Null Bock auf Nix

Irgendwoher kenne ich das doch, meint Tom Borg

Null Bock auf Nix habe ich auch, wenn ich mir Euro-, Finanz- und Politik- und Vertrauens-Krise anschaue - von den Sinnkrisen des Lebens ganz zu schweigen. Aber ganz viel Bock hätte ich darauf, dass die heutige Jugend es einmal besser macht.

Ja, ja, die Jugend. Jede Generation schimpft auf sie - nachdem sie die eigene Jugend hinter sich hat... Dabei hat man es als Jugendlicher ja nun wirklich nicht leicht, seinen Weg zu finden. Die Spielregeln des Lebens werden regelmäßig umgestaltet. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem älteren Unternehmer, der inzwischen auf die 90 zugeht. Der meinte Mal zu mir: "Früher war das alles ganz einfach. Wenn jemand muckte, dann gab's was auf die Fresse - und gut war." Das mach mal als Jugendlicher heute; da gibt's nix als Ärger.

Zu meiner Zeit, die immerhin auch schon ein knappes halbes Jahrhundert her ist, war das alles noch etwas leichter. Wir Jungs machten damals noch Schwachsinn wie auf Bäume klettern - je höher und schneller oben, desto höher die Anerkennung der anderen. Aber finde mal in unseren heutigen Städten einen Baum auf den man klettern kann. Wenn man tatsächlich einen findet und man es versucht, dann rückt gleich die Ordnungsmacht samt Verstärkung an und holt per Leiterwagen der Feuerwehr den Jungen aus dem Baum herunter - und schickt den Eltern die Rechnung für den Einsatz. Und dann gibt's wieder nix als Ärger...

Wie soll man als Jugendlicher sich - und noch vielmehr den anderen - beweisen, dass man was drauf haut? Mit schulischen Leistungen - dann ist man der ausgegrenzte Streber; mit Komasaufen bis die Ambulanz kommt - das gibt auch wieder nix als Ärger und so mancher ist sich inzwischen selbst zu schade dafür. Was also tun?

Wenn ich meine Jugendzeit vergleiche mit dem was heutzutage so abgeht, dann fällt mir auf, das die jungen Leute mit denen ich zu tun habe einen ausgeprägten Sinn für Cliquenbildung haben. Klar, Cliquen gab es auch zu meiner Zeit schon - und man war IN, wenn man in der richtigen drin war. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass dies heutzutage alles viel feinsinniger abläuft. Damit verbunden zwangsläufig auch der ausgeprägtere Sinn für soziale Netzwerke, die es im heutigen Umfang zu meiner Zeit noch gar nicht gab. Da musste anstelle von Facebook das "schwarze Brett" oder die Schülerzeitung herhalten, was natürlich keinem Vergleich standhält. Dennoch gab es soziale Netzwerke zu allen Zeiten in den unterschiedlichsten Varianten. Doch nie waren sie so wertvoll wie heutzutage, wo es von allem zu viel gibt - auch von Arbeitsuchenden. Der aktuellen Politikergilde halten wir gerade dieses Netzwerk-Gekungel als verwerflich vor, aber die heutige Jugend, die mit am lautesten dagegen schreit, baut selbst Netzwerke auf, von denen auch die gewieftesten Politiker noch etwas lernen können. Bereits heutzutage funktionieren große Deals oft nur noch über die Netzwerke der Top-Manager, denn im technisierten Informationszeitalter liegen die Preis-/Leistungsverhältnisse der TOP-Unternehmen oftmals dicht beieinander, so dass nicht der zu erwartende Gewinn - gleich wie man ihn auch definiert - den Ausschlag gibt, sondern eher das Image, das Prestige, das man selbst daraus ziehen kann. Und so kungelt es sich durch Politik und Wirtschaft - und die heutige Jugend schaut genau zu und lernt wie man das besser machen kann ... das Kungeln...

Soll man es jetzt gutheißen oder schelten? Ich finde eine der offensichtlichsten Stärken der heutigen Jugend liegt im Gestalten von sozialen Netzwerken und dem Leben in und mit Interessengruppen und den damit verbunden persönlichen Kompetenzen, die man sich aneignen muss. Es ist zweifelsohne eine Kunst für sich und sicherlich hilfreich für das gesellschaftliche Leben - und gleichzeitig auf seine ureigene Art und Weise gefährlich. Erinnere ich mich noch einmal an meine Schulzeit, dann waren die lautesten "Null Bock auf Nix" Schreier jene 68-er Joint rauchenden Hippies, die zwei Jahrzehnte später die Joints gegen maßgeschneiderte Anzüge eintauschten und seitdem über Joint rauchende Nichtsnutze schimpfen und alles das tun, gegen das sie als Hippies demonstriert haben. Auch "Die Grünen" waren - lang ist's her - einmal angetreten, das System zu ändern. Inzwischen hat das System die ehemals töpfernde, Söckchen strickende Öko-Truppe geändert. Sie haben sich angepasst, spielen das Spiel nach den Regeln derer, gegen die sie eigentlich ankämpfen wollten.

Warum ich darauf anspiele, vom Thema abweiche? Weil es das Thema ist! Null Bock auf Nix habe ich auch, wenn ich mir Euro-, Finanz- und Politik- und Vertrauens-Krise anschaue - von den Sinnkrisen des Lebens ganz zu schweigen. Aber ganz viel Bock hätte ich darauf, dass die heutige Jugend es einmal besser macht. Denn clevere, gut ausgebildete, zielstrebige und charakterstarke Jugendliche gibt es zweifelsohne eine ganze Menge. Die Frage ist: Wie viele davon werden vom System glattgeschliffen, bis sie an den Positionen gelangen, an denen sie etwas ändern könnten? Vielleicht helfen ja die modernen sozialen Netzwerke dabei, diesen Weg zu verkürzen oder den Rücken zu stärken - inklusive massiver Kritik, wenn einer vom selbst definierten Pfad der Tugend abdriftet - oder rechtzeitig einen aufstrebenden Stern zu löschen, bevor dieser Unheil anrichten kann. Zu wünschen wäre es. Denn wie sagte einst ein älterer Herr, der eigentlich wissen musste wovon er sprach: "Ich weiß nicht ob es besser wird, wenn es sich ändert; aber es muss sich ändern, wenn es gut werden soll." Das unterschreibt garantiert jede Generation...!

— 17. Mai 2012
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