Sprichwort über Zeit

  • Zeit gedenkt und vergisst aller Dinge.

Gedanken zum Zitat

Das Sprichwort »Zeit gedenkt und vergisst aller Dinge« spiegelt die zwiespältige Natur der Zeit wider, denn sie ist zugleich Gedächtnis und Vergessen, Bewahrerin und Zerstörerin. Es bringt eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck: Nichts entzieht sich dem Einfluss der Zeit. Sie trägt alles mit sich, Erinnerungen und Taten, Menschen sowie Ereignisse, und entscheidet über ihre Dauer, ihre Bedeutung und letztlich ihr Fortbestehen im kollektiven oder individuellen Gedächtnis.

Der erste Teil, »Zeit gedenkt aller Dinge«, weist darauf hin, dass nichts wirklich spurlos vergeht. Die Zeit speichert, formt Geschichte, verleiht Bedeutung. Ereignisse, die heute unbemerkt erscheinen, können rückblickend zu Wendepunkten werden. So gesehen ist die Zeit Zeugin aller Geschehnisse. Sie hebt auf, was wichtig war, sie lässt Erfahrungen reifen, sie offenbart Zusammenhänge, die uns im Moment verborgen bleiben. In diesem Sinne ist Zeit ein Gedächtnisraum, in dem die Vergangenheit erhalten bleibt, sei es durch Erinnerung, durch Geschichten, durch Dokumente oder Tradition.

Doch ebenso ist sie Vergessen. »Zeit vergisst aller Dinge« bedeutet: Mit der Zeit verlieren selbst bedeutsame Dinge an Gewicht. Erinnerungen verblassen, Emotionen kühlen ab, Menschen geraten in Vergessenheit. Auch große Errungenschaften und tiefe Schmerzen werden über kurz oder lang vom Strom der Zeit fortgetragen. Diese Vergänglichkeit ist schmerzhaft, aber auch heilsam. Sie hilft, Wunden zu schließen, Versöhnung zu finden, loszulassen.

Das Sprichwort macht auf diese Doppelfunktion der Zeit aufmerksam: Ihre Kraft, festzuhalten und zugleich zu tilgen. Was heute aufwühlt, kann morgen kaum noch eine Rolle spielen. Was in Vergessenheit gerät, kann durch Erinnerung wieder lebendig werden. Darin liegt sowohl eine Warnung als auch ein Trost: Nichts bleibt wie es ist.

Für den Menschen bedeutet dies, dass er sich der Zeit weder blind hingeben noch gegen sie stemmen kann. Vielmehr sollte man bewusst mit ihr umgehen: Erinnern, was erinnert werden muss, und vergessen, was den Geist belastet. Denn der wahre Umgang mit der Zeit besteht nicht im Festhalten, sondern im Loslassen und Mitgehen. Wer das versteht, lernt, mit dem Strom der Zeit zu leben, anstatt gegen ihn zu kämpfen.

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