Sprichwort über Weinen
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Jammer lernt weinen.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Jammer lernt weinen« bringt in knapper Form eine tiefe menschliche Erfahrung zum Ausdruck: Wer viel Leid, Kummer oder Enttäuschung erlebt, entwickelt mit der Zeit eine besonders ausgeprägte Fähigkeit, Schmerz zu empfinden und auch zu zeigen. Der Jammer – also das Leid oder das Elend – »lehrt« den Menschen das Weinen. Gemeint ist damit nicht nur das physische Weinen als Ausdruck von Tränen, sondern vor allem das seelische Erleben von Traurigkeit und seelischem Schmerz.
Im Zentrum des Sprichworts steht die Vorstellung, dass starkes oder lang anhaltendes Leid eine Wirkung auf das innere Erleben hat. Wer in seinem Leben häufig mit schwierigen Situationen konfrontiert war, wird emotional oft empfindsamer. Das Weinen steht hier symbolisch für diese gesteigerte Sensibilität, für ein Herz, das durch die Erfahrung von Leid weicher, verletzlicher – aber vielleicht auch mitfühlender geworden ist. In diesem Sinn besitzt das Sprichwort auch eine leise Würde: Es beschreibt den Menschen, der durch Leid nicht verhärtet, sondern auch im Fühlen lernfähig bleibt.
Gleichzeitig kann »Jammer lernt weinen« auch kritisch oder warnend gemeint sein. Wenn der Mensch sich zu lange in seinem Leid verliert, wird das Weinen zur Gewohnheit – fast zu einer Reaktion, die keinen Ausweg mehr sucht, sondern im Jammer verharrt. In dieser Lesart könnte das Sprichwort auch als Hinweis auf eine gewisse Gefahr verstanden werden: Wer sich zu sehr mit seinem Schmerz identifiziert, verliert die Kraft, ihn zu überwinden. Das Weinen wirkt dann nicht mehr befreiend, sondern lähmend.
In der heutigen Zeit, in der psychische Gesundheit mehr Raum in der öffentlichen Diskussion findet, erhält dieses Sprichwort neue Bedeutung. Es erinnert daran, dass Emotionen Ausdruck tiefgreifender Erfahrungen sind und dass Weinen kein Zeichen von Schwäche ist, sondern ein oft notwendiger Teil des Heilungsprozesses. Gleichzeitig betont es aber auch die Bedeutung von Resilienz: Leid muss nicht verstummen, aber es darf auch nicht alles beherrschen.