Sprichwort über Zeit
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Zeit bringt Getreid (nicht der Acker).
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Zeit bringt Getreid, nicht der Acker« klingt zunächst widersprüchlich, da wir aus der Landwirtschaft wissen: ohne Acker kein Getreide. Doch genau in diesem scheinbaren Widerspruch liegt die tiefere Bedeutung des Sprichworts. Es geht nicht um die bloße Existenz des Ackers, also der bloßen Möglichkeit, sondern um das Wirksamwerden der Zeit in Verbindung mit menschlichem Handeln. Der Acker allein bringt nichts hervor. Erst die Zeit, in Kombination mit Arbeit, Saat und Pflege, führt zum Ertrag.
Im übertragenen Sinn richtet sich das Sprichwort gegen passive Hoffnung: Wer glaubt, bloße Voraussetzungen würden reichen, ein Acker, ein Talent, ein günstiger Umstand, irrt. Allein durch das Vorhandensein günstiger Bedingungen entsteht noch kein Erfolg. Es ist die Zeit, die Veränderung und Reifung bewirkt, aber nur, wenn auch die nötige Vorarbeit geleistet wurde. Man muss säen, pflegen, Geduld haben. Der Acker bleibt unfruchtbar, wenn niemand ihn bestellt.
Das Sprichwort enthält also eine leise Kritik an Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit. Es reicht nicht, gute Vorausetzungen wie Bildung, ein stabiles Umfeld oder Ressourcen zu haben. Diese sind vergleichbar mit dem Acker. Doch ohne Geduld, Zeit und vor allem aktives Tun entsteht kein »Getreid«, kein Reifungsprozess, kein Ergebnis, kein Erfolg.
Außerdem mahnt das Sprichwort zu realistischem Zeitempfinden: Erfolg braucht Zeit. Wer nur den Acker anschaut und sofortige Ernte erwartet, wird enttäuscht. Wer jedoch dem Prozess vertraut und bereit ist, geduldig zu warten, wird am Ende belohnt – wenn die Bedingungen richtig genutzt werden. Interessant ist auch die Umkehrung des Sprichworts. Würde man sagen: »Der Acker bringt Getreide, nicht die Zeit«, verlöre man das Bewusstsein dafür, dass alles Werden ein Prozess ist. Der Acker ist statisch, Zeit aber ist das Medium, das Veränderung ermöglicht. Damit rückt das Sprichwort die Zeit als eigentlichen Träger der Fruchtbarkeit in den Mittelpunkt. Nicht das Potenzial zählt, sondern die Entfaltung dieses Potenzials im Lauf der Zeit.Das Sprichwort »Zeit bringt Getreid, nicht der Acker« ist eine kluge Lebenslehre und ein Aufruf zu Verantwortungsbewusstsein, Geduld und aktiver Gestaltung.