Dreißigstes Kapitel: Fortsetzung. Verteidigung eines Kriegstheaters, wenn keine Entscheidung gesucht wird

Ob und auf welche Art es Kriege geben könne, in welchen keiner von beiden Teilen der angreifende ist, also keiner etwas Positives will, werden wir im letzten Buche näher in Betrachtung ziehen, hier haben wir nicht nötig, uns mit diesem Widerspruch zu beschäftigen, da wir für ein einzelnes Kriegstheater die Gründe zu einer solchen doppelseitigen Verteidigung füglich in den Verhältnissen, welche diese Teile zum Ganzen haben, voraussetzen können.

Aber nicht bloß solche Feldzüge werden ohne den Brennpunkt einer notwendigen Entscheidung sein, sondern es gibt auch, wenn wir uns an die Geschichte halten, eine Menge von Feldzügen, wo es nicht an einem Angreifenden, also nicht an einem positiven Wollen von der einen Seite fehlt, wo aber dieses Wollen so schwach ist, daß es nicht mehr um jeden Preis sein Ziel verfolgt und notwendig eine Entscheidung herbeiführt, sondern wo der Angreifende keine anderen Vorteile sucht, als die sich ihm aus den Umständen ergeben wollen. Er verfolgt hier entweder gar kein bestimmtes selbstgestecktes Ziel und erntet nur die Früchte, die sich ihm in dem Verlauf der Zeit darbieten, oder er hat zwar ein Ziel, macht es aber von günstigen Umständen abhängig.

Obgleich ein solcher Angriff, der von der strengen logischen Notwendigkeit eines Vorschreitens gegen das Ziel losläßt und fast wie ein Müßling den Feldzug durchschlendert, um sich rechts und links nach einer wohlfeilen Gelegenheitsfrucht umzusehen, sehr wenig von der Verteidigung selbst verschieden ist, die ja ihrem Feldherrn auch verstattet, solche Früchte zu brechen, so wollen wir doch die nähere philosophische Betrachtung dieser Kriegführung bis auf das Buch vom Angriff verschieben und uns hier nur an die Folgerung halten, daß in einem solchen Feldzug weder vom Angreifenden noch vom Verteidiger alles auf die Entscheidung bezogen werden kann, daß diese also nicht mehr den Schlußstein des Gewölbes abgibt, nach dem alle Linien der strategischen Überbogung hingerichtet werden können.

Feldzüge dieser Art sind nun, wenn man die Kriegsgeschichte aller Zeiten und Länder im Auge hat, nicht nur die Mehrzahl überhaupt, sondern eine solche Mehrzahl, daß die anderen wie Ausnahmen von der Regel erscheinen. Wenn nun auch in der Folge dies Verhältnis sich ändern sollte, so ist doch gewiß, daß es immer eine große Zahl solcher Feldzüge geben wird, und daß wir also bei der Lehre von der Verteidigung eines Kriegstheaters auf diese Seite derselben Rücksicht nehmen müssen. Wir werden versuchen, die Eigentümlichkeiten anzugeben, welche sich an den äußersten Grenzen dieser Seite zeigen. Der wirkliche Fall des Krieges wird meistens zwischen die beiden verschiedenen Richtungen fallen, bald der einen, bald der anderen näher liegen, und wir können daher die praktische Wirksamkeit dieser Eigentümlichkeiten nur in der Modifizierung sehen, welche durch ihre Gegenwirkung in der absoluten Form des Krieges hervorgebracht wird. Wir haben schon im dritten Kapitel dieses Buches gesagt, daß das Abwarten einer der größten Vorteile ist, den die Verteidigung vor dem Angriff voraus hat; es geschieht überhaupt im Leben selten, aber am allerwenigsten im Kriege alles, was nach den Umständen geschehen sollte. Die Unvollkommenheit der menschlichen Einsicht, die Scheu vor einem üblen Ausgang, die Zufälle, von welchen die Entwicklung der Handlung berührt wird, machen, daß von allen durch die Umstände gebotenen Handlungen immer eine Menge nicht zur Ausführung kommen. Im Kriege, wo die Unvollkommenheit des Wissens, die Gefahr der Katastrophe, die Menge der Zufälle unvergleichlich viel größer sind als in jeder anderen menschlichen Tätigkeit, muß deshalb auch die Zahl der Versäumnisse, wenn wir es so nennen wollen, notwendig viel größer sein. Dies ist nun das reiche Feld, auf dem die Verteidigung Früchte erntet, die ihr von selbst zuwachsen. Verbinden wir mit dieser Erfahrung die selbständige Wichtigkeit, welche die Bodenfläche im Kriegführen hat, so ergibt sich die auch im Kampf des Friedens, nämlich im Rechtsstreit geheiligte Maxime: beati sunt possidentes; und diese Maxime ist es, welche hier an die Stelle der Entscheidung tritt, die in allen auf gegenseitiges Niederwerfen gerichteten Kriegen den Brennpunkt der ganzen Bahn ausmacht. Sie ist von außerordentlicher Fruchtbarkeit, freilich nicht an Handlungen, die sie hervorruft, aber an Aufschlüssen und Motiven für das Nichthandeln und für alles dasjenige Handeln, welches im Interesse des Nichthandelns geschieht. Wo keine Entscheidung gesucht und erwartet werden kann, da ist kein Grund, etwas aufzugeben, denn dies könnte nur geschehen, um sich damit bei der Entscheidung Vorteile zu erkaufen. Die Folge ist, daß der Verteidiger alles oder wenigstens soviel als möglich behalten, d. h. decken, der Angreifende aber soviel als ohne Entscheidung geschehen kann, einnehmen, d. h. sich soweit als möglich ausbreiten will. Wir haben es hier nur mit dem ersteren zu tun.

Überall, wo der Verteidiger mit seinen Streitkräften nicht ist, kann der Angreifende in Besitz treten, und dann ist der Vorteil des Abwartens für ihn; es entsteht also das Bestreben, das Land überall mittelbar zu decken und es darauf ankommen zu lassen, ob der Gegner die zur Deckung aufgestellten Streitkräfte angreifen wird.

Ehe wir nun die Eigentümlichkeiten der Verteidigung näher angeben, müssen wir aus dem Buche vom Angriff diejenigen Gegenstände entlehnen, welchen derselbe im Fall einer nichtgesuchten Entscheidung nachzustreben pflegt. Es sind folgende:

1. die Einnahme eines beträchtlichen Landstriches, soweit dies ohne entscheidendes Gefecht zu erreichen ist;

2. die Eroberung eines bedeutenden Magazins unter eben der Bedingung;

3. die Eroberung einer nicht gedeckten Festung. Zwar ist eine Belagerung ein mehr oder weniger großes Werk, was oft große Anstrengungen kostet, aber es ist eine Unternehmung, die nichts von der Natur einer Katastrophe hat. Man kann im schlimmsten Fall davon ablassen, ohne dabei einen bedeutenden positiven Verlust zu machen.

4. Endlich ein glückliches Gefecht von einiger Bedeutung, wobei aber nicht viel gewagt und folglich nichts Großes gewonnen werden kann; ein Gefecht, was nicht als folgereicher Knoten eines ganzen strategischen Verbandes, sondern um seiner selbst willen, wegen der Trophäen, wegen der Waffenehre da ist. Für einen solchen Zweck liefert man natürlich das Gefecht nicht um jeden Preis, sondern erwartet entweder vom Zufall die Gelegenheit dazu oder sucht sie durch Geschicklichkeit herbeizuführen.

Diese vier Gegenstände des Angriffs bringen nun beim Verteidiger folgende Bestrebungen hervor:

1. die Festungen zu decken, indem er sie hinter sich nimmt;

2. das Land zu decken, indem er sich ausdehnt;

3. wo die Ausdehnung nicht zureicht, durch Seitenmärsche sich schnell vorzulegen;

4. sich dabei vor nachteiligen Gefechten zu hüten.

Daß diese drei ersten Bestrebungen die Absicht haben, dem Gegner die Initiative zuzuschieben und vom Abwarten den äußersten Nutzen zu ziehen, ist klar, und diese Absicht ist so tief in der Natur der Sache gegründet, daß es eine große Torheit wäre, sie von vornherein zu mißbilligen. Sie muß notwendig in dem Maße Platz greifen, als die Entscheidung weniger zu erwarten ist, und sie macht in allen solchen Feldzügen immer das Wesen der tiefsten Fundamente aus, wenn auch auf der Oberfläche des Handelns, in den kleinen, nicht entscheidenden Akten, oft ein ziemlich lebhaftes Spiel der Tätigkeit sein kann.

Hannibal so gut wie Fabius und Friedrich der Große so gut wie Daun haben diesem Prinzip gehuldigt, sooft sie eine Entscheidung weder suchten noch erwarteten. Das vierte Bestreben dient den drei anderen zum Korrektiv, ist die Conditio sine qua non derselben.

Wir wollen jetzt einige nähere Betrachtungen über diese Gegenstände anstellen.

Daß man sich mit dem Heer vor eine Festung stellt, um sie vor dem feindlichen Angriff zu schützen, hat auf den ersten Anblick etwas Widersinniges, es scheint eine Art von Pleonasmus zu sein, denn Festungswerke werden ja gebaut, damit sie dem feindlichen Angriff selbst widerstehen. Gleichwohl sehen wir diese Maßregel tausend- und abermals tausendmal vorkommen. So ist es aber mit der Kriegführung, daß die gewöhnlichsten Dinge oft am unverständlichsten zu sein scheinen. Wer könnte aber den Mut haben, auf den Grund dieses anscheinenden Widerspruches jene tausend und abermals tausend Fälle für ebensoviel Fehler zu erklären? Die ewig wiederkehrende Form beweist, daß es einen tiefliegenden Grund dafür geben muß. Dieser Grund aber ist kein anderer als der oben angegebene, in der moralischen Inertie liegende.

