Heiligt der Scheck die Mittel?

Über Moral und Profite sinniert Tom Borg

Statt "Ohne diese Vereinbarung hätten wir in den USA kein Geschäft machen können" könnte man auch sagen "Mit dieser Vereinbarung wollen wir in den USA kein Geschäft machen". Aber Dollars in der Tasche wiegen manchmal schwerer als ein reines Gewissen.

Das interessanteste steht immer im Kleingedruckten. Das weiß jeder Anwalt und auch der mündige Bürger erlebt es immer öfter. Dass die Deutsche Telekom bereits bei der Übernahme der US-Telefonfirma Voice-Stream Wireless in 2000 mit dem FBI eine vertragliche Regelung zum Abhören schloss, ist zwar eine Neuigkeit, aber irgendwie interessiert es kaum noch, weil viele dies oder ähnliches eigentlich längst vermuteten und jedem internationalen Unternehmen unterstellen.

Die Telekom bestätigt das auch indirekt mit der Information, es handele sich dabei um das so genannte CFIUS-Abkommen, das die Telekom bei der Übernahme von Voice-Stream vor rund 13 