III.

Es ist nicht anzunehmen, daß die übrigen Generale von rein militärischem Standpunkte andrer Meinung als Roon sein konnten; unsre Stellung zwischen der uns an Zahl überlegnen eingeschlossenen Armee und den französischen Streitkräften in den Provinzen war strategisch eine bedrohte und ihr Festhalten nicht erfolgversprechend, wenn man sie nicht als Basis angriffsweisen Fortschreitens benutzte. Das Bedürfniß, ihr bald ein Ende zu machen, war in militärischen Kreisen in Versailles ebenso lebhaft wie die Beunruhigung in der Heimath über die Stagnation. Man brauchte noch garnicht mit der Möglichkeit von Krankheiten und unvorhergesehnen Rückschlägen infolge von Unglück oder Ungeschick zu rechnen, um von selbst auf den Gedankengang zu gerathen, der mich beunruhigte, und sich zu fragen, ob das Ansehn und der politische Eindruck, die das Ergebniß unsrer ersten raschen und großen Siege an den neutralen Höfen gewesen waren, nicht vor der scheinbaren Thatlosigkeit und Schwäche unsrer Haltung vor Paris verblassen würden und ob die Begeistrung anhalten würde, in deren Feuer sich eine haltbare Einheit schmieden ließ.

Die Kämpfe in den Provinzen bei Orleans und Dijon blieben Dank der heldenmüthigen Tapferkeit der Truppen, wie sie in dem Maße nicht immer als Unterlage strategischer Berechnung vorausgesetzt werden kann, für uns siegreich. In dem Gedanken, daß der geistige Schwung, mit dem unsre Minderheiten dort trotz Frost, Schnee und Mangel an Lebensmitteln und Kriegsmaterial die numerisch stärkern französischen Massen überwunden hatten, durch irgend welche Zufälligkeiten gelähmt werden könnte, mußte jeder Heerführer, der nicht ausschließlich mit optimistischen Conjecturen rechnete, zu der Ueberzeugung kommen, daß wir bestrebt sein müßten, durch Fördrung unsres Angriffs auf Paris unsrer ungewissen Situation so bald als möglich ein Ende zu machen.

Es fehlte uns aber, um den Angriff zu activiren, an dem Befehl und an schwerem Belagerungsgeschütz, wie im Juli 1866 vor den Floridsdorfer Linien[1]. Die Befördrung desselben hatte mit den Fortschritten unsres Heers nicht Schritt gehalten; um sie zu bewirken, versagten unsre Eisenbahnmittel an den Stellen, wo die Bahnen unterbrochen waren oder, wie bei Lagny, ganz aufhörten.

Die schleunige Anfuhr von schwerem Geschütz und von der Masse schwerer Munition, ohne welche die Beschießung nicht begonnen werden durfte, hätte durch den vorhandnen Eisenbahnpark jedenfalls schneller, als der Fall war, bewirkt werden können. Es waren aber, wie Beamte mir meldeten, circa 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser beladen, um ihnen schnell zu helfen, wenn sie sich ergeben würden, und diese 1500 Axen waren deshalb für Munitionstransport nicht verfügbar. Der auf ihnen lagernde Speck wurde später von den Parisern abgelehnt und nach meinem Abgange aus Frankreich, infolge der durch General v. Stosch in Ferneres bei Sr. Majestät veranlaßten Aendrung unsres Staatsvertrags über die Verpflegung deutscher Truppen, diesen überwiesen und mit Widerstreben verbraucht wegen zu langer Lagerung.

Da die Beschießung nicht begonnen werden konnte, bevor das für wirksame Durchführung ohne Unterbrechung erforderliche Quantum Munition zur Hand war, so wurde in Ermanglung von Bahn-MateriaI nun eine erhebliche Anspannung von Pferden und für diese ein Aufwand von Millionen erforderlich. Mir sind die Zweifel nicht verständlich, die darüber obwalten konnten, ob diese Millionen verfügbar wären, sobald das Bedürfniß für kriegerische Zwecke vorlag. Es erschien mir als ein erheblicher Fortschritt, als Roon, schon nervös aufgerieben und erschöpft, mir eines Tags mittheilte, daß man jetzt ihm persönlich die Verantwortlichkeit mit der Frage zugeschoben habe, ob er bereit sei, die Geschütze in absehbarer Zeit heranzuschaffen; er sei in Zweifel in Betreff der Möglichkeit. Ich bat ihn, die ihm gestellte Aufgabe sofort zu übernehmen, und erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe aus die Bundeskasse anzuweisen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Befördrung der Geschütze verwenden wolle. Er gab die entsprechenden Aufträge, und die in unserm Lager lange mit schmerzlicher Ungeduld erwartete und mit Jubel begrüßte Beschießung des Mont Avron war das Ergebniß dieser wesentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige Unterstützung fand er für das Heranschaffen und die Verwendung der Geschütze bei dem Prinzen Kraft Hohenlohe. Wenn man sich fragt, was andre Generale bestimmt haben kann, die Ansicht Roon's zu bekämpfen, so wird es schwer, sachliche Gründe für die Verzögerung der gegen die Jahreswende ergriffnen Maßregeln aufzufinden.[2]