Stellen wir uns vor unserer Festung, so kann der Feind diese nicht angreifen, wenn er unsere Armee nicht vorher schlägt; eine Schlacht aber ist eine Entscheidung; sucht er diese nicht, so wird er die Schlacht nicht liefern, und wir bleiben ohne Schwertstreich im Besitz unserer Festung. Wir müssen es also in allen Fällen, wo wir dem Gegner die Absicht einer Entscheidung nicht zutrauen, darauf ankommen lassen, ob er sich dazu entschließt, denn es ist die größte Wahrscheinlichkeit, daß er es nicht tut. Bedenkt man, daß dabei in den meisten Fällen noch das Mittel bleibt, uns in dem Augenblick, wo der Feind gegen unser Vermuten zum Angriff anrückt, hinter die Festung zurückzuziehen, so ist bei dieser Aufstellung vor der Festung noch weniger Gefahr, und die nahe Wahrscheinlichkeit, den Status quo ohne Aufopferung zu erhalten, ist dann nicht einmal von einer entfernten Gefahr begleitet.

Stellen wir uns hinter der Festung, so geben wir dem Angreifenden einen Gegenstand hin, der recht für seine Verhältnisse gemacht ist. Er wird, wenn die Festung nicht etwa sehr bedeutend und er sehr unvorbereitet ist, die Belagerung wohl oder übel unternehmen; damit nun diese nicht mit der Einnahme endige, müssen wir zum Entsatz schreiten. Das positive Handeln, die Initiative ist also nun an uns, und der Gegner, welcher bei seiner Belagerung als vorschreitend gegen sein Ziel zu betrachten ist, ist im Posseß. Daß die Sache immer diese Wendung nimmt, lehrt die Erfahrung, und es liegt auch in ihrer Natur. Eine Belagerung ist, wie wir schon gesagt haben, nicht mit einer Katastrophe verbunden. Der schwächste, unentschlossenste, faulste Feldherr, der sich niemals zu einer Schlacht entschlossen hätte, schreitet unbedenklich zur Belagerung, sobald er an die Festung kommen kann, und wäre es auch nur mit dem Feldgeschütz. Im schlimmsten Fall kann er die Sache aufgeben, ohne einen positiven Verlust zu leiden. Zu dieser Wendung des Verhältnisses tritt noch die Gefahr, in welcher die meisten Festungen mehr oder weniger schweben, durch einen Sturm oder sonst auf eine unregelmäßige Art genommen zu werden, und dieser Umstand darf gewiß von dem Verteidiger in seinem Kalkül der Wahrscheinlichkeiten nicht übersehen werden.

Es ist also, diese beiden Momente aneinander abgewogen, natürlich, daß der Verteidiger den Vorteil, sich unter besseren Umständen zu schlagen, jenem anderen nachsetzt, sich höchst wahrscheinlich gar nicht schlagen zu brauchen. Auf diese Weise erscheint uns dann die Sitte, sich mit den Truppen im Felde vor seiner Festung aufzustellen, sehr natürlich und einfach. Friedrich der Große hat sie mit Glogau gegen die Russen, mit Schweidnitz, Neiße und Dresden gegen die Österreicher fast immer beobachtet. Dem Herzog von Bevern bekam diese Maßregel bei Breslau schlecht, hinter Breslau hätte er nicht angegriffen werden können; aber die Überlegenheit des österreichischen Heeres während des Königs Abwesenheit und der Umstand, daß die Annäherung des letzteren den Österreichern diese Überlegenheit bald zu nehmen drohte, machten auch, daß der Zeitpunkt der Breslauer Schlacht keineswegs ein solcher war, wo eine Entscheidung nicht zu erwarten gewesen wäre, daher denn auch die Stellung von Breslau weniger angemessen erscheint. Auch würde der Herzog von Bevern es gewiß vorgezogen haben, sich hinter Breslau aufzustellen, wenn dann der Ort mit seinen Vorräten nicht einem Bombardement preisgegeben wäre, welches der in solchen Fällen nichts weniger als billig denkende König dem Herzog sehr übel genommen haben würde. Daß der Herzog einen Versuch machte, Breslau durch eine davor genommene verschanzte Stellung zu sichern, kann man am Ende nicht mißbilligen, denn es war sehr möglich, daß der Prinz Karl von Lothringen, durch die Einnahme von Schweidnitz zufriedengestellt und durch des Königs Anmarsch bedroht, sich dadurch hätte vom weiteren Vorschreiten abhalten lassen. Das Beste wäre gewesen, es mit der Schlacht selbst nicht ernstlich zu meinen, sondern in dem Augenblick, wo die Österreicher zum Angriff vorrückten, sich durch Breslau abzuziehen; dann zog der Herzog von Bevern aus dem Abwarten alle Vorteile, ohne sie mit einer großen Gefahr zu bezahlen.

Wenn wir hier die Aufstellung des Verteidigers vor den Festungen aus einem höheren, durchgreifenden Grund hergeleitet und gerechtfertigt haben, so müssen wir doch auch bemerken, daß ein untergeordneter Grund hinzutritt, der freilich näher liegt, aber für sich allein nicht gelten konnte, weil er nicht durchgreifend ist. Es ist nämlich der Gebrauch, welchen die Armee von der nächsten Festung als Vorratsort zu machen pflegt; dies ist so bequem und hat so manche Vorteile, daß ein General sich nicht leicht entschließen wird, seine Bedürfnisse von weiter entlegenen Festungen zu beziehen oder in offenen Plätzen niederzulegen. Ist aber die Festung Vorratsort des Heeres, so ist in vielen Fällen das Aufstellen vor derselben durchaus notwendig und in den meisten sehr natürlich. Aber man sieht wohl, daß dieser naheliegende Grund, welcher von denen, die überhaupt nicht viel nach den entfernteren fragen, leicht überschätzt werden kann, weder hinreicht, alle vorgekommenen Fälle zu erklären, noch in seinen Beziehungen wichtig genug ist, um ihm die höchste Entscheidung einzuräumen.

Die Eroberung einer oder mehrerer Festungen, ohne dabei eine Schlacht zu wagen, ist so sehr das natürliche Ziel aller der Angriffe, die nicht auf große Entscheidung gehen, daß der Verteidiger die Verhinderung dieser Absicht zu einem Hauptgegenstand seiner ganzen Industrie macht. Daher sehen wir denn auf den Kriegstheatern, wo viele Festungen sind, sich fast alle Bewegungen darum drehen, daß der Angreifende einer derselben unvermutet beizukommen sucht und deshalb mancherlei Finten anwendet, der Verteidiger aber stets durch gut vorbereitete Bewegungen sich noch schnellstens vorzulegen sucht. Dies ist der durchgehende Charakter fast aller niederländischen Feldzüge von Ludwig XIV. bis auf den Marschall von Sachsen.

Soviel über das Decken der Festungen.

Die Deckung des Landes durch eine ausgedehnte Aufstellung der Streitkräfte kann nur in Verbindung mit beträchtlichen Hindernissen des Bodens gedacht werden. Die großen und kleinen Posten, welche man dabei bilden muß, können nur durch starke Stellungen eine gewisse Widerstandsfähigkeit bekommen, und da die natürlichen Hindernisse selten zureichend gefunden werden, so tritt die Verschanzungskunst hinzu. Nun ist aber wohl zu merken, daß der Widerstand, welchen man dadurch auf einem Punkt erhält, immer nur als ein relativer (siehe das Kapitel von der Bedeutung des Gefechts) und nicht als ein absoluter betrachtet werden kann. Es kann sich zwar wohl zutragen, daß ein solcher Posten unüberwältigt bleibt und also in dem einzelnen Fall ein absolutes Resultat erhält, allein da die große Zahl der Posten jeden einzelnen im Verhältnis zum Ganzen doch nur als schwach und dem möglichen Anfall einer großen Übermacht preisgegeben erscheinen läßt, so wäre es unvernünftig, auf den Widerstand jedes einzelnen Postens sein ganzes Heil zu bauen. Es ist also bei so ausgedehnter Aufstellung nur auf einen verhältnismäßig langen Widerstand, aber nicht auf eigentlichen Sieg zu rechnen. Aber dieser Wert der einzelnen Posten reicht auch für den Zweck und die Berechnung des Ganzen hin. In Feldzügen, wo man keine große Entscheidung zu fürchten hat, kein rastloses Vorschreiten zur Überwältigung des Ganzen, da sind Postengefechte, wenn sie auch mit dem Verlust des Postens endigen, weniger gefährlich. Selten ist damit etwas anderes als eben der Verlust dieses Postens und einiger Trophäen verbunden; der Sieg greift nicht weiter in die Verhältnisse ein, er reißt kein Fundament nieder, dem eine Menge Trümmer nachfallen. Im schlimmsten Fall, wenn nämlich das ganze Verteidigungssystem durch den Verlust des einzelnen Postens gestört worden ist, wird dem Verteidiger immer noch Zeit bleiben, sein Korps zu vereinigen und mit der Gesamtheit die Entscheidung anzubieten, die der Angreifende nach unserer Voraussetzung nicht sucht. Gewöhnlich geschieht es daher auch, daß mit dieser Vereinigung der Macht der Akt beschlossen und dem weiteren Vorschreiten des Angreifenden Stillstand geboten wird. Etwas Land, einige Menschen und Kanonen sind die Verluste des Verteidigers und die genügenden Erfolge des Angreifenden.

