Gibraltar

Der Skandalfelsen ist Europas Schandfleckt, meint Tom Borg

Gibraltar - seit 300 Jahren Zankapfel der Kolonialmächte Großbritannien und Spanien. Aktuell verschärft sich mal wieder der Ton, der Streit um Gibraltar droht zu eskalieren, denn Großbritannien schickt allen Ernstes Kriegsschiffe zu einem Manöver in die Region. Das ist europäische Realität im Jahre 2013, dem 300. Jahr der Eroberung durch Großbritannien. Seit 1713 gehört der 6,8 Quadratkilometer großen Felsen, von dem Spötter sagen er beherberge mehr Affen als Menschen, zu Großbritannien. Eine britische Kolonie mitten in Europa., die Spanien nie anerkannt hat. Entsprechend stacheln beide Seiten immer wieder gegen den anderen - und lassen dabei nur allzu gerne auch den gesunden Menschenverstand beiseite.

Im Zeitalter der Demokratie wäre es ja eine simple Frage der Abstimmung unter den Einwohnern Gibraltars. Doch ganz so einfach sollte man es sich vielleicht doch nicht machen. Denn damit würde sanktioniert, dass jeder ein anderes Land angreifen und erobern kann und - nachdem er ausreichend ihm genehme Bürger dort angesiedelt hat - einfach seine Anhänger abstimmen lässt, wenn das Fleckchen Erde jetzt eigentlich gehören soll. Damit würde der Stärkere immer gewinnen. Und in Sachen Kolonialrecht gewinnt heutzutage immer Großbritannien, die nicht nur in Sachen Gibraltar sondern auch bei den Falklandinseln eine Art Gewohnheitsrecht beanspruchen.

Natürlich stimmen die aktuell betroffenen Bürger für die größtmöglichen Nutzen für sich selbst. Aber man sollte auch klar herausstellen, dass es weder die Bewohner sind, die vor Jahrhunderten mit brutaler Militärgewalt besiegt wurden, noch deren direkte Nachkommen. Doch Großbritannien hat Erfolg im Aussitzen solcher Probleme. Auch Nordirland, in dem es immer wieder blutige Auseinandersetzungen gibt, gehört zum britischen Machtbereich.

Da stellt sich schlichtweg die Frage: Wie lange muss man ein fremdes Land, neu besiedelt, erobert halten, damit man es behalten darf? Wäre eine interessante Frage, denn 1990 durfte der Irak sein neues Protektorat Kuwaits nicht einmal länger als 2 Wochen behalten, bevor die USA mit Billigung der UNO dem Spuk ein Ende setzten. Wo ist die UNO, wenn es um die ebenfalls gewaltsam besetzen Kolonialgebiete Großbritanniens geht? Diese sind ja noch nicht einmal alleine die Bösewichter. Die Spanier waren in der Vergangenheit auch nicht allzu zimperlich. Südamerika kann bis heute keinen Polit-Gipfel abhalten ohne dass der spanische König mit am Tisch sitzt. Und das im Jahre 2013! Legitimiert durch UNO und das Jahrhunderte lange aussitzen der Proteste.

Der naheliegende Einwand, dass man das heute halt nicht mehr dürfe, weil es undemokratisch und gegen alle Konventionen wäre, wirft aber automatisch die Frage auf, warum vergangenes Unrecht nicht bereinigt wird? In Südamerika und Nordamerika lassen sich die Eroberungen kaum noch rückgängig machen. Auch in Afrika und Asien haben die Kolonialherrscher ganze Arbeit geleistet und sich Werte unter den Nagel gerissen, auf deren rechtmäßigen Besitzerstatus sie auf heftigste bestehen.

Aber Gibraltar? Jedes kleine Kind kann sehen, das Gibraltar keine Vorinsel Großbritanniens ist. Und auch der liebe Gott hat auf dem Felsen keine Engländer ausgesetzt, sondern die kamen aus eigenem Antrieb. Aber, welch Zufall, ausgerechnet Großbritannien wettert immer wieder gegen Europa und überlegt seinen Austritt aus der EU. Man sollte sie ziehen lassen, denn wer seine europäischen Mitbewohner mit militärischer Gewalt beraubt, der hat in einem modernen Europa nichts verloren.

— 17. August 2013
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