EHE = errare humanum est?

Das wussten wir doch schon immer, lästert Tom Borg

Laut Grundgesetz stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des selbigen. Aber die Väter des Grundgesetzes haben vergessen zu definieren, was eine Ehe oder eine Familie denn eigentlich ist.

Eigentlich ist es doch Schnee von gestern. Bereits im vorigen Jahrhundert witzelten Spöttern über die Ehe, sie sei die Abkürzung von "errare humanum est" - irren ist menschlich. Zu dieser Erkenntnis scheint nun auch die Regierung und vor allem das Bundesverfassungsgericht zu kommen.

Mit seiner Entscheidung zur Gleichstellung der eingetragenen Lebensgemeinschaften in Sachen Ehegattensplitting kassierte das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Homo-Ehe, sondern eigentlich die Ehe als Kurzform der Homo-Ehe gleich mit. Laut Grundgesetz stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des selbigen. Aber, oh Schreck, die Väter des Grundgesetzes haben vergessen zu definieren, was eine Ehe oder eine Familie denn eigentlich so ganz genau ist.

Zu Zeiten des Grundgesetzentwurfs gab es über die Frage, was eine Ehe ist, sicherlich keine größeren Diskussionen, weil allen klar war, dass dies eine Gemeinschaft aus Mann und Frau ist, die den "heiligen Bund der Ehe" eingegangen sind - idealerweise mit dem Segen der Kirche. Die Einschätzung, dass sich daran auch nichts ändern würde, war wohl etwas arg optimistisch. Denn im Zeitalter des Gender-Mainstreaming haben wir längst alles gleich gemacht. Eine Ehe kann aus Mann und Frau oder zwei Männern bzw. zwei Frauen bestehen. Als Sonderfall gibt es auch noch den kompletten Mix des ganzen, der entsteht, wenn ein Mann und eine Frau heiraten und einer (oder gar beide?) der Ehepartner im Laufe der Ehe erkennt, dass er eigentlich lieber ein Teil des anderen Geschlechts wäre. Dann wird aus der Mami plötzlich ein zweiter Papi oder aus dem Papa eine Zusatzmama. Heutige Kids kommen damit relativ gut klar, dank der aggressiven Gleichstellungspolitik, die bis in den Schulunterricht durchschlägt, ja, eigentlich schon im Kindergarten beginnt.

Einzig meine konservativen grauen Zellen tun sich schwer zu verstehen, was denn eigentlich an der Ehe noch so besonders schützenswert ist. Wo wir doch nicht einmal mehr genau definieren können was eine Ehe so besonders macht, abgesehen davon, dass zwei Menschen beschließen, für eine unbekannte Dauer ihr Leben gemeinsam führen zu wollen. Dass eine Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird, ist ja schon seit Jahrzehnten eine Illusion. Manche Ehe hält nur wenige Wochen oder Monate. Und wer wie Dieter Bohlen in Las Vegas heiratet, dem wird manchmal schon am Tag danach bewusst, dass es eine Strafe des Lebens sein kann, wenn man exakt das bekommt, was man unbedingt haben wollte. Dieses "Verona-Syndrom" macht den Beruf des Scheidungsanwalts zu einer zukunftssicheren Wahl.

Doch was ist nun das besonders schützenswerte an der Ehe? Wir tun uns ja schon mit der Definition eben dieser sehr schwer. Wenn eine Ehe der Oberbegriff für eine homo- oder heterosexuelle Lebensgemeinschaft zweier Menschen auf unbestimmte Zeit ist, dann ist damit das "besondere" vom Tisch, weil das Besondere daran allenfalls noch die konservativen Vorstellungen gewisser Politiker und Vertreter der katholischen Kirche sind, die vom modernen Leben längst überrollt wurden.

