Asyl für Snowden?

Das würde das Ayslrecht aushöhlen, meint Tom Borg

In der Causa Snowden mangelt es an der politischen Verfolgung, da abseits der ganzen Diskussion alle involvierten Regierungen sich darin einig sind, das ein Verräter nun mal ein Verräter ist, ein gewöhnlicher Krimineller, der das Recht seines Landes gebrochen hat.

Edward Snowden ist ein tragischer Held; er hat der Menschheit einen Dienst erwiesen, mit dem die Menschheit nicht wirklich etwas anfangen kann, da sie weder die Kraft noch die Möglichkeit besitzt, etwas damit anzufangen.

Diese Hilflosigkeit im Umgang mit Snowden zeigt sich auch in der Aysl-Debatte. Es gibt leidenschaftliche Befürworter und erbitterte Gegner. Und das, wo in dieser Sache kaum etwas so klar ist, wie das Asyl-Recht. Es gilt für politisch Verfolgte - und Snowden kann einfach nicht politisch verfolgt sein.

In der Causa Snowden mangelt es an der politischen Verfolgung, da abseits der ganzen Diskussion alle involvierten Regierungen sich darin einig sind, das ein Verräter nun mal ein Verräter ist, ein gewöhnlicher Krimineller, der das Recht seines Landes gebrochen hat. Dafür würden ihm alle Staaten der Erde den Prozess machen. Einziger Ausweg wäre das Konstrukt einer ausweglosen Situation, einem Verstoß gegen die Gesetze, um andere Gesetzesverstöße publik zu machen und höhere Werte zu retten. Diese müssten zum einen bedroht sein und zum anderen durch das Handeln Snwodens gerettet werden können.

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die Empörung über Snowden war groß - der tatsächliche Tatendrang antiproportional klein. Angela Merkel ließ durch ihren Regierungssprecher Steffen Seibert die diplomatische Devise ausgeben "Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung." Sprich: Die Verärgerung der Amerikaner über unsere Verärgerung ist schlimmer als unsere Verärgerung. Oder pragmatischer ausgedrückt: Deutschland kann sich ein verärgertes Poltern Richtung USA wirtschaftlich und politisch einfach nicht leisten. Das ist so als würde ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Chef schlechte Arbeitsbedingungen andeuten, aber auf gar keinen Fall riskieren wollen, dass der Chef das Arbeitsverhältnis auflöst, damit der unzufriedene Mitarbeiter sich anderswo bessere Arbeitsbedingungen suchen kann.

Dummerweise sehen das andere Regierungen genauso. Selbst Russland ist da keine Ausnahme, obgleich Putin dem ehemaligen Klassenfeind gerne eins auswischt. Aber würde ein russischer Geheimdienstler Richtung USA entschwinden, wären die Reaktionen ähnlich. Und das ist Edward Snowdens eigentliches Problem: Damit er irgendwo auf diesem Planeten politisches Asyl beantragen kann, müssten zuvor wichtige Regierungen anerkennen, dass die USA so massiv gegen bestehende Verträge verstoßen haben, dass die Freiheit und das gemeinschaftliche Miteinander so stark gefährdet sind, dass Snowdens Enthüllungen nötig waren, um alles wieder auf den rechten Weg zu bringen.

Genau das wagt aber keiner gegen die USA, weil die nationalen Eigeninteressen viel zu schwer wiegen, um das so öffentlich auszusprechen oder gar ernsthafte Konsequenzen zu erwägen. Zumal eine UN-Resolution, mit denen die UN sonst so gerne um sich wirft, an einem Veto der USA scheitern würde.

