Die Bildung.
Wenn wir etwas für unsere Bildung verausgaben sollen, so hat uns der Taler volle dreihundert und sechzig Pfennige. Geben wir etwas für unser Vergnügen aus, hat er nur dreißig Groschen.
Bildung heißt, sich zu jedem Menschen so stellen, dass das Aneinanderklingen seines und unseres Wesens Wohllaut gibt.
Nicht dein Nichtwissen gibt dir den Schein der Ignoranz, sondern nur die Art, wie du dein Nichtwissen zu verdecken suchst. Schweige – ! Mancher wird doch vielleicht glauben, du verstündest die Sache, wovon gesprochen wird.
Die größte Wonne des Wissens und Lernens hat doch nur der Autodidakt.
Pedanterie zeugt von wenig Begriffen. Niemand ist pedantischer, als ein noch auf dem Arm getragenes Kind.
Verschiedenes zu Verschiedenem sucht der Sammlerfleiß, Verschiedenes zu Gleichartigem der Scharfsinn, Gleichartiges zu Verschiedenem der Witz, Gleichartiges zu Gleichartigem die Poesie.
Unsere besten Gedanken sind nicht diejenigen, die wir finden, wenn wir selbst suchen, sondern diejenigen, die wir finden, wenn wir andern Suchenden nachgehen.
Wir leben alle weit mehr unter dem Druck und dem Gesetz der Gattung, als wir glauben. Manche Menschen kommen aus dieser Abhängigkeit so zu sagen vom Zentralnervengeflecht der Allgemeinheit nie mehr heraus. In unsrer ersten Entwicklung leben wir jahrelang nur im Charakter anderer Menschen, d. h. wir sprechen, denken und handeln nach Art derer, die uns erziehen, pflegen, die wir vorzugsweise lieben, bewundern lernten oder denen wir auch nur instinktmäßig folgen. Dass wir endlich ein kräftiges, ein eigenes Ich aussprechen können, ist leider erst meistenteils die Folge irgend eines außergewöhnlich herben Geschicks. Erst durch ein persönlichstes Duldenmüssen, durch ein gefahrvolles Angerufenwerden vom Geschick mit unserm eigenen Namen wird die Freiheit, das Bewusstsein des bisherigen Nachtwandlers geweckt. Das ist dann aber auch der Augenblick, mit dem wir für unsere Zukunft stehen oder fallen. Fallen nennen wir die Rückkehr in die Allgemeinheit, die Fortsetzung des Nachtwandelns, die Unbedeutendheit.
Von einem Irrtum erlöst, aber auch so recht von ihm erlöst zu sein, gewährt größere Freude, als eine Wahrheit gefunden zu haben.
Sicher auch dann würde, wie die Dichter sagen, ein Schauspiel für Götter gefeiert werden, wenn die Menschen in allen Lagen so handeln und immer so denken wollten, wie sie sich in Stammbüchern und Albums geben.
Tief glaubst du zu sein? Du bist nur schwerfällig.
Suchst du deinem Gemüte die rechte Wärme des Lebens, so wählst du zuletzt doch nur den sichersten Weg, wenn du – dem Lichte folgst.
Schurken gehen ungern ins Theater, wenn sie auch die bewundernswürdige Virtuosität besitzen, sich die Spiegelbilder, die ihnen in erschreckender Treue dort entgegengehalten werden, durch allerhand Unähnlichkeiten, die sie entdecken, doch wieder vom Gewissen hinweg zu räsonieren.
Schön ist mir alles, was das, was es sein will, auf eine nicht störende Weise ist.
Tief ist der, der auch die schweigenden Menschen und Dinge so versteht, als wenn sie redeten.
Die Seele lässt sich aus ihren Schlummerbanden durch ein reines, frohes Leben, durch Anschauen der Natur, durch den Umgang mit guten Menschen lösen, der Geist aber nur durch den Geist.
Erwarte von deinem »Feuchtersleben« nicht allzu viel! Aus Lebensmaximen lässt sich kein Leben aufbauen. Nur ein Kitt sind sie, ein Mörtel zum Binden und Befestigen von Kräften, die anderweitig hergenommen werden müssen.
Verschiebe nur nicht das Ausspinnen eines Gedankens auf bessere, freiere Stunden! So kommt er dir nicht wieder, wie er im Augenblick des Entstehens da war.
