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Bertrand Russell

Bertrand Russell wurde am 18. Mai 1872 in eine Familie der englischen Aristokratie geboren. Sein Großvater John Russell, dem 1861 der Titel Earl Russell verliehen wurde, war britischer Premierminister. Bertrand Russells Vater, John Russell, Viscount Amberley, starb, als Bertrand drei Jahre alt war. Die ebenfalls aus einer Adelsfamilie stammende Mutter Katherine Louisa Stanley starb noch vor ihrem Mann, an Diphtherie.

Nach dem Tod der Eltern wurde Bertrand Russell mit seinem Bruder von den viktorianischen Großeltern aufgenommen und wuchs auf deren Anwesen Pembroke Lodge, Richmond Park auf. Sein Großvater starb 1878, und so wurde Russell hauptsächlich von seiner Großmutter erzogen, einer religiösen Frau, die jedoch fortschrittliche Ansichten in Bezug auf Wissenschaft und soziale Gerechtigkeit hatte und hiermit einen deutlichen Einfluss auf ihn ausübte.

Bertrand Russell verbrachte eine einsame Jugend. Zu den prägenden Ereignissen zählte er ausgedehnte Spaziergänge im Richmond Park, wo er einen großen Teil seiner Zeit verbrachte. Er wurde von Privatlehrern unterrichtet und beschäftigte sich mit Literatur und Mathematik.

Russell erhielt ein Stipendium der Universität Cambridge, der Alma Mater seines Vaters, und studierte dort von 1890 bis 1894 Mathematik. Hier fand er einen Kreis von Freunden und Gesprächspartnern, zu dem unter anderem George Edward Moore, Alfred North Whitehead und John Maynard Keynes gehörten. Auf Empfehlung Whiteheads wurde er Mitglied des konspirativen Debattierklubs der Cambridge Apostles. Mit der akademischen Lehre der Mathematik ("von den Vorlesungen hatte ich überhaupt nichts") und Philosophie ("Den größten Teil dessen, was ich dort an Philosophie lernte, erkannte ich nach und nach als falsch") war er dagegen unzufrieden. Später erhielt er ein Fellowship, das ihm ermöglichte, von 1895 bis 1901 ohne Lehrverpflichtungen forschen zu können.

Während seiner Studienjahre traf Russell Alys Pearsall Smith, die Tochter einer in der Heiligungsbewegung einflussreichen amerikanischen Quäkerfamilie. Sie verliebten sich und heirateten im Dezember 1894 gegen den Willen von Russells Familie. Die Ehe scheiterte nach Russells Darstellung schon 1902. Das Ehepaar lebte in der Folge getrennt voneinander. Russell fürchtete jedoch berufliche Nachteile und ließ sich daher erst 1921 scheiden, als seine spätere zweite Frau schwanger wurde.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Russell politisch tätig. Er setzte sich für das Frauenwahlrecht ein und kandidierte bei einer Nachwahl im Jahr 1907 erfolglos für das House of Commons.

Ein einschneidendes Ereignis in Russells Leben war der Erste Weltkrieg. Ab 1914 stellte Russell seine mathematische Forschung zurück und begann, sich als Aktivist und Autor für Frieden und Kriegsdienstverweigerung einzusetzen. Eine Verurteilung Russells zu einer Geldstrafe wegen eines Flugblatts nahm die Universität Cambridge zum Anlass, ihm die Professur zu entziehen. Später wurde er zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er in einer Antikriegsdienst-Zeitschrift die Möglichkeit erwogen hatte, dass US-amerikanische Soldaten in England als Streikbrecher eingesetzt werden könnten. Allerdings wurde Russell ermöglicht, im Gefängnis zu lesen und zu schreiben, und so verfasste er während seiner Haft mehrere Bücher.

Nach dem Ersten Weltkrieg unternahm Russell mehrere Reisen. So besuchte er 1920 mit einer Delegation der Labour Party die Sowjetunion und hatte unter anderem die Möglichkeit zu einem Gespräch mit Lenin, welcher ihn stark enttäuschte. Russell kehrte desillusioniert zurück und äußerte sich äußerst negativ über den russischen Sozialismus. Russell, der zuvor mit dem Sozialismus sympathisiert hatte, war fortan ein ausgesprochener Gegner des sowjetischen Kommunismus.

