Sprichwort über Zunge

  • Lieber mit den Füßen gestrauchelt als mit der Zunge.

Gedanken zum Zitat

Das Sprichwort »Lieber mit den Füßen gestrauchelt als mit der Zunge« bringt eine klare Wertung zum Ausdruck: Körperliche Fehltritte sind leichter zu verzeihen oder zu korrigieren als sprachliche. Ein Stolpern mit den Füßen mag peinlich oder kurzzeitig unangenehm sein, doch ein Fehltritt mit der Zunge, also ein unbedachtes, verletzendes oder unpassendes Wort, tiefgreifende, langanhaltende Folgen haben. Dieses Sprichwort betont damit die große Macht und Verantwortung, die mit dem menschlichen Sprachvermögen verbunden ist.

Sprache ist mehr als ein Mittel zur Verständigung, sie ist Träger von Gedanken, Emotionen und sozialen Beziehungen. Ein falsches Wort kann Vertrauen zerstören, Beziehungen gefährden, Kränkungen hervorrufen oder sogar soziale Ausgrenzung nach sich ziehen. Gerade weil Worte im Gedächtnis haften bleiben und nicht einfach »zurückgenommen« werden können, ist der Schaden, den ein verbaler Fehltritt anrichtet, häufig größer als ein körperlicher. Ein körperliches Straucheln mag uns zum Lachen bringen oder Mitgefühl hervorrufen, ein sprachliches hingegen führt schnell zu Missverständnissen, Konflikten oder bleibender Distanz.

In einer Welt, in der Kommunikation im persönlichen Gespräch wie auch über soziale Medieneine zentrale Rolle spielt, ist die Botschaft des Sprichworts aktueller denn je. Viele öffentliche Kontroversen entstehen nicht durch Taten, sondern durch Worte: unbedachte Äußerungen, verletzende Kommentare oder respektlose Aussagen. Besonders in digitalen Kontexten, wo Sprache schnell verbreitet wird und oft aus dem Zusammenhang gerät, zeigt sich, wie gefährlich ein »Straucheln mit der Zunge« sein kann. Ein missverständlicher Satz oder ein unreflektierter Beitrag kann Karrieren beenden oder das soziale Ansehen ruinieren.

Gleichzeitig mahnt das Sprichwort zu sprachlicher Achtsamkeit und Selbstreflexion. Es fordert nicht zum Schweigen auf, sondern zum bewussten Umgang mit Worten. Wer spricht, sollte nicht nur auf den Inhalt achten, sondern auch auf Ton, Kontext und Wirkung. Sprachliche Fehltritte lassen sich nicht einfach »heilen« wie ein verstauchter Fuß; sie hinterlassen Spuren, die manchmal ein Leben lang nachwirken.

Auch ethisch gesehen liegt in dem Sprichwort eine tiefe Weisheit: Es erinnert daran, dass Worte Verantwortung mit sich bringen. Im Umgang mit anderen Menschen ist es nicht entscheidend, ob wir körperlich sicher auftreten, sondern ob wir mit Respekt, Feingefühl und Bedacht sprechen. Ein Mensch, der gelegentlich fällt, mag sympathisch wirken, ein Mensch, der unbedacht oder verletzend spricht, hingegen nicht.

 Top