Einer solchen Gefahr, sagen wir, kann sich der Verteidiger für den Fall des Unglückes schon aussetzen, wenn er auf der anderen Seite die Möglichkeit oder vielmehr die Wahrscheinlichkeit erringt, daß es zu allem dem nicht kommt, und der Angreifende zaghaft oder vorsichtig, wie es eben zu nennen ist, vor seinen Posten stehen bleibt, ohne sich an ihnen den Kopf blutig zu rennen. Bei dieser Betrachtung müssen wir nur nicht aus dem Auge lassen, daß wir einen Angreifenden voraussetzen, der nichts Großes wagen will; einem solchen kann ein mäßiger, aber starker Posten mit Recht Stillstand gebieten: denn wenn er ihn auch unzweifelhaft überwältigen kann, so frägt es sich doch, um welchen Preis das geschehen wird, und ob dieser Preis nicht zu hoch für das ist, was er in seiner Lage mit dem Sieg anfangen kann.

Auf diese Weise zeigt es sich, wie dem Verteidiger der starke relative Widerstand, welchen eine in viele nebeneinanderliegende Posten ausgedehnte Aufstellung gewähren kann, in der Berechnung seines ganzen Feldzuges ein genügendes Resultat sein kann. Um den Blick auf die Kriegsgeschichte, den hierbei der Leser in Gedanken tun wird, gleich auf den rechten Punkt zu führen, wollen wir bemerken, daß diese ausgedehnten Stellungen am häufigsten in der letzten Hälfte der Feldzüge vorkommen, weil dann der Verteidiger den Angreifenden sowie seine Absichten und Verhältnisse für dieses Jahr erst recht kennengelernt, und bei dem Angreifenden sich das wenige von Unternehmungsgeist, was er mitgebracht hatte, verloren hat.

Bei dieser Verteidigung in einer ausgedehnten Aufstellung, wodurch das Land, die Vorräte, die Festungen gedeckt werden, müssen natürlich alle großen Hindernisse des Bodens wie Ströme, Flüsse, Gebirge, Wälder, Moräste eine große Rolle spielen, eine vorherrschende Wichtigkeit bekommen. Über ihren Gebrauch beziehen wir uns auf das früher Gesagte.

Durch diese vorherrschende Wichtigkeit des topographischen Elementes wird dasjenige Wissen und diejenige Tätigkeit des Generalstabes besonders in Anspruch genommen, welche als die eigentümlichsten desselben betrachtet zu werden pflegen. Weil nun der Generalstab derjenige Teil des Heeres zu sein pflegt, welcher am meisten schreibt und drucken läßt, so folgt, daß diese Teile der Feldzüge historisch mehr fixiert werden, und es entspringt zugleich die ziemlich natürliche Neigung, sie zu systematisieren und aus der historischen Auflösung des einen Falles allgemeine Auflösungen für die folgenden Fälle zu machen. Dies aber ist ein vergebliches und also falsches Bestreben. Auch bei dieser mehr passiven, mehr an die Örtlichkeit gebundenen Kriegsart ist jeder Fall ein anderer und muß anders behandelt werden. Die vortrefflichsten räsonierenden Memoiren über diese Gegenstände sind daher nur geeignet, mit ihnen vertraut zu machen, nicht aber als Vorschriften zu dienen; sie werden eigentlich wieder Kriegsgeschichte, nur eine diesen Kriegen eigentümliche Seite derselben.

So notwendig und achtungswert die Tätigkeit des Generalstabes ist, die wir hier nach der gewöhnlichen Ansicht als seine eigentümlichste bezeichnet haben, so müssen wir doch gegen die Usurpationen warnen, welche oft zum Nachteil des Ganzen daraus hervorgehen. Die Wichtigkeit, welche diejenigen Häupter desselben, die in diesem Zweige des Kriegsdienstes die stärksten sind, dabei bekommen, gibt ihnen oft eine gewisse allgemeine Herrschaft über die Geister und am ersten über den Feldherrn selbst, und daraus entspringt denn eine zur Einseitigkeit führende Ideengewohnheit; zuletzt sieht der Feldherr nichts mehr als Berge und Pässe, und was eine nach den Umständen bestimmte frei gewählte Maßregel sein sollte, wird Manier, wird zur zweiten Natur.

So hat im Jahr 1793 und 1794 bei dem preußischen Heere der Oberst Grawert, welcher die Seele des damaligen Generalstabes und bekanntlich ein rechter Mann der Berge und Pässe war, zwei Feldherren von der größten eigentümlichen Verschiedenheit, den Herzog von Braunschweig und den General Möllendorf, genau in denselben Wegen der Kriegführung erhalten.

Daß eine längs einem starken Bodenabschnitt gebildete Verteidigungslinie der Weg sei, welcher zum Kordonkrieg führen kann, ist einleuchtend. Sie würde in den meisten Fällen notwendig dahin führen müssen, wenn wirklich die ganze Ausdehnung des Kriegstheaters auf diese Weise unmittelbar gedeckt werden sollte, weil doch die meisten Kriegstheater eine Ausdehnung haben, gegen welche die natürliche taktische Ausdehnung der zur Verteidigung bestimmten Streitkräfte sehr gering ist. Allein da der Angreifende durch die Umstände sowie durch seine eigenen Anstalten an gewisse Hauptrichtungen und Straßen gebunden ist, und zu starke Ausweichungen davon selbst gegen den passivsten Verteidiger zu viel Unbequemlichkeiten und Nachteile herbeiführen würden, so kommt es für den Verteidiger meistens nur darauf an, von diesen Hauptrichtungen rechts und links eine gewisse Anzahl Meilen oder Märsche weit die Gegend zu decken. Diese Deckung selbst aber geschieht wieder, indem man sich begnügt, die Hauptstraßen und Zugänge mit Verteidigungsposten zu versehen und die zwischenliegende Gegend bloß mit Beobachtungsposten. Die Folge ist dann freilich, daß der Angreifende zwischen zwei Posten mit einer Kolonne durchgehen und also den auf einen dieser Posten beabsichtigen Angriff von mehreren Seiten tun kann. Darauf sind nun diese Posten einigermaßen eingerichtet, indem sie teils Flankenanlehnungen haben, teils Flankenverteidigungen (sogenannte Haken) bilden, teils durch eine zurückstehende Reserve oder durch einige Truppen des Nebenpostens Hilfe erhalten. Auf diese Weise schränkt sich die Menge der Posten noch mehr ein, und das gewöhnliche Resultat ist, daß ein in solcher Verteidigung begriffenes Heer sich in 4 oder 5 Hauptposten auflöst.

Für zu weit entfernte und doch einigermaßen bedrohte Hauptzugänge werden dann besondere Zentralpunkte bestimmt, die gewissermaßen kleine Kriegstheater innerhalb des großen bilden. So haben die Österreicher während des Siebenjährigen Krieges mit ihrer Hauptarmee meist 4 bis 5 Posten im niederschlesischen Gebirge eingenommen, während in Oberschlesien ein kleines, einigermaßen selbständiges Korps ein ähnliches Verteidigungssystem für sich hatte.

Je weiter nun ein solches Verteidigungssystem sich von der unmittelbaren Deckung entfernt, um so mehr müssen Bewegung, aktive Verteidigung und selbst offensive Mittel zu Hilfe genommen werden. Gewisse Korps werden als Reserven betrachtet, außerdem eilt ein Posten mit seinen entbehrlichen Truppen dem anderen zu Hilfe. Diese Unterstützung geschieht entweder, indem man wirklich von hinten zur Verstärkung und Erneuerung des passiven Widerstandes herbeieilt, oder indem der Feind in der Seite angefallen, oder indem er gar in seinem Rückzug bedroht wird. Bedroht der Angreifende die Seite eines Postens nicht mit einem Angriff sondern bloß mit einer Stellung, indem er auf die Verbindungen dieses Postens zu wirken sucht, so wird entweder das zu diesem Behuf vorgeschobene Korps wirklich angegriffen oder der Weg der Repressalien eingeschlagen, indem man auf die feindlichen Verbindungen zu wirken sucht.

Man sieht also, daß diese Verteidigung, so passiver Natur auch die Hauptgrundlage derselben ist, doch eine Menge aktiver Mittel in sich aufnehmen muß und damit auf mancherlei Weise in den zusammengesetzten Verhältnissen ausgerüstet sein kann. Gewöhnlich gelten diejenigen, welche sich der aktiven oder gar der offensiven Mittel am meisten bedienen, für die besseren; allein teils hängt dies sehr von der Natur der Gegend, der Beschaffenheit der Streitkräfte und selbst von dem Talent des Feldherrn ab, teils kann man überhaupt doch auch von der Bewegung und den übrigen aktiven Hilfsmitteln leicht zu viel erwarten und an der örtlichen Verteidigung eines starken Bodenhindernisses leicht zu viel aufgeben. Wir glauben hiermit, was wir unter einer ausgedehnten Verteidigungslinie verstehen, hinreichend auseinandergesetzt zu haben, und wenden uns nun zu dem dritten Hilfsmittel: dem Vorlegen durch eine schnelle Seitenbewegung.