Errare human est! Ja, die Richter des Bundesverfassungsgerichts irren sich, wenn sie in der Ehe noch etwas besonderes sehen, was die Ehe de facto einfach nicht mehr ist. Sie ist eine simple vertragliche Konstellation im Leben zweier Menschen, nicht selten juristisch fixiert als Ehevertrag mit Hilfe eines Anwalts ihres Vertrauens. Damit ist die Ehe nicht viel anderes als ein Angestelltenverhältnis, das auch schriftlich fixiert und auf (meist) unbestimmte Dauer geschlossen wird. Und gar mancher Mensch wechselt im Laufe seines Lebens öfter den Lebens- oder Ehepartner als den Job…

Theoretisch haben die Bundesverfassungsrichter natürlich Recht, wenn sie betonen, dass der Schutz der Ehe im Grundgesetz verankert ist. Doch WAS bitt'schön, liebe Verfassungsrichter, ist denn nur exakt eine Ehe und was an ihr ist so besonders schützenswert? Sprechen der Volksmund und die Buchstaben des Gesetzes da überhaupt noch vom gleichen Begriff? Oder ist es nicht viel eher so, dass sich das Bundesverfassungsgericht - unerlaubterweise - gestalterisch betätigt, indem es nun zu erklären versucht, was eigentlich eine Ehe ist? Denn, wenn es um "Gleichstellung" geht, muss ja zunächst einmal klargestellt werden, was da wie gleichgestellt wird, denn in jedem Fall ist das Ergebnis ja eine Aufweichung eines uralten Begriffs. Wenn die (Homo)Ehe das gleiche ist oder sein soll wie die (konservative) Ehe, dann kann eine Ehe nichts anderes mehr sein, als eben ein Zusammenleben zweier Menschen auf Zeit, ohne Beachtung des Geschlechts. Daran ist aber nichts heiliges, es ist kein Bund für die Ewigkeit - und in jeder "wilden Ehe" herrscht genau so viel Liebe, Zärtlichkeit und Verbundenheit wie in einer "un-wilden" - pardon, vom Grundgesetz besonders geschützten - Ehe. Es ist menschlisch betrachtet alles das gleiche. Der einzige Unterschied ist ein Stückchen Papier, das fehlt - und mit ihm eventuell einige rechte. Und das soll all diesen Wirbel rechtfertigen? Ach ja, Gesetze sind ja auch auf Papier geschrieben - früher zumindest, als es noch kein Internet gab...

Ich für meinen Teil kann jedenfalls nicht mehr erkennen, was an einer Ehe noch so besonders schützenswert sein soll, wenn Männlein und Weiblein und alles dazwischen kunterbunt miteinander verbandelt eine Ehe sein sollen. Dabei störe ich mich weniger an der (Homo)Ehe, als vielmehr an dem verlogenen, scheinheiligen Festklammern an einem abstrakten konservativen Begriff, der mit dem heutigen Leben nicht mehr viel gemein hat. Ganz sicher nicht mehr die Wertvorstellungen, die die Verfasser des Grundgesetzes im Sinne hatten, als sie der Ehe einen besonderen Schutz zubilligten. Es ist eine überkommene gesetzlich verankerte Papiermoral, die genauso widersprüchlich ist wie das Aufhängen eines Kruzifix in bayerischen Schulen bei gleichzeitigem Verteufeln von Kopftüchern. Wenn schon ein alles gleich machendes Gender-Mainstreaming, dann bitte auch über Bord mit der Vorstellung, dass eine Ehe etwas besonderes ist. Die ist genauso überkommen wie die Vorstellung, dass wir ein christliches Land seien, wo doch jeder seinen speziellen Gott anbeten darf, insbesondere Allah.

Man kann nun mal nicht alles gleichstellen ohne alles gleich zu machen. Wenn wir alle Religionen tolerieren und akzeptieren und es jedermann erlauben, die Religion zu pflegen, die er mag, dann sind wir eben kein christliches Land mehr, sondern zahlen den Preis für unser Multikulti-Dasein: Es kann keine Leitkultur geben, wenn alles gleichgestellt sein soll. Wer das nicht versteht und akzeptiert, der hat ein Ehe-Problem: errare human est. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man Unterschiede pflegen kann, wenn man per Gesetz verordnet alles gleichstellt. Den Umgang mit Unterschieden, dem Anderssein, nennt man Toleranz. Das Gleichstellen von Unterschieden ist allenfalls der Versuch des Wegdefinierens von Unterschieden. Denn bereits das Wort "Gleichstellen" impliziert, dass da eben etwas nicht gleich ist - und dass die Menschen das auch so empfinden. Warum also nicht lieber eine sozial gesunde Toleranz pflegen? Die würde dann auch bei den Unterschieden funktionieren, die nicht gleichgestellt wurden. Sofern ich mich da jetzt nicht irre…

— 07. Juni 2013
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