Einundvierzigstes Capitel.

Friedrich's Sorgen für Deutschland. – Der bairische Erbfolgekrieg und der deutsche Fürstenbund.

Rastlos hatte Friedrich unterdeß für das Wohl seines Volkes gewirkt; gern hätte er diese schöne Thätigkeit ohne Unterbrechung bis an das Ende seines Lebens fortgeführt. Aber er ließ nicht nach, mit scharfem Blicke die politischen Angelegenheiten zu verfolgen; und als die Gefahr emporstieg, die früher oder später die bedeutsame Stellung, welche er seinem Staate gegeben, beeinträchtigen konnte, war er schnell, wie in den Zeiten der Jugend, gerüstet, dem drohenden Uebel vorzubeugen.

Seit Jahrhunderten hatte man das österreichische Kaiserhaus im Verdacht, daß es dahin strebe, mit dem Schatten der Kaiserwürde eine Macht zu verbinden, welche die unabhängigen Fürsten des Reiches dem Oberhaupte des letzteren wieder dienstbar zu machen bestimmt sei. Man hielt sich für überzeugt, daß es keine Gelegenheit zur Ausführung solcher Pläne würde ungenützt vorübergehen lassen. Auch Friedrich theilte diese Ansicht; der leidenschaftlich emporstrebende Sinn des jungen Kaisers war allerdings hinlänglich geeignet, solche Besorgnisse rege zu halten. Darum äußerte er einst zu einem seiner Generale, indem er ihm das Bild des Kaisers zeigte, das in seinem Zimmer auf einem Stuhle stand: »Den stelle ich mir unter die Augen; das ist ein junger Mann, den ich nicht vergessen darf. Der Kaiser Joseph hat Kopf, er könnte viel ausrichten; Schade für ihn, daß er immer den zweiten Schritt thut, ehe er den ersten gethan hat.« – In diesen wenigen Worten ist zugleich der Grund des ganzen tragischen Geschickes, das den Kaiser traf, ausgesprochen.

Schon hatte es nicht an Gelegenheit gefehlt, die Rechte der deutschen Fürsten gegen Oesterreich zu vertreten, und Friedlich war dabei nicht unthätig geblieben. Doch war es bisher bei einfachen Verhandlungen geblieben. Als aber der kaiserliche Hof mit Ansprüchen hervortrat, welche die bestehenden Verhältnisse durchaus zu untergraben drohten, sah sich auch Friedrich zu entschiedneren Maßregeln genöthigt.

Der Kurfürst von Baiern, Maximilian Joseph, war am 30. December 1777 plötzlich gestorben. Mit ihm erlosch der eine Pfalz-Bairische Regentenstamm; die Nachfolge gebührte, nach unzweifelhaftem Rechte, dem Kurfürsten von der Pfalz, Karl Theodor; dieser hatte keine ehelichen Kinder, und sein nächster Lehnserbe war somit der Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken. Dem österreichischen Hofe aber war schon seit längerer Zeit der Erwerb von Baiern erwünscht gewesen. Jetzt wurden schnell einige wenig begründete Ansprüche hervorgesucht, österreichische Truppen rückten unverzüglich in Niederbaiern und in die Oberpfalz ein, und Karl Theodor, eingeschüchtert und für das künftige Fortkommen seiner zahlreichen außerehelichen Kinder besorgt, vollzog einen Vergleich mit dem Kaiser, durch welchen er an den letztern die bessere Hälfte seiner Erbschaft abtrat. Den Herzog Karl von Zweibrücken, dessen Stimme natürlich nicht übergangen werden durfte, hoffte man zur Bestätigung der Abtretung zu nöthigen.

