Sprichwort über Zeit
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Die Zeit ist unstet wie ein Rohr,
Wer ihr vertraut, der ist ein Tor.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Die Zeit ist unstet wie ein Rohr, wer ihr vertraut, der ist ein Tor« gehört zu den nachdenklich-mahnenden Volksweisheiten, die menschliches Verhalten und Lebenshaltung kritisch beleuchten. Es vermittelt in poetischer Sprache eine tiefe Skepsis gegenüber der Verlässlichkeit der Zeit und warnt vor einer naiven Haltung gegenüber dem Lauf der Dinge. Der Vergleich der Zeit mit einem »Rohr«, das sich im Wind biegt, bringt bildhaft zum Ausdruck, wie wenig beständig, wie wechselhaft und unberechenbar das Leben sein kann.
Zunächst richtet sich das Sprichwort gegen blinden Optimismus und sorglose Zukunftsplanung. Wer glaubt, die Zeit werde schon alles richten, oder wer meint, das Morgen werde so verlaufen wie das Heute, unterschätzt die Eigenwilligkeit und Flüchtigkeit des Lebens. Die Zeit kennt keine Konstanz. Sie ist wie ein Schilfrohr im Wind: biegsam, flatterhaft, unbeständig. Heute trägt sie Glück, morgen Unglück; heute Erfolg, morgen Scheitern. Wer sich also vollends auf sie verlässt, auf »später«, auf »bald«, auf „irgendwann“, macht sich selbst zum Tor, also zum Narren. Denn er gibt Kontrolle und Verantwortung aus der Hand und überlässt sich einer Kraft, die keiner beherrschen kann.
Im Kern steckt in diesem Sprichwort eine Mahnung zur Eigenverantwortung und Achtsamkeit. Wer klug ist, setzt nicht alles auf die Hoffnung, dass die Zeit für ihn arbeiten wird. Er weiß, dass Zeit ein Rahmen ist, kein Garant. Die Zukunft ist nicht sicher, nur weil sie vor uns liegt. Was wirklich zählt, ist das bewusste Handeln in der Gegenwart, denn die Zeit lässt sich nicht lenken oder berechnen. Sie ist, wie sie ist: launisch, wechselhaft, unstet.
Zugleich enthält die Redewendung eine gewisse Lebenserfahrung, ja vielleicht sogar einen Anflug von Resignation. Sie spiegelt das Wissen älterer Generationen wider, dass nichts im Leben garantiert ist, weder Wohlstand noch Gesundheit, weder Liebe noch Erfolg. Wer seine Hoffnungen zu sehr auf ein »besseres Morgen« setzt, gibt sich Illusionen hin. Wer hingegen erkennt, dass nichts von Dauer ist, kann lernen, das Jetzt wertzuschätzen und klüger mit den eigenen Erwartungen umzugehen.
Wer weise ist, handelt im Hier und Jetzt, gestaltet aktiv, statt nur zu hoffen. Denn die Zeit ist ein Feld des Wandels – und wer ihr zu sehr vertraut, wird von ihr enttäuscht.