Von dem militärischen wie von dem politischen Standpunkte erscheint das zögernde Vorgehn widersinnig und gefährlich, und daß die Gründe nicht in der Unentschlossenheit unsrer Heeresleitung zu suchen waren, darf man aus der raschen und entschlossenen Führung des Kriegs bis vor Paris schließen. Die Vorstellung, daß Paris, obwohl es befestigt und das stärkste Bollwerk der Gegner war, nicht wie jede andre Festung angegriffen werden dürfe, war aus England auf dem Umwege über Berlin in unser Lager gekommen, mit der Redensart von dem »Mekka der Civilisation« und andern in dem cant, der öffentlichen Meinung in England üblichen und wirksamen Wendungen der Humanitätsgefühle, deren Betätigung England von allen andern Mächten erwartet, aber seinen eignen Gegnern nicht immer zu Gute kommen läßt. Von London wurde bei unsern maßgebenden Kreisen der Gedanke vertreten, daß die Uebergabe von Paris nicht durch Geschütze, sondern nur durch Hunger herbeigeführt werden dürfe. Ob der letztre Weg der menschlichere war, darüber kann man streiten, auch darüber, ob die Greuel der Commune zum Ausbruch gekommen sein würden, wenn nicht die Hungerzeit das Freiwerden der anarchischen Wildheit vorbereitet hätte. Es mag dahingestellt bleiben, ob bei der englischen Einwirkung zu Gunsten der Humanität des Aushungerns nur Empfindsamkeit und nicht auch politische Berechnung im Spiele war. England hatte kein praktisches Bedürfniß, weder uns noch Frankreich vor Schädigung und Schwächung durch den Krieg zu behüten, weder wirthschaftlich noch politisch. Jedenfalls vermehrte die Verschleppung der Ueberwältigung von Paris und des Abschlusses der kriegerischen Vorgänge für uns die Gefahr, daß die Früchte unsrer Siege uns verkümmert werden könnten. Vertrauliche Nachrichten aus Berlin ließen erkennen, daß in den fachkundigen Kreisen der Stillstand unsrer Thätigkeit Besorgniß und Unzufriedenheit erregte, und daß man der Königin Augusta einen brieflichen Einfluß auf ihren hohen Gemal im Sinne der Humanität zuschrieb. Eine Andeutung, die ich dem Könige über Nachrichten derart machte, hatte einen lebhaften Zornesausbruch zur Folge, nicht in dem Sinne, daß die Gerüchte unbegründet seien, sondern in einer scharfen Bedrohung jeder Aeußrung einer derartigen Verstimmung gegen die Königin.

Die Initiative zu irgend einer Wendung in der Kriegführung ging in der Regel nicht von dem Könige aus, sondern von dem Generalstabe der Armee oder des Höchstcommandirenden am Orte, des Kronprinzen. Daß diese Kreise englischen Auffassungen, wenn sie sich in befreundeter Form geltend machten, zugänglich waren, war menschlich natürlich: die Kronprinzessin, die verstorbene Frau Moltke's, die Frau des Generalstabschefs, spätern Feldmarschalls Grafen Blumenthal, und die Frau des demnächst maßgebenden Generalstabsoffiziers von Gottberg waren sämmtlich Engländerinnen.

Die Gründe der Verzögrung des Angriffs auf Paris, über die die Wissenden Schweigen beobachtet hatten, sind durch die in der »Deutschen Revue« von 1891 erfolgten Veröffentlichungen aus den Papieren des Grafen Roon[3] Gegenstand publicistischer Erörtrung geworden. Alle gegen die Darstellung Roon's gerichteten Ausführungen umgehn die Berliner Einflüsse und die englischen, auch die Thatsache, daß 800, nach Andern 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser wochenlang festlagen; und alle, mit Ausnahme eines anonymen Zeitungsartikels, umgehn ebenso die Frage, ob die Heeresleitung rechtzeitig für die Herbeischaffung von Belagrungsgeschütz Sorge getragen habe. Ich habe keinen Anlaß gefunden, an meinen vorstehenden, vor dem Erscheinen der betreffenden Nummern der »Deutschen Revue« gemachten Aufzeichnungen irgend etwas zu ändern.

