuen.

Einen Augenblick hielten noch die wieder gesammelten Langobarden. »Komm, Gisulf – beiß die Zähne zusammen – bestehen wir diesen König des Todes«, rief Alboin. – Aber da stand schon Teja zwischen ihnen – hoch blitzte sein schreckliches Beil: durch den Ringpanzer tief in die rechte Schulter gehaun stürzte Alboin und gleich darauf Gisulf mit zerschmettertem Helm. Da war kein Halten mehr: Langobarden, Gepiden, Alamannen, Heruler, Isaurier, Illyrier jagten in blinder Flucht entschart den Berg hinab.

Jauchzend verfolgten Tejas Genossen. Teja selbst hielt an dem Paß: er ließ sich nur von Wachis Speere reichen und, hoch über die gotischen Verfolger hinweg, im Bogenflug zielend, traf er Wurf auf Wurf und tötete, was er erreichte. Es waren des Kaisers beste Truppen: sie rissen die nachrückenden Makedonen, Thrakier, Perser, Armenier und Franken mit fort: bis an des Narses Seite fluteten die Versprengten, besorgt hob sich dieser aus seiner Sänfte.

»Johannes gefallen!« – »Alboin schwer wund«, riefen sie, an ihm vorübereilend. »Flieht! Zurück ins Lager!« – »Eine Angriffsturmsäule muß neu –« sprach Narses, »ha sieh: da kommt Cethegus, zur rechten Zeit!«

Und er war's.

Vollendet hatte er den langen Umritt bei allen Scharen, denen Narses Römer und Italier zugeteilt, gegliedert hatte er sie in fünf Haufen von je dreihundert Mann: nun schritt er an ihrer Spitze, der zum Angriff Geordneten, ruhig voran. Anicius folgte von ferne: Syphax ging, zwei Speere tragend, hart hinter seinem Herrn.

Die flüchtenden Geschlagenen in ihren Zwischenräumen hindurchfluten lassend rückten die Italier vor: die meisten alten Legionäre aus Rom und Ravenna, Cethegus treu ergeben. Die gotischen Verfolger stutzten, als sie auf diese frische, übermächtige und wohlgeordnete Sturmschar stießen, und wichen langsam gegen den Engpaß zurück.

Aber Cethegus folgte.

Über die blutige, leichenbedeckte Stelle, wo Teja zuerst den Bund der Zwölf vernichtet, über den weiter oben gelegenen Kampfplatz, wo Johannes gefallen war, ging er in gleichmäßigem, ruhigem Schritt hinweg, Schild und Speer in der Linken, das Schwert in der Rechten: hinter ihm, die Lanzen gefällt, die Legionäre.

Schweigend, ohne Feldruf, ohne Tubatöne rückten sie den Berg empor.

Die gotischen Helden wollten nicht hinter ihren König in den Paß weichen. Sie hielten vor der Mündung. Guntharis war der erste, den Cethegus erreichte.

Des Herzogs Wurfspieß splitterte an seinem Schild, und gleich darauf stieß ihm Cethegus den Speer in die Weichen: in der Wunde brach der tödliche Schaft. Graf Grippa von Ravenna wollte den Wölsungen rächen: er schwang, weit ausholend, das lange Schwert über dem Haupt, aber Cethegus unterlief den Hieb und stieß dem alten Gefolgsmann Theoderichs das breite Römerschwert in die rechte Schulterhöhe –: er fiel und starb. Zornig schritt Wisand, der Bandalarius, gegen Cethegus heran: die Klingen kreuzten sich, Funken stoben aus den Schwertern und den Helmen: da parierte geschickt Cethegus einen allzu ungefügen Hieb, und ehe der Gote sich wieder gedeckt, stieß er ihm das Schwert in den Schenkel, daß das Blut hoch aufspritzte. Wisand wankte –: zwei Vettern trugen den Verwundeten davon. Sein Bruder, Ragnaris von Tarent, lief Cethegus von der Seite an, aber den sehr wohlgezielten Speerstoß riß Syphax, hinzuspringend, in die Höhe, und ehe Ragnaris den Speerschaft losgelassen und das Handbeil aus dem Gürtel gerissen, stieß ihm Cethegus das Schwert zwischen den Augen in die Stirn.

Erschrocken wichen die Goten vor dem Engpaß dem schrecklichen Römer aus und drängten sich, neben ihrem König vorbei, in die deckende Schlucht. Nur Aligern, Tejas Vetter, wollte nicht weichen: er warf den Speer so stark auf des Cethegus Schild, daß er diesen durchbohrte; aber Cethegus ließ den Schild sinken und fing den Wild-Anrennenden mit dem Schwert ab: in die Brust gestoßen fiel Aligern in des alten Hildebrand Arme, der, seinen schweren Steinhammer fallen lassend, mit Mühe den Verwundeten an Teja vorbei in den Engpaß tragen wollte.

