Sprichwort über Zeit
- 
									Zeit darf man nicht nehmen, Gott gibt sie umsonst. 
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Zeit darf man nicht nehmen, Gott gibt sie umsonst« lädt zu einer nachdenklichen Auseinandersetzung mit dem Wesen der Zeit und unserem Umgang mit ihr ein. In einer Welt, in der Zeit oft als kostbare Ressource gilt , ja, gar als Ware, die »genommen»,»verbraucht« oder »optimiert« wird, stellt dieses Sprichwort einen radikalen Gegenentwurf dar. Es erinnert uns daran, dass Zeit im eigentlichen Sinn kein Eigentum des Menschen, sondern ein Geschenk ist. Ein freies, gnadenvolles Gut, das jedem zuteilwird.
Die Aussage »man darf Zeit nicht nehmen« richtet sich gegen den besitzergreifenden und kontrollierenden Umgang mit der Zeit. Wer sie »nimmt«, erhebt einen Anspruch, will sie beherrschen oder gar besitzen. Doch Zeit lässt sich weder festhalten noch vermehren, sie ist flüchtig, stetig, unbeeinflussbar. In diesem Sinne ist der Versuch, Zeit zu »nehmen«, eine Illusion menschlicher Machtträume. Das Sprichwort mahnt daher zur Demut: Wir sind Gäste der Zeit, nicht ihre Herren.
Die zweite Hälfte des Sprichworts, »Gott gibt sie umsonst«, bringt eine spirituelle und zugleich tröstliche Dimension ins Spiel. Sie deutet die Zeit als göttliches Geschenk, das ohne Bedingungen, ohne Preis und ohne Vorleistung gegeben wird. Jeder Mensch, ob arm oder reich, mächtig oder ohnmächtig, erhält pro Tag dieselben 24 Stunden. Dieses Gleichmaß erinnert an eine tiefe Gerechtigkeit: In der Zeit zeigt sich ein Stück universaler Gnade.
Zugleich stellt das Sprichwort eine Frage an unser Werteverständnis: Wenn Zeit wirklich ein Geschenk ist, wie gehen wir dann damit um? Wer sie nur »nimmt«, denkt vielleicht nur an Effizienz, Leistung, Selbstverwirklichung. Wer sie als Gabe versteht, wird sie mit Dankbarkeit und Achtsamkeit nutzen und sie auch mit anderen teilen. Zeit zu schenken für ein Gespräch, eine Hilfeleistung oder ein Lächeln, ist in diesem Licht eine Form der Nächstenliebe.
Nicht zuletzt übt das Sprichwort Kritik an einem Zeitverständnis, das alles messen, planen und nutzen will. Es ruft uns zurück zu einer existentiellen Haltung: die Zeit nicht zu verplanen, sondern zu empfangen. Nicht sie zu zwingen, sondern sich mit ihr in Einklang zu bringen. Wer Zeit als Geschenk versteht, lebt bewusster und gelassener – und vielleicht auch erfüllter.