Zehntes Kapitel.
Die alte Zeit.

Mit einem Schlag auf die Schulter rief eine Stimme hinter ihm: »Und warum keine Offiziere, alter Schwede? – Willst am Ende auch mit mir nicht mehr umgehen? Meinst, ich könnte deine Tochter verführen! So seid ihr Menschen am grünen Tisch und hinter den Büchern, laßt euch einen Schreck vom ersten besten einblasen, und weil ihr nicht die Augen aufzuschlagen wagt, um dem Ding ins Gesicht zu sehen, vermeint ihr, es sei wunder was. Ich sage dir, wer nicht der Gefahr entgegengeht, der ist schon halb verloren. Was wäre Preußen, wenn wir abgewartet hätten, bis die Österreicher und die Franzosen und Russen den Siebenjährigen Krieg anfingen? Daß wir nicht die Hände in den Schoß legten, daß wir nicht abwarteten, bis der liebe Gott es so schickte, daß wir in ihr Gespinst dreinschlugen, eh's zum Netze ward, das hat uns Glück gegeben und stark gemacht und groß. Wäre der Alte Fritz ein Druckmäuser gewesen und hätte gewartet und gelauert, bis die anderen angriffen, dann hätte der liebe Gott ihm auch nicht beigestanden, und was aus unserem Preußen geworden, das weiß der Teufel.«

Ein herzlicher Händeschlag folgte dem Schulterschlag. Auch mit der Frau Kriegsrätin: »Reden Sie meinem Manne nur ein bißchen ins Gewissen rein, Herr Major, 's tut zuweilen not, wenn er gar zu zipp ist. Sonst ist's ein guter Mann. Und zu Tisch bleiben Sie doch unser lieber Gast? Es wird gleich angerichtet.«

»Danke schönstens, Frau Kriegsrätin, habe meinen Speckeierkuchen schon im Kruge verzehrt, aber ein Gläschen Wein, da ich so was im Korbe flimmern sehe, und auf des Königs Gesundheit, das schlägt ein guter Soldat und Untertan niemals aus.«

Der Invalide konnte doch nicht lange stehen, zum einen Schemel unter der Linde war ein zweiter gerückt, und als die Wirtin sich empfahl, um in der Küche nachzusehen, dampften schon zwei Pfeifen.

»Es kann doch nicht dein Ernst sein«, sagte der Kriegsrat. »Denn wer kennt besser unsere Offiziere als du!«

»Freilich kenne ich sie, ich habe sie jedoch auch gekannt, als sie noch andere waren. Aber das weiß ich auch, je mehr ihr euch von ihnen zurückzieht, so schlimmer wird's. Auch die Soldaten waren nicht so arg, als Friedrichs Auge noch über sie wachte. Doch das tut's nicht allein. Wenn ihr nicht vor ihrem Anblick liefet und die Türen zuschlügt, wo einer nur von fern sich blicken läßt, wenn ihr ihnen offen entgegenträtet, ein ernst Wort mit ihnen sprächet, so würdet ihr manches anders finden, als ihr denket. Sie sind auch Menschen, aber wenn ihr sie nur als Vogelscheuche betrachtet, das macht sie wild und boshaft.«

»Aber du gibst mir doch recht, daß man ein jung Frauenzimmer vor den Offizieren wahren muß. Vor allem eins, das noch unerfahren ist.«

»Da schlägst du dich selbst. Ein jung Frauenzimmer, das sich zu benehmen weiß, läuft weit weniger Gefahr als eins, das schon vor Schrecken aufschreiet, wenn's einen Federbusch sieht, weil die Mama ihm gesagt, es soll sich davor in acht nehmen wie vor einem Raubtiere. Denn das sind unsere jungen Offiziere, wenn's auch nicht mehr dieselben sind, doch nicht. Ich sag's grad heraus, ihr Herren von der Feder und die anderen, ihr habt sie verderben helfen. Warum macht ihr ihnen überall Platz und weicht vor ihnen zurück, wo ihr's nicht nötig hattet. Ist's nicht eine Schande, wenn ein alter Kriegsrat oder ein ehrenwerter Kaufmann mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar einem Fähnrich ausweicht? Wo steht's denn geschrieben, daß es so sein soll? Wenn ihr ihnen nicht immer das Feld ließet und das Maul schlösset, sondern grad raus den jungen Herrchen die Wahrheit sagtet, nun je, einer oder der andere würde einmal anlaufen, aber im ganzen würde es anders, wenn sie wüßten, daß sie unter den Zivilisten auch ihren Mann fänden. Darum dominieren jetzt die Uniformen, wo sie mit den Fracks zusammenkommen; und die trennen sich immer mehr, die doch bestimmt sind, zusammenzuhalten als Brüder und Glieder eines Volkes.«