1920 und 1921 unternahm Russell eine Reise nach China und Japan. Die Universität Peking hatte ihm, der in Cambridge entlassen worden war, eine Gastprofessur angeboten. Russell, den viele Aspekte der chinesischen Kultur tief beeindruckten, fasste die Erlebnisse seiner Reisen in mehreren Büchern zusammen.

Begleitet wurde Russell auf seiner Asienreise von seiner damaligen Geliebten Dora Black. Sie pflegte ihn gesund, als er in China aufgrund einer Lungenentzündung dem Tode nah war. Bei der gemeinsamen Rückkehr nach England war Dora schwanger, woraufhin sich Bertrand Russell 1921 von seiner Frau Alys Pearsall Smith scheiden ließ und kurz darauf Dora Black heiratete.

Gemeinsam gründeten sie für ihre Kinder Kate und John Russell 1927 die libertäre experimentelle Beacon Hill School. Während dieser Jahre arbeitete Russell überwiegend als Schriftsteller und verfasste Bücher zu philosophischen und pädagogischen Themen, aber auch populärwissenschaftliche Abhandlungen über zeitgenössische physikalische Theorien wie Quantenphysik und Relativitätstheorie.

Aber auch Russells Ehe mit Dora Black scheiterte und 1936 heiratete Russell, bereits 64-jährig, Patricia Helen Spence zog in die USA, wo Russell zunächst an den Universitäten von Chicago und Los Angeles lehrte.

1939 verließ Russell Los Angeles, um am City College of New York eine Stelle als Dozent anzunehmen. Obwohl er in New York bereits zum Professor ernannt worden war, wurde die New Yorker Universität 1940 dazu gezwungen, ihre Ernennung zurückzuziehen. Grund hierfür waren Proteste von fundamentalistischen Christen und Politikern, die der Ansicht waren, Russell spreche sich in seinen Schriften gegen Religion und somit für Unmoral aus und sei deshalb ungeeignet für die Aufgabe, Logik und Grundlagen der Mathematik zu lehren. Besonders kritisierten diese Kreise Russells Buch "Ehe und Moral".

1944 kehrte Russell zurück nach England, um wieder am Trinity College in Cambridge zu lehren. In den folgenden Jahren arbeitete er zudem für die BBC an Rundfunkübertragungen.

1949 erhielt Russell den Order of Merit, und 1950 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen, insbesondere für "Ehe und Moral", für das er wenige Jahre zuvor stark kritisiert worden war.

Nachdem auch Russells Ehe mit Patricia Helen Spence mit einer Scheidung geendet hatte, ging er 1952 eine vierte Ehe mit Edith Finch ein, die bis an sein Lebensende hielt.

Der mit 78 Jahren weltweit bekannte und vielfach ausgezeichnete Russell zog sich nach 1950 nicht aus der Öffentlichkeit zurück. Ihn bewegte vor allem ein möglicher Dritter Weltkrieg als eine große Gefahr für die Menschheit. So war er die treibende Kraft des Russell-Einstein-Manifests und engagierte sich in verschiedenen politischen Krisen des Kalten Krieges als Vermittler zwischen den Staatschefs. Er war zeitweise Präsident der Campaign for Nuclear Disarmament. Mit anderen Mitgliedern der Organisation wurde er 1961 angeklagt, zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgerufen zu haben und - mit 89 Jahren - zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Diese Strafe wurde aber auf Grund ärztlicher Atteste auf eine Woche herabgesetzt.

1963 gründete er die Bertrand Russell Peace Foundation und untersuchte im Russell-Tribunal US-amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam.

Hochbetagt schrieb er seine Autobiografie, die von 1967 bis 1969 in drei Bänden erschien.

Am 2. Februar 1970 starb Bertrand Russell mit 97 Jahren in Penrhyndeudraeth (Wales) an Influenza.

Obwohl Bertrand Russell sich in seiner zweiten Lebenshälfte verstärkt philosophischen Fragen zuwandte und sich mit zunehmendem Alter immer mehr politisch engagierte, bleibt Russells Name in vorrangig mit "Principia Mathematica" verbunden, die er zusammen mit Alfred North Whitehead verfasste. Ziel war es, alle mathematischen Wahrheiten aus einem Satz von Axiomen und Schlussregeln zu konstruieren. Russells Schwerpunkt lag dabei auf philosophischen, Whiteheads auf mathematischen Problemen. Die Arbeit an diesem monumentalen Werk dauerte von 1902 bis 1913. Der geplante vierte Band erschien nicht mehr, aber auch so wurde "Principia Mathematica" eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts über die Grundlagen der Mathematik.

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