Und damit ist und bleibt Edward Snowden ein ganz normaler Krimineller, einer der gegen die Gesetze seines Landes verstoßen hat und dafür von den USA per Haftbefehl gesucht wird. Eine Grundlage für ein Asyl, egal ob in Deutschland oder anderswo, ist da einfach nicht zu sehen. Und daran wird sich offenbar auch nichts ändern. Edward Snowden hat uns zwar die Augen geöffnet, uns auf etwas hingewiesen, was wir alle halb zweifelnd schon immer geahnt hatten, doch damit ist die Sache im Prinzip schon abgehakt. Mehr wird da nicht mehr kommen.

Zweifelsohne spielt da indirekt auch eine Rolle, dass unsere eigenen Nachrichtendienste ganz bestimmt auch keine Unschuldsengel sind. Ein Grund mehr, nicht zu lautstark mit Anschuldigungen um sich zu werfen, die als abgeschwächtes Echo wieder zurückkehren könnten. Warum sonst sollten die USA mit Europa ein Abkommen gegen Industriespionage schließen, wenn sie die einzigen Spione wären…?!

Schlechte Zeiten für Whistleblower

Nein, für Edward Snowden wird es wohl kein glückliches Ende geben. Daran ist niemand interessiert, also niemand auf staatlicher Ebene. Insgeheim ärgert sich vermutlich auch Angela Merkel weniger darüber, dass ihr Handy und die Daten von Millionen Bürger abgehört wurden, als vielmehr darüber, dass die breite Masse das jetzt weiß. Denn die breite Masse würde sich schon eine Änderung wünschen. Doch Änderungen, egal ob an den Regeln des Spiels oder am Ergebnis desselben, kann sich diesseits des Atlantiks die führende Politik- und Wirtschaftselite nicht leisten - und jenseits des großen Teichs ist niemand daran interessiert, etwas zu ändern.

Änderungen erzwingen kann lediglich die breite Masse indem sie den politischen und wirtschaftlichen Preis bezahlt, den auch ein Arbeitnehmer zu zahlen hätte, wenn ihm die aktuellen Arbeitsbedingungen nicht gefallen und der Chef nicht vorhat, etwas daran zu ändern. Doch genau in dem Augenblick werden uns allen die Änderungen plötzlich drastisch weniger wichtig; wir haben Angst vor dem was kommen könnte, Angst vor einer Verschlechterung unserer eignen Lebensbedingungen.

In diesem Sinne ist Edward Snowden ein tragischer Held. Er hätte unsere Anerkennung verdient, doch ihm fehlen einfach die einflussreichen Unterstützer, die frühere Bewegungen zu einem erfolgreichen Ende geführt haben. Snowdens Informationen und Mahnungen verhallen als würde er mitten in einem Fastfood-Restaurant einen Vortrag über Kalorien halten, während alle Gäste des Restaurants laut schmatzend an ihren Fett triefenden Hamburgern kauen.

Falsche Zeit, falsches Thema. So falsch wie die Asyl-Debatte. Edward Snowden ist kein politisch Verfolgter - und wenn doch, dann verfolgen ihn alle Staaten der Erde. Er wird seine verdiente Anerkennung wenn überhaupt dann erst bei einer höheren Instanz erhalten. Einer Instanz, die statt Dollars und Euros Seelen sammelt. Doch auch davon gibt es zwei im Zustand des Kalten Kriegs. Wer von beidem dereinst Edward Snowden Asyl oder Heimat gewähren wird, darüber lässt sich bei den niederen Instanzen allenfalls spekulieren. Sicher ist wohl nur eines: Edward Snowden wird nie in den Genuss einer Kronzeugenregelung kommen, weil außer dem Kronzeugen niemand angeklagt wird. Also beten wir dafür, dass die höchste Instanz uns nicht ausgerechnet dies eines Tages zur Last legt. Denn zu mehr Engagement sind wir alle nicht (mehr) bereit. Schlechte Zeiten für Whistleblower, wenn selbst APO-Bewegungen wie die Grünen ihre Turnschuhe gegen Maßanzüge eintauschen und statt zur Demo lieber in eine Regierung gehen…

— 05. November 2013
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