Dieses Mittel gehört ganz notwendig zu dem Apparat derjenigen Landesverteidigung, von welcher hier die Rede ist. Teils kann der Verteidiger oft trotz der ausgedehntesten Stellungen nicht alle bedrohten Eingänge seines Landes besetzen; teils muß er in vielen Fällen mit dem Kern seiner Macht bereit sein, sich nach denjenigen Posten hinzubegeben, gegen welche sich der Kern der feindlichen Macht werfen will, weil diese Posten sonst zu leicht überwältigt werden würden; endlich muß überhaupt derjenige Feldherr, welcher seine Streitkräfte nicht gern in einer ausgedehnten Stellung zum passiven Widerstand festnageln läßt, seinen Zweck, die Deckung des Landes, um so mehr durch schnelle, wohlüberlegte, wohleingeleitete Bewegungen erreichen. Je größer die Stellen sind, welche er offenläßt, um so größer muß die Virtuosität in der Bewegung sein, um sich überall noch zur rechten Zeit vorzuschieben.

Die natürliche Folge dieses Bestrebens ist, daß man sich überall Stellungen aussucht, die man in solchem Fall bezieht, und die Vorteile genug darbieten, um den Gedanken eines Angriffs beim Gegner zu entfernen, sobald unser Heer oder auch nur ein Teil desselben in der Stellung angelangt ist. Da diese Stellungen immer wiederkehren, und sich dabei alles um die Erreichung derselben dreht, so werden sie gewissermaßen die Selbstlauter dieser ganzen Kriegführung, und daher hat man dieselbe auch wohl den Postenkrieg genannt.

So wie die gedehnte Aufstellung und der relative Widerstand in einem Kriege ohne große Entscheidung nicht die Gefahren hat, die ursprünglich darin liegen, so hat auch dieses Vorlegen durch Seitenmärsche nicht das Bedenken, welches im Augenblick großer Entscheidungen damit verknüpft sein würde. Einem entschlossenen Gegner, der Großes kann und will, und der also eine beträchtliche Kraftausgabe nicht scheut, sich im letzten Augenblick eiligst in eine Stellung vorschieben zu wollen, wäre der halbe Weg zur entschiedensten Niederlage, denn gegen einen rücksichtslosen Stoß mit voller Gewalt würde ein solches Hineilen und Hinstolpern in eine Stellung nicht Stich halten. Aber für einen Gegner, der das Werk nicht mit der vollen Faust, sondern nur mit den Fingerspitzen angreift, der von einem großen Resultat oder vielmehr von der Einleitung dazu nicht einmal Gebrauch machen kann, der nur einen mäßigen Vorteil sucht, aber zu geringem Preise, einem solchen kann diese Art des Widerstandes allerdings mit Erfolg entgegengestellt werden.

Eine natürliche Folge ist, daß auch dieses Mittel im allgemeinen mehr in der zweiten Hälfte der Feldzüge vorkommt als bei der Eröffnung.

Auch hier hat der Generalstab Gelegenheit, sein topographisches Wissen in ein System zusammenhängender Maßregeln auszubilden, welches sich auf die Wahl und Zubereitung der Stellungen und der dahin führenden Wege bezieht.

Wo am Ende alles darauf gerichtet ist, auf der einen Seite einen gewissen Punkt zu erreichen, auf der anderen es zu verhindern, da kommen beide Teile oft in den Fall, ihre Bewegungen unter den Augen des Gegners ausführen zu müssen, daher denn diese Bewegungen mit einer sonst nicht erforderlichen Vorsicht und Genauigkeit eingerichtet werden müssen. Ehemals, wo das Hauptheer nicht in selbständige Divisionen geteilt war und auch auf dem Marsch immer wie ein unteilbares Ganzes betrachtet wurde, war diese Vorsicht und Genauigkeit mit viel mehr Umständlichkeit und deshalb mit einem großen Aufwand von taktischer Kunst verbunden. Freilich mußten gerade bei diesen Gelegenheiten oft einzelne Brigaden eines Treffens vorauseilen, sich gewisser Punkte versichern und also eine selbständige Rolle übernehmen, bereit, mit dem Feinde anzuknüpfen, wenn auch das übrige nicht heran war; aber das waren und blieben Anomalien, und die Marschordnung blieb im allgemeinen immer darauf gerichtet, das Ganze in seiner ungestörten Ordnung hinzuführen und solche Aushilfen soviel als möglich zu vermeiden. Jetzt, wo die Teile des Hauptheeres wieder in selbständige Glieder zerfallen, und diese Glieder es wagen dürfen, selbst mit dem feindlichen Ganzen das Gefecht anzufangen, wenn nur die anderen nahe genug sind, es fortzuführen und zu beendigen, jetzt hat auch ein solcher Seitenmarsch, selbst unter den Augen des Gegners, weniger Schwierigkeit. Was sonst durch den eigentlichen Mechanismus der Marschordnung erreicht werden mußte, erreicht man jetzt durch das frühere Absenden einzelner Divisionen, den beschleunigten Marsch anderer und die größte Freiheit in Verwendung des Ganzen.

Durch die hier betrachteten Mittel des Verteidigers soll dem Angreifenden die Eroberung einer Festung, die Einnahme eines beträchtlichen Landstriches oder eines Magazins verwehrt werden. Sie wird ihm verwehrt, wenn vermittelst jener Wege ihm überall solche Gefechte angeboten werden, daß er darin entweder zu wenig Wahrscheinlichkeit des Erfolges, zu große Gefahr einer Rückwirkung im Falle des Mißlingens oder überhaupt einen für den Zweck und für seine Verhältnisse zu großen Kraftaufwand findet.

Wenn nun der Verteidiger diesen Triumph seiner Kunst und Einrichtungen erlebt, der Angreifende überall, wohin er den Blick richtet, durch weise Vorkehrungen sich jede Aussicht benommen sieht, einen seiner mäßigen Wünsche zu erreichen, so sucht das offensive Prinzip oft einen Ausweg in der Befriedigung der bloßen Waffenehre. Der Gewinn irgendeines bedeutenden Gefechts gibt den Waffen das Ansehen einer Überlegenheit, befriedigt die Eitelkeit des Feldherrn, des Hofes, des Heeres und des Volkes und damit einigermaßen die Erwartungen, welche natürlich an jeden Angriff geknüpft sind. Ein vorteilhaftes Gefecht von einiger Wichtigkeit bloß um des Sieges, um der Trophäen willen ist also die letzte Hoffnung des Angreifenden. Man glaube nicht, daß wir uns in einen Widerspruch verwickeln, weil wir uns hier noch unter unserer eigenen Voraussetzung befinden: daß die guten Maßregeln des Verteidigers dem Angreifenden alle Aussicht benommen haben, vermittelst eines glücklichen Gefechts einen jener anderen Gegenstände zu erreichen. Zu dieser Aussicht würden zwei Bedingungen gehören, nämlich vorteilhafte Verhältnisse im Gefecht und demnächst; daß der Erfolg auch wirklich zu einem jener Gegenstände führe.

Das erstere kann sehr wohl ohne das letztere stattfinden, und es werden sich also einzelne Korps und Posten des Verteidigers viel häufiger in der Gefahr befinden, in nachteilige Gefechte zu geraten, wenn der Angreifende es bloß auf die Ehre des Schlachtfeldes absieht, als wenn er auch noch die Bedingung weiterer Vorteile daranknüpft.

Wenn wir uns ganz in Dauns Lage und Denkungsart hineinversetzen beabsichtigte, daß aber ein folgenreicher Sieg, der den König gezwungen hätte, Dresden und Neiße sich selbst zu überlassen, eine ganz andere Aufgabe war, in welche er sich nicht einlassen wollte.

Man glaube ja nicht, daß dies kleinliche oder gar müßige Distinktionen sind, vielmehr haben wir es hier mit einem der am tiefsten gehenden Grundzüge des Krieges zu tun. Die Bedeutung eines Gefechts ist für die Strategie die Seele desselben, und wir können nicht genug wiederholen, daß bei ihr alle Hauptsachen immer aus der letzten Absicht beider Teile wie aus dem Schlußpunkt des ganzen Gedankensystems hervorgehen. Daher kann dann zwischen Schlacht und Schlacht ein solcher strategischer Unterschied sein, daß sie gar nicht mehr als dasselbe Instrument betrachtet werden kann.

Da nun der Verteidiger, obgleich ein solcher Sieg des Angreifenden kaum als eine wesentliche Beeinträchtigung der Verteidigung betrachtet werden kann, doch seinem Gegner auch diesen Vorteil nicht gern einräumen wird, zumal da man niemals weiß, was sich zufällig noch daran anknüpfen kann, so ist die beständige Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse aller seiner bedeutenden Korps und Posten noch ein besonderer Gegenstand seiner Industrie. Freilich hängt hier das meiste von dem klugen Betragen der Führer dieser Korps ab, aber sie können doch auch durch unzweckmäßige Bestimmungen von seiten des Feldherrn in unvermeidliche Katastrophen verwickelt werden. Wem fällt hier nicht das Fouquésche Korps bei Landeshut und das Fincksche bei Maxen ein?