Zwar auch Aligern hatte gut getroffen: stark blutete des Cethegus Schildarm. Doch er achtete es nicht: nachdringend wollte er beide Goten, Hildebrand und Aligern, töten, da ersah Adalgoth den verhaßten Verderber seines Vaters. »Alarich! Alarich!« rief er mit heller Stimme: und vorspringend raffte er des alten Waffenmeisters schwere Steinaxt vom Boden auf: »Alarich«, rief er nochmal.

Hoch horchte Cethegus auf bei diesem Namen.

Da sauste die Steinaxt, scharf gezielt, heran und schlug schmetternd auf seinen stolz geschweiften Helm: betäubt sank Cethegus um. Syphax sprang hinzu, faßte ihn mit beiden Armen und riß ihn rückwärts aus dem Gefecht.

Aber die Legionäre wichen nicht; sie konnten gar nicht weichen; hinter ihnen drängten, von Narses nachgeschickt, zweitausend Perser und Thraker empor.

»Wurfspeere herbei«, befahl ihr Führer Aniabedes. »Keinen Nahekampf! Mit Wurfspeeren überschüttet den König, bis er fällt. So hat Narses geboten!« Und gern gehorchten die Truppen dem Gebot, das ihr Blut zu sparen verhieß. Ein so furchtbarer Hagel von Geschossen schlug alsbald wider die schmale Mündung der Schlucht, daß kein Gote mehr heraus und vor den König zu treten vermochte.

Und nun verteidigte Teja, den Engpaß mit seinem Leib und seinem Schilde deckend, geraume, sehr geraume Zeit, ganz allein, sein Gotenvolk.

Bewunderungsvoll hat uns Prokop, nach der Augenzeugen Bericht, diesen letzten Kampf des Teja beschrieben. »Nun hab' ich das Gefecht zu schildern, das höchst denkwürdige, und eines Mannes Heldentum, das hinter keinem derer, die man Heroen nennt, zurücksteht –: des Teja. Er stand, allen sichtbar, mit dem Schilde gedeckt, den Speer zückend, vor der Schlachtreihe der Seinen. Alle tapfersten Römer, deren Zahl groß war, stürmten nur gegen ihn an, denn mit seinem Fall, meinten sie, sei der Kampf zu Ende. Alle schleuderten und stießen auf ihn die Lanzen: er aber fing die Lanzen sämtlich auf mit seinem Schild, und er tötete in plötzlichem Ansprung einen nach dem andern, Unzählige. Und wenn der Schild so schwer von Geschossen starrte, daß er ihn nicht mehr halten konnte, winkte er dem Schildträger, der ihm einen neuen reichte. So stand er, nicht sich wendend und etwa auf den Rücken den Schild werfend und weichend: sondern fest, wie in die Erde gemauert, stand er: dem Feinde mit der Rechten Tod bereitend, mit der Linken von sich den Tod abwehrend und immer dem Waffenträger nach neuen Schilden und neuen Speeren rufend.«

Wachis und Adalgoth waren es, die – aus dem Königshort waren Schilde und Speere haufenweise herangeschleppt worden – ihm immer neue Waffen reichten.

Endlich sank den Römern, Persern und Thrakern der Mut, als sie alle ihre Anstrengungen an dem lebendigen Schild der Goten scheitern und jeden Vordersten, Kühnsten der Ihrigen, von dem Speer des Königs erreicht, fallen sahen. Sie wankten – die Italier riefen ängstlich nach Cethegus – sie flohen.

Da fuhr Cethegus aus seiner langen Betäubung auf.

»Syphax, einen frischen Speer! Halt«, rief er, »steht, ihr Römer! Roma, Roma eterna!« Und hoch sich aufrichtend schritt er gegen Teja heran.

Die Römer erkannten seine Stimme. ›Roma! Roma eterna!‹ antworteten sie. und standen.

Aber auch Teja hatte diese Stimme erkannt.

Von zwölf Lanzen starrte sein Schild – er konnte ihn nicht mehr halten; aber da er den Heranschreitenden erkannte, dachte er nicht mehr des Schildwechsels.

»Keinen Schild! Mein Schlachtbeil! Rasch!« rief er. Und Wachis reichte ihm die Lieblingswaffe.

Da ließ König Teja den Schild fallen und sprang, das Schlachtbeil schwingend, aus dem Engpaß auf Cethegus. »Stirb, Römer!« rief er.

Scharf bohrten die beiden großen Feinde noch einmal Aug' in Auge. Dann sausten Speer und Beil durch die Luft – denn keiner dachte der Abwehr.

Und beide fielen. Tejas Beil drang mit der Speerspitze durch Schild und Harnisch in des Cethegus linke Brust. ›Roma! Roma eterna!‹ rief er noch einmal. Dann sank er tot zurück. –

Sein Speer hatte den König in die rechte Brust getroffen: nicht tot, aber sterbenswund, trugen ihn Wachis und Adalgoth in den Paß. Und sie hatten Eile damit.