Die Handschriftendeuter, die aus Schriftzügen auf unsern Charakter schließen wollen, würden ihre Kunst vervollkommnen, wenn sie lieber aus der Form unserer Schriftzüge auf unsere jeweilige Stimmung schlössen.
Warum rührt uns das Schöne? Es schmerzt uns seine Einsamkeit, sein unerwartetes Kommen, sein baldiges Vergehen.
Wir haben die der deutschen Sprache eigentümliche Bezeichnung einer »schönen Seele« bekanntlich zuerst von Goethe im »Wilhelm Meister« mit der bestimmten Hindeutung auf ein weibliches, sanftes, christliches Gemüt mit – herrenhuterischer Färbung erhalten. Sollte bei Bildung dieses Begriffs Goethe'n nicht eine Modernisierung des griechischen Kaloskagathos, die verbundene »Güte und Schönheit,« vorgeschwebt haben? K. G. Carus hat folgende Definition gegeben: »Unter dem Ausdruck einer »schönen Seele« pflegen wir eine eigentümliche Reinheit und innere Großartigkeit der Fühlung im Gemüte und der einfachen Klarheit im Erkennen und Wollen zu bezeichnen.« Sinnig sind die körperlichen Merkmale, die Carus von der schönen Seele angibt. Er spricht ihr eine Hand zu, die er die psychische nennt und die aus feinen, schlanken, verlängerten Fingern und ebenso verlängerten Nägeln bestehen soll. Es ist nicht gesagt, dass sich diese Hand immer nur bei solchen vornehmen Frauen findet, die in der trägen Beschaulichkeit ihrer Boudoirs mit einem feinen englischen Nagelstahl ihre Finger und Nägel pflegen können: man findet sie auch bei Frauen aus dem Volk, bei mildtätigen, hingebend gestimmten Naturen, sanften Müttern, duldenden Ehegattinnen, die unter mancherlei Bedrängnissen zu leiden und sich dem Schicksal still ergeben zu fügen verstehen.
Man kann mit jener Carus'schen Definition der schönen Seele umso einverstandener sein, als sich in ihr das Gefühlsmoment mehr hervorgehoben findet als die Intelligenz. Es ist ein Vorwurf, den wir gegen die psychologischen Erörterungen jenes geistreichen und den Dingen auf die Tiefe gehenden Denkers nie haben unterdrücken mögen, dass sich das, was er hochzustellen und bedeutend zu nennen pflegt, gewöhnlich mehr in der Gegend des erkennenden und interessierten Geistes als in der des Herzens befindet. Die Welt der Entsagung, der Unterordnung und Demuth ist doch sehr oft im Leben leider nur die leere Reversseite von Medaillen, die sehr glänzend nach der Seite des Geistes, des Interesses, der »höheren Empfänglichkeit« strahlen. So treffend und anregend die Definitionen des menschlichen Wesens nach den Eindrücken der menschlichen Gestalt sein mögen, so verwundert doch nicht selten auch bei Carus die allzu sichere Einteilung in Hoch, Höher, Höchst, in Gewöhnlich und Mittel, in Niedrig und Gering je nach der Außenseite des Menschen, über die uns so unabweisbar tief der Glaube an ihre Zufälligkeit eingeprägt ist. Bei all der ebenso gelehrten wie geistvollen Erörterung kommt dann immer recht beklemmend Eins ins Gedränge, eben jenes Herz, das oft unter unscheinbarster Hülle so treu und warm zu schlagen weiß. Lesen wir nicht schon im Hafis, wenn anders Daumer recht übersetzt hat, das schöne Wort, dass das, was uns Menschen hienieden oft hässlich, garstig, krumm, buckelig, lahm und schielend erscheinen will, im Auge Gottes eitel Schönheit ist?
Eine »schöne Seele« zu heißen ist der Ehrgeiz so vieler Frauen. Aber meist verstehen sie darunter nur die Fähigkeit, das Schöne zu empfinden, zu genießen. Die Schönheit der Seele besteht in mehr als nur im glücklichen Genusse des Schönen. Sie soll dem Schönen auch zum Siege verhelfen über das Unschöne und Raue und Gemeine des Lebens. Eine »schöne Seele« soll streiten und, wenn sie träumt, von gewonnenen Schlachten träumen. Die »schöne Seele« soll auch mit dem Herzen denken und jede störende Lücke, die sie im Leben findet, handelnd zu füllen bereit sein. Wenn ihr Innerstes Musik in Allem ist, sollte sie ohne die Harmonie der Welt nicht sein und leben können. Eine schöne Seele, die nicht dem Unterdrückten beispringt, nicht der Übergewalt steuert, die abwesende Gegenpartei vertritt, nicht immer und überall ausgleicht und das Ungebührliche in seine Schranken verweist, verdient nicht den Namen: sie ist nur Empfindlerin.