Friedrich der Große hatte in beiden Fällen zu viel auf die Wirkung hergebrachter Ideen gerechnet. Er konnte unmöglich glauben, daß man sich in der Stellung von Landeshut mit 10000 Mann wirklich gegen 30000 mit Glück schlagen, oder daß Finck einer von allen Seiten überwältigend herbeiströmenden Übermacht widerstehen könne; sondern er glaubte, die Stärke der Landeshuter Stellung werde wie bisher als ein gültiger Wechsel akzeptiert und Daun in der Flankendemonstration eine hinreichende Veranlassung finden, die unbequeme Stellung in Sachsen mit der bequemeren in Böhmen zu vertauschen. Er hat dort Laudon und hier Daun diesmal falsch beurteilt, und darin liegt der Fehler jener Maßregeln.

Aber abgesehen von solchen Irrtümern, die auch Feldherren begegnen können, die nicht zu stolz, keck und eigensinnig sind, wie man es Friedrich dem Großen bei einzelnen Maßregeln wohl vorwerfen kann, so liegt in Beziehung auf unseren Gegenstand immer eine große Schwierigkeit darin, daß der Feldherr von der Einsicht, dem guten Willen, dem Mut und der Charakterstärke seiner Korpsführer nicht immer das Wünschenswerte erwarten kann. Er kann also nicht alles ihrem Gutdünken überlassen, sondern muß ihnen manches vorschreiben, wodurch ihr Handeln gebunden wird und dann leicht mit den augenblicklichen Umständen in Mißverhältnis geraten kann, Dies ist ein ganz unvermeidlicher Übelstand. Ohne gebieterischen, herrischen Willen, der bis auf das letzte Glied durchgreift, ist keine gute Heerführung möglich, und wer der Gewohnheit folgen wollte, immer das Beste von den Leuten zu glauben und zu erwarten, würde dadurch schon zu einer guten Heerführung ganz untüchtig sein.

Es müssen also die Verhältnisse eines jeden Korps und Postens immer scharf ins Auge gefaßt werden, um dasselbe nicht unerwartet in eine Katastrophe verwickelt zu sehen.

Alle diese vier Bestrebungen sind auf die Erhaltung des Status quo gerichtet. Je glücklicher und erfolgreicher sie sind, um so länger wird der Krieg auf demselben Punkt verweilen; je länger aber der Krieg auf einem Punkt bleibt, um so wichtiger wird die Sorge um den Unterhalt.

An die Stelle der Beitreibungen und Lieferungen tritt entweder von Hause aus oder doch wenigstens sehr bald die Verpflegung aus Magazinen; an die Stelle der jedesmaligen Beitreibung von Landfuhren tritt mehr oder weniger die Bildung eines stehenden Fuhrwesens, entweder von Landfuhren oder von solchen, die dem Heere selbst angehören; kurz, es entsteht jene Annäherung an eine enggeregelte Magazinalverpflegung, von der wir schon im Kapitel des Unterhaltes gesprochen haben.

Diese Seite der Sache ist es indessen nicht, welche auf diese Kriegführung einen großen Einfluß ausübte; denn da sie ihrer Bestimmung und ihrem Charakter nach schon an sehr enge Räume gebunden ist, so kann die Verpflegung dabei wohl Bestimmungen abgeben und wird sogar den größten Teil derselben abgeben, aber diese Bestimmungen werden den Charakter des Ganzen nicht ändern. Dagegen werden die gegenseitigen Einwirkungen auf die Verbindungslinien aus zwei Gründen eine viel größere Wichtigkeit bekommen. Erstlich, weil es in solchen Feldzügen an größeren und durchgreifenderen Mitteln fehlt, die Industrie der Feldherren also auf dergleichen schwächere geführt werden muß; zweitens, weil es hier nicht an der nötigen Zeit fehlt, um die Wirksamkeit des Mittels abzuwarten. Die Sicherung der eigenen Verbindungslinie wird also noch als ein Gegenstand von besonderer Wichtigkeit erscheinen. Ihre Unterbrechung kann zwar nicht ein Zweck des feindlichen Angriffs sein, aber sie kann ein sehr wirksames Mittel werden, den Verteidiger zum Rückzug zu zwingen und also andere Gegenstände preiszugeben.

Alle den Raum des Kriegstheaters selbst schützende Maßregeln müssen natürlich auch die Wirkung haben, die Verbindungslinien zu decken, ihre Sicherung ist also zum Teil darin enthalten, und wir haben nur zu bemerken, daß die Rücksicht auf jene Sicherung eine Hauptbestimmung bei der Aufstellung abgeben wird.

Ein besonderes Mittel der Sicherung aber besteht in den die einzelnen Zufuhren begleitenden kleinen oder auch ziemlich beträchtlichen Heerhaufen. Teils reichen die ausgedehntesten Stellungen nicht immer hin, die Verbindungslinien zu sichern, teils wird besonders da eine solche Bedeckung nötig, wo der Feldherr die gedehnte Aufstellung hat vermeiden wollen. Wir finden daher in Tempelhoffs Geschichte des Siebenjährigen Krieges unendlich viele Beispiele, daß Friedrich der Große seine Brot- und Mehlwagen durch einzelne Regimenter Fußvolk oder Reiterei, zuweilen aber auch durch ganze Brigaden begleiten ließ. Von den Österreichern finden wir es niemals angemerkt, welches seinen Grund freilich zum Teil darin hat, daß sich auf ihrer Seite kein so umständlicher Geschichtschreiber befindet, zum Teil aber auch eben darin, daß sie immer viel ausgedehntere Stellungen einnahmen.

Nachdem wir die vier von allen Angriffselementen der Hauptsache nach ganz freien Bestrebungen durchgegangen sind, welche die Grundlage einer Verteidigung ausmachen, die auf keine Entscheidung gerichtet ist, müssen wir noch etwas von den offensiven Mitteln sagen, womit sie mehr oder weniger untermischt, gewissermaßen gewürzt werden können. Diese Offensivmittel sind nun hauptsächlich:

1. das Einwirken auf die feindliche Verbindungslinie, wohin wir auch gleich die Unternehmungen gegen die Vorratsorte des Feindes rechnen wollen;

2. Diversionen und Streifereien in das feindliche Gebiet;

3. Angriffe feindlicher Korps und Posten und selbst des feindlichen Hauptheeres unter begünstigenden Umständen oder auch nur die Bedrohung damit.

Das erste Mittel ist in allen solchen Feldzügen unaufhörlich wirksam, aber gewissermaßen ganz in der Stille ohne ein faktisches Erscheinen. Jede wirksame Stellung des Verteidigers zieht aus der Besorgnis, welche sie dem Angreifenden in Beziehung auf seine Verbindungslinie gewährt, den größten Teil ihrer Wirksamkeit, und da in einem solchen Kriege, wie wir das oben bei der Verteidigung gesagt haben, die Verpflegung eine vorherrschende Wichtigkeit bekommt, die ebensogut für den Angreifenden stattfindet, so wird durch diese Rücksicht auf die aus den feindlichen Stellungen hervorgehenden möglichen offensiven Einwirkungen ein großer Teil des strategischen Gewebes bestimmt, wie wir das beim Angriff noch einmal berühren werden.

Aber nicht bloß diese allgemeine Einwirkung durch die Wahl der Stellungen, die, wie in der Mechanik der Druck, eine unsichtbare Wirksamkeit hat, sondern auch ein wahres offensives Vorschreiten gegen die feindliche Verbindungslinie mit einem Teil der Streitkräfte ist in dem Bereich einer solchen Verteidigung. Soll es aber mit Vorteil geschehen, so muß doch immer die Lage der Verbindungslinien, die Natur der Gegend oder die Eigentümlichkeiten der Streitkräfte eine nähere Veranlassung dazu geben.

Streifereien in das feindliche Gebiet, welche den Zweck einer Wiedervergeltung oder der Brandschatzung um des Gewinnes willen haben, können eigentlich nicht als Verteidigungsmittel betrachtet werden, sie sind vielmehr wahre Angriffsmittel; sie verbinden sich aber gewöhnlich mit dem Zweck der eigentlichen Diversion; diese aber hat die Schwächung der feindlichen, uns gegenüberstehenden Macht zur Absicht und kann also als ein wahres Verteidigungsmittel betrachtet werden. Da sie aber ebensogut beim Angriff gebraucht werden kann und an und für sich ein wirklicher Angriff ist, so finden wir es angemessener, davon im folgenden Buch umständlicher zu reden. Wir wollen also dieses Mittel hier nur aufzählen, um die Rüstkammer der kleinen Offensivwaffen, welche der Verteidiger eines Kriegstheaters hat, vollständig anzugeben, und nur vorläufig das eine bemerken, daß es an Umfang und Wichtigkeit bis auf den Punkt zunehmen kann, dem ganzen Kriege einen Schein und damit such die Ehre der Offensive zu geben. So sind Friedrichs des Großen Unternehmungen nach Polen, Böhmen, Franken vor Eröffnung des Feldzuges von 1759. Sein Feldzug selbst ist offenbar eine reine Verteidigung, aber diese Ausfälle in das feindliche Gebiet haben ihm einen Charakter von Offensive gegeben, der vielleicht wegen seines moralischen Gewichtes einen besonderen Wert hat.

