Richtig wählen

...ist leichter gesagt als getan, meint Tom Borg

Warum können Politiker aus verschiedenen Parteien mit unterschiedlichen Meinungen nicht gemeinsam nach einer besten Lösung für Land und Bürger suchen? Warum sind in einer Regierung nicht Vertreter aller ins Parlament gewählten Parteien entsprechend ihrem Stimmenteil vertreten?

Eigentlich bildet der ehemalige griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nur die Spitze des Eisbergs, denn er tut etwas was in Italien schon immer üblich war und auch in anderen Ländern immer dann ins Spiel gebracht wird, wenn der Politik etwas nicht passt: Neuwahlen ansetzen.

Dabei sind Neuwahlen, so wie sie in Griechenland und demnächst vermutlich Türkei eingesetzt werden, höchst undemokratisch. Denn es geht nicht darum, die Meinung des Bürgers zu erfragen, sondern die Wähler zu zwingen, so zu wählen, wie es den Politikern passt. Und genau das hat mit Demokratie ziemlich wenig zu tun.

Vielmehr offenbart diese Vorgehensweise ein katastrophales Demokratiedefizit in der politischen Klasse: Mit denen kann ich nicht, mit den anderen will ich nicht - also wählt gefälligst etwas, das funktioniert.

Die passende Antwort darauf wäre eigentlich, dass der Wähler als erstes eben jenen Regierungsverweigerer die Gefolgschaft verweigert. Doch genau das ist leider nicht möglich, denn die Herrschaften setzen sich selbst an die Spitzen der Listen, so dass de facto eine Neuwahl immer nur eine Wahl des geringsten Übels sein kann, jedoch nie eine Wahl des Vertrauens auf eine solide Zukunft.

Wirklich nachzuvollziehen ist die Haltung der Politik nicht. Eine demokratische Gesellschaft besteht nun einmal aus unterschiedlichen Meinungen, die zwangsläufig über politische Wahlen in das Parlament einfließen. Was soll daran schlecht sein?

Schlecht ist allenfalls, wie Berufspolitiker mit Meinungen Andersdenkender umgehen. Regierungen beanspruchen ein ideologisches Alleinvertretungsrecht, eine Leitmeinung, der sich alles andere unterzuordnen hat. Denn ein Berufspolitiker betrachtet es als persönliche Niederlage, wenn er als Regierender eine andere Meinung als seine eigene (mit) berücksichtigen soll. Dabei ist genau dies eine übliche Konstellation in jedem Aufsichtsrat eines Großunternehmens, wo Anteilseigner und Arbeitnehmervertreter gemeinsam nach einem besten Weg für das Gesamtunternehmen suchen. Und das klappt...!

Warum können Politiker aus verschiedenen Parteien mit unterschiedlichen Meinungen nicht gemeinsam nach einer besten Lösung für Land und Bürger suchen? Warum sind in einer Regierung nicht Vertreter aller ins Parlament gewählten Parteien entsprechend ihrem Stimmenteil vertreten?

Geht nicht, ist mit Sicherheit die falsche Antwort! Es geht schon, wie Aufsichtsräte und sogar Fußballvereine zeigen. Die Top-Mannschaften der Fußball Bundesliga bestehen längst aus einer kunterbunten Sammlung karriere- und mediensüchtiger Superstars. Hochkarätige Egos, die sich selbst bestmöglich vermarkten und den eigenen Stern bestmöglich erstrahlen lassen möchten. Und dennoch finden sie Wege um als Team gemeinsam für einen Erfolg zu arbeiten. Kein Superstar kann alleine gegen 11 Gegenspieler gewinnen. Erst ein Team aus 11 Spielern mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die eigene Ideen beisteuern und ein gemeinsames Ziel haben, ergibt eine erfolgreiche Mannschaft.

Wenn Berufspolitiker das, was für Fußballprofis selbstverständlich ist, nicht können, dann mangelt es offenbar an persönlichen Fähigkeiten, Ideen oder dem Willen im Team gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Solche Spieler setzt ein Fußballtrainer auf die Ersatzbank oder die Transferliste. Es wird Zeit, dass die politischen Trainer an der Urne genauso verfahren - auch wenn das ungleich schwerer ist, weil Politiker das Recht haben, sich selbst aufzustellen. Dagegen hilft letztlich nur die repräsentative Demokratie wortwörtlich zu nehmen: wir wählen Vertreter, die in unserem Namen handeln. Wenn da aber keiner ist, den wir - ohne Panikattacken zu bekommen - beauftragen können, dann können wir eben niemanden wählen. Und das solange nicht, bis das Wahlrecht so geändert ist, dass wir teamunwillige Ego-Tripler erfolgreich in die Wüste schicken können...

— 30. August 2015
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