Solch ein eigenmächtiges Verfahren war gegen die Grundgesetze des Reiches; blieb dasselbe unangefochten, so war fortan kein Stand des Reiches mehr vor den Eingriffen des Kaisers sicher. Friedrich beschloß, die Gerechtsame der deutschen Fürsten zu vertreten. Er erklärte dem Kurfürsten, daß er, als Glied des Reichs und als Bürge des zu Hubertsburg bekräftigten westphälischen Friedens, bei solcher Zerstückelung eines Kurstaates wesentlich beeinträchtigt sei. Der Herzog Karl, der, anfangs ohne Unterstützung, schon entschlossen war, sich dem Willen des Kaisers zu fügen, ward durch Friedrich zu einer Protestation veranlaßt und empfing von ihm das Versprechen, das pfälzische Haus bei seinen Rechten auf die bairische Erbschaft gegen die ungerechten Ansprüche des Hauses Oesterreich mit aller Macht zu schützen. Neben dem Herzog Karl waren auch Sachsen und Mecklenburg bei dieser Angelegenheit betheiligt, indem auch sie einige untergeordnete, aber ebenfalls rechtskräftige Ansprüche auf das bairische Erbe hatten. Frankreich und Rußland erwiesen sich den Plänen Friedrich's geneigt, waren indeß beide nicht im Stande, eine weitere Unterstützung zu gewähren.

Diplomatische Verhandlungen mit dem Kaiser führten zu nichts. Der österreichische Hof war auf keine Weise gewillt, von dem, was er in Besitz genommen, irgend etwas aufzuopfern; vielmehr wurden bereits Truppen in Böhmen zusammengezogen, um den Einsprüchen Preußens mit gewaffneter Hand entgegenzutreten. Da gedachte auch Friedrich, obgleich er das sechsundsechszigste Jahr bereits überschritten hatte und körperlich leidend war, nicht länger zu säumen und, wenn es einmal so sein müsse, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Er versammelte seine Armee, von der ein Corps durch Schlesien, das andre durch Sachsen den Oesterreichern entgegentreten sollte, und machte sich bereit, noch einmal die Anstrengungen des Krieges zu ertragen. Nachdem er seine Truppen bei Berlin gemustert, sprach er zu den versammelten Generalen: »Meine Herren! Die meisten unter uns haben von ihren frühesten Jahren an zusammen gedient und sind im Dienste des Vaterlandes grau geworden: wir kennen einander also vollkommen wohl. Wir haben die Unruhen und Beschwerlichkeiten des Krieges schon redlich miteinander getheilt, und ich bin überzeugt, daß Sie ebenso ungern Blut vergießen, als ich. Aber mein Reich ist jetzt in Gefahr. Mir liegt als König die Pflicht ob, meine Unterthanen zu beschützen, auch die kräftigsten und schleunigsten Mittel anzuwenden, um das über ihnen schwebende Ungewitter, wo möglich, zu zerstreuen. Diesen wichtigen Vorsatz zu bewerkstelligen, rechne ich auf Ihren Diensteifer und Ihre Neigung zu meiner Person, welche Sie noch allemal gezeigt haben und die auch bisher nie ohne Wirkung war. Uebrigens können Sie versichert sein, daß ich die Dienste, die Sie Ihrem Könige und Vaterlande leisten, stets mit warmem Herzen und wahrer Dankbarkeit erkennen werde. Nur darum will ich Sie bitten, daß Sie die Menschlichkeit nicht aus den Augen setzen, wenn auch der Feind in Ihrer Gewalt ist, und daß Sie die unter Ihren Befehlen stehenden Truppen die strengste Mannszucht beobachten lassen. Ich reise jetzt ab; aber ich verlange nicht als König zu reisen; reiche und schöne Equipagen haben keinen Reiz für mich: doch erlaubt mir mein schwächliches Alter nicht, so zu reisen, wie ich in der feurigen Jugend that. Ich werde mich einer Postkutsche bedienen müssen, und Sie haben die Freiheit, eben dergleichen zu thun; aber am Tage einer Schlacht werden Sie mich zu Pferde sehen, und da, hoffe ich, werden meine Generale meinem Beispiele folgen.«

