Google und die Presse

Ist der Teufel immer der böse? hinterfragt Tom Borg

Warum dürfen nur die Presseverlage ein Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen, während alle anderen Verleger und Autoren leer ausgehen? Wenn Presseverlage für eine kostenlose Listung und Indizierung in Suchmachinen Geld haben wollen, dann hätte ich als Kleinverlag das auch gerne.

Wenn der Beelzebub mit dem Teufel streitet, gibt es für die Engel nichts zu gewinnen. Nicht viel anders läuft es auch im aktuellen Streit um Leistungsschutzrechte. Nichts gegen Leistungsschutzrechte - und schon gar nicht gegen Vergütung von Urheberrechten und geistiger Arbeit. Doch warum nur die Presse? Warum dürfen nur die Presseverlage ein Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen, während alle anderen Verleger und Autoren leer ausgehen?

Ein Leistungsschutzrecht gibt es beispielsweise auch in der Musik für die ausübenden Musiker und Sänger, die live performen oder an Tonaufnahmen mitwirken. Jeder Musikproduzent lässt sich diese Leistungsschutzrechte gegen Zahlung eines Honorars abtreten. Denn ansonsten müssten alle Studiomusiker an den Erlösen der Aufnahme beteiligt werden. Bei Zeitungsverlagen ist es nicht anders. Die Verlage besitzen die Leistungsschutzrechte ihrer Autoren.

Doch warum sollen ausgerechnet Presseverlage für dieses Leistungsschutzrecht spezielle Zahlungen erhalten, während andere Verlage leer ausgehen? Von den Millionen Webseiten ganz z schweigen. Doch auch diese erstellen eine Leistung, die nicht selten eigentlich höher zu bewerten ist als die der Presseverlage. Denn letztere greifen in großem Umfang auf die Angebote der Agenturen zurück. Was das bedeutet, merkt man spätestens dann, wenn man sich bei Google durch alle angegeben Links einer Meldung klickt. Hat man eine gelesen, kennt man alle, denn sehr oft basieren sie allesamt auf der gleichen Agenturmeldung, die nur geringfügig umgeschrieben bzw. umgestellt wurde.

Webmaster hingegen werden von Suchmaschinen brutal abgestraft, wenn sie anderer Seiten Inhalte nachkauen. Und auch die Besucher bleiben irgendwann weg, wenn sie im Wesentlichen nur umgeschriebene Texte präsentiert bekommen. Damit ist heutzutage für einen Hobbywebmaster und auch für Kleinverlage kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Deshalb sind es auch immer wieder engagierte Amateure, die neben ihrem Beruf stundenlang an Webseiten arbeiten, Materialien recherchieren und gute Inhalte anbieten. Aber für sie gibt es kein Leistungsschutzrecht. Warum eigentlich?

Missbrauchte Pressefreiheit

Dass Zeitungverlage es nicht leicht haben, mit ihrem 100 Jahre alten Konzept Geld zu verdienen ist kein Wunder und allgemein bekannt. Was aber immer wieder verwundert, ist die Art und Weise wie Presseverlage und deren Habitus verhätschelt werden. Die Presse sei wichtig zur Erhaltung der Meinungsfreiheit, lautet das Mantra. Doch die Erfinder des "Artenschutz" für Presse und Journalisten hatten dabei sicherlich nicht im Kopf, ein Geschäftsmodell zu schützen, bei dem eine Handvoll Agenturen Meldungen verbreitet, die anschließend in Hunderten von Presseerzeugnissen nicht oder nur leicht abgewandelt nachgebetet werden.

In Zeiten, wo sich selbst die altehrwürdige Tagesschau vorsichtig aber stetig den News-Shows der privaten Anbieter annähert und wo auch der nackte Busen der BILD-Schönheit ein Presseerzeugnis darstellt, ist mit der sprichwörtlichen Pressefreiheit kein Staat mehr zu machen. Die vorgegebene Auflageerwartung ist selbst der größte Feind der Pressefreiheit. Zeitungen und Zeitschriften beschränken sich immer mehr darauf, einem möglichst lukrativen Leserkreis die Inhalte und Meinungen zu liefern, die der Leser bevorzugt hören bzw. lesen wollen. Nackte Busen, Klatsch und Tratsch über Prominente und solche die es gerne wären gehören ebenso zum "schützenswerten" Inhalt der Presseverlage wie umfangreiche Sportteile und Kleinanzeigen um die herum sich primär umgeschriebene Agenturmeldungen tummeln. Was bitteschön ist daran so schützenswert, dass Politiker gleich den Zusammenbruch der Demokratie befürchten, wenn die Hälfte dieser Mainstream-Medien verschwindet?

