VI.

Seinem redlichen Sinne und der Aufrichtigkeit seines Wohlwollens für Andre, seiner aus dem Herzen kommenden und von hohem Sinne getragnen Liebenswürdigkeit verdankte er es, daß ihm eine gewisse Leistung leicht wurde und gut gelang, die der Verstandesthätigkeit constitutioneller Regenten und Minister von Zeit zu Zeit viel Mühe macht. Für öffentliche Ansprachen enthalten die jährlich wiederkehrenden Aeußrungen solcher Monarchen, deren Constitutionalismus als mustergültig betrachtet wurde, einen reichen Vorrath an Redewendungen; aber trotz aller sprachlichen Gewandheit haben sowohl Leopold von Belgien wie Louis Philipp die constitutionelle Phraseologie ziemlich erschöpft, und ein deutscher Monarch wird kaum im Stande sein, schriftlich und gedruckt den Kreis der brauchbaren Aeußrungen zu erweitern. Mir selbst ist keine Arbeit unbehaglicher und schwieriger gewesen, als die Herstellung des nöthigen Phrasenbedarfs für Thronreden und ähnliche Aeußrungen. Wenn Kaiser Wilhelm selbst Proclamationen redigirte oder wenn er eigenhändig Briefe schrieb, so hatten dieselben, auch wenn sie sprachlich incorrect waren, doch immer etwas Gewinnendes, oft Begeisterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme seines Gefühls und die Sicherheit, die aus ihnen sprach, daß er Treue nicht nur verlangte, sondern auch gewährte. Il était de relation sûre; eine von den fürstlichen Gestalten, in Seele und Körper, deren Eigenschaften mehr des Herzens als des Verstands die im germanischen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für monarchische Gesinnung ist die Ausdehnung des Gebiets ihrer Ergebenheit nicht jedem Fürsten gegenüber dieselbe; sie unterscheidet sich, je nachdem politisches Verständniß oder Empfindung die Grenzen ziehn. Ein gewisses Maß der Hingebung wird durch die Gesetze bestimmt, ein größres durch politische Ueberzeugung; wo es darüber hinaus geht, bedarf es eines persönlichen Gefühls von Gegenseitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben, deren Hingebung über das Maß staatsrechtlicher Erwägungen hinausreicht.

Es ist eine Eigenthümlichkeit royalistischer Gesinnung, daß ihren Träger, auch wenn er sich bewußt ist, die Entschließungen des Königs zu beeinflussen, das Gefühl nicht verläßt, der Diener des Monarchen zu sein. Der König selbst rühmte eines Tages (1865) gegen meine Frau die Geschicklichkeit, mit der ich seine Intentionen zu errathen und – wie er nach einer Pause hinzusetzte – zu leiten wüßte. Solche Anerkennung benahm ihm nicht das Gefühl, daß er der Herr und ich sein Diener sei, ein nützlicher, aber ehrerbietig ergebener. Dieses Bewußtsein verließ ihn auch dann nicht, als er bei erregter Erörtrung meines Abschiedsgesuchs 1877 in die Worte ausbrach: »Soll ich mich in meinen alten Tagen blamiren? Es ist eine Untreue, wenn Sie mich verlassen« – auch unter solchen Gefühlen stand er in seiner eignen königlichen Einschätzung und in seinem Gerechtigkeitssinn zu hoch, um jemals dem Gefühl einer Saulischen Eifersucht gegen mich zugänglich zu werden. Er hatte das königliche Gefühl, daß er es nicht nur vertrug, sondern sich gehoben fühlte durch den Gedanken, einen angesehnen und mächtigen Diener zu haben. Er war zu vornehm für das Gefühl eines Edelmanns, der keinen reichen und unabhängigen Bauern im Dorfe vertragen kann. Die freudige Art, in welcher er 1885 bei meiner 50jährigen Dienstfeier[1] die mir gebrachten Huldigungen nicht befahl und anordnete, aber zuließ und mitmachte, stellte auch für das Publikum und die Geschichte diesen königlichen und vornehmen Charakter in das richtige Licht. Die Feier war nicht von ihm befohlen, aber zugelassen und freudig befördert. Nicht einen Augenblick kam ihm der Gedanke einer Eifersucht auf seinen Diener und Unterthanen in den Sinn, und nicht einen Augenblick verließ ihn das königliche Bewußtsein, der Herr zu sein, ebenso wie bei mir alle, auch übertriebene Huldigungen das Gefühl, der Diener dieses Herrn zu sein und mit Freuden zu sein, in keiner Weise berührten.