Die Phantasie erfindet, das Herz entdeckt.
Wie viel Unheil richten nicht in der Welt diese nagenden, alles zerzupfenden Halbnaturen an, die heute einen Anlauf zur Bedeutsamkeit nehmen, morgen der geringsten Schmeichelei unterliegen, ihre Stimmungen der Langenweile für ein Bedürfnis nach Lebenspoesie ausgeben, mitten aus künstlich heraufbeschworenen Verhimmelungen in die trivialste Abhängigkeit von den Gesetzen der Erde fallen, ewig sich mit dem Schein einer gebildeten Selbstbeherrschung schmücken, dann aber um des geringsten, ihr Interesse berührenden Anlasses willen doch ihrer Zunge den unbedachtesten Lauf lassen, charakterlos jedem Neuen nachlaufen, dem, was ihnen imponiert, so lange huldigen, bis eine neue Erscheinung es wieder verdrängt hat, in allem, was sie nur aus sich heraus lieben und verehren sollten, abhängig sind von fremder Zustimmung, und wo diese, bei den tausenderlei verzweigten Egoismen des Lebens ausbleibt, schnell die Fahne ihres eben vorgezogenen Günstlings wieder verlassen, Menschen, die nie mit etwas fertig werden, alles anfangen, stets gefunden haben und doch schon wieder suchen und suchen und mitten in der Selbstqual, die aus einem solchen dämmernden Zustand entsteht, mitten in dem drängenden Unmut der Nichtbefriedigung und einer für die Eitelkeit nicht genug ausreichenden allgemeinen Anerkennung plötzlich zum glückseligsten Stillstand all dieses Wogens und Wollens gelangen, wenn man etwa – die Weiße ihrer Hände rühmt! Denn man wird wohl schon gemerkt haben, dass in Vorstehendem vorzugsweise eine Erscheinung aus dem Leben des weiblichen Geschlechts geschildert sein sollte.
Tiefe des Geistes erkennt man nicht an dem Angeregtsein von Allem, was den Denker interessiert, sondern an der Dauer, wie lange man bei Jedem verweilt.
Was ist schön? Dasjenige, was in einem und demselben Augenblick die Phantasie überrascht, dem Gemüt wohltut und auch den Verstand dadurch befriedigt, dass dabei alles richtig zugegangen.
Schreibe doch Einer ein ernsthaftes Buch über die Frage: »Was erscheint dem Prosaischen poetisch – ?«
O sieh nur die klägliche Miene, die der freche Alltagssinn macht, wenn er einmal gezwungen wird, dem Evangelium des Schönen zuzuhören – !
Geschmack ist angeboren und man kann ihn nicht lehren. Man kann nur anleiten, ihn zu üben und auszubilden.
Wo von der Fülle des Glanzes und dem Zauber des Unerwarteten deine Augen geblendet sind, da musst du die Augen des Herzens auftun. Die werden bald erkennen, welcher Glanz vergänglich, welches Gold echt oder Flitter ist.
Vergleicht man das weite Gebiet alles Wissenswürdigen mit der Musik, so heißt Bildung nicht, jedes Instrument behandeln können, nicht einmal aus dem einen, das man vielleicht kann, jedes Tonstück vom Blatt spielen, sondern Bildung ist die Fähigkeit, den Schlüssel, die Tonart, die Zeichen zu nennen, die von einem Tonstück den näheren musikalischen Charakter angeben. Bildung besitzt derjenige, der sich einen wissenschaftlichen und sittlichen Maßstab erworben hat, jedes Wissenswerte nach seiner ureigenen, im Gegenstand selbst liegenden Berechtigung desselben fassen und würdigen zu können.
Entstünde nur die Ordnungsliebe so vieler Menschen aus Schönheitssinn und nicht aus Pedanterie!