IV.

Die Annahme des Kaisertitels durch den König bei Erweitrung des Norddeutschen Bundes war ein politisches Bedürfniß, weil er in den Erinnrungen aus Zeiten, da er rechtlich mehr, factisch weniger als heut zu bedeuten hatte, ein werbendes Element für Einheit und Centralisation bildete; und ich war überzeugt, daß der festigende Druck auf unsre Reichsinstitutionen um so nachhaltiger sein müßte, je mehr der preußische Träger desselben das gefährliche, aber der deutschen Vorgeschichte innelebende Bestreben vermiede, den andern Dynastien die Ueberlegenheit der eignen unter die Augen zu rücken. König Wilhelm I. war nicht frei von der Neigung dazu, und sein Widerstreben gegen den Titel war nicht ohne Zusammenhang mit dem Bedürfnisse, grade das überlegne Ansehn der angestammten preußischen Krone mehr als das des Kaisertitels zur Anerkennung zu bringen. Die Kaiserkrone erschien ihm im Lichte eines übertragnen modernen Amts, dessen Autorität von Friedrich dem Großen bekämpft war, den Großen Kurfürsten bedrückt hatte. Bei den ersten Erörtrungen sagte er: »Was soll mir der Charakter-Major?« worauf ich u. A. erwiderte: »Ew. Majestät wollen doch nicht ewig ein Neutrum bleiben, ›das Präsidium‹? In dem Ausdrucke ›Präsidium‹ liegt eine Abstraction, in dem Worte ›Kaiser‹ eine große Schwungkraft«[4].

Auch bei dem Kronprinzen habe ich für mein Streben, den Kaisertitel herzustellen, welches nicht einer preußisch-dynastischen Eitelkeit, sondern allein dem Glauben an seine Nützlichkeit für Fördrung der nationalen Einheit entsprang[5], im Anfange (bei)[6] der günstigen Wendung des Kriegs nicht immer Anklang gefunden. Seine Königliche Hoheit hatte von irgend einem der politischen Phantasten, denen er sein Ohr lieh, den Gedanken aufgenommen, die Erbschaft des von Karl dem Großen wiedererweckten »römischen« Kaiserthums sei das Unglück Deutschlands gewesen, ein ausländischer, für die Nation ungesunder Gedanke. So nachweisbar letztres auch geschichtlich sein mag, so unpraktisch war die Bürgschaft gegen analoge Gefahren, welche des Prinzen Rathgeber in dem Titel »König« der Deutschen sahn. Es lag heut zu Tage keine Gefahr vor, daß der Titel, welcher allein in der Erinnrung des Volks lebt, dazu beitragen würde, die Kräfte Deutschlands den eignen Interessen zu entfremden und dem transalpinen Ehrgeize bis nach Apulien hin dienstbar zu machen. Das aus einer irrigen Vorstellung entspringende Verlangen, das der Prinz gegen mich aussprach, war nach meinem Eindrucke ein völlig ernstes und geschäftliches, dessen Inangriffnahme durch mich gewünscht wurde. Mein Einwand, anknüpfend an die Coexistenz der Könige von Bayern, Sachsen, Würtemberg mit dem intendirten Könige in Germanien oder Könige der Deutschen führte zu meiner Ueberraschung auf die weitre Consequenz, daß die genannten Dynastien aufhören müßten, den Königstitel zu führen, um wieder den herzoglichen anzunehmen. Ich sprach die Ueberzeugung aus, daß sie sich dazu gutwillig nicht verstehn würden.[7] Wollte man dagegen Gewalt anwenden, so würde dergleichen Jahrhunderte hindurch nicht vergessen und eine Saat von Mißtraun und Haß ausstreun.[8]

In dem Geffcken'schen Tagebuche[9] findet sich die Andeutung, daß wir unsre Stärke nicht gekannt hätten; die Anwendung dieser Stärke in damaliger Gegenwart wäre die Schwäche der Zukunft Deutschlands geworden. Das Tagebuch ist wohl nicht damals auf den Tag geschrieben, sondern später mit Wendungen vervollständigt worden, durch die höfische Streber den Inhalt glaublich zu machen suchten. Ich habe meiner Ueberzeugung, daß es gefälscht sei, und meiner Entrüstung über die Intriganten und Ohrenbläser, die sich einer arglosen und edlen Natur wie Kaiser Friedrich aufdrängten, in dem veröffentlichten Immediatberichte[10] Ausdruck gegeben. Als ich diesen schrieb, hatte ich keine Ahnung davon, daß der Fälscher in der Richtung von Geffcken, dem hanseatischen Welfen, zu suchen sei, den seine Preußenfeindschaft seit Jahren nicht gehindert hatte, sich um die Gunst des preußischen Kronprinzen zu bewerben, um diesen, sein Haus und seinen Staat mit mehr Erfolg schädigen, selbst aber eine Rolle spielen zu können. Geffcken gehörte zu den Strebern, die feit 1866 verbittert waren, weil sie sich und ihre Bedeutung verkannt fanden.

