Giordano Bruno über Phantasie

  • Wenn es nicht wahr ist, ist es doch gut erfunden.

    Se non è vero, e molto ben trovato.

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Giordano Bruno

italienischer Philosoph

* 1548 Neapel (Italien)
† 17.11.1600 Rom (Italien)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Der große Denker, Philosoph und Priester Giordano Bruno lebte und wirkte Mitte des 16. Jahrhunderts in Rom und wurde von der Inquisition als Ketzer der Magie für schuldig befunden. Bruno postulierte nicht nur die Unendlichkeit des Weltraums, sondern vertrat unter anderem auch pantheistische Thesen, die keinen Raum für ein Jenseits ließen. Als Philosoph setzte er sich mit vielen Fragen auseinander, so auch mit der Wahrheit.

Nun mutet uns sein Zitat angesichts einer neuen der Flut von gezielten Falschmeldungen so zeitgemäß an, dass man um die Frage nicht herum kommt, was es damit auf sich hat. Unter dem anglizistischen Schlagwort der "Fake News" sind mittlerweile Dimensionen von Irritationen entstanden, die bis zu einem global-politischen Einfluss führen und ganz neue Formen von Gefahren heraufbeschwören. Aktuelles Beispiel sind gewisse Behauptungen im Zusammenhang mit dem amerikanischen Wahlkampf um die Präsidentschaft von Clinton und Trump.

Als Wahrheit behauptet und dennoch als nur eine bloße Erfindung geistern massenhaft "Nachrichten" vor allem durch die "sozialen Medien" wie Twitter und Facebook, die bewusst, gewollt und gezielt nur eines im Ziel haben: Verunsicherung, Meinungsmanipulation, Willensveränderung, Irritation, politisches Umschwenken oder Angsterzeugung zum Zwecke gewisser Machtverschiebungen.

Besondere Konzentrationen jener meist jungen Menschen, die Fake News veröffentlichen, haben sich in dem kleinen Städtchen Veles in Mazedonien herauskristallisiert. Hier wird "erfunden" – oder auch gelogen - was das Zeugs hält. Die jungen Leute, die dahinter stecken, haben dabei meist aber nicht einmal eine bestimmte politische Absicht, sondern verdienen schlicht und einfach sehr viel Geld in sehr kurzer Zeit damit. Angesichts von hoher Arbeitslosigkeit und ohne Aussicht auf normale Jobs eine verführerische Sache, die noch häufig Schule machen kann. Damit bedienen sie allerdings politische Weichenstellungen in bestimmte Richtungen, die der einen Seite nützen, während sie die Gegenseite schädigen.

Auch zu Brunos Zeiten im 16. Jahrhundert waren Falschmeldungen und Erfindungen vor allem im Zusammenhang der europaweit wütenden Inquisition schon ein beliebtes Mittel der Einflussnahme, die nicht wenigen Menschen letztlich den Tod brachten. Auch Giordano Bruno selbst litt unter den Lügen, die Menschen gegen ihn vorbrachten, bevor er auf dem Scheiterhaufen sein Leben verlor.

Fake News heute und in uralten Zeiten

Fake News oder eben auch Falschmeldungen sind also kein neues Phänomen. Neu ist nur der Faktor Zeit in diesem Zusammenhang, der quasi wegfällt. In Sekunden ist jede wahre, wie aber auch gelogene oder erfundene Nachricht weltweit verbreitet. Und das macht die Sache besonders gefährlich. Denn der Einflusskreis ist quasi unbegrenzt und so blitzschnell, dass an ein Stoppen nicht einmal zu denken ist.

Und auch ein eventuelles Nachkorrigieren braucht Zeit. Denn bis die Richtigkeit oder Falschheit einer Meldung seriös recherchiert und auch nachgewiesen ist, vergeht jene entscheidend wichtige Zeit, wo eine unter Umständen weltweite millionenfache Verbreitung noch verhindert werden könnte. Der Zeitfaktor steht den Wächtern der Wahrheit nicht einmal mehr zur Verfügung.

Doch wer wacht denn wie über die Wahrheit? Auch dieses Problem ist noch völlig ungelöst, weil man sich gegenseitig kaum noch traut. Wer kann schon immer den Gegenbeweis gegen eine Behauptung innerhalb von 24 Stunden erbringen? Und je nachdem, wie raffiniert eine Meldung aufgebaut ist, gibt es nicht einmal eine rechtliche Grundlage, sie zu verbieten.

