Magersucht

Zwischen dem Willen zur Schönheit und dem Tod. Von Sarah Walter

Magersucht, der Drang dazu, immer weniger zu essen bis man nur aus Haut und Knochen besteht. betrifft in der Regel nur Mädchen im Teenageralter und junge Frauen. Sie versuchen gezielt sich abzumagern, nur um sich endlich schön und wohl zu fühlen.

Obwohl sie eigentlich normalgewichtig sind, fühlen sie sich dick bzw. haben das Gefühl, zu viel zu wiegen. Ich kenne dieses Gefühl. Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, denke ich: „Das muss alles weg!“, obwohl ich immer wieder gesagt bekomme, dass ich mehr essen solle, da ich viel zu dünn sei. Dabei denke ich immer, dass es gar nicht so sein kann, denn ich esse doch immer so gern.

In solchen Momenten, wenn ich mir mal eine Tafel Schokolade gönne, denke ich mir manchmal: „Wie schön ist es, nicht magersüchtig zu sein. Ich kann essen, was ich will und muss mir keine Sorgen um die ganzen Kalorien machen, die ich zu mir nehme.“ Aber dann denke ich wieder an die Mädchen, die das nicht so sehen. Ein Schokoriegel bedeutet gleich Alarmstufe rot und dann treiben sie sofort wie besessen Sport oder stecken sich den Finger in den Hals, damit es sich nicht ansetzt. Auch in den Umkleidekabinen höre ich jedes Mal beim Umziehen das Gejammer mancher Mädchen, die sagen: „Ich bin viel zu fett, ich muss unbedingt abnehmen.“ Jedoch gehöre ich gelegentlich auch zu diesen Mädchen. Wenn ich sie mir aber mal genau ansehe, sehe ich fast immer total dünne Mädchen, die einfach nur, genauso wie ich, unzufrieden mit sich selbst sind. Irgendwann fiel mir dann auf, dass so ziemlich jedes Mädchen nicht mit sich zufrieden ist. Lässt man sich das genau durch den Kopf gehen, machen doch erst diese Makel jemanden zu etwas besonderen. Leider gibt es auch Mädchen, die das nicht so sehen wie ich. Sie wollen immer perfekt sein, so wie ihre Vorbilder aus den Medien, die in Wahrheit auch nur ein Fake sind.

Diese Besessenheit nach Schönheit und der BMI lassen viele Mädchen verzweifeln und verunsichern und das führt dann oft zu der Magersucht, die auch tödlich enden kann. Sie wollen in die Size Zero passen und hat man erst angefangen, kann man gar nicht mehr allein aufhören. Zum einen physisch, weil der Körper sich auf das wenige Essen eingestellt hat und er es nicht vertragen könnte, auf einen Schlag mit so vielem Essen voll gepumpt zu werden, und zum anderen psychisch, weil sie sich zwischen dem möglichen Tod und der erhofften Schönheit entscheiden müssen. Das Schlimme an der ganzen Sache ist ja, dass sie nicht einsehen wollen, dass abgemagerte Menschen gar nicht so schön sind, sondern ihre Dürre nur diesen Anschein macht. Träte man ihnen jedoch gegenüber, ohne dass sie Kleidung tragen, hätte man das Gefühl, nur ein Skelett vor sich zu haben.

Dabei wird man mit Magersucht wohl man nie die Schönheit erreichen, die von innen heraus strahlt. Höchstens steuert man auf den Tod zu. Doch ganz abgesehen davon: Wollen, die Jungens, für die wir Mädchen das alles machen - wenn wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind - überhaupt so superschlanke Mädels oder sind sie in Wirklichkeit Fans von eher molligen Typen? Dieser Typ Frau prägte immerhin mit der sogenannten "Rubens-Fugur" einen Begriff, der bis heute überlebt hat. Und schauen Jungs allen Alters eigentlich nicht zuerst auf die Oberweite und dann auf das was sie "Fahrgestell" nennen? Und erst dann auf den verbleibenden Rest dazwischen? Denn seien wir doch mal ehrlich: wenn man jemanden umarmt, möchte man doch auch das Gefühl haben, etwas in den Armen zu halten - zumindest mehr als ein paar Dutzend Knochen…

— 24. November 2012
 Top