Denn als sie – endlich! – den König der Goten fallen gesehen – acht Stunden hatte er ununterbrochen gekämpft, und es neigte zum Abend –: da rannten alle Italier, Perser, Thraker und, von unten aufsteigend, neue Schlachthaufen gegen den Engpaß, den nun Adalgoth mit dem Schilde deckte, Hildebrand und Wachis standen hinter ihm.

Des Cethegus Leiche hatte Syphax mit beiden Armen umschlungen und seitwärts aus dem Getümmel getragen.

Laut aufschluchzend hielt er das edle Haupt, im Tode von hehrer Majestät fast über Menschenmaß hinaus verklärt, auf den Knien. Vor ihm, gegen den Engpaß hin, tobte der Kampf.

Da bemerkte der Maure, daß Anicius, gefolgt von einer Byzantinerschar – auch Scävola und Albinus erkannte er darunter – sich ihm, gebieterisch deutend, näherte.

»Halt«, rief er aufspringend, »was wollt ihr?«

»Das Haupt des Präfekten dem Kaiser bringen«, sprach Anicius. »Gehorche, Sklave!«

Aber Syphax stieß einen gellenden Schrei aus; sein Wurfspeer flog, und. Anicius fiel. Und pfeilschnell, ehe die andern, mit dem Sterbenden beschäftigt, näher gekommen waren, hatte Syphax die teure Last auf den Rücken gehoben und rannte damit, rasch wie der Wind, ungangbare Pfade, die fast senkrechten Lavaklippen hinauf, neben dem Engpaß, eine Wand empor, die Goten und Byzantiner bisher als unersteiglich betrachtet. Syphax klomm rasch und rascher hinauf. Sein Richtpunkt war die kleine Rauchsäule, die hart jenseits der Lavawand emporstieg. Denn dicht jenseits der Felsklippe gähnte einer der kleinen Kraterrisse des Vesuvs.

Einen Augenblick noch hielt Syphax inne auf dem Grat des schwarzen Felsens: auf beiden starken Armen hob er des Cethegus Leiche noch einmal waagrecht in die Höhe, der sinkenden Sonne die stolze Gestalt zeigend.

Und plötzlich waren Herr und Sklave verschwunden.

Der Feuerberg hatte mit Syphax, dem treuen, den toten Cethegus, seine Größe und seine Schuld in dem brennenden Schoße begraben. Er war entrückt dem kleinen Haß seiner Feinde.

Scävola und Albinus, die den Vorgang mit angesehen hatten, eilten zu Narses und forderten von ihm, man solle an dem Krater nach der Leiche forschen.

Narses aber sprach: »Gönnt dem Gewalt'gen sein gewaltig Grab. Er hat's verdient. Mit Lebenden und nicht mit Toten kämpf ich.«

Aber im gleichen Augenblick fast verstummte auch der laute klirrende Kampf um den Engpaß, an welchem Adalgoth, nicht unwürdig seines königlichen Harfen- und Speermeisters Teja, dem Ansturm der Feinde heldenmütig und todeskühn wehrte.

Denn während, hinter Adalgoth stehend, Hildebrand und Wachis plötzlich riefen: »Seht auf das Meer! Das Meer! Die Drachenschiffe! Die Nordlandhelden! Harald! Harald!« mahnten von unten, von der Sänfte des Narses her, feierliche Tubatöne zur Einstellung des Kampfes, zur Waffenruhe – sehr freudig senkten die kampfesmüden Byzantiner die Schwerter.

König Teja aber, der auf seinem Schilde lag – den Speer des Cethegus herauszuziehen hatte Hildebrand verboten »denn mit seinem Blute fließt sein Leben hin« –, forschte mit leiser Stimme: »Was hör' ich da rufen? Die Nordlandhelden? Ihre Schiffe? Harald ist da?«

»Ja: Harald und Errettung für den Rest des Volkes, für uns und – für die Frauen, die Kinder« jubelte Adalgoth, an seiner Seite kniend. »So war es nicht umsonst, du ewig teurer Held, dein unvergleichlich Heldentum, dein stundenlanges Ausharren über Menschenkraft! – Basiliskos kam soeben als Gesandter des Narses: Harald hat die ›jonische Flotte‹ des Kaisers vernichtet im Hafen von Brundisium. Er droht mit Landung, mit neuem Angriff den müden Byzantinern; er fordert, was von uns noch lebt, davonzuführen, mit Wehr und Waffen und Gerät, in die Freiheit, nach Thuleland. Narses hat eingewilligt: er ehre, sagte er, König Tejas hohes Heldentum an seines Volkes Resten. Dürfen wir? O dürfen wir, mein König?«

»Ja«, sprach Teja mit brechenden Augen. »Ihr dürft und sollt. Frei, gerettet unseres Volkes Reste! Die Frauen, die Kinder – Heil mir! – nicht in den Vesuv! Ja, führt nach Thuleland alle noch Lebenden; und nehmt auch mit die beiden Toten: den König Theoderich –«

»Und König Teja!« sprach Adalgoth und küßte des Toten Mund.

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