»Es ist seltsam, einen alten Offizier so reden zu hören.«

»Es war nicht alles gut unter dem großen König, aber es war anders. Sein Auge war ein Etwas, was das träge Blut in Bewegung brachte. Es war allüberall, wenn er auch nicht zugegen war. Man stellte sich vor, wenn man etwas tat oder unterließ, daß der König es gesehen haben könnte, man fragte sich, was er wohl dazu gesagt, wie er geurteilt hätte, und das gab eine Disziplin, die kein Kommando macht. Er war ungerecht. Oh ja, er ist es sehr oft gewesen. Aber wer von ihm litt, der setzte einen Stolz darein, daß er litt; er dachte sich, eigentlich weiß es wohl Friedrich jetzt, daß er dir unrecht getan, aber er kann's oder mag's nicht ändern, um der Autorität willen oder aus Eigensinn. Das Gefühl tat dann wohl, wie das Pour le mérite-Kreuz auf der Brust. Man litt um seinen König und durch seinen König, und der König weiß es auch und trägt vielleicht noch schwerer daran.«

»Den Orden trägst du auch.«

»Den, daß ich ein Bürgerlicher war. Ein Leiden läßt sich schon tragen, was viele Hunderte mit uns tragen.«

»Bei Torgau war es ja wohl!«

»Da fiel der Major, der mein Regiment kommandierte, und schon der dritte, der mir vorgezogen war, fiel auf den ersten Schuß. Ich kommandierte, es war nun mal kein anderer da, und nahm das Fichtenwäldchen. Die Herren gratulierten mir schon: ›Diesmal komme ich doch nicht zu früh, Herr Major?‹ sagte der alte Zieten, der an mir vorüberritt. Kam doch zu früh. Der junge Kapitän – was soll ich in meinem Groll einen Ehrenmann nennen! –, der noch Page beim König war, kurz vor Ausbruch des Krieges, ward Major auf dem Schlachtfeld und erhielt nachher als Obrist das Regiment, hatte es gewiß verdient, und was konnte er dafür, daß die Übermacht auf ihn fiel und ihn aus der Schanze trieb. Friedrich wußte es, hatte ihn vom Pferde stürzen sehen, überreiten und wieder aufsitzen; so war er blutend und zu den Seinen zurückgekehrt.«

»Jedermann gibt dir das Zeugnis, daß du es auch verdient hattest, Rittgarten. Ich habe viele brave Offiziere gesprochen.«

»Wer sagt denn, daß es Friedrich nicht auch dachte. Aber er hatte mich zweimal übergangen. Wenn er es nun zum drittenmal anders machte, strafte er sich ja selbst. So wird der König gedacht haben, und darum avancierte ich nicht auf dem Schlachtfeld und erhielt nicht das Regiment. Er ließ mich nachmalen fragen, ob ich nicht ein paar Freibataillons kommandieren wolle, die sich damals über der Elbe bildeten; und hatte wohl die Absicht, daß ich dann anvancieren sollte. Ich ließ gehorsamst mich bedanken für die gnädige Attention, mein ganzes Leben wäre regulär gewesen, und so möcht ich's auch gern zu Ende bringen. Da hat Friedrich gelacht, ich weiß es, und hat gesagt: ›Der ist ein Starrkopf, so soll er's haben!‹ – Siehst du, das war soviel für mich als ein Orden! – Nachher hat er mich wohl vergessen. Aber ich habe noch einen Orden von ihm.«