Am 5. April 1778 ging Friedrich nach Breslau ab, indem er den Oberbefehl über die schlesische Armee nehmen wollte; das zweite Armeecorps sollte Prinz Heinrich commandiren. Friedrich hatte den Plan, in Mähren einzubrechen, und er hätte durch dessen schleunige Ausführung bedeutende Vortheile über die Oesterreicher, deren Rüstungen noch nicht vollendet waren, erringen können. Aber es entspannen sich neue Unterhandlungen zwischen ihm und Joseph, die indeß wiederum kein Resultat gewährten und nur Gelegenheit gaben, daß die österreichische Macht vollständig zusammengezogen werden konnte. Jetzt ließ Friedrich den Plan auf Mähren fahren und rückte durch die Grafschaft Glatz in Böhmen ein. Am 5. Juli betrat er mit dem Vortrabe seines Heeres den böhmischen Boden. Man hatte in Wien nicht daran geglaubt, daß es dem alten Könige mit seinen kriegerischen Unternehmungen Ernst sei; die Kunde seines Anmarsches erregte dort die größte Bestürzung. Maria Theresia hatte wenig Lust, den verderblichen siebenjährigen Krieg noch einmal erneut zu sehen; sie zitterte für das Leben ihres Sohnes, der nur nach kriegerischem Ruhme dürstete, und sandte somit unverzüglich und insgeheim einen neuen Unterhändler zu Friedrich. Sie ließ dem Letzteren ausdrücklich sagen, daß es ihm gewiß ebenso leid thun würde, wie ihr, sich einander die Haare auszuraufen, die schon das Alter gebleicht habe. Aber auch diesmal blieben die österreichischen Anforderungen von der Art, daß Friedrich nicht darauf eingehen konnte, und so wurden sie nach einigen Wochen wiederum abgebrochen.

Unterdeß war auch Prinz Heinrich, durch ein sächsisches Corps verstärkt, aus Sachsen in Böhmen eingedrungen und hatte dem Feinde einige wichtige Magazine weggenommen. 400 000 Mann, auf's Gewaltigste gerüstet, beide Armeen ungewöhnlich reich mit schwerem Geschütz versehen, standen sich nunmehr auf böhmischem Boden gegenüber. Alles drohte einen unerhörten Kampf. Aber – es kam zu keiner einzigen großen Schlacht. Der Name Friedrich's klang zu drohend in die Ohren der Oesterreicher, als daß sie es gewagt hätten, die Kette der unangreiflichen Verschanzungen, hinter denen sie aufgestellt waren, zu verlassen und sich anders, als in leichten Scharmützeln, mit dem Gegner einzulassen. Und auch Friedrich, gerade in dieser Zeit hinfälliger als sonst und von körperlichen Leiden gedrückt, war nicht Willens, den wohlerworbenen Ruhm durch ein kühnes Wagniß auf das Spiel zu setzen. Er begnügte sich, die böhmischen Grenzstriche, in die er eingerückt war, ihrer Lebensmittel zu entblößen, um dadurch eine Scheidewand zwischen Böhmen und Schlesien zu ziehen. Persönlich indeß bewies er ganz den früheren Muth und setzte sich, wie ein junger Offizier, den größten Gefahren aus. Ein besondrer Zug, der uns aus dieser Zeit aufbehalten ist, giebt einen Beleg seiner alten Unerschrockenheit. Er hatte eines Tages zur Ader lassen müssen. An demselben Tage fiel eine Kanonade mit dem Feinde vor, die so stark ward, daß er für nöthig fand, selbst dahin zu reiten. Bei der Bewegung sprang ihm die Ader auf. Er stieg vom Pferde und ließ sich durch einen Compagniechirurgus, der sich zufällig an der Stelle befand, die Ader wieder zubinden. In dem Augenblicke schlug eine Kanonenkugel hart neben ihm nieder. Der Chirurg erschrack und zitterte. Friedrich aber sagte lächelnd zu den Umstehenden: »Der muß noch nicht viel Kanonenkugeln gesehen haben!«

Bald aber brach unter den preußischen Truppen Mangel an Nahrungsmitteln aus, und verderbliche Krankheiten und häufige Desertion waren die Folge davon. Die Regimenter wurden hiedurch mehr gelichtet, als wenn es zu blutigen Schlachten gekommen wäre. Friedrich sah sich zum Rückzuge aus Böhmen genöthigt, den seine beiden Armeen in der Mitte Septembers antraten. Die meisterhafte Umkehr aus dem verderblichen Aufenthalt war der vorzüglichste Ruhm, den Friedrich, in militairischer Beziehung, aus diesem Kriege davontrug. Die österreichische Hauptarmee wagte ihn auch hiebei nicht zu stören; einzelne Corps, die von der schwierigen Lage der Preußen Nutzen zu ziehen suchten, wurden überall erfolgreich zurückgeschlagen. Besonders zeichnete sich bei diesem Rückzuge der preußische Thronfolger, Friedrich Wilhelm, aus, indem derselbe die ihm anvertrauten Truppen ebenso geschickt auf den gefahrvollsten Wegen zu führen, wie den wiederholten Angriffen der Feinde mit standhafter Tapferkeit zu begegnen wußte. Friedrich hörte die Berichte über die Thaten seines Neffen mit freudiger Genugthuung an. Als Beide hernach zusammentrafen, ging er ihm mit der heitersten Miene entgegen und sagte: »Ich betrachte Sie von heute an nicht mehr als meinen Neffen, – ich sehe Sie als meinen Sohn an. Sie haben Alles gethan, was ich hätte thun können, Alles, was man von dem erfahrensten Generale erwarten konnte.« Dann umarmte er den Prinzen mit vieler Zärtlichkeit. Dies Ergebniß erweckte überall um so größere Freude, als man wußte, daß zwischen Friedrich und dem Thronfolger nicht eben ein innigeres Verhältniß obwaltete.