Diese Beziehungen und meine Anhänglichkeit hatten ihre prinzipielle Begründung in einem überzeugungstreuen Royalismus: aber in der Specialität, wie er vorhanden war, ist er doch nur möglich unter der Wirkung einer gewissen Gegenseitigkeit des Wohlwollens zwischen Herrn und Diener, wie unser Lehnrecht die »Treue« auf beiden Seiten zur Voraussetzung hatte. Solche Beziehungen, wie ich sie zum Kaiser Wilhelm hatte, sind nicht ausschließlich staatsrechtlicher oder lehnrechtlicher Natur; sie sind persönlich, und sie wollen von dem Herrn sowohl wie von dem Diener, wenn sie wirksam sein sollen, erworben sein; sie übertragen sich mehr persönlich als logisch leicht auf eine Generation, aber ihnen einen dauernden und prinzipiellen Charakter beizulegen, entspricht im heutigen politischen Leben nicht mehr den germanischen, sondern eher den romanischen Anschauungen; der bourbonische porte-coton[2] ist in die deutschen Begriffe nicht übertragbar.

VII.

Lebendiger als in meiner Schildrung werden gewisse Charakterzüge des Kaisers aus seinen nachstehenden Briefen hervortreten:

»Berlin, den 13. Januar 1870.

Leider vergaß ich noch immer, Ihnen die Sieges-Medaille zu übergeben, die eigentlich zuerst in Ihren Händen hätte sein müssen, und so sende ich sie Ihnen hierbei als Siegel Ihrer Welthistorischen Leistungen.

Ihr

Wilhelm.«

Ich schrieb dem Könige an demselben Tage:

»Allerdurchlauchtigster König,

Allergnädigster Herr,

Eurer Majestät sage ich meinen ehrfurchtsvollen und tiefgefühlten Dank für die huldreiche Verleihung der Sieges-Medaille und für den ehrenvollen Platz, den Eure Majestät mir auf diesem historischen Denkmal anzuweisen geruht haben. Die Erinnrung, welche dieses geprägte Document der Nachwelt erhalten wird, gewinnt für mich und die Meinigen ihre besondre Bedeutung durch die gnädigen Zeilen, mit denen Eure Majestät die Verleihung begleitet haben.

Wenn mein Selbstgefühl eine hohe Befriedigung darin findet, daß es mir vergönnt ist, meinen Namen unter den Flügeln des Königlichen Adlers, der Deutschland seine Bahnen anweist, auf die Nachwelt kommen zu sehn, so ist mein Herz noch mehr befriedigt in dem Gefühle, unter Gottes sichtbarem Segen einem angestammten Herrn zu dienen, dem ich mit voller und persönlicher Liebe anhänge, und dessen Zufriedenheit zu besitzen für mich der in diesem Leben begehrteste Lohn ist. Genehmigen Eure Majestät den Ausdruck ehrfurchtsvoller und unwandelbarer Treue, mit dem ich ersterbe

Eurer Majestät

treugehorsamster Diener                        

v. Bismarck.«

»Berlin, den 21. März 1871.

Mit der heutigen Eröffnung des ersten deutschen Reichstags nach Wiederherstellung eines Deutschen Reiches beginnt die erste öffentliche Thätigkeit desselben. Preußens Geschichte und Geschicke wiesen seit längerer Zeit auf ein Ereigniß hin, wie es sich jetzt, durch dessen Berufung an die Spitze des neugegründeten Reiches, vollzogen hat. Preußen verdankt dies weniger seiner Ländergröße und Macht, wenngleich Beides sich gleichmäßig mehrte, als seiner geistigen Entwicklung und seiner Heeres Organisation. In unerwartet schneller Folge haben sich im Laufe von 6 Jahren die Geschicke meines Landes zu dem Glanzpunkte entwickelt, auf dem es heute stehet. In diese Zeit fällt die Thätigkeit, zu welcher ich Sie vor 10 Jahren zu mir berief. In welchem Maaße Sie das Vertrauen gerechtfertigt haben, aus welchem ich damals den Ruf an Sie ergehen ließ, liegt offen vor der Welt. Ihrem Rath, Ihrer Umsicht, Ihrer unermüdlichen Thätigkeit verdankt Preußen und Deutschland das Welt Geschichtliche Ereigniß, welches sich heute in meiner Residenz verkörpert.