Denn mitnichten arbeiten Fake News nur mit Fakten, sondern vor allem gern auch mit dem Schüren von Emotionen, die mit der Angst spielen. Der ängstliche Mensch ist besonders empfänglich und empfindlich, wenn ihm bestimmte Dinge zu Gehör kommen. Dinge, die vielleicht vollständig erfunden wurden oder welche, die zwar durchaus noch Spurenelemente von Wahrheit erhalten, welche jedoch so verstellt oder "neu erfunden" wurden, dass beim Lesen eine Verzerrung der Wahrheit unausweichlich wird.

Das führt selbstverständlich zu einer anderen, neuen Einschätzung der Wirklichkeit, obschon es sich nicht einmal um dieselbe handelt. Gleichzeitig leben wir in Zeiten, wo die politische Gemengelage global und oft sogar auch lokal so kompliziert geworden ist, dass die Feindbilder gar nicht mehr wirklich zu durchschauen sind. Das macht für den Durchschnittsmenschen selbst bei guter Recherche, die uns allen immer wieder anempfohlen wird, eine nüchterne, wirklichkeitsgemäße Einschätzung der tatsächlichen Lage oft völlig unmöglich. Differenzierungen bleiben oft aus. Allzu schnell werden Menschen in ein Meinungslager gesteckt, wo sie niemals hineingehören. Auch offene Äußerungen gegen dieses oder jenes ist selbst in Demokratien gefährlich geworden. Hass und Wut sind überall zu spüren und können gefährliche Formen annehmen.

Selbstkritische Hinterfragung ist angesagt

Weiß man dazu noch, dass aber auch die "offizielle Presse" zwar keine Lügenpresse ist, aber dennoch die einen eher als "rechts" und andere eher als "links" einzuordnen sind und diese beide eine scheinbare Neutralität auch mehr nur behaupten als sie zu leben, wird die Sache noch komplizierter. Denn hinter großen Teilen der Presse stehen ja auch wieder Geldgeber, Financiers, die auch wieder bestimmte Ziele mit ihrer Medienpolitik verfolgen.

Und natürlich gibt es die sorgfältigen Journalisten, die sich nichts und niemandem als nur der Wahrheit und der Wirklichkeit verpflichtet fühlen und nichts "erfinden" wollen und werden – aber sie immer auch gleich zu orten, ist schwieriger denn je geworden. Dazu kommen die endlosen politischen Themen-Talkshows, die uns informieren wollen und sollen. Dort finden sich dann viele Experten in der Sache selbst ein – welcher auch immer –, die so voller widerstreitender starker Argumente gegeneinander sind, dass auch hier die eigene Geisteskraft und Klarheit aufs Höchste herausgefordert wird.

Wem traut man zu, die Dinge denn "richtig" zu sehen? Wer von den selbsternannten oder auch ausgewiesenen Experten ist eben noch besser als der andere in Sachen Beurteilungskompetenz? Und neigen wir selbst nicht hin und wieder auch dazu, dasjenige für gültiger oder klüger zu halten, dass uns persönlich selbst als "angenehmer" erscheint … zum Beispiel wenn es um Steuererhöhungen geht oder Abbau von sozialen Leistungen? Wie steht es mit unserer eigenen Bereitschaft, Falschmeldungen von Echtmeldungen gern zu unterscheiden, wenn uns das eine oder andere negativ betrifft? Da schlägt so manches Herz gern auch in die falsche Richtung, weil sie die erträglichere zu sein scheint – aber nicht etwa, weil sie auch die vernünftigere oder wahrhaftigere ist.

Was zu Brunos Zeiten dem Wüten der "Heiligen" Inquisition ins Sündenregister zu schreiben ist, ist heute ein globales Problem geworden, das mittlerweile sogar Großmächte gegeneinander aufbringt. Was bleibt ist die Hoffnung, dass ein Einsehen in diese gefährliche Umtriebigkeit der einen für schnelles Geld, der anderen für die Erlangung der Macht letztlich nur in ein kollektives Chaos münden kann, wenn uns die freiwillige Selbstverpflichtung zur Wahrheit nicht gelingt.

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