Außer den bairischen Unterhändlern befand sich in Versailles als besondrer Vertraunsmann des Königs Ludwig der ihm als Oberststallmeister persönlich nahestehende Graf Holnstein. Derselbe übernahm auf meine Bitte in dem Augenblick, wo die Kaiserfrage kritisch war und an dem Schweigen Baierns und der Abneigung König Wilhelm's zu scheitern drohte, die Ueberbringung eines Schreibens von mir an seinen Herrn, das ich, um die Befördrung nicht zu verzögern, sofort an einem abgedeckten Eßtische auf durchschlagendem Papiere und mit widerstrebender Tinte schrieb[11]. Ich entwickelte darin den Gedanken, daß die bairische Krone die Präsidialrechte, für die die bairische Zustimmung geschäftlich bereits vorlag, dem Könige von Preußen ohne Verstimmung des bairischen Selbstgefühls nicht werde einräumen können; der König von Preußen sei ein Nachbar des Königs von Baiern, und bei der Verschiedenheit der Stammesbeziehungen werde die Kritik über die Concessionen, welche Baiern mache und gemacht habe, schärfer und für die Rivalitäten der deutschen Stämme empfindlicher werden. Preußische Autorität innerhalb der Grenzen Baierns ausgeübt, sei neu und werde die bairische Empfindung verletzen, ein deutscher Kaiser aber sei nicht der im Stamme verschiedne Nachbar Baierns, sondern der Landsmann; meines Erachtens könne der König Ludwig die von ihm der Autorität des Präsidiums bereits gemachten Concessionen schicklicher Weise nur einem deutschen Kaiser, nicht einem Könige von Preußen machen. Dieser Hauptlinie meiner Argumentation hatte ich noch persönliche Argumente hinzugefügt, in Erinnrung an das besondre Wohlwollen, welches die bairische Dynastie zu der Zeit, wo sie in der Mark Brandenburg regirte (Kaiser Ludwig), während mehr als einer Generation meinen Vorfahren bethätigt habe[12]. Ich hielt dieses argumentum ad hominem einem Monarchen von der Richtung des Königs gegenüber für nützlich, glaube aber, daß die politische und dynastische Würdigung des Unterschieds zwischen kaiserlich deutschen und königlich preußischen Präsidialrechten entscheidend in's Gewicht gefallen ist. Der Graf trat seine Reise nach Hohenschwangau binnen zwei Stunden, am 27. November, an und legte sie unter großen Schwierigkeiten und mit häufiger Unterbrechung in vier Tagen zurück. Der König war wegen eines Zahnleidens bettlägrig, lehnte zuerst ab, ihn zu empfangen, nahm ihn aber an, nachdem er vernommen hatte, daß der Graf in meinem Auftrage und mit einem Briefe von mir komme. Er hat darauf im Bette mein Schreiben in Gegenwart des Grafen zweimal sorgfältig durchgelesen, Schreibzeug gefordert und das von mir erbetne und im Concept entworfne Schreiben an den König Wilhelm zu Papier gebracht. Darin war das Hauptargument für den Kaisertitel mit der coercitiven Andeutung wiedergegeben, daß Baiern die zugesagten, aber noch nicht ratificirten Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne.[13] Ich hatte diese Wendung ausdrücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaisertitel auszuüben. Am siebenten Tage nach seiner Abreise, am 3. December, war Graf Holnstein mit diesem Schreiben des Königs wieder in Versailles; es wurde noch an demselben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unserm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Moment für das Gelingen der schwierigen und vielfach in ihren Aussichten schwankenden Arbeiten, die durch das Widerstreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feststellung der bairischen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holnstein hat sich durch diese in einer schlaflosen Woche zurückgelegte doppelte Reise und durch die geschickte Durchführung seines Auftrags in Hohenschwangau ein erhebliches Verdienst um den Abschluß unsrer nationalen Einigung durch Beseitigung der äußern Hindernisse der Kaiserfrage erworben.

Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majestät bei der Formulirung des Kaisertitels, indem er, wenn schon Kaiser, Kaiser von Deutschland heißen wollte. In dieser Phase haben der Kronprinz, der seinen Gedanken an einen König der Deutschen längst[14] fallen gelassen hatte, und der Großherzog von Baden mich, jeder in seiner Weise, unterstützt, wenn auch keiner von Beiden der zornigen Abneigung des alten Herrn gegen den »Charakter-Major«[15] offen widersprach. Der Kronprinz unterstützte mich durch passive Assistenz in Gegenwart seines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze Aeußrungen seiner Ansicht, die aber meine Gefechtsposition dem Könige gegenüber nicht stärkten, sondern eher eine verschärfte Reizbarkeit des hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch leichter geneigt, dem Minister, als seinem Herrn Sohne Concessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnrung an Verfassungseid und Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er von dem Standpunkte des pater familias auf.

In der Schlußberathung am 17. Januar 1871 lehnte er die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder garnicht Kaiser sein.[16] Ich hob hervor, wie die adjectivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Zar nenne sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, auch »gesammtrussischer« (wserossiski) Kaiser. Das Letztre bestritt der König mit Schärfe, sich darauf berufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga stets »pruskomu« adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte. Meiner Versichrung, daß die Form der Dativ des Adjectivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf den Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Baiern in Anregung gebracht sei, daß »die Ausübung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde«; endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des Bundesraths in die neue Fassung des Artikel 11 der Verfassung aufgenommen sei.

Die Erörtrung ging über auf den Rang zwischen Kaisern und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußischen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Prinzip ein Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten von Brandenburg gegenüber die Stellung des Lehnsherrn hatte, als König von Preußen die Gleichheit beanspruchte und durchsetzte, indem man einen Pavillon erbaun ließ, in den die beiden Monarchen von den entgegengesetzten Seiten gleichzeitig eintraten, um einander in der Mitte zu begegnen.

Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er auf den Tisch schlagend sagte: »Und wenn es so gewesen wäre, so befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Großfürsten haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen gehabt, und so soll es ferner sein.« Damit stand er auf, trat an das Fenster, den um den Tisch Sitzenden den Rücken zuwendend. Die Erörtrung der Titelfrage kam zu keinem klaren Abschluß; indessen konnte man sich doch für berechtigt halten, die Ceremonie der Kaiserproclamation anzuberaumen, aber der König hatte befohlen, daß nicht von dem Deutschen Kaiser, sondern von dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei.

Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden aufzusuchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proclamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der Großherzog antwortete: »Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl Sr. Majestät.« Unter den Argumenten, die ich dem Großherzoge dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser nicht in dieser Form ausgebracht werden könne, war das durchschlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichstags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen constitutionellen Gedankenkreis fallende Hinweisung auf den Reichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der beiden Herrn blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der Proclamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser, noch auf den Kaiser von Deutschland, sondern auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte.

Se. Majestät hatte mir diesen Verlauf so übel genommen, daß er beim Herabtreten von dem erhöhten Stande der Fürsten mich, der ich allein auf dem freien Platze davor stand, ignorirte, an mir vorüberging, um den hinter mir stehenden Generalen die Hand zu bieten[17], und in dieser Haltung mehre Tage verharrte, bis allmälig die gegenseitigen Beziehungen wieder in das alte Geleise kamen.