Wenngleich der Lohn für solche Thaten in Ihrem Innern ruhet, so bin ich doch gedrungen und verpflichtet, Ihnen öffentlich und dauernd den Dank des Vaterlandes und den meinigen auszudrücken. Ich erhebe Sie daher in den Fürstenstand Preußens mit der Bestimmung, daß sich derselbe stets auf das älteste männliche Mitglied Ihrer Familie vererbt.

Mögen Sie in dieser Auszeichnung den nie versiegenden Dank erblicken

Ihres

Kaisers und Königs              

Wilhelm.«

»Berlin, den 2. März 1872.

Wir begehen heute den ersten Jahrestag des glorreichen Friedensschlusses, der durch Tapferkeit und Opfer aller Art erkämpft, durch Ihre Umsicht und Energie aber zu Résultaten führte, die nie geahndet waren! Meine Anerkennung und meinen Dank wiederhohle ich Ihnen heute von neuem mit dankbarem und gerührtem Herzen, dem ich durch Eisen und edle Metalle öffentlich Ausdruck gab. Es fehlt aber noch ein Metall, die Bronce. Ein Andenken aus diesem Metall stelle ich daher heute zu Ihrer Disposition und zwar in der Gestalt, die Sie vor einem Jahre zum Schweigen brachten; Ich habe daher bestimmt, daß nach Ihrer eignen Auswahl einige eroberte Geschütze Ihnen überwiesen werden, die Sie auf Ihren Besitzungen zum bleibenden Andenken Ihrer mir und dem Vaterlande geleisteten hohen Dienste aufpflanzen wollen!

Ihr

treu ergebener und                            

dankbarer              

Wilhelm.«

»Coblenz, den 26. July 1872.

Sie werden am 28. d. M. ein schönes Familien Fest begehen, das Ihnen der Allmächtige in Seiner Gnade bescheert. Daher darf und kann ich mit meiner Theilnahme an diesem Feste nicht zurückbleiben, und so wollen Sie und die Fürstin Ihre Gemahlin hier meinen innigsten und wärmsten Glückwunsch zu diesem erhebenden Feste entgegen nehmen. Daß Ihnen Beiden unter so vielen Glücksgütern, die Ihnen die Vorsehung für Sie erkoren hat, doch immer das häusliche Glück obenan stand, das ist es, wofür Ihre Dankgebethe zum Himmel steigen. Unsere und meine Dankgebethe gehen aber weiter, indem sie den Dank in sich schließen, daß Gott Sie mir in endscheidender Stunde zur Seite stellte und damit eine Laufbahn meiner Regierung eröffnete, die weit über Denken und Verstehen gehet. Aber auch hierfür werden Sie Ihre Dankgefühle nach Oben senden, daß Gott Sie begnadigte, so Hohes zu leisten. Und in und nach allen Ihren Mühen fanden Sie stets in der Häuslichkeit Erholung und Frieden, und das erhält Sie Ihrem schweren Berufe. Für diesen sich zu erhalten und zu kräftigen, ist mein stetes Anliegen an Sie, und freue ich mich aus Ihrem Briefe durch Graf Lehndorff und von diesem selbst zu hören, daß Sie jetzt mehr an sich als an die Papiere denken werden.

Zur Erinnerung an Ihre silberne Hochzeit wird Ihnen eine Vase übergeben werden, die eine dankbare Borussia darstellt und die, so gebrechlich ihr Matérial auch sein mag, doch selbst in jeder Scherbe dereinst aussprechen soll, was Preußen Ihnen durch die Erhebung auf die Höhe, auf welcher es jetzt stehet, verdankt.

Ihr

treu ergebener                        

dankbarer König              

Wilhelm.«[3]

»Coblenz am 6. November 1878.