»Du!«

»Es war sein Sterbejahr. Mir ahnte es. Da hatte ich keine Ruhe mehr. Wenn ich ihn noch einmal sehen könnte! Hatte längst meinen Abschied, wie du weißt. Jetzt war ich nun Major, ein Invalidenmajor. Reiste nach Potsdam und ging nach Sanssouci hinaus. Das Glück wollte mir wohl. Ein alter Kammerdiener, den ich kannte, ließ mich auf die Terrasse. Es war ein sonniger, schöner Nachmittag, wie heut; nur noch schöner, es spielte so was wie der Duft in den Orangenbäumen, die Sperlinge zwitscherten. Der König saß an der offenen Glastür in seinem Lehnstuhl, den Pelz übergedeckt. Sie wollten ihn zum letztenmal die Luft dieser Erde recht frisch kosten lassen. Vor sich sah er nun, was er geschaffen hatte, und darüber hinaus den blauen Himmel, den der liebe Gott geschaffen hat. Die Kieferwälder in der Ferne bewegten sich. Mir war's, als hätt ich beten mögen. Und ich muß auch wohl die Hände gefaltet haben. Wollte stehen bleiben da in dem Winkel, wo die Hunde begraben liegen. Da klopfte der Wachthabende, der's mir wohl ansah an dem blauen Überrock, daß ich auch Soldat gewesen – oder hatte es ihm der Kammerdiener gesagt? –, er klopfte mir leis auf die Schulter: ›Gehn sie nur immer vor und sehen Sie sich Ihren König noch einmal an, er schläft fest. Wer weiß, ob er wieder erwacht.‹ Er stieß mich sanft vor. – Das war ein eigen Gefühl. Mir klopfte das Herz, wie, da ich zum erstenmal ins Feuer kam; aber zugleich war mir so ruhig, so sonntäglich zumut. – Nun stand ich vor ihm, nicht zehn Schritt entfernt, die Sonne wollte hinter die Bäume sinken. Gott weiß, was ich dachte! Einmal war's mir, als würde er, wenn sie sinke, auch die Augen schließen, und dann würde es Nacht werden, und alles, was er geschaffen, mit ihm untersinken. – Und das Gesicht des Schlafenden! – Was lag darin! Herr du mein Gott, was konnte einer darin lesen! Die Lippen bewegten sich ganz leis, als spräche er im Traume. Nun schlug er plötzlich das große Auge auf Er sah mich. Ich stand wie eingewurzelt, den Hut preßte ich in der Hand, und hätte mögen in die Erde versinken. Da öffnete er die Lippen: ›Ihn kenne ich auch – bei Torgau – vergeß er mich nicht.‹ Sah mich wohl, wie auch im Traum, der vor ihm gaukelte, denn er schloß sie wieder. Nur die Finger machten eine leise Bewegung. War's ein Wink für mich, oder was war es? Da hub das Glockenspiel in Potsdam an, die Sonne war hinter die Bäume gesunken, der Schatten fiel auf den großen König, und ich weiß nicht mehr, wie ich fortkam.«

Der alte Major hatte etwas mit dem Finger am Auge zu tun; der Kriegsrat ebenfalls. Es entstand eine Pause. Auch schienen ihre Pfeifen in Unordnung geraten, denn beide Herren zogen sehr eifrig und benutzen den Rest der Pause dazu, dicke Wolken in die Luft zu blasen. Und dann war alles wieder in Ordnung.

»Einem außerordentlichen Manne muß man schon manches nachsehen«, hub der Major an, »was man einem gewöhnlichen Menschen nicht verziehe. Dafür ist er ein großer Mann. Und wenn Friedrich heut lebte, so würde er wohl anders urteilen und nicht noch meinen, daß ein Bürgerlicher nur unter den Husaren gut ist und unter der Artillerie zum Offizier taugt. – Und daß er dem jungen Herrn, der sein Page gewesen, mein Regiment gab, daran hat er ganz recht getan, oder meinst du anders? Ist er nicht ein General geworden, der dem Staat Ehre gebracht hat? Warum ward der Bonaparte ein großer Feldherr, warum hat er um sich eine Schule guter Generale? Weil er's mit der Anciennität nicht genau nimmt, weil er die Tüchtigen sich herausgreift, wo er sie findet, weil er auf dem Schlachtfelde avancieren läßt, wie's ihm grad zumut ist. Da ist Salz, da ist Blut im Heere, er fragt nicht nach Glauben und Herkommen und alten Ansprüchen. Jeder hat Aussicht, daß er's bis zum General bringt, und noch weiter, wenn er seine Schuldigkeit tut oder noch mehr. Wenn das nicht gute Soldaten machen muß! Fort mit den Steifen und Alten, in die Magazine und in den Train; vorwärts mit den Jungen!«

