Ein Denkerleben

Aus der Vorrede zur zweiten Auflage

Achtzehn Jahre sind es, seit ich dies mein erstes Buch der Öffentlichkeit übergab.

Ich erkenne es als ein hohes Glück, daß Schicksal und Bildungsgang mich in erster Jugend dahin drängten, mich in das Leben eines so erhabenen Geistes zu vertiefen; und daß mir hierzu jetzt von neuem Veranlassung geboten wurde, daß ich ein andächtiges Jugendstreben mit dem Eifer des Mannes wieder zu erfassen Gelegenheit hatte, das zähle ich zu meinen freudigsten Erlebnissen.

In dieser Empfindung habe ich das Buch nach Maßgabe meiner Kraft mit Sorgfalt durchgearbeitet.

Der große Genius hat das Recht und die Pflicht, die ersten Arbeiten seines Geistes unberührt stehen zu lassen, da sie als Denkmale seiner Entwicklungsgeschichte eine Bedeutung haben. Wir anderen sind meiner Überzeugung nach verpflichtet, den Leistungen des ersten Schaffenstriebes dadurch Berechtigung der Dauer zu geben, daß wir Gehalt und Gestalt derselben mit reiferer Erkenntnis möglichst zu vollenden und abzuklären suchen.

Möge nun der Einblick in die Lebensbedingungen und in das Walten einer solchen Menschennatur dem vorurteilsfreien Leser den Segen der Erhebung bringen und ihn zur freien Erkenntnis seines eigenen Wesens und Geschickes führen.

Ich weiß, wie viel mir dazu fehlt, um dem Meister in seinem Gange nachzugehen, aber ich nehme mir die Schlußworte seiner Ethik zum Troste:

»Alles hohe ist so schwer als selten.«

Dresden, 12. August 1854.

Berthold Auerbach

Zum dritten Male

hatte ich nun dieses Buch unter der Hand und aufs neue erkannte ich wieder die Größe der Aufgabe nicht minder, als die Unmacht, sie in dieser Form zu lösen.

Ich habe bei dieser neuen Durchsicht mehreres bestimmter abgeschlossen, da ich nicht voraussehe, wann und ob ich überhaupt noch zur Ausführung eines ehedem lang gehegten Planes komme: das fernere Leben Spinozas, nach seinem Weggange von Amsterdam, in ähnlicher Weise zu behandeln. Einige Berichtigungen verdanke ich freundlicher Mitteilung aus Amsterdam, die ich noch bestimmter werde benützen können, wenn ich, wie ich hoffe, in den nächsten Jahren die Zeit gewinne, mit der Durchsicht meiner Übersetzung von Spinozas sämtlichen Werken auch die Biographie neu zu bearbeiten.

Dresden, im Dezember 1857.

B. A.

Zur siebenten Auflage

Seit der dritten Auflage habe ich an diesem Buche nichts geändert. Auch jetzt belasse ich es in der gegebenen Gestalt.

Durch die in diesen Tagen erschienene neue Auflage meiner Übersetzung von Spinozas Werken [1] ist mir nun auch die oben ausgesprochene Hoffnung erfüllt.

Gernsbach im Schwarzwald, 18. August 1871.

B. A.

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Anmerkungen:
  1. 2 Bände. Stuttgart 1871. Cotta'sche Buchhandlung.
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