Es ist Ihnen beschieden gewesen, in Zeit eines Vierteljahres Europa durch Ihre Einsicht, Umsicht und durch Ihren Muth den Frieden theils wiederzugeben, theils zu erhalten, und für Deutschland auf gesetzlichem Wege einem Feinde entgegen zu treten, der für alle Staatlichen Verhältnisse Verderben drohte. Wenn beide Welt Geschichtliche Ereignisse von allen Wohlgesinnten begriffen und Ihnen derselben Anerkennung zu Theil geworden ist, und ich Ihnen selbst diese Anerkennung beweisen konnte für das zuerst genannte Ereigniß des Berliner Congresses, so geziemt es mir nun auch für die Endschiedenheit, mit welcher Sie den Rechtsboden vertheidigt haben, Ihnen diese Anerkennung auch öffentlich darzulegen. Das Gesetz[4] welches ich im Sinne habe und welches seine Entstehung einem meinem Herzen und Gemüth schmerzlichen Ereigniß[5] verdankt, soll den deutschen Staaten ihren jetzigen rechtlichen Standpunkt erhalten und sichern, also auch Preußen.

Ich habe als Zeichen meiner Anerkennung Ihrer großen Verdienste um mein Preußen die Zeichen seiner Macht gewählt: Krone, Zepter und Schwerdt, und dem Großkreuz des Rothen Adler Ordens, welches Sie stets tragen, zufügen lassen, welche Décoration ich Ihnen beifolgend übersende.

Das Schwerdt spricht für den Muth und die Einsicht, mit welcher Sie meinen Zepter und meine Krone zu unterstützen und zu schützen wissen.

Möge die Vorsehung Ihnen noch die Kraft verleihen, um lange Jahre hindurch ferner Ihren Patriotismus meiner Regierung und dem Wohle des Vaterlandes zu widmen.

Ihr

treu ergebener dankbarer              

Wilhelm.«

»Berlin, den 1. April 1879.

Leider kann ich Ihnen meine Wünsche zum heutigen Tage nicht persönlich mündlich darbringen, da ich heute zum Erstenmale zwar ausfahren soll, aber noch keine Treppen steigen darf.

Vor Allem wünsche ich Ihnen Gesundheit, denn von der hängt ja alle Thätigkeit ab, und diese entwickeln Sie jetzt mehr wie seit langer Zeit, ein Beweis, daß Thätigkeit auch gesund erhält. Möge es zum Wohle des Vaterlandes, des engeren wie weiteren, so fortgehen!

Ich benutze den Tag, um Ihren Schwiegersohn den Grafen Rantzau hiermit zum Legationsrath zu ernennen, da ich glaube Ihnen damit eine Freude zu machen.

Auch sende ich Ihnen die Copie meines großen Ahnherrn, des Groß(en) Kurfürsten, wie er auf der langen Brücke steht, zum Andenken an den heutigen Tag, der noch recht oft für Sie und uns wiederkehren möge.

Ihr

dankbarer              

Wilhelm.«

Um Weihnachten 1883 schenkte der Kaiser mir eine Nachbildung des Denkmals auf dem Niederwald, an der ein Blättchen mit folgenden Worten befestigt war:

»Zu Weihnachten
1883

Der Schlußstein Ihrer Politik, eine Feier, die hauptsächlich Ihnen galt und der Sie leider[6] nicht beiwohnen konnten!

W.«

»Berlin, 1. April 1885.

Mein lieber Fürst! Wenn sich in dem Deutschen Lande und Volke das warme Verlangen zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu bethätigen, daß die Erinnerung an Alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes gethan haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es mir ein tiefgefühltes Bedürfniß, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es mich freut, daß ein solcher Zug des Dankes und der Verehrung für Sie durch die Nation geht. Es freut mich das für Sie als eine wahrlich im höchsten Maaße verdiente Anerkennung; und es erwärmt mir das Herz, daß solche Gesinnungen sich in so großer Verbreitung kund thun, denn es ziert die Nation in der Gegenwart und es stärkt die Hoffnung auf ihre Zukunft, wenn sie Erkenntniß für das Wahre und Große zeigt und wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt. An einer solchen Feier Theil zu nehmen, ist mir und meinem Hause eine besondere Freude und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild[7] auszudrücken, mit welchen Empfindungen dankbarer Erinnerung wir dies thun. Denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollern Hauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.

Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste Dank Gefühl für Sie leben wird! Ihnen sage ich daher mit diesem nichts, was ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen habe, und ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späten Nachkommen vor Augen stellen wird, daß Ihr Kaiser und König und sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was wir Ihnen zu danken haben.