Der Angriff feindlicher Korps oder des feindlichen Hauptheeres muß als ein notwendiges Komplement der ganzen Verteidigung gedacht werden für alle diese Fälle, wo der Angreifende sich die Sache zu leicht machen will und deshalb auf einzelnen Punkten große Blößen gibt. Unter dieser stillschweigenden Bedingung geschieht das ganze Handeln. Allein auch hier kann der Verteidiger wie bei der Einwirkung auf die Verbindungslinien des Gegners noch einen Schritt weiter in das offensive Gebiet tun und ebensogut wie sein Gegner die Lauer auf einen vorteilhaften Streich zu einem Gegenstande seiner besonderen Industrie machen. Um sich in diesem Felde einigen Erfolg zu versprechen, muß er entweder seinem Gegner an Kräften merklich überlegen sein, welches im allgemeinen gegen die Natur der Verteidigung ist, aber doch vorkommen kann, oder er muß das System und Talent haben, seine Kräfte mehr vereinigt zu halten, und durch Tätigkeit und Bewegung ersetzen, was er dabei auf der anderen Seite preisgeben muß.

Das erstere war im Siebenjährigen Kriege Dauns Fall, das letztere der Fall Friedrichs des Großen. Dauns Offensive sehen wir aber fast immer nur zum Vorschein kommen, wenn Friedrich der Große durch übertriebene Dreistigkeit und Geringschätzung ihn dazu einlud. Hochkirch, Maxen, Landeshut. Dagegen sehen wir Friedrich den Großen fast in beständiger Bewegung, dem einen oder anderen der Daunschen Korps mit seiner Hauptarmee etwas anzuhaben. Es gelingt ihm selten, wenigstens sind die Resultate niemals groß, weil Daun mit seiner großen Überlegenheit eine seltene Vorsicht und Behutsamkeit verband; aber man muß nicht glauben, daß darum des Königs Bestreben ganz ohne Wirkung geblieben wäre. In diesem Bestreben lag vielmehr ein sehr wirksamer Widerstand, denn in der Sorgfalt und Anstrengung, zu welcher sein Gegner gezwungen wurde, um nachteiligen Schlägen auszuweichen, lag die Neutralisierung derjenigen Kraft, welche sonst zum Vorschreiten des Angriffs beigetragen haben würde. Man denke nur an den Feldzug von 1760 in Schlesien, wo Daun und die Russen vor lauter Besorgnis, vom Könige jetzt hier, dann dort angegriffen und überwältigt zu werden, zu keinem Schritt vorwärts gelangen konnten.

Wir glauben nun hiermit alle die Gegenstände durchgegangen zu sein, welche bei der Verteidigung eines Kriegstheaters, wenn keine Entscheidung vorliegt, die herrschenden Ideen, die vorzüglichsten Bestrebungen und also den Anhalt des ganzen Handelns ausmachen werden. Wir haben sie hauptsächlich nur nebeneinander hinstellen wollen, um den Zusammenhang des strategischen Handelns übersehen zu lassen; die einzelnen Maßregeln, mit welchen sie in das Leben treten, Stellungen, Märsche usw. haben wir früher schon näher betrachtet.

Indem wir nun den Blick noch einmal auf das Ganze richten, muß die Bemerkung entstehen, daß bei einem so schwachen Prinzip des Angriffs, bei so geringem Verlagen nach einer Entscheidung von beiden Seiten, bei so schwachen positiven Anregungen, bei so vielen inneren Gegengewichten, welche auf- und zurückhalten, wie wir es uns hier denken, - daß da der wesentliche Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung immer mehr verschwinden muß. Bei Eröffnung des Feldzuges wird freilich der eine in das Kriegstheater des anderen vorrücken und dadurch gewissermaßen die Form des Angriffs annehmen; allein es kann sehr wohl sein und geschieht sehr häufig, daß er bald genug alle seine Kräfte darauf verwendet, auf dem feindlichen Boden das eigene Land zu verteidigen. So stehen denn beide einander gegenüber, im Grunde in gegenseitiger Beobachtung; beide bedacht, nichts zu verlieren, vielleicht auch beide in gleichem Maße bedacht, sich einen positiven Gewinn zu verschaffen. Ja, es kann geschehen, wie bei Friedrich dem Großen, daß der eigentliche Verteidiger darin seinen Gegner sogar überbietet.

Je mehr nun der Angreifende von der Stellung eines Vorschreitenden aufgibt, je weniger der Verteidiger durch ihn bedroht, durch das dringende Bedürfnis der Sicherheit an die strikte Verteidigung hingedrängt wird, um so mehr tritt eine Gleichheit der Verhältnisse ein, bei welcher dann die Tätigkeit beider darauf gerichtet sein wird, dem Gegner einen Vorteil abzugewinnen und sich gegen jeden Nachteil zu schützen, also auf ein wahres strategisches Manövrieren, und diesen Charakter haben denn auch offenbar alle die Feldzüge mehr oder weniger, wo die Verhältnisse oder die politischen Absichten keine große Entscheidung zulassen. Wir haben dem strategischen Manövrieren im folgenden Buche ein eigenes Kapitel gewidmet, allein wir sehen uns genötigt, weil dies gleichgewichtige Spiel der Kräfte in der Theorie häufig eine falsche Wichtigkeit bekommen hat, hier bei der Verteidigung, wo sie ihm vorzugsweise beigelegt wird, in eine nähere Erörterung deshalb einzugehen.

Wir nennen es ein gleichgewichtiges Spiel der Kräfte. Wo keine Bewegung des Ganzen ist, da ist Gleichgewicht; wo kein großer Zweck treibt, da ist keine Bewegung des Ganzen; es sind also in solchem Fall beide Teile, wie ungleich sie auch immer sein mögen, doch als im Gleichgewicht zu betrachten. Aus diesem Gleichgewicht des Ganzen treten nun die einzelnen Motive zu kleineren Handlungen und geringeren Zwecken hervor. Sie können sich hier entwickeln, weil sie nicht mehr unter dem Druck einer großen Entscheidung und einer großen Gefahr stehen. Es wird also, was überhaupt gewonnen und verloren werden kann, in kleinere Spielmarken umgesetzt und die ganze Tätigkeit in kleinere Handlungen zerlegt. Mit diesen kleineren Handlungen um diese geringeren Preise entsteht nun zwischen beiden Feldherren ein Kampf der Geschicklichkeit; aber da dem Zufall und folglich dem Glück im Kriege der Zutritt niemals ganz versagt werden kann, so wird dieser Kampf auch niemals aufhören, ein Spiel zu sein. Indessen entstehen hier zwei andere Fragen, nämlich: ob bei diesem Manövrieren der Zufall nicht einen kleineren und der überlegende Verstand einen größeren Anteil an der Entscheidung haben wird als da, wo alles in einen einzigen großen Akt zusammengedrängt ist. Die letzte dieser Fragen müssen wir bejahen. Je vielgliedriger das Ganze wird, je öfter Zeit und Raum, jene mit einzelnen Momenten, dieser mit einzelnen Punkten, in die Betrachtung kommen, um so größer wird offenbar das Feld das Kalküls, also die Herrschaft des überlegenden Verstandes; was der überlegende Verstand gewinnt, wird dem Zufall zum Teil entzogen, aber nicht notwendig ganz, und darum sind wir nicht genötigt, die erste Frage auch mit Ja zu beantworten. Wir müssen nämlich nicht vergessen, daß der überlegende Verstand nicht die einzige intellektuelle Kraft des Feldherrn ist. Mut, Kraft, Entschlossenheit, Besonnenheit usw. sind die Eigenschaften, die wieder da mehr gelten werden, wo es auf eine einzige große Entscheidung ankommt; sie werden also in einem gleichgewichtigen Spiel der Kräfte etwas weniger gelten, und die vorherrschende Wichtigkeit kluger Berechnung wächst nicht bloß auf Kosten des Zufalls, sondern auch auf Kosten dieser Eigenschaften. Von der anderen Seite können diese glänzenden Eigenschaften im Augenblick einer großen Entscheidung dem Zufall einen großen Teil seiner Herrschaft rauben und also dasjenige gewissermaßen binden, was die berechnende Klugheit in diesem Fall freigeben mußte. Wir sehen also, daß hier ein Konflikt von mehreren Streitkräften ist, und daß man nicht geradezu behaupten kann, es sei in einer großen Entscheidung dem Zufall ein größeres Feld eingeräumt als in dem summarischen Erfolg bei jenem gleichgewichtigen Spiel der Kräfte. - Wenn wir also in diesem Spiel der Kräfte vorzugsweise einen Kampf gegenseitiger Geschicklichkeit sehen, so muß das nur auf die Geschicklichkeit kluger Berechnung bezogen werden und nicht auf die ganze kriegerische Virtuosität.

Diese Seite nun des strategischen Manövrierens hat eben Veranlassung gegeben, dem Ganzen jene falsche Wichtigkeit beizulegen, von der wir oben gesprochen haben. Einmal hat man diese Geschicklichkeit mit dem ganzen intellektuellen Wert des Feldherrn verwechselt; dies ist aber ein großer Fehler, denn es ist, wie schon gesagt, nicht zu verkennen, daß in Augenblicken großer Entscheidungen andere moralische Eigenschaften des Feldherrn über die Gewalt der Umstände herrschen können. Ist diese Herrschaft mehr der Impuls großer Empfindungen und jener Blitze des Geistes, die fast unbewußt entstehen und also nicht an einer langen Gedankenkette fortlaufen, so ist sie ja darum nicht weniger eine echte Bürgerin der Kriegskunst, denn die Kriegskunst ist ja weder ein bloßer Akt des Verstandes, noch sind die Tätigkeiten des Verstandes darin die höchsten. Zweitens hat man geglaubt, daß jede erfolglose Tätigkeit eines Feldzuges von einer solchen Geschicklichkeit des einen oder gar beider Feldherren herrühren müsse, während sie doch ihren allgemeinen und hauptsächlichsten Grand immer in den allgemeinen Verhältnissen hatte, die der Krieg zu diesem Spiel machte.

