Politische Familienbande

Oder der Missbrauch von Freundschaft und Solidarität? Von Tom Borg

Manchmal muss man erst um den halben Globus reisen, um vom eigenen kleinen Mikrokosmus die Augen für die großen Probleme der EU geöffnet zu bekommen - obwohl es hier wie da eigentlich nur des normalen gesunden Menschenverstandes bedürfte.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als Jugendlicher mehrfach die Sommerferien in Südfrankreich verbrachte, wo man mir als Deutschen regelmäßig deutlich machte, dass wir nicht zu Leben verstünden. Recht hatten und haben sie, die Südländer. Die Lebenskultur ist dort sicherlich positiver. Seltsamerweise sind es aber gerade die Mittelmehranrainer inkl. Frankreich, die jetzt in wirtschaftlichen Turbulenzen stecken.

Das wäre an sich auch noch kein Thema, würde man nicht durch die EU wie in einer Familie gezwungen, auch die "Lebenskünstler" durch die eigene Arbeit mit zu unterstützen. Blut ist bekanntlich dicker als Wein... Aber die EU ist keine Familie - sie ist ein wirtschaftlicher Zweckverband...

Doch auch dies wäre eigentlich kein Drama, denn anders als die Familie kann man sich die Freunde aussuchen. Und gelegentlich gehen halt auch beste Freunde auseinander. Dann lernt man, dass der Verlust schmerzt aber letztlich doch auszuhalten ist, wenn man sich auf sich selbst besinnt und nicht den Fehler begeht, sich durch seine Freunde zu definieren. Doch genau diesen Fehler drängen Politiker aller Richtungen dem EU-Bürger auf. Europa und die Euro-Zone dürfen nicht auseinanderbrechen, weil es uns schaden würde. Als wenn das neurosenartige Zusammenkleben keine Schäden verursachen würde… Dabei festigt das gebetsmühlenartige Beschwören des Euro-Zusammenhalts letztlich nur das was der Bürger schon bei der Einführung der Einheitswährung zu spüren bekam: es wird alles teurer…! Aber eben nicht, weil der Wert oder die Qualität der Produkte steigen. Nein, der Euro spiegelt nicht den Wert der europäischen Wirtschaft wieder, weil diese selbst im besten Fall nicht einheitlich ist. Die Euro-Zone ist ein Handelsraum, der das Fließen des Kapitals erleichtert. Und wer daran das größte Interesse und die größten Vorteile hat, das zeigt der aktuelle Skandal um die Schwarzgeld-Milliarden der Griechen in der Schweiz. Während hierzulande die Steuerfahndung jeder Hausfrau beim Fremdputzen auf die Finger schaut, schaut die gesamt EU samt EZB und IWF weg, wenn es im die schwarzen Milliarden der Griechen geht. Dabei würde das Land schlagartig einen großen Teil seiner finanziellen Probleme loswerden, würde die Schweiz mal eben die hinterzogenen Steuern überweisen. Für deutsche Bürger gilt ja das gleiche Verfahren - womit wir wieder am Anfang der Geschichte wären: Ein Jeder kann und soll so leben wie er möchte. Aber es ist Schluss mit lustig, eine bodenlose Frechheit auf der einen und eine geradezu organisierte kriminelle Vorgehensweise auf der anderen Seite, wenn eine Hälfte von Europa jeden Cent brav versteuern und dann auch noch für Milliarden Euro bürgen und ggfs. zahlen soll, bloß weil ein Land wie Griechenland die Schwarzgelder seiner Bürger nicht einsammelt und von den EU-Institutionen auch nicht dazu gezwungen, ja nicht einmal gedrängt wird.

Wenn unterschiedliche Lebenseinstellungen aufeinandertreffen, dann knirscht es manchmal ganz gewaltig. Da ist Frust angesagt - und Unverständnis an der Tagesordnung. Aber weder der Euro noch die EU sind eine Familie in die man schicksalsartig auf Gedeih und Verderben hineingeboren wurde. Selbst auf Facebook kann man sich mit einem Klick ent-freunden... Warum etwas zwangsweise zusammenhalten, das ganz offensichtlich unterschiedliche Vorlieben, Interessen und Lebenseinstellungen hat? Dass einige Superreiche sich dumm und dusselig verdienen, während Hunderte Millionen Menschen dafür den Gürtel enger schnallen müssen, ist jedenfalls kein akzeptabler Grund…!

— 05. April 2015
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