Mit diesen Gesinnungen und Gefühlen endige ich diese Zeilen als, über das Grab hinausdauernd,

Ihr dankbarer treu ergebener

Kaiser und König            

Wilhelm.«

»Sie feiern, mein lieber Fürst, am 23. September d. J. den Tag, an welchem ich Sie vor 25 Jahren in mein Staats Ministerium berief und nach kurzer Zeit Ihnen das Präsi(di)um desselben übertrug. Ihre bis dahin dem Vaterlande in den verschiedensten und wichtigsten Aufträgen geleisteten ausgezeichneten Dienste berechtigten mich, Ihnen diese höchste Stellung zu übertragen. Die Geschichte des letzten Viertels des Jahrhunderts beweiset, daß ich mich nicht bei Ihrer Wahl geirrt habe!

Ein leuchtendes Bild von wahrer Vaterlandsliebe, unermüdlicher Thätigkeit, oft mit Hintenansetzung Ihrer Gesundheit, waren Sie unermüdlich, die oft sich aufthürmenden Schwierigkeiten, im Frieden und Kriege fest ins Auge zu fassen u(nd) zu guten Zielen zu führen, die Preußen an Ehre und Ruhm, zu einer Stellung führten in der Welt Geschichte, wie man sie nie geahndet hatte! Solche Leistungen sind wohl gemacht, um den 25. Jahrestag[8] des 23. Septembers mit Dank gegen Gott zu begehen, daß Er Sie mir zur Seite stellte, um Seinen Willen auf Erden auszuführen!

Und diesen Dank lege ich nun erneuert an Ihr Herz, wie ich dies so oft aussprechen und bethätigen konnte!

Mit Dank erfülltem Herzen wünsche ich Ihnen Glück zur Feier eines solchen Tages und wünsche von Herzen, daß Ihre Kräfte noch lange ungeschwächt erhalten bleiben zum Seegen des Thrones und des Vaterlandes!

Ihr

ewig dankbarer König            

und Freund                  

Wilhelm.

Berlin zum 23. September 1887.

N. Sch.

Zur Erinnerung an die abgelaufenen 25 Jahre, sende ich Ihnen die Ansicht des Gebäudes, in welchem mir so endscheidende Beschlüsse berathen u(nd) ausführen mußten u(nd) die immer Preußen u(nd) nun hoffentlich Deutschland zur Ehre und zum Wohle gereichen mögen.«

Den letzten Brief des Kaisers erhielt ich am 23. December 1887. Verglichen mit dem vorhergehenden zeigt er im Satzbau und in den Zügen, daß dem Kaiser während der letztverflossenen drei Monate der schriftliche Ausdruck und das Schreiben viel saurer geworden waren; aber die Schwierigkeiten beeinträchtigen nicht die Klarheit der Gedanken, die väterliche Rücksicht auf das Gefühl des kranken Sohnes, die landesherrliche Sorge für die gehörige Ausbildung des Enkels. Es wäre unrecht, bei der Wiedergabe dieses Briefes irgend etwas daran bessern zu wollen.

»Berlin, den 23.12.1887.

Anliegend sende ich Ihnen die Ernennung Ihres Sohnes zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Predikat Ex(c)ellenz, um dieselbe(n) Ihrem Sohne zu übergeben, eine Freude, die ich Ihnen nicht versagen wollte. Ich denke, die Freude wird eine 3fache sein, für Sie, für Ihren Sohn u(nd) für mich!

