Die Kunst glücklich zu sein

Nach einer Glücksformel sucht Tom Borg

Herbert von Karajan hat einmal gesagt, wer alle seine Ziele erreiche, der habe sie nicht hoch genug gesetzt. Für ihn war das Streben nach Neuem, die Herausforderung die Würze des Lebens. So wie es die Städter aufs Land zieht, während die Leute vom Land das Glück in der Stadt suchen. Dabei liegt es oftmals direkt vor den Füssen. Man muss es nur aufheben und annehmen.

Ein altes Ehepaar gefragt worin das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe besteht antwortete: Abends niemals schlafen gehen ohne sich zu versöhnen. Zweifelsohne, das Versöhnen ist beim Streiten stets das Beste, aber reicht das für ein langes glückliches Leben…?

Geradezu antiquiert klingt die Lebensphilosophie einer alten Frau, die sieben Kinder groß gezogen hatte und in ihrem Leben nur selten aus ihrem Heimatdorf herausgekommen war. Sie meinte auf die Frage, wie man mit nichts anderem als Familie, Küche und Haushalt zufrieden sein kann lächelnd: Ich bin glücklich, wenn meine Familie glücklich ist.

Alice Schwarzer stehen ob dieser Antwort vermutlich die Haare zu Berge, wohingegen eine Mutter Theresa kopfnickend zugestimmt hätte. Geben ist seliger denn nehmen. Und auch die Logik sagt uns: Wenn ein jeder versucht, die seinen glücklich zu machen, denn müsste das Glück doch tausendfach zurückkommen…?

Doch darauf kam es jener Frau gar nicht an. Sie erwartete nicht, dass alle es ihr gleich taten und sich aufopfernd um sie kümmern. Nein, sie erfreute sich an den glücklichen Gesichtern ihrer Familie, wenn sie deren Lieblingsessen gekocht hatte. Das Glücksgefühl, das ihr Herz erwärmte, war das Wissen, die die Menschen, die sie liebte, glücklich waren, sich wohl fühlten. Es freute sie, ihre Kinder gut umsorgt zu wissen, sicher zu sein, dass ihre Kinder sich freuten, nach der Schule oder des Abends nach Hause zu kommen in einen Hort der Liebe.

Was ist falsch daran? Dass es nicht mehr in unser heutiges Bild von Karriere und Selbstverwirklichung passt? Wie dumm erscheint mir da doch unser Streben nach Erfolg und Anerkennung, wenn ich sehe, wie jemand im innersten seines Herzen glücklich und zufrieden ist, wenn er Liebe geben kann, die seinen versorgt und glücklich weiß. Diese Frau musste sich kein hohes Ziel setzen, dem sie ihr halbes Leben lang hinterher hechelte. Sie war einfach zufrieden mit dem was sie hatte und machte das Beste daraus – für sich und ihre Lieben.

Herbert von Karajan hat einmal gesagt, wer alle seine Ziele erreiche, der habe sie nicht hoch genug gesetzt. Für ihn war das Streben nach Neuem, die Herausforderung die Würze des Lebens. So wie es die Städter aufs Land zieht, während die Leute vom Land das Glück in der Stadt suchen. Dabei liegt es oftmals direkt vor den Füssen. Man muss es nur aufheben und annehmen. Doch dafür müsste man zufrieden sein können, mit dem was man hat. Und dies ist eine Kunst, die leider nur wenige beherrschen. Die meisten Menschen gelüstet es nach mehr – und bekommen sie es nicht, sind sie unzufrieden. Wie weise klingt da doch die Lebensformel der alten Frau, die sich daran erfreute, dass die Menschen die sie liebte glücklich waren…

— 21. März 2012
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