Der Kriegsrat sah ihn verwundert an. »Damit tadelst du ja Friedrich; er tat es nicht.«

»Der Alte Fritz wußte, was sich schickte und was er brauchte. Er hatte es mit einem Daun zu tun; und seine Zieten und Seydlitze wußte er wohl zu brauchen, wo andere Feinde sich zeigten. Und wie ich dir sagte, es war sein Auge, seine Präsenz, die das Blut wieder umrührt, wo es stockig ward. Seitdem ist's schrecklich stockig geworden, sonst wären wir nicht im Lehm festgeklebt in der Champagne, und seit dem Baseler Frieden ist's noch ärger.«

Der alte Major wollte noch mehr sagen, aber er tat's nicht mit Worten, er klopfte mit dem Meerschaumkopf so stark gegen seinen hohen Stiefel, daß die Pfeife ausging. Es war auch nicht mehr Zeit zum Rauchen und zur Konversation, die Magd trug, begleitet von den jubelnden Kleinen, die rauchende Schüssel Milchreis auf den Tisch. Klara sprach das Gebet, und die Mutter streute einen Staubregen von Zimt und Zucker über die Schüssel. Ein Ah! der Verwunderung und Freude ging durch den Kreis der Kleinen: »Das ist ein Sonntag! Das ist ein Festtag!« Sie blickten den Major verwundert an, nicht einmal Milchreis mit Zucker und Zimt wollte er genießen!

Als die Bauerfrau mit beiden Armen einen Napf mit dampfenden Kartoffeln in der Schale auf den Tisch trug, die, aufgesprungen, ihre würzige, weiße Fülle entfalteten, ward das Ah! noch lauter. Aber wie erschrocken blickten sie auf den Vater, als dieser plötzlich die Hand auf die Schüssel legte. »Halt, Kinder! Ist es denn schon polizeilich erlaubt? Mich dünkt, das ist erst vom funfzehnten August ab.«

Die Bäuerin gab die Versicherung, sie dürften jetzt schon vom ersten August ab frische Kartoffeln zu Markte bringen, und sie meinte, es werde künftig noch früher erlaubt werden, weil die Kultur fortschreite.

»Dann schreiten wir doch in einem Ding fort!« sagte lächelnd der Major. »Hab's mir auch so gedacht, wenn ich bedenke, wie sie jetzt die Kriege führen. Ach, die Küchenwagen, die wir mitschleppen mußten, und die Magazine, die der große Friedrich anlegte! Das kostete ein Heidengeld und ein Fuhrwesen! Der Bonaparte bestellt seine Magazine in Feindesland, ohne daß es ihm einen Groschen kostet; und eher fängt er den Krieg nicht an, als bis sie fertig sind.«

»Wie meinst du das?«

»Er läßt nicht früher ausmarschieren, als bis die Kartoffeln reif werden. Da finden seine Soldaten ihre Magazine überall auf dem Felde. Aber sie buddeln und kochen sie auch im Juli, ja, wenn sie Hunger haben, schon im Juni. Kriegsrat! nicht wahr, das ist abscheulich, so gegen die Polizeiordnung zu handeln, wenn man hungert.«

»Ich finde es nur einem guten Patrioten konträr, Herr Obristwachtmeister, wenn man immer den Feind im Munde hat und ihn lobt.«

»Was, Feind! Kriegsrat! Er ist unser Alliierter, bedenke das Landrecht, da steht was von Landesverrat drin, wenn man gegen alliierte Mächte räsoniert. Und ein wie großmütiger Alliierter! Fordert nichts von uns, sie sagen, er schickt sogar recht viel ins Land. Und rings um uns her stäubt er und fegt und macht uns los von anderen lästigen Allianzen, bis wir mutterseelenallein auf der Welt dastehen. Da wird er uns dann ums Herz fallen und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich nichts mehr, dir zu sagen, wie ich dich so recht herzinnig und ganz besonders geliebt habe!«

Der Frau Kriegsrätin ward bange bei dem Gespräch. Sie verstand es nicht, aber der Instinkt sagte ihr, es sei anders gemeint als gesprochen, und sie sah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres Mannes. Da sah sie auch plötzlich die Bienen, die sie übrigens viel früher hätte sehen können, denn sie summten unverschämt um Gläser und Teller: »Jemine, Herr Obristwachtmeister! da ist sie in Ihrem Glase. Schütten Sie aus, das ganze Glas – frisch zu – Sie müssen mit reinem Weine des Königs Gesundheit trinken.«

