Sprichwort über Zeit
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Es ist nicht mehr die Zeit, da man Esel suchte und Kronen fand.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Es ist nicht mehr die Zeit, da man Esel suchte und Kronen fand« drückt auf bildhafte Weise eine kritische Einschätzung des gesellschaftlichen Wandels aus. Es verweist auf eine vergangene Zeit, in der das Unerwartete möglich schien – etwa, dass man etwas Niedriges oder Banales suchte (den Esel) und dabei auf etwas Großes oder Bedeutendes stieß (die Krone). Es war eine Zeit der Überraschungen, der Wendungen, der Märchen und Möglichkeiten. Doch nun, so klagt das Sprichwort, sei diese Zeit vorbei.
Zunächst spielt die Redewendung mit einem starken Kontrast: Der Esel steht traditionell für das Einfache, das Lasttier, das wenig Geachtete. Die Krone hingegen symbolisiert Macht, Würde und Glanz. Dass jemand auf der Suche nach dem einen das andere fand, verweist auf das Unerwartete, das Glück, das aus bescheidenen Umständen erwachsen konnte. Es erzählt von einer Zeit, in der das Schicksal mitunter großzügig, ja märchenhaft war: man fand mehr, als man suchte.
Doch mit dem Satz »Es ist nicht mehr die Zeit« schwingt eine gewisse Bitterkeit oder Ernüchterung mit. Die Welt habe sich verändert. Die Zeiten der Wunder und Überraschungen seien vorbei. Man findet heute nur noch das, was man gesucht hat, und vielleicht nicht einmal das. Es ist ein Ausdruck von Pragmatismus, vielleicht auch von Pessimismus. Die Welt ist nüchterner geworden, weniger magisch, weniger großzügig.
Diese Sichtweise lässt sich historisch, politisch, aber auch ganz persönlich deuten. In der Vergangenheit, so scheint es, war der Aufstieg einfacher Menschen noch möglich, sei es durch Glück, Tugend oder Schicksal. Heute hingegen, so die implizite Aussage, herrschen andere Regeln: Berechnung, Statusdenken, materielle Bedingungen. Es wird schwieriger, über sich hinauszuwachsen, Überraschendes zu erleben oder mehr zu bekommen, als man sich vorstellen konnte.
Zugleich lässt sich das Sprichwort auch als Warnung vor naiver Hoffnung lesen. Wer in der Gegenwart noch immer auf märchenhafte Wendungen hofft, könnte enttäuscht werden. Es fordert dazu auf, realistisch zu sein, nicht auf Zufälle oder Wunder zu setzen, sondern auf Planung, Fleiß und Verstand.