Ich ergreife die Gelegenheit, um Ihnen mein bisheriges Schweigen [zu erklären] auf Ihren Vorschlag, meinen Enkel den Prinzen Wilhelm mehr in die Staats Geschäfte einzuführen, bei dem traurigen Gesundheits Zustande des Kronprinzen meines Sohnes! Im Princip bin ich ganz einverstanden, daß dies geschehe, aber die Ausführung ist eine sehr schwierige. Sie werden ja wissen, daß die an sich sehr natürliche Bestimmung, die ich aus Ihren Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden 2 Cabinets Erlasse des Civils und Militairs unterschreiben werde, unter der Ueberschrift »auf Allerhöchsten Befehl« – daß diese Bestimmung den Kronprinzen sehr irritirt hat, als denke man in Berlin bereits an seinen Ersatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird sich mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde diese Ueberlegung sein, wenn er erfährt, daß seinem Sohn eine noch größere Einsicht in die Staatsgeschäfte gestattet wird u(nd) selbst ein Civil-Adjudant gegeben wird – wie ich seiner Zeit meine vortragenden Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz [anders][9], da ein Grund meinen Königlichen Vater veranlassen konnte, für einen Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu bestellen,[10] obgleich meine Erbschaft an der Krone schon längst vorher zu sehen war, u(nd) unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als mein Bruder mich sofort zum Mitglied des Staats Ministeriums ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit dieser Stellung war also die Zutheilung eines erfahrenen Geschäftsmanns nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats Ministerial Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politischen Dépéchen, nachdem dieselben durch 4–5–6 Hände, – den Siegeln nach, gegangen waren! Für[11] bloße Conversation, wie Sie es vorschlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt also des Grundes, einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem bestimmten Zweck u(nd) würde bestimmt meinen Sohn von Neuem u(nd) noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich schlage daher vor, daß die bisherige Art der Beschäftigung-Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird d. h. einzelnen Staats Ministerien zugetheilt werde und vielleicht auf zwei ausgedehnt werde, wie in diesem Winter, wo mein Enkel freiwillig den Besuch des Auswärtigen Amts ferner zu gestatten neben dem Finanz-Ministerium, welche Freiwilligkeit dann von Neujahr ganz fortfallen könnte, u(nd) vielleicht das Minist. des Inneren an die Stelle [treten könnte][12], wobei meinem Enkel zu gestatten wäre, in einzelnen sanglanten Fällen sich im Auswärt(igen) Amt zu orientiren. Diese Fortsetzung des jetzigen Verfahrens kann meinen Sohn weniger irritiren, obgleich Sie sich erinnern werden, daß er auch gegen dieses Verfahren scharf opponirt.

Ich bitte also um Ihre Ansicht in dieser Materie.

Ein angenehmes Fest Ihnen Allen wünschen(d)

Ihr

dankbarer              

Wilhelm.

Das beifolgende Patent wollen Sie gefällichst vor der Uebergabe contrasigniren.

W.[13]

Von der Kaiserin Augusta habe ich sehr selten Zuschriften erhalten; ihr letzter Brief, bei dessen Abfassung sie wohl ebenso wie ich bei dem Lesen an die Kämpfe gedacht hat, die ich mit ihr zu bestehn hatte, lautet wie folgt:

»Dictirt.

Baden-Baden, den 24. December 1888.

Lieber Fürst!

Wenn ich diese Zeilen an Sie richte, so ist es nur, um an dem Wendepunkt eines ernsten Lebensjahres eine Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Sie haben unserm unvergeßlichen Kaiser treu beigestanden und meine Bitte der Fürsorge für seinen Enkel erfüllt. Sie haben mir in bitteren Stunden Theilnahme bewiesen, deshalb fühle ich mich berufen, Ihnen, bevor ich dieses Jahr beschließe, nochmals zu danken und dabei auf die Fortdauer Ihrer Hülfe zu rechnen, mitten unter den Widerwärtigkeiten einer vielbewegten Zeit. Ich stehe im Begriff, den Jahreswechsel im Familienkreise still zu feiern, und sende Ihnen und Ihrer Gemahlin einen freundlichen Gruß.

Augusta.«

Die Unterschrift ist eigenhändig, aber sehr verschieden von den festen Zügen, in denen die Kaiserin früher zu schreiben pflegte.

__________________
Anmerkungen:
  1. Sie wurde nach Wunsch des Kaisers mit der Feier des 70. Geburtstags verbunden.
  2. So ist zu lesen statt: der portugiesische porteur du coton. – Am portugiesischen Hofe war der porte-coton unbekannt; er gehörte zur Hofbeamtenhierarchie der Bourbonen.
  3. Bismarck's Antwort s. im Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I 222 ff.
  4. Gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom 21. October 1878.
  5. Den Mordversuchen Hödel's (11. Mai 1876) und Nobiling's (2. Juni 1878).
  6. Krankheitshalber
  7. Die Kaiserproclamation in Versailles von Anton v. Werner.
  8. Original: den 25. Jahrestag des 25jährigen Jahrestag.
  9. Ergänzung des Herausgebers.
  10. Offenbar schwebte dem Kaiser ›sorgen‹ vor, als er die Worte »für einen Stellvertreter« niederschrieb.
  11. Original: Eine-
  12. Ergänzung des Herausgebers.
  13. Vgl. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen des Fürsten Bismarck, Bd. I: Kaiser Wilhelm und Bismarck.
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