Friedlich hatte sein Hauptquartier noch aus böhmischem Boden, in Schatzlar, genommen, während die Quartiere, die er seine Truppen beziehen ließ, sich nach Schlesien hinein erstreckten. Hier blieb er bis Mitte October und lebte, den widerwärtigen Eindruck des thatenlosen und doch so beschwerlichen Krieges von sich abschüttelnd, der edelsten literarischen Beschäftigung. Voltaire war im Frühling dieses Jahres gestorben. Friedrich hatte ihm lange verziehen und stand seit dem siebenjährigen Kriege wiederum mit ihm im lebhaftesten Briefwechsel. Jetzt schrieb er eine Gedächtnißrede auf den Hingeschiedenen, die den ganzen Enthusiasmus seiner Jugendzeit athmet. Er ließ sie noch im November desselben Jahres in der Akademie von Berlin vorlesen.

Von Schatzlar begab sich Friedrich nach Oberschlesien und trieb die Oesterreicher zurück, die hier die Grenze beunruhigten. Er besetzte einige Städte des österreichischen Schlesiens und ging dann nach Breslau, wo er den Winter über blieb. Einige Gefechte, die während des Winters an der Grenze vorfielen, blieben ohne entscheidenden Erfolg. Jetzt traten auch Frankreich und Rußland mit größerem Nachdruck gegen den kaiserlichen Hof auf, indem sie Abstellung der Beschwerden der Reichsfürsten forderten. Und da nun auch die Türken, durch die man Rußland zu beschäftigen gesucht, mit dieser Macht Frieden geschlossen, und man somit russische Waffenhülfe zu befürchten hatte, so fand man sich endlich zur Nachgiebigkeit geneigt. Im März 1779 wurde ein Waffenstillstand, und am 13. Mai, zu Teschen, der Friede geschlossen. Der Vergleich zwischen Oesterreich und dem Kurfürsten Karl Theodor wurde aufgehoben, Baiern – bis auf einen District zunächst an der österreichischen Grenze – seinen rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben, und Sachsen so wie Mecklenburg auf besondre Weise befriedigt.

Friedrich, der für den Krieg 29 Millionen Thaler geopfert und eine große Anzahl seiner Truppen verloren hatte, verlangte im Frieden keine Entschädigung. Gleichwohl trug er einen Vortheil davon, der alle die Vortheile weit überstieg, die er vielleicht erworben hätte, wenn er den Bestrebungen des Kaisers die Hand geboten. Er gewann durch seinen uneigennützigen Kampf das Vertrauen und die Zuneigung seiner deutschen Mitstände in einem höheren Grade, als er sie je gehabt hatte. Auch diejenigen, die bisher die steigende Macht seines Hauses nur mit Eifersucht angeschaut, erblickten jetzt in diesem Hause einen Schutzgeist der bestehenden Verfassung des deutschen Reiches. Ueberall nannte man Friedlich »den Großen«, ja, um ihn von den Andern, denen die Geschichte einen solchen Beinamen ertheilt, zu unterscheiden, »den Einzigen«. Das bairische Volk vornehmlich verehrte ihn als den Begründer seiner Selbständigkeit. In den bairischen Bauerhäusern sah man fortan sein Bildniß neben dem des heiligen Corbinian, des Schutzheiligen von Baiern; oft brannte unter beiden Bildern eine Lampe. So fand es einst ein österreichischer Offizier in einem bairischen Dorfe; er fragte, was das bedeute. Der Wirth gab zur Antwort: »Dieser da ist der Baiern Schutzpatron im Himmel; und dieser hier, Friedrich, der Preußenkönig, ist unser Schutzpatron auf Erden. Beide sind unsere Heiligen; und vor Heiligen brennen wir, als gute Katholiken, Lichter.«