Da die meisten Kriege zwischen den ausgebildeten Staaten mehr ein gegenseitiges Beobachten als Niederwerfen zum Zweck hatten, so hat natürlich der größte Teil der Feldzüge den Charakter des strategischen Manövrierens an sich tragen müssen. Von diesen hat man diejenigen, die keinen berühmten Feldherrn aufzuweisen hatten, unbeachtet gelassen; wo aber ein großer Feldherr war, der die Augen auf sich zog, oder gar zwei einander gegenüber wie Turenne und Montecuccoli, da hat man dieser ganzen Manövrierkunst durch den Namen dieser Feldherren noch den letzten Stempel der Vortrefflichkeit aufgeprägt. Die weitere Folge ist dann gewesen, daß man dieses Spiel als den Gipfel der Kunst, als die Wirkung ihrer hohen Ausbildung betrachtet hat und folglich auch als Quelle, an der die Kriegskunst vorzugsweise studiert werden müßte.

Diese Ansicht war in der Theorienwelt ziemlich allgemein vor den französischen Revolutionskriegen. Wie diese mit einem Male eine ganz andere Welt von kriegerischen Erscheinungen öffneten, die, anfangs etwas roh und naturalistisch, dann später unter Bonaparte in eine großartige Methode zusammengefaßt, Erfolge hervorbrachte, die das Erstaunen von jung und alt machten, da ließ man von den alten Mustern los und glaubte nun, das sei alles die Folge neuer Entdeckungen, großartiger Ideen usw., aber auch allerdings des veränderten gesellschaftlichen Zustandes. Man glaubte nun, das Alte gar nicht mehr zu brauchen und auch nie wieder zu erleben. Wie aber bei solchen Umwälzungen der Meinungen immer Parteien entstehen, so hat denn auch hier die alte ihre Ritter gefunden, welche die neueren Erscheinungen wie rohe Gewaltstöße betrachten, wie einen allgemeinen Verfall der Kunst, und die den Glauben haben, daß gerade das gleichgewichtige, erfolglose, nichtige Kriegsspiel das Ziel der Ausbildung sein müßte. Dieser letzteren Ansicht liegt ein solcher Mangel an Logik und Philosophie zum Grunde, daß man sie nur eine trostlose Verwirrung der Begriffe nennen kann. Aber auch die entgegengesetzte Meinung, als wenn dergleichen nicht weiter vorkommen würde, ist sehr unüberlegt. Von den neueren Erscheinungen im Gebiet der Kriegskunst ist das allerwenigste neuen Erfindungen oder neuen Ideenrichtungen zuzuschreiben und das meiste den neuen gesellschaftlichen Zuständen und Verhältnissen. Aber auch diese müssen nicht gerade in der Krise eines Gärungsprozesses zur Norm genommen werden, und es ist darum nicht zu bezweifeln, daß ein großer Teil der früheren Kriegsverhältnisse wieder zum Vorschein kommen wird. Es ist hier nicht der Ort, weiter auf diese Dinge einzugehen, sondern es ist uns genug, durch das Verhältnis, welches dieses gleichgewichtige Spiel der Kräfte in der ganzen Kriegführung einnimmt, durch seine Bedeutung und seinen inneren Zusammenhang mit den übrigen Gegenständen gezeigt zu haben, daß es immer das Produkt der gegenseitigen beengten Verhältnisse und des sehr ermäßigten kriegerischen Elementes ist. Es kann in diesem Spiel ein Feldherr sich geschickter zeigen als der andere und daher, wenn er ihm an Kräften gewachsen ist, auch manche Vorteile über ihn gewinnen oder, wenn er schwächer ist, vermöge dieser Überlegenheit des Talentes ihm das Gleichgewicht halten; aber es ist ein starker Widerspruch gegen die Natur der Sache, hier die höchste Ehre und Größe des Feldherrn zu suchen; es ist vielmehr ein solcher Feldzug immer ein untrügliches Zeichen, daß entweder keiner der beiden Feldherren ein großes kriegerisches Talent ist, oder daß der talentvolle durch seine Verhältnisse abgehalten wird, eine große Entscheidung zu wagen; wo aber das der Fall ist, da ist auch nimmermehr das Gebiet des höchsten kriegerischen Ruhmes.

Wir haben hier von dem allgemeinen Charakter des strategischen Manövrierens gesprochen; jetzt müssen wir noch eines besonderen Einflusses gedenken, den es auf die Kriegführung hat, nämlich den, daß es die Streitkräfte häufig von den Hauptstraßen und Orten in entlegene oder wenigstens in bedeutungslose Gegenden führt. Wo kleine, augenblicklich entstehende und wieder verschwindende Interessen die Bestimmungen abgeben, da wird der Einfluß der großen Lineamente des Landes auf die Kriegführung schwächer. Wir finden daher, daß die Streitkräfte sich oft auf Punkte hinschieben, wo man sie nach den großen einfachen Bedürfnissen des Krieges nie suchen sollte, und daß folglich auch der Wechsel und die Veränderlichkeit in den Einzelheiten des kriegerischen Ganges hier noch viel größer sind als in Kriegen mit großer Entscheidung. Man sehe nur, wie in den fünf letzten Feldzügen des Siebenjährigen Krieges trotz der sich immer gleichbleibenden Verhältnisse im großen ein jeder Feldzug sich anders gestaltet und, genau besehen, keine einzige Maßregel zweimal vorkommt, und doch ist in diesen Feldzügen noch ein viel stärkeres Angriffsprinzip von seiten der verbündeten Heere als in den meisten anderen der früheren Kriege.

Wir haben in diesem Kapitel von der Verteidigung eines Kriegstheaters, wenn keine große Entscheidung vorliegt, nur die Bestrebungen gezeigt, welche das Handeln haben wird, den Zusammenhang, das Verhältnis, den Charakter derselben; die einzelnen darin liegenden Maßregeln sind uns schon früher näher bekanntgeworden. Jetzt frägt es sich, ob denn für diese verschiedenen Bestrebungen keine das Ganze umfassende Grundsätze, Regeln und Methoden anzugeben sind. Hierauf antworten wir, daß wenn wir uns an die Geschichte halten, wir durchaus nicht durch stets wiederkehrende Formen daraufgeführt werden, und doch könnte man für ein Ganzes so mannigfaltiger veränderlicher Natur kaum ein anderes theoretisches Gesetz gelten lassen, als was in der Erfahrung seinen Ursprung hätte. Der Krieg mit großen Entscheidungen ist nicht nur viel einfacher, sondern auch viel naturgemäßer, von inneren Widersprüchen freier, objektiver, durch ein Gesetz innerer Notwendigkeit gebundener: darum kann die Vernunft ihm Formen und Gesetze vorschreiben; in diesem Krieg aber scheint uns das sehr viel schwieriger. Selbst die beiden Hauptgrundsätze der erst in unseren Zeiten entstandenen Theorie der großen Kriegführung, die Breite der Basis bei Bülow und die Stellung auf der inneren Linie bei Jomini haben, wenn man sie auf die Verteidigung eines Kriegstheaters anwendet, sich in der Erfahrung nirgends als durchgreifende, wirkungsvolle Grundsätze gezeigt. Sie sollten aber als bloße Formen gerade hier sich am wirksamsten zeigen, weil Formen immer wirksamer werden, immer mehr das Übergewicht über die anderen Faktoren des Produktes bekommen müssen, je mehr die Handlung sich in Zeit und Raum ausdehnt. Nichtsdestoweniger finden wir daß sie nichts sind als einzelne Seiten des Gegenstandes, besonders aber nichts weniger als durchgreifende Vorteile. Daß die Eigentümlichkeit der Mittel und der Verhältnisse schon einen großen, alle allgemeinen Grundsätze durchschneidenden Einfluß haben müsse, ist sehr einleuchtend. Was Daun die Ausdehnung und vorsichtige Wahl der Aufstellung war, das war dem Könige die immer zusammengehaltene, dem Gegner immer dicht auf den Leib rückende, zum Extemporieren stets bereite Hauptmacht. Beides ging nicht nur aus der Natur ihrer Heere, sondern auch aus ihren Verhältnissen hervor; das Extemporieren ist einem Könige viel leichter als jedem unter Verantwortung stehenden Feldherrn. Wir wollen hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß die Kritik kein Recht hat, die verschiedenen Manieren und Methoden, welche entstehen können, als Stufen verschiedener Vollkommenheit zu betrachten und die eine der anderen unterzuordnen, sondern daß sie nebeneinander gehören, und daß in dem einzelnen Fall dem Urteil überlassen werden muß, den Gebrauch zu würdigen.

Diese verschiedenen Manieren, welche aus der Eigentümlichkeit des Heeres, des Landes, der Verhältnisse entstehen können, hier aufzuzählen, kann nicht unsere Absicht sein, wir haben den Einfluß jener Dinge schon früher im allgemeinen angegeben.

Wir bekennen also, daß wir in diesem Kapitel keine Grundsätze, Regeln oder Methoden anzugeben wissen, weil uns die Geschichte nichts dergleichen darbietet und man dagegen fast in jedem einzelnen Moment auf Eigentümlichkeiten stößt, die sehr häufig ganz unverständlich sind, oft sogar durch Wunderlichkeit überraschen. Aber darum ist es nicht unnütz, die Geschichte auch in dieser Beziehung zu studieren. Wo es auch kein System, keinen Wahrheitsapparat gibt, da gibt es doch eine Wahrheit, und diese wird dann meistens nur durch ein geübtes Urteil und den Takt einer langen Erfahrung gefunden. Gibt also die Geschichte hier keine Formeln, so gibt sie doch hier wie überall Übung des Urteils.