Eigentlich jammern deutsche Presseverlage auf einem recht hohen Niveau. In anderen Ländern haben Zeitungen geklagt, um IN den Index von Google aufgenommen zu werden. Hierzulande gibt es die Links, von denen auch die Presseverlage leben, kostenlos. Immerhin erbringt Google eine Dienstleistung für die Presseverlage für die es auch ein Entgelt verlangen könnte.

Leistung muss sich für alle lohnen!

Suchmaschinen helfen dem Surfer Inhalte zu finden und leiten die Suchenden auf die gefundenen Angebote weiter. Solange Google nicht gleich den kompletten Inhalt bereitstellt, wie das beispielsweise bei der Google Bildersuche der Fall ist, wo der Besucher gar nicht mehr zur Webseite surfen muss, ist es doch letztlich eine Dienstleistung auch für Presseverlagen, die dafür nichts bezahlen müssen. Google könnte ja auch Geld verlangen, wenn die Inhalte der Presseverlage im Index an prominenter Stelle gezeigt werden. Denn was diese Listungen in Google News wert sind, das versteht man wohl erst dann, wenn man selbst einmal versucht dort mit Meldungen zu erscheinen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass Google News gleich mehrere Links mit ähnlichen und teilweise sogar wortgleichen Inhalten auflistet. Davon können private Webseiten nur träumen, selbst wenn sie beste Inhalte haben. Google straft Webseiten brutal ab, wenn sie Inhalte anbieten, die es so auch auf anderen Webseiten gibt. Nach dem Algorithmus dürfte nur eine Agentur-gestützte Meldung zu einem Thema unter den ersten drei Links sein. Da würden die Presseverlage vermutlich wieder laut schreiben und zum Kartellamt rennen.

Man kann Google zweifelsohne eine ganze Menge vorwerfen, denn die Herrschaften wissen, wie man Geld macht - und vor allem seine Vormacht behält. Doch wenn Presseverlage für eine kostenlose Listung und Indizierung auch Geld haben wollen, dann hätte ich das als Kleinverlag auch gerne und bezeichne jeden Politiker der mir dies verweigert als korrupten Kapitalisten-Vasallen. Denn über Meta-Tags stellen andere Webseiten auch Textschnipsel bereit, die von Google im Index angezeigt werden.

Auch Fundstellen, die Google im Index anzeigt, sind Textstellen, die zum einen dem Urheberrecht unterliegen und zum anderen genauso ein Leistungsschutzrecht begründen sollten wie die Meldung, dass Promi X mit Promi Y auf einer Party geknuscht hat. Schreibt ein Partybesucher diese Meldung für seinen eigenen Blog, dann ist es sein Privatvergnügen. Reicht er jedoch die exakt gleiche Meldung bei einer Zeitung ein, entsteht plötzlich ein Leistungsschutzrecht für das der Presseverlag bei Google abkassieren möchte, während der Blogger schon froh sein darf, wenn Google seinen Beitrag überhaupt in den Index aufnimmt.

Für mich ist das unverständlich, sofern man einmal vernachlässigt, dass es hier schlichtweg darum geht, dass die Politik ihre stinkreichen Medienfreunde bedienen möchte. Ich habe beispielsweise im Laufe der letzten 35 Jahre über 40.000 Buchseiten Text geschrieben. Aber leider wurden sie nicht in einer Zeitung veröffentlicht, sondern primär von normalen Buchverlagen und neuerdings Webseiten - und das ist in diesem unserem Lande keine rechtlich anerkannte Leistung, denn ein Leistungsschutzrecht gibt es dafür nicht…

Vorschlag von einem Politik-Dilettanten: Google zahlt den Presseverlagen ihre 11% und kassiert im Gegenzug von allen Firmen die mehr als 1 Millionen Umsatz im Jahr machen Gebühren für die Listung. Dann hätten wir "Kleine" auch wieder eine Chance gegen die Großen - wenn wir weiterhin auf das Geld verzichten, das wir derzeit sowieso nicht bekommen…

— 30. Juni 2014
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