»Der schöne alte Franzwein!« sagte der Major, als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ. »Der gärte gewiß schon im Faß, als ich bei Roßbach die Schärpe verdiente.« Er hielt plötzlich inne, als er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen. »Alter Freund! ein frisch Glas auf den jungen König, aber jetzt stoß an mit dem Restchen: daß Preußen noch einmal ein Roßbach erlebt!«

Es war die Versöhnung. Der Kriegsrat verstand es, er fuhr aber so heftig gegen das Glas des Majors, daß es einen Sprung bekam: »Tut nichts! Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.«

Um nicht aus einem gesprungenen Glase des Königs Gesundheit zu trinken, mußte ein neues herbeigeschafft werden. Dazu kamen andere Unterbrechnungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte Schüssel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als die Kirschkuchen sichtbar wurden, war die Ordnung am Tische nicht mehr zu erhalten. »Gib ihnen die Kuchen und laß sie laufen«, sagte der Vater, »Sie haben doch keine Geduld mehr und stören uns nur.« Dazu erschallte Trompeten- und Paukenmusik vom einen Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equipagen fuhren vor, aus der Schenke tönte militärische Musik.

»Mein Alter Dessauer!« sagte der Major. »Verzeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten Kameraden muß.«

»Aber vorerst das Glas auf den König, Alter.«

Der Major erhob sich. Er sammelte sich zu einem Spruch, indem er in die Wipfel sah. Sie strahlten nicht mehr, das Gold der Mittagssonne im Laube. Eine schwarze Wolke fuhr gerade über den Horizont. Es war sehr heiß, der helle Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete, verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas zu trocknen haben. »Du helle Sonne, die du auf ihn scheinst, den einzigen, Herrgott, wenn du untergesunken wärst mit dem Licht seiner Augen, und es wäre wirklich Nacht geworden –«

Er sprach's mit feierlicher, aber zitternder Stimme; es war nicht, was er sprechen wollte. Darum hielt er wohl inne, das Glas in seiner Hand zitterte. Der Kriegsrat sah ihn ängstlich an, die Kriegsrätin nach der Flasche, ob er zuviel getrunken.

Da schmetterte heiter und lustig das Reiterlied aus dem Kruge. Er fuhr fort:

»Nein – nein – es wird wieder Tag werden. Das alles kann nicht untergegangen sein – es kann nicht, es kann nicht. Es schläft nur eine Weile. Und wir werden aufwachen, und andre Augen werden strahlen. Unser junger, lieber, bürgerfreundlicher König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens vor ihm aufgehe, daß sein Auge hell aufgehe, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, daß sein Sinn sich kräftige und stählern werde gegen die Ratschläge der Weichherzigen, der Schmeichler und Bösen, unser guter junger König soll leben hoch in aller Preußen Herzen!«

Man stieß an, und die Gläser klangen auch ziemlich hell, aber die innere Bewegung des Invaliden hatte sich den andern mitgeteilt, es war kein fröhlicher Gläserklang, wo man den Becher mit vollem Herzen anstößt. Auch ward es laut im Dorf; eine spanische Reitermusik mischte schon ihre bizarren Töne mit den schmetternd kecken des Dessauer Marsches. So war eine kleine Disharmonie.

Der Major nahm kurz mit einem Händedruck Abschied, die Bäuerin deckte rasch den Tisch ab. Es konnte ein Gewitter kommen, und es war eine Reiterbande im Dorf. Man mußte sich vorsehen.

Im Staube sah man auch schon eine bunte Fahne schwingen, und ein Reiter im sogenannten spanischen Kostüm ritt mit einem Trompeter durch das Dorf, in gebrochenem Deutsch zu einem nie gesehenen Schauspiel, expreß zu Ehren Seiner Majestät des Königs, einladend, und umwogt von einer zahllosen Menge großer und kleiner Zuschauer, trottete ein Kamel heran, einen Affen mit roter Jacke auf dem Sattel, und ein Bär in Ketten marschierte hinterher, zum unendlichen Jubel der Jugend, dann und wann sich aufrichtend und im Kreise sich wirbelnd.

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