Und noch ein schöner Zug schließt sich dem bairischen Erbfolgekrieg an. Als Friedrich im Frühjahr 1779 erfuhr, daß die Einwohner des Strichs von Böhmen, den seine Armee im vorigen Jahre besetzt und verheert hatte, in äußerster Verlegenheit seien, da es ihnen durchaus an Saatkorn mangle, so öffnete er ihnen seine an der Grenze befindlichen Magazine. Sie konnten aus denselben, wie es ihnen am Gelegensten war, entweder für sehr mäßigen Preis Getreide kaufen, oder auch geborgt erhalten, um es nach der Aerndte durch neue Frucht wieder zu ersetzen. –

Nach solchen Vorgängen erscheinen die letzten Jahre von Friedrich's politischer Thätigkeit, trotz all der neuen, mannigfach verschiedenen Lebens- und Entwickelungsmomente, die er um sich her emporsprießen sah, von eigenthümlichem Glanze verklärt. Ehrerbietig horcht man überall den weisen Lehren, den Worten der Mäßigung und Billigkeit, die er in das lebhafte, sich lösende oder neu verwirrende Getriebe des Völkerverkehrs hinaussendet; begierig strebt man, den eignen Entschlüssen durch das Gewicht seines Namens größern Nachdruck zu geben. So ließ es sich Rußland, obgleich dessen Interesse von dem preußischen schon wiederum abgewendet war, und obgleich Friedrich keine Flotte zur Disposition hatte, sehr angelegen sein, ihn zum Vertritt zu der bewaffneten Seeneutralität zu vermögen, nur damit durch seine bloße Erklärung die Verbindung einen um so größern Einfluß erhalte. Er trat im Jahre 1781 bei. – Bei den Irrungen, die in Holland zwischen dem Statthalter (dem Gemahl seiner Nichte) und den sogenannten Patrioten entstanden waren, suchte er nach beiden Seiten hin begütigend zu wirken, ohne aber anders als durch das Wort sich in die Angelegenheiten des fremden Volkes zu mischen. Dem Statthalter schrieb Friedrich, er möge sich vor Allem die Achtung und das Vertrauen der Nation zu erwerben suchen. »Mit diesen,« setzte er hinzu, »werden Sie, gleich Ihren großen Vorfahren, von denen abzustammen auch ich mir zur Ehre rechne, Ansehen und Einfluß in alle Geschäfte genug haben.« – Die ehrenvollste Anerkennung ward Friedrich von Seiten der nordamerikanischen Freistaaten zu Theil, die im Jahre 1783 in die Reihe der unabhängigen Staaten eingetreten waren. Sie wünschten möglichst ausgebreitete Handelsverbindungen mit Europa zu unterhalten und mit den verschiedenen Mächten Tractate abzuschließen, durch welche den Grundsätzen der Seeneutralität möglichst weite Ausdehnung gegeben und den unseligen Folgen unvermeidlicher Kriege möglichst enge Schranken gesetzt würden. Friedrich ward von ihnen zu solcher Verbindung aufgefordert: »als derjenige Regent, welcher dazu gemacht sei, hierin allen andern ein Beispiel zu geben.« Friedrich stimmte dem Antrage unverzüglich bei, und Franklin, Adams und Jefferson schlossen mit dem preußischen Gesandten im Haag, von Thulemeyer, im Jahre 1785 das Bündniß, dessen auf geläuterte Humanität gegründete Bestimmungen eins der ruhmwürdigsten Denkmäler der Geschichte sind.

