Auf der Flucht vor Krieg

Und auf der Suche nach Frieden. Von Tom Borg

Der Krieg, das war immer weit weg. Doch jetzt stehen die Kriegsflüchtlinge vor uns und fordern Asyl und Schutz vor den Regierungen, mit denen unsere Regierungen paktieren und Wirtschaftskonzerne gute Geschäfte machen von denen Arbeitsplätze und Wohlstand abhängen.

Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe, es gilt auch als Fest des Friedens. Es ist eine Zeit des Mitgefühls für den Anderen und seine Sorgen. Aber nicht immer können wir den an uns gestellten Ansprüchen gerecht werden. Und manchmal haben wir Angst um unser eigenes Wohlergehen.

Es sind keine neuen Bilder, wir sahen sie schon oft im Fernsehen wenn aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Afrika oder anderen Krisengebieten berichtet wird. Sie zeigen, wie Panzer und militärische Geländewagen durch die Gegend rollen, während Flüchtlinge, viele von ihnen Kinder, am Wegrand stehen und den Fahrzeugen traurig, manchmal mit leerem Blick, hinterher schauen.

Es sind einsame Menschen am Wegrand, traurige Kinder, die unschuldig weggezerrt werden und gar nicht verstehen, warum das alles passiert. Sie sind aber die Leidtragenden; sie müssen die Folgen des Kriegs, den sie nicht verursacht haben, ein Leben lang mit sich herumtragen. Werden sie ihre Erlebnisse je vergessen? Werden sie eines Tages verstehen, warum das alles passiert ist? Und was werden sie unserer Generation sagen, wenn wir sie eines Tages um Verzeihung bitten?

Die meisten von uns fragen sich vermutlich, warum sollten wir das überhaupt tun? Schließlich haben wir uns nichts vorzuwerfen, denn keiner von uns hat eine Waffe in die Hand genommen und einen Krieg angezettelt. Und das ist zweifelsohne richtig. Wir haben nicht geschossen, sondern Kreuzchen auf Wahlzettel gemalt. Und geschossen haben die Gewählten auch nicht. Nein, sie intrigierten nur - pardon, vertraten unsere nationalen Interessen. Doch waren es wirklich "unsere" Interessen?

Nein, ein Interesse am Krieg hatten und haben wir wohl nicht. Doch es lässt sich leider nicht leugnen, dass unsere nationale Wertschöpfungskette - oder auf gut deutsch: unsere Arbeitsplätze und damit unser Einkommen - sehr wohl von diesen Entwicklungen profitiert hat. Auch wenn wir das nicht immer auf den ersten Blick sehen wollen. Der Krieg und die Krisen sind immer weit weg. Wir haben lediglich eine vage Vorstellung von den Auswirkungen.

Der Krieg ist angekommen

Doch inzwischen sind die Bilder real. Die Menschen sind nicht mehr nur im Fernsehen zu sehen, sondern stehen vor uns auf der Straße, erbitten unsere Hilfe zur Linderung des Leids, das sie nicht verursacht haben.

Der Krieg, das war immer weit weg. Doch jetzt stehen die Kriegsflüchtlinge vor uns und fordern Asyl und Schutz vor den Regierungen, mit denen unsere Regierungen paktieren und mit denen unsere Wirtschaftskonzerne gute Geschäfte machen von denen wiederum unsere Arbeitsplätze und unser Wohlstand abhängt.

Die internationalen Konflikte, sie werden plötzlich zu unseren eigenen Konflikten und lösen weitere Konflikte her bei uns in Europa und auch in Deutschland aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Grenzen geöffnet bzw. offenen gelassen und damit Hunderttausenden die Einreise ermöglicht. Damit sind bei weitem nicht alle Bürger dieses Landes einverstanden - und auch unsere Nachbarländer schimpfen mit uns.

Es ist ein Dilemma in das wir uns per Kreuzchen ohne nachhaltige Kontrolle hinein manövriert haben: Weisen wir die Flüchtlinge ab, handeln wir unmenschlich. Nehmen wir sie auf, wird unser eigener Lebensstandard sinken. Denn wir können weder die Flüchtlinge alle integrieren noch können wir sie alle versorgen ohne selbst den Gürtel enger zu schnallen. Vor allem nicht, wenn die Lasten wieder beim sogenannten Kleinen Mann anfallen, der eh schon genug gebeutelt ist.

Inzwischen kommen aus der Politik immer lautere Forderungen nach einem Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge, einem Flüchtlings-Soli. Der wird auch bei uns die Stimmung weiter anheizen. Das Flüchtlingsthema ist ohnehin eine Ja-oder-Nein-Angelegenheit. Für die einen ist es eine Herzensangelegenheit, den Bedürftigen zughelfen. Die anderen sind mit einer großen Portion Wut im Bauch zu nahezu allem bereit, um das zu meiden.

So ähnlich fingen die Probleme auch in den Krisenregionen an. Erst waren es nur Meinungsverschiedenheiten und künstlich aufgeheizte ethnische Konflikte. Dann wurden daraus Kriege, die uns nun Flüchtlingsströme bescheren. Sind wir demnächst selbst auf der Flucht? Lernen wir das Leid am eigenen Körper kennen?

— 22. Dezember 2015
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