Die Lebenshumoristen werden immer seltener. Je mehr sich Parteiung, Heuchelei, Bigotterie in der Welt ausbreitet, je mehr die erschwerten Umstände des Daseins, KonKurrenz, Bildungsanforderung die Menschen in die Enge treiben, desto ernster werden sie und desto humorloser. Wie in der Kunst durch Schulen, Systeme, Theorien, Kritiken die absolute Objektivität gelehrt wird und auf dem ästhetischen Gebiet den Humor einengt, so findet man auch im praktischen Leben weit mehr Menschen nach der Schnur, mathematische Pflichtmenschen, als gefällige Lebenskünstler. An älteren Herren und Frauen wissen wir oft nicht, was uns an ihnen so gefällig erscheint. Es ist noch der Besitz jenes Wohlwollens, jener Beweglichkeit, jenes Lebens und Lebenlassens, jenes Eingehens auf Andere, jener Freude an der Natur, an den Ereignissen, den Charakteren, kurz aller jener Auffassungen des Daseins, die eben zum Humor gehören. Humor besitzen heißt, einen Thron errungen haben und diesen zum Spielplatz verwandeln können.
Der Enthusiasmus ist die Blüte des Geistes. Schön steht es Jedem, der sich in dieser Maienzeit erhalten kann. Es gibt aber einige Gebiete der Forschung, wo der Enthusiasmus mehr erschreckend als erhebend wirkt. Dazu gehört die Naturforschung. Der Naturforscher, der eine zu lebhafte Phantasie verräth, macht uns gegen seine Experimente misstrauisch.
Dasjenige, was der witzige Kopf am leichtesten findet, erscheint oft Andern gerade als das Gesuchteste.
Wir sind immer bessere Menschen, wenn wir eben Musik gehört haben, nicht aber immer bessere, wenn wir eben welche machten.
Unbekannte, nie besuchte Stellen des Waldes durchschneidet oft die mathematisch gerade Linie einer neuen Eisenbahnanlage. Solchen plötzlich mit der Welt vermittelten und gleichsam aus einem langen stillen Traum aufgeschreckten Geheimgegenden des Naturlebens gleichen gewisse, zuweilen überraschend zum Vorschein kommende, seltsame und höchst wunderbare Menschen.
Schlechtigkeit des Charakters, verbunden mit Geist, mit genialer Verstellung, Macchiavellismen u. s. w. imponiert nie den Frauen. Diese bleiben fest in ihrem Hass und ihrer Verwerfung. Männern dagegen mildert sich ihr Urteil, wenn sie das Schlechte mit Virtuosität behandelt sehen.
Wenn man etwas liest, will man den Verstand angeregt haben; wenn man etwas hört, das Gemüt und die Phantasie. Eine über irgend einen Gegenstand, den man einleuchtend machen will, niedergeschriebene Abhandlung muss anders motiviert und in der Reihenfolge der Beweisführung geordnet sein, als eine darüber gehaltene Rede. Daher kommt bei Reden und Theaterstücken, die, vorgetragen, hinreißen, der geringere Eindruck, wenn man sie liest. Der Vortrag selbst tut dazu nichts.
Der bessere Weg höherer Bildung ist der, vom Enthusiasmus zwar zur Kritik überzugehen, aber auch von dieser wieder zum Enthusiasmus zurückzukehren. Die meisten Menschen, wenn sie zur Erkenntnis gelangt sind, dass ihre erste Bildungszeit aus einem unreifen und allzu gläubigen Erfassen bestand, glauben dann, die nüchterne Kritik, die sich ihrer bemächtigt, wäre die wahre Höhe der Bildung. Im Gegenteil. Die wahre Bildung besteht darin, von einer besonnenen und ruhigeren Erwägung der Menschen und Dinge, die in einem gewissen Alter zur philosophischen Nüchternheit und kritischen Anmaßung umzuschlagen droht, zum idealen Blick der Jugend wieder zurückzukehren und so wieder zu lieben, zu hassen, zu hoffen, zu schwärmen, Welt und Menschen mit dem immer wachen Auge der Sehnsucht und Hingebungsbedürftigkeit zu betrachten, wie einst.
Immer und überall kindlich – ist kindisch.
Die deutsche Sprache hat für alle möglichen Misslichkeiten und Schlechtigkeiten der Handlungsweise und des Charakters mehr Ausdrücke, als nötig; in der Grobheit ist sie sogar unerschöpflich. Wenn sie aber eine systematische Methode, schlechte Lebensmaximen zu verfolgen, bezeichnen will, so greift sie doch zumeist nach fremdländischen Ausdrücken, wie Tyrann, Spionage, Denunziant, Intrigant, Egoismus, Koketterie, Prüderie, Bigotterie, Tartüfferie, Raffinement, Blasiertheit, Gourmandise u. s. w. Eine Beruhigung für den noch erhaltenen besseren Kern unseres Wesens.