In demselben Jahre endlich stiftete Friedrich den deutschen Fürstenbund, der Dasjenige, was er durch den bairischen Erbfolgekrieg erstrebt, auf eine umfassende Weise vollendete. Joseph, seit dem Jahre 1780, da seine Mutter gestorben war, Alleinherrscher von Oesterreich, hatte nicht aufgehört, die Furcht der deutschen Reichsstände, daß er nach einer allmäligen Umwandlung der Reichsverfassung strebe, rege zu erhalten. Das Schlimmste glaubte man befürchten zu müssen, als er auf's Neue Anstalten machte, den Erwerb Baierns, den er im Frieden von Teschen aufgegeben, auf eine, zwar minder gewaltthätige, Weise zu erringen, und als sowohl Rußland wie Frankreich jetzt ihre Zustimmung zu dem neuen Plane gaben. Karl Theodor, der Kurfürst von Pfalzbaiern, erhielt den Antrag, die baltischen Lande gegen die österreichischen Niederlande, mit Ausschluß von Luxemburg und Namur, und gegen eine Summe von drei Millionen für ihn und seine Lehenserben an den Kaiser zu vertauschen. Die Nachricht hievon ward dem Herzog von Zweibrücken, im Januar 1785, durch einen russischen Abgeordneten mit dem Bedeuten überbracht, daß Rußland und Frankreich den Tausch gebilligt hätten und daß derselbe, auch wenn der Herzog sich weigere, gleichwohl vor sich gehen würde. Die Sache erregte sofort das größte Aufsehen; nicht nur war der Tausch für das bairische Haus allzu unvortheilhaft: man hielt sich auch für überzeugt, daß Oesterreich nach solchem Schritte nur immer weiter um sich greifen werde; man sprach davon, daß auch dem Herzoge von Württemberg ein ähnlicher Antrag gemacht sei, indem ihm Modena für sein väterliches Erbe sei geboten worden; man sah im Geiste schon alle kleinen Fürsten Süddeutschlands der österreichischen Oberhoheit unterworfen. Der Herzog von Zweibrücken protestirte; er wandte sich wiederum an Friedrich, der alsbald dem russischen Hofe nachdrückliche Vorstellungen über das ungesetzmäßige Verfahren des Kaisers machte, und Katharina sah sich nun zu der Erklärung bewogen, sie habe den ganzen Plan nur gebilligt, sofern von einem freiwilligen Tausche die Rede gewesen sei. Von Frankreich erfolgte dieselbe Erklärung. So sah sich denn auch Joseph genöthigt, die Sache fallen zu lassen und gleichfalls die Erklärung abzugeben, daß er an einen erzwungenen Tausch nie gedacht habe.

Aber die Gemüther waren einmal im höchsten Grade erregt, und es schienen fortan entschiednere Maßregeln nöthig, um die kleineren Fürsten des Reiches gegen Oesterreichs Uebermacht zu schützen. Friedrich hatte dies, in weiser Uebersicht der Verhältnisse, bereits vorausbedacht. Schon im vorigen Jahr hatte er seinen Ministern den Plan vorgelegt, eine engere Verbindung der deutschen Reichsstände, ähnlich, wie dergleichen schon in früheren Jahrhunderten geschehen war, zu Stande zu bringen. Der bairische Tausch beschleunigte jetzt die Ausführung dieser Idee. Sachsen und Hannover wurden zunächst zu einer Verbindung aufgefordert, welche dazu dienen sollte, die Gerechtsame der Stände des deutschen Reichs und überhaupt die Verfassung desselben unverletzt zu erhalten. Schon am 23. Juli kam diese Verbindung zu Stande; und sehr schnell, zum Theil unaufgefordert, schloß sich nun auch der bei weitem größere Theil der übrigen Regenten Deutschlands an.

So hatte Friedrich, kurz vor dem Ziele seiner irdischen Bahn, seinem Staate und dem gesammten deutschen Vaterlande durch den deutschen Fürstenbund das edelste Vermächtniß, die Bürgschaft innerer Kraft und fortdauernden Friedens, gestiftet, – – soweit menschliche Voraussicht für die Schicksale der Völker Bürgschaft leisten kann! Daß mit seinem Leben wiederum eine Periode geschichtlicher Entwicklung abgelaufen war, daß in wenig Jahren die ungeheuerste Erschütterung aller europäischen Staaten erfolgen, daß die Verhältnisse der Fürsten und der Völker eine ganz neue Gestalt annehmen sollten, konnte damals Keiner ahnen. Friedrich hatte sein irdisches Thun zum schönsten Schlusse gebracht; er durfte mit Ruhe und Zufriedenheit sein Auge schließen.

Aber ehe wir uns seinen letzten Augenblicken zuwenden, haben wir noch sein Wirken im Innern seines Staates, seit er die Wunden des siebenjährigen Krieges zu heilen begonnen, und den stillen Verkehr seines Hauses zu betrachten.

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