Sprichwort über Flucht
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Dem fliehenden Feind baue goldene Brücken!
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Dem fliehenden Feind baue goldene Brücken!« klingt auf den ersten Blick paradox: Warum sollte man einem Gegner, der sich bereits geschlagen gibt und flieht, auch noch helfen? Warum sollte man ihm sogar »goldene Brücken« bauen, also den Rückzug ehrenvoll und leicht gestalten? Doch genau darin liegt die tiefe Weisheit dieses Satzes: Wahre Größe zeigt sich nicht im Nachtreten, sondern im klugen Umgang mit Macht und Konflikt.
Das Sprichwort stammt ursprünglich aus der Kriegskunst und bedeutet: Wenn ein Feind sich zurückzieht, dann dränge ihn nicht in die Enge. Gib ihm die Möglichkeit, geordnet abzuziehen, um unnötige Verluste und verbissene Gegenwehr zu vermeiden. Wer seinem Gegner keine Möglichkeit zur Flucht lässt, zwingt ihn, sich mit aller Gewalt zu wehren, selbst wenn er bereits unterlegen ist. In der Geschichte sind viele Schlachten verloren worden, weil man einem besiegten Feind keine ehrenvolle Aufgabe zugestanden hat.
Übertragen auf das alltägliche Leben hat dieses Sprichwort bis heute Gültigkeit. Im Streit, im Wettbewerb oder bei Konflikten aller Art kann es klüger sein, einem Kontrahenten einen würdevollen Ausweg zu lassen, als ihn vollständig bloßzustellen oder zu vernichten. Wer seinem Gegner die Chance gibt, das Gesicht zu wahren, wahrt nicht nur dessen Würde, sondern auch die eigene. Denn Rache, Spott oder Nachhaken führen selten zu dauerhaften Lösungen. Vielmehr schaffen sie neue Feindschaften und verschärfen bestehende Konflikte.
In zwischenmenschlichen Beziehungen wirkt das Sprichwort wie ein Appell zur Größe. Wer vergibt, statt nachzutreten, wer in einem Streit dem anderen einen Rückzugsweg offen lässt, der handelt nicht schwach, sondern weise. Manchmal ist es besser, eine Tür offen zu lassen, selbst wenn man im Recht ist, weil es dem Frieden dient und vielleicht künftige Zusammenarbeit ermöglicht.