Nur einen das Ganze umfassenden Grundsatz wollen wir aufstellen, oder vielmehr wir wollen die natürliche Voraussetzung, unter welcher sich alles hier Gesagte befindet, noch in der Form eines eigenen Grundsatzes erneuern und lebendiger vor Augen stellen.

Alle die hier angegebenen Mittel haben nur einen relativen Wert. Sie befinden sich alle in dem Gerichtsbann einer gewissen Unvermögenheit beider Teile; über dieser Region herrscht ein höheres Gesetz, und da ist eine ganze andere Welt der Erscheinungen. Nie darf der Feldherr das vergessen, nie sich mit eingebildeter Sicherheit in dem engen Kreis als in etwas Absolutem bewegen; nie die Mittel, welche er hier anwendet, für die notwendigen, für die einzigen halten und sie dann auch noch ergreifen, wenn er selbst schon vor ihrer Unzulänglichkeit zittere.

Auf dem Standpunkt, auf welchen wir uns hier gestellt haben, mag ein solcher Irrtum fast als unmöglich erscheinen; aber er ist es in der wirklichen Welt nicht, weil die Dinge da nicht in so scharfen Gegensätzen erscheinen.

Wir müssen nämlich wieder darauf aufmerksam machen, daß wir, um unseren Vorstellungen Klarheit, Bestimmtheit und Kraft zu geben, nur die vollkommenen Gegensätze, also die äußersten jeder Weise zum Gegenstand unserer Betrachtung gemacht haben, daß aber der konkrete Fall des Krieges meist in der Mitte liegt und von diesem äußersten nur in dem Maße beherrscht wird, als er sich ihm nähert.

Es kommt also ganz allgemein darauf an, daß der Feldherr vor allen Dingen bei sich ausmache, ob der Gegner nicht Lust und Vermögen hat, durch eine größere und entscheidendere Maßregel ihn zu überbieten. Sobald er diese Besorgnis hat, muß er die kleinen Maßregeln zur Verhütung kleiner Nachteile aufgeben, und es bleibt ihm dann das Mittel, durch freiwillige Opfer sich in eine bessere Lage zu versetzen und einer größeren Entscheidung gewachsen zu sein. Mit anderen Worten: das erste Erfordernis ist, daß der Feldherr den rechten Maßstab ergreife, wonach er sein Werk einrichten will.

Um diesen Vorstellungen noch durch das wirkliche Leben mehr Bestimmtheit zu geben, wollen wir eine Reihe Fälle flüchtig berühren, wo nach unserer Meinung ein falscher Maßstab gebraucht worden ist, d. h. wo einer der Feldherren seine Maßregeln auf ein viel weniger entscheidendes Handeln seines Gegners berechnet hatte. Wir machen den Anfang mit der Eröffnung des Feldzuges von 1757, wo die Österreicher durch die Stellung ihrer Streitkräfte bewiesen, daß sie auf eine so durchgreifende Offensive Friedrichs des Großen nicht gerechnet hatten; selbst das Verweilen des Korps von Piccolomini an der schlesischen Grenze, während der Herzog Karl von Lothringen in die Gefahr kam, mit seinem Heere die Waffen zu strecken, ist ein solches vollkommenes Mißverstehen der Verhältnisse.

1758 wurden die Franzosen nicht nur vollkommen über die Wirkungen der Konvention von Kloster Zeven getäuscht, welches ein nicht hierher gehöriges Faktum ist, sondern sie irrten sich auch zwei Monate später ganz in der Beurteilung dessen, was ihr Gegner unternehmen könnte, welches ihnen das Land von der Weser bis an den Rhein kostete. Daß Friedrich der Große 1759 bei Maxen und 1760 bei Landeshut seine Gegner ganz falsch beurteilte, indem er ihnen keine so entschiedene Maßregeln zutraute, haben wir schon gesagt.

Einen größeren Irrtum in dem Maßstab aber finden wir kaum in der Geschichte als den von 1792. Man glaubte, mit einer mäßigen Hilfsmacht einem Bürgerkrieg den Ausschlag zu geben, und wälzte sich die ungeheure Last durch politischen Fanatismus aus seinen Angeln gehobenen französischen Volkes auf den Leib. Wir nennen diesen Irrtum nur groß, weil er sich hinterher so gezeigt hat, nicht weil er leicht zu vermeiden gewesen wäre. In der Kriegführung selbst ist nicht zu verkennen, daß man den hauptsächlichsten Grund zu allen folgenden unglücklichen Jahren in dem Feldzug von 1794 gelegt hat. Es ist von seiten der Verbündeten nicht nur in diesem Feldzuge selbst die kräftige Natur des feindlichen Angriffs ganz verkannt worden, indem man ihm ein kleinliches System von ausgedehnten Stellungen und strategischen Manövern entgegensetzte, sondern man hat auch in den politischen Uneinigkeiten zwischen Preußen und Österreich und in dem törichten Aufgeben Belgiens und der Niederlande gesehen, wie wenig die Kabinette eine Ahnung hatten von der Gewalt des einbrechenden Stromes. Im Jahr 1796 beweisen die einzelnen Widerstandsakte von Montenotte, Lodi usw. hinreichend, wie wenig die Österreicher verstanden, worauf es gegen diesen Bonaparte ankomme.

Im Jahr 1800 war es nicht die unmittelbare Wirkung des Überfalles, sondern die falsche Ansicht, welche Melas von den möglichen Folgen dieses Überfalles hatte, wodurch seine Katastrophe herbeigeführt wurde.

Ulm im Jahre 1805 war der letzte Knoten eines losen Gewebes gelehrter, aber äußerst schwacher strategischer Beziehungen, gut genug, einen Daun oder Lacy darin festzuhalten, aber nicht einen Bonaparte und Revolutionskaiser.

Bei den Preußen 1806 war die Unentschlossenheit und Verwirrung eine Folge, daß veraltete, kleinliche, unbrauchbare Ansichten und Maßregeln sich mit einigen hellen Blicken und einem richtigen Gefühl von der großen Bedeutung des Augenblicks vermischten. Wie hätte man bei einem klaren Bewußtsein und einer vollkommenen Würdigung seiner Lage 30000 Mann in Preußen lassen und daran denken können, in Westfalen ein besonderes Kriegstheater zu errichten, durch kleine Offensiven wie die, wozu das Rüchelsche und das Weimarsche Korps bestimmt waren, irgendeinen Erfolg zu gewinnen, und wie hätte in den letzten Augenblicken der Beratung noch von Gefahr der Magazine, Verlust dieses oder jenes Landstriches die Rede sein können!

Selbst 1812, in diesem großartigsten aller Feldzüge, fehlte es anfangs nicht an falschen, von einem unrichtigen Maßstab herrührenden Bestrebungen. Im Hauptquartier zu Wilna war eine Partei angesehener Männer, welche auf eine Schlacht an der Grenze bestanden, damit man Rußlands Boden nicht ungestraft betreten konnte. Daß man diese Schlacht an der Grenze verlieren könne, ja verlieren werde, sagten sich diese Männer wohl; denn obgleich sie nicht wußten, daß 300000 Franzosen auf 80000 Russen kommen würden, so wußten sie doch, daß eine bedeutende Überlegenheit des Feindes vorausgesetzt werden müßte. Der Hauptirrtum bestand in dem Wert, welchen sie dieser Schlacht beilegten; sie glaubten, es sei eine verlorene Schlacht wie jede andere, während doch fast mit Sicherheit behauptet werden kann, daß diese Hauptentscheidung an der Grenze eine ganz andere Reihe von Erscheinungen hervorgebracht haben würde. Selbst das Lager von Drissa war eine Maßregel, welcher noch ein ganz falscher Maßstab in Bezug auf den Gegner zum Grunde lag. Hätte man darin verweilen wollen, so mußte man sich von allen Seiten abschneiden und völlig isolieren lassen, und es fehlte dann dem französischen Heer nicht an Mitteln, das russische zum Niederlegen der Waffen zu zwingen. An ein solches Maß der Kraft und des Willens hatte der Erfinder dieses Lagers nicht gedacht.

Aber auch Bonaparte hat zuweilen einen falschen Maßstab gebraucht. Nach dem Waffenstillstand 1813 hat er geglaubt, die untergeordneten Heere der Verbündeten, Blüchern und den Kronprinzen von Schweden, durch Korps zu beschwichtigen, die zwar zu einem wirklichen Widerstand nicht hinreichten, aber doch der Behutsamkeit hinreichende Veranlassung sein konnten, nichts zu wagen, wie man das in den früheren Kriegen so häufig gesehen hatte. Er dachte nicht genug an die Reaktion eines tiefgewurzelten Hasses und dringender Gefahr, die in Blücher und Bülow wirkten.

Überhaupt hat er den Unternehmungsgeist des alten Blücher nirgends hoch genug angeschlagen. Bei Leipzig brachte dieser ihn allein um den Sieg; bei Laon hätte Blücher ihn zugrunde richten können, und daß es nicht geschah, lag in Umständen, die ganz außer dem Kalkül Bonapartes waren; bei Belle-Alliance endlich erreichte ihn die Strafe dieses Fehlers wie ein vernichtender Blitzstrahl.

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