Wir haben eine heilige Scheu vor allem, was sich auf unsre Mutter bezieht, auch vor unsrer Muttersprache. Darum drücken wir frivole Begriffe lieber in einer fremden Sprache aus.
Die Sprache ist das Volk. Die französische Sprache schreibt mehr Buchstaben, als sie ausspricht. Leichter Sinn, der mehr verspricht, als er hält. Die deutsche Gewissenhaftigkeit verschluckt auch nicht eine Silbe.
Hüte dich, in einer dir gemessenen Frist zu viel sagen zu wollen! Du wolltest die kurze Spanne Zeit vor einem Großen und Mächtigen nutzen, wolltest einer neuen Bekanntschaft schnell übersichtlich erscheinen, wolltest Alles, was dir für den Augenblick wichtig war, rasch erschöpfen und – erschienst geschwätzig! Die Gelegenheit, so kurz am Kragen gefasst, ließ dich anders erscheinen, als du bist. In solchen Fällen wäre zu schweigen, wie so oft, beredter gewesen.
Manche Menschen bilden sich ein, deshalb ein warmes Herz zu besitzen, weil sie in Augenblicken des Zorns und der Leidenschaft aufwallen und wohl eine Zeit lang für irgendetwas heftig erglühen können. Nein! Ein warmes Herz besitzen heißt – : Mitten in einem Stillstand der Seele, der dem unbewegten Stillstehen der Blätter des Waldes im heißen Mittagssonnenbrand gleicht, dennoch so erregt sein können, als schüttelte sie der wildeste Sturm.
Oft lernen wir, selbst nach jahrelanger persönlicher Bekanntschaft, die Menschen wahrhaft nur erst durch einen Briefwechsel kennen, den wir mit ihnen führen. Nicht nur, dass wir so vieles, was unser Innerstes bewegt, mündlich auszusprechen nicht den Muth hatten, nein, unsere ganze Art, uns im Zustand der Sammlung zu geben, kann nur bei einer solchen Gelegenheit erprobt werden. Erstaunlich dann, wie viele Menschen, die bislang für uns Werth hatten, in einem Briefwechsel nicht die Probe bestehen.
Wenig verbreitet ist jene hohe Gerechtigkeit, die immer noch bewundern kann, wo sie auch nicht mehr zu lieben vermag.
Man rühmt solche Schriftsteller, die man »gesunde Naturen« nennt. Wer gesund ist, kann von Glück sagen. Ein Verdienst ist es nicht.
Neigung zum Schreibtisch und zur Korrespondenz ist nur den geistig Bevorzugten eigen.
Unwissende sind gleich über jeden Zweifel an ihrer Bildung empört, während Unterrichtete mit dem größten Behagen zugestehen können, dass der Mensch niemals auslernen könnte.
Wenn genial organisierte Köpfe philosophieren, dichten, schaffen, handeln, so arbeiten Phantasie und Gemüt naturgemäß so lebhaft mit, dass der nächste, aus dem Zusammenhang gerissene einzelne Gedanke, das nächste einzelne Motiv ihres Schaffens oft unklar und unzureichend erscheint. Da haben denn die kritischen Silbenstecher ein weites Feld für die Vergleichung des mehr oder minder gelungenen Gebildes mit ihrer eigenen immer so blanken und flach regelmäßigen Art.
Bei Schmerzen merken wir, dass wir Alle nur aus Einer Form gegossen sind, aber in dem, was uns Freude macht, kommen wir uns doch alle recht fremdartig vor.
Wolltest du in einer Gesellschaft etwas mitteilen und wurdest dabei zufällig unterbrochen, so sorge, dass man nicht vergisst, auf dein Vorhaben wieder zurückzukommen. Wie einmal die Welt ist, macht sie aus deiner Bescheidenheit Unbedeutendheit.
Weise ist derjenige, der zugleich gut von Natur und gut aus Überzeugung ist. Mit andern Worten der, dessen Verstand ihn zwingen würde, gut zu sein, wenn er nicht schon gut von Natur wäre.
Der schönste Schmuck eines großen Menschen ist seine Harmlosigkeit. Freilich gehört selbst eine Art Größe dazu, sich in die Natürlichkeit und Einfachheit eines großen Menschen finden zu können.