Sprichwort über Not
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Not lehrt Künste.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Not lehrt Künste« bringt eine tiefe Wahrheit über die menschliche Kreativität und Anpassungsfähigkeit zum Ausdruck: In schwierigen Lebenslagen, wenn Mangel, Druck oder Not herrschen, entwickeln Menschen erstaunliche Fähigkeiten, auf die sie unter normalen Umständen vielleicht nie gekommen wären. Der Satz beschreibt also die produktive Seite der Not – nicht nur als Quelle von Leid, sondern auch als Motor für Einfallsreichtum, Erfindung und schöpferische Kraft.
Historisch gesehen wurde in Zeiten der Not oft am meisten erfunden, improvisiert und optimiert. Ob in Kriegs- oder Nachkriegszeiten, bei wirtschaftlichem Zusammenbruch oder persönlichem Elend: Menschen fanden Wege, sich zu helfen. Not macht erfinderisch – das zeigt sich in selbstgebauten Geräten, alternativen Lebensweisen, neuen Organisationsformen und künstlerischem Ausdruck. Wer nichts hat, muss aus dem Wenigen etwas machen. Und genau hier beginnt das »Künstlerische« im weitesten Sinne.
Das Wort »Kunst« meint in diesem Zusammenhang nicht nur Malerei oder Musik, sondern ganz allgemein jede Fähigkeit, etwas mit Geschick, Fantasie und Geschicklichkeit zu lösen oder zu gestalten. Not zwingt dazu, über den Tellerrand hinauszublicken, alte Muster zu verlassen und neue Wege zu gehen. Der Mensch entdeckt in der Bedrängnis oft seine schöpferische Seite – sei es in Form von Überlebensstrategien oder durch kreative Ausdrucksformen wie Literatur, Musik, Theater oder Handwerk.
Zugleich enthält das Sprichwort eine leise Kritik an Überfluss und Bequemlichkeit. Wer nie gezwungen ist, sich mit widrigen Umständen auseinanderzusetzen, der hat womöglich weniger Antrieb, kreative Lösungen zu finden. Luxus stumpft mitunter den Erfindergeist ab, während Not ihn schärft. In diesem Sinne ist das Sprichwort auch ein Lob auf die Kraft, die aus dem Mangel entstehen kann – auf das schöpferische Potenzial, das oft erst durch äußeren Druck freigesetzt wird.
Allerdings darf man diese Sichtweise nicht romantisieren. Not bleibt Not – sie ist kein Idealzustand. Sie bringt Leid, Angst und Entbehrung mit sich. Dass sie Künste lehrt, ist letztlich ein Zeugnis für die Widerstandskraft des Menschen. Der wahre Wert liegt in der Fähigkeit, trotz widriger Umstände schöpferisch zu handeln – und darin, dass diese Kraft auch in besseren Zeiten erhalten bleiben kann. Denn die Not zwingt uns nicht nur zum Handeln – sie bringt oft auch das Beste unserer schöpferischen Fähigkeiten ans Licht.