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Anmerkungen:
  1. S. o. S. 54.
  2. Man vgl. zum Folgenden auch v. Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck S. 468 ff. und – von der Gegenseite – v. Blume, Die Beschießung von Paris 1870/71 und die Ursachen ihrer Verzögerung. Berlin, E. S. Mittler und Sohn 1899, sowie die Tagebuchaufzeichnungen Blumenthal's (Tagebücher des Generalfeldmarschalls Graf v. Blumenthal 1866 und 1870/71). – Einige Stellen aus Bismarck's Briefen an seine Gattin aus dem Kriege 1870/71, Stuttgart und Berlin 1903, I. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger mögen als Stimmungsbilder hier Platz finden: Versailles, 23. Oct. (S. 55): Vor Paris wird es wohl noch dauern; ich weiß nicht, ob die Generäle des Stabes früher andre Absichten gehabt haben oder was sonst, aber das Belagrungsgeschütz ist nicht heran, und vor November werden wir wohl keinen Schuß auf die Wälle thun. – Versailles, 28./29. Oct. (S. 56 f.): Ich muß heut noch meine Entrüstung über den auch Dir gemeldeten und in vielen Zeitungen gedruckten Gedanken zu Papier bringen, als hemmte ich das Spiel unsrer Geschütze gegen Paris und trüge damit die Schuld an der Verlängrung des Kriegs. Jeden Morgen seit Wochen hoffte ich durch das Donnern geweckt zu werden, über 200 stehn schon, aber sie schießen nicht, und sollen doch noch nicht einmal Paris, sondern nur einige Forts zum Ziele nehmen. Es schwebt über der Sache irgend eine Intrige, angesponnen von Weibern, Erzbischöfen und Gelehrten, bekannte hohe Einflüsse sollen mitspielen, damit das Lob des Auslands und die Phrasenberäucherung keine Einbuße erleiden. Jeder klagt über Hindernisse anonymer Natur, der eine sagt, man stellt die Artillerie-Transporte auf den Bahnen zurück, damit sie nicht eintreffen, der andre schilt auf Mangel früherer Vorbereitung, der dritte sagt, die Munition sei noch zu wenig, der vierte, die Armirung unfertig, der fünfte, es sei alles da, nur der Befehl zu schießen nicht. Dabei frieren und erkranken die Leute, der Krieg verschleppt sich, die Neutralen reden uns drein, weil ihnen die Zeit lang wird, und Frankreich waffnet mit den 100000en von Gewehren aus England und Amerika. – Versailles, 16. Nov. (S. 62): Unsre Geschütze schweigen noch immer, nachdem man etwa 3mal so viele hergefahren hat, als einstweilen gebraucht werden können. Ich war von Hause aus, d. h. vor 2 Monaten, garnicht für die Belagrung von Paris, sondern für andre Kriegsmethoden; aber nachdem die große Armee hier 2 Monat festgenagelt und währenddem der Enthusiasmus bei uns verraucht und der Franzose rüstet, muß die Belagrung auch durchgeführt werden; es scheint aber, als wolle man die 400 schweren Brummer und ihre 100 000e von Centner Kugeln bis nach dem Frieden stehn lassen und dann wieder nach Berlin fahren. Dabei handelt es sich nicht einmal um Bombardement der Stadt, sondern nur der detachirten Forts. Das wissen die vielleicht garnicht, deren Einfluß diese Zögerungen zugeschrieben werden. – Versailles, 22. Nov. (S. 63): Roon ist krank aus Aerger über die Intrigen gegen das Bombardement der Pariser Forts. Wenn das einmal bekannt wird, weshalb unsre guten Soldaten so lange im Granatfeuer schlafen müssen und nicht angreifen dürfen, das wird böses Blut geben, und bekannt wird es werden, denn es sind zu viel Leute, die daran glauben. Ob der König es weiß und duldet oder getäuscht wird, darüber ist Streit, ich glaube letztres gern. Das Complott, wenn es existirt, sitzt bis im Generalstabe, der mir außer dem guten und klugen alten Moltke überhaupt nicht gefällt; ihm ist der Erfolg kaiserwahnsinnig in die Krone gefahren ... mit Moltke's Namen decken sich andre ... – Versailles, 7. Dec. (S. 65): Nach den glänzenden Siegen an Loire und im Norden sitzt unsre große Pariser Armee nach wie vor still, »fest gemauert« oder ob ihr wie Thor »ein weiblich Gewand die Knie umwallt« und (sie) am Gehen hindert, Gott weiß es. ... Auch Moltke ist – und natürlich mit entscheidender Stimme – gegen den Angriff.... Der gute Roon aber ist vor Aerger über unsre Passivität und seine vergeblichen Versuche, uns zum Angriff zu bringen, recht krank gewesen. ... – Versailles, 12. Dec. (S. 67): Endlich ist Roon mit der Anfuhr der Munition beauftragt, und in 8 Tagen hofft er soviel wie nöthig zu haben. Wäre das 2 Monat früher geschehn! – Versailles, 24. Dec. (S. 70): Endlich ist Aussicht auf Feuer vor Paris, hoffentlich noch vor Sylvester. Was Roon's und meine monatlange Arbeit nicht durchsetzte, scheint der Sturm der Berliner Blätter und der Wiederhall, den der Reichstag davon herbrachte, bewirkt zu haben. Auch Moltke soll bekehrt sein, seit er anonyme Zeitungsgedichte erhielt, die zeigten, daß sein System, als ob die Sache ihn nichts anginge, vor der öffentlichen Meinung keine Gnade fand. – Versailles, 1. Jan. 1871 (S. 72): Mont Avron in Einem Tage zusammengeschossen und ohne Verlust besetzt. Die bisherigen Gegner des Angriffs sind bekehrt, fast etwas sauerblickend über die raschen Erfolge der Artillerie, denn jeder sagt sich nun im Stillen, das hätten wir vor 2 Monat auch gekonnt, wenn nicht ein Dutzend Leute von Einfluß aus verschiednen Gründen es hinderten. – Versailles, 4. Jan. (S. 74): Es hätte längst anders sein können, wenn früher geschossen wurde. Nach den glänzenden Erfolgen der ersten Versuche mit der Belagrungsartillerie streitet das niemand mehr, und man findet schwer jemand, der eingestände, jemals gegen Schießen gewesen zu sein, und doch ist es erst 3 Wochen her, daß von denen, die zum Kriegsrath zugezogen werden, Roon der einzig Rechtgläubige war und der »General-Adjutant« Boyen noch die Reichstagsherrn zu überzeugen suchte, daß Roon aus Mangel an Verstand und ich aus Verbittrung gegen den Generalstab – die Einzigen wären, die nach Schießen verlangten, weil wir es beide nicht verständen. Boyen's weitern Zusammenhang kennst Du, er ist gewissermaßen »Gesandter« am hiesigen Hoflager.
  3. Ausgabe in Buchform: Roon's Denkwürdigkeiten, III 4 243 ff.
  4. S. o. S. 77.
  5. Vgl. über Bismarck's Ansicht von der praktischen Bedeutung des Kaisertitels besonders Wilmomski, Meine Erinnerungen an Bismarck. Breslau, G. Trewendt, 1900. S. 118 ff.
  6. Die Präposition »bei« scheint bei Umschrift des Textes ausgefallen zu sein. Da der Krieg gegen Frankreich vom ersten Tage an günstig für Deutschland verlief, kann von einem Anfang der günstigen Wendung des Kriegs nicht gesprochen werden. Bismarck aber unterscheidet genau zwei Phasen der Unterhandlungen mit dem Kronprinzen, die eine Anfang September, die andere später in Versailles.
  7. Sachlich ist dazu zu bemerken: Nach dem sonst vorliegenden Quellenmaterial – namentlich dem Immediatberichte des Fürsten Bismarck vom 23. Sept. 1888, dem Briefe des Fürsten an Ottokar Lorenz vom 7. Nov. 1896 (vgl. Ottokar Lorenz, Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reichs. Jena, Gustav Fischer, 1902. S. 617), sowie den Tagebüchern des Kronprinzen und des Cabinetsraths Abelen – fanden zwischen dem Kronprinzen und dem Grafen Bismarck zwei eingehende Besprechungen statt über die Neugestaltung Deutschlands, die Behandlung der süddeutschen Bundesgenossen, sowie auch über den Titel des neu zu wählenden Oberhauptes, ob »Kaiser« oder »König«, nämlich am 3. Sept. 1870 zu Donchery im Quartier des Kronprinzen und vorher auf einem mehrstündigen Ritt, »wahrscheinlich bei Beaumont oder bei Sedan«. Dieser mehrstündige Ritt beider Herren hat aber weder bei Beaumont noch vorher stattgefunden, sondern am Nachmittag des 2. September, als sie im Gefolge des Königs die Schlachtfelder von Sedan beritten. Im Texte ist also zu lesen: Besprechungen dieses Themas fanden zwischen uns zweimal statt, einmal zu Pferde und einmal im Zimmer, nach Sedan. Die zweite erwähnt übrigens Bismarck im Briefe an die Gattin vom 6. Sept. 1870: »Mit dem Kronprinzen hatte ich eine mich sehr befriedigende Unterredung in Donchery«, Bismarck's Briefe an seine Gattin aus dem Kriege 1870/71 S. 39. Daraus und aus dem Briefe an O. Lorenz geht hervor, daß die scharfe Auseinandersetzung, von der die Gedanken und Erinnerungen berichten, auf jenem mehrstündigen Ritte erfolgte, während zu Donchery die Tags vorher unerledigt gebliebene Meinungsverschiedenheit befriedigend ausgeglichen wurde. Auch die von O. Lorenz aus seiner Unterredung mit Bismarck (am 14. Oct. 1889) bezeugte Aeußerung, das Gespräch zwischen dem Kronprinzen und ihm habe stattgefunden, als sie zusammen über eine Wiese ritten; sie hätten sich so in Eifer geredet, daß der Kronprinz die Führung des Pferdes verloren und Bismarck bei der Unsicherheit des Terrains – einer durch Abzugsgräben durchzogenen Wiese – sich gedrungen gefühlt habe, den Kronprinz zur Vorsicht zu mahnen (O. Lorenz a. a. O. S. 619) – stimmt durchaus mit meiner auf die Quellen gestützten Auffassung zusammen. Das von Abzugsgräben durchzogene Wiesengelände findet sich bei Floing und wurde beim Ritte über das Schlachtfeld berührt, ebenso wie die von Busch erwähnte Pappelallee bei Donchery. – Man vgl. auch die auf Fürst H. Bismarck's Informationen zurückgehenden Mittheilungen in den Hamb. Nachrichten vom 7. Aug. 1902 (Nr. 184): Der Kronprinz, Fürst Bismarck und die Kaiserfrage.
  8. Daran schließen sich in dem Entwurf die nachträglich gestrichenen Sätze: »Die Erinnrung an die Sendlinger Mordweihnacht (1705) stehe heut noch wie ein Gespenst zwischen Bayern und Oestreich; wir Brandenburger sollten nicht vergessen, daß vor nicht viel unter tausend Jahren der Markgraf Gero dreißig wendische Fürsten zu Gaste lud und ermorden ließ, und daß infolge dessen die Deutschen auf zweihundert Jahre aus dem Gebiete, in dem sie Fuß gefaßt hatten, hinausgeworfen wurden. Zu solchen Praktiken könne ein Edelmann nicht die Hand bieten.« – Die That des Markgrafen Gero, der 30 wendische Fürsten beim Mahle überfiel und tödtete, berichtet Widukind, Res gestae Saxonica II 20; daß er sie selbst in treuloser Weise zum Mahle geladen habe, sagt Widukind nicht ausdrücklich. Ueber die Sendlinger Mordweihnacht (25. Dec. 1705) vgl. Sepp, Der bayrische Bauernkrieg mit den Schlachten bei Sendling und Uidenbach. München 1884.
  9. Zum 16. November, vergl. Kaiser Friedrich's Tagebücher, herausg. Von M. v. Poschinger, S. 120.
  10. Vom 23. Sept. 1888, Bismarckregesten, herausg. v. H. Kohl, II 464.
  11. S. Bd. I 382 f. Das Concept ist auf durchschlagendem Papier geschrieben.
  12. Die persönlichen Argumente fehlen durchaus in dem amtlichen Schreiben vom 27. Nov. 1870. Dagegen scheint aus den Mittheilungen bei v. Poschinger, Fürst Bismarck und die Parlamentarier, Berlin, E. Trewendt, I (2. Aufl.) S. 270 f. hervorzugehen, daß sie in einem zweiten rein privaten Schreiben enthalten gewesen sind, vgl. E. Marcks, Fürst Bismarck's Gedanken und Erinnerungen, Berlin, Gebrüder Paetel, 1899, S. 42 ff. – Daß sie Bismarck auch zu jener Zeit nicht fern lagen, lehrt die Mittheilung der Frau v. Kobell, wonach Bismarck im December 1870 in einem Toaste auf Ludwig II. sagte: »Se. Majestät der König wird an mir, so lange ich lebe, einen so ergebenen Diener finden, als wäre ich noch sein Lehnsträger« (S. 41). Vgl. auch Rusch, Tagebücher, engl. Ausg. I 359.
  13. Das von Staatsminister Delbrück in der Reichstagssitzung vom 5. December 1870 verlesene, von Bismarck entworfene Schreiben Ludwig's II. an König Wilhelm lautete: »Nach dem Beitritt Süddeutschlands zu dem deutschen Verfassungsbündniß werden die Eurer Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Ueberzeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesammtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines Deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden, welche Eure Majestät im Namen des gesammten deutschen Vaterlandes auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausüben. Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit mir bei Eurer Majestät in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde. Sobald mir Eure Majestät und die verbündeten Fürsten Ihre Willensmeinung kundgegeben haben, würde ich meine Regierung beauftragen, das Weitere zur Erzielung der entsprechenden Vereinbarungen einzuleiten.« Die im Texte erwähnte »coercitive Andeutung« ist in den Worten enthalten: in dem Vertrauen, daß u.s.w.
  14. Seit jenem Ritte vom 2. Sept. und der Auseinandersetzung in Donchery am 3. Sept. – Immerhin verlangte der Kronprinz noch am 6. December nach seinem Tagebuche für das Reichswappen die deutsche Königskrone, wenigstens als »Attribut der Kaiserwürde«.
  15. S. o. S. 71, 140 f.
  16. Man vgl. dazu Kaiser Friedrich's Tagebücher zum 17. Januar 1871, S. 129 ff., Abeken, Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit, S. 483 f.
  17. Das bestätigt der dem »Preußischen Staatsanzeiger« eingesendete Bericht, der zwar von der Umarmung des Kronprinzen, des Großherzogs von Baden und anderer verwandter Fürsten, auch von der Begrüßung der militärischen Deputationen erzählt, aber nichts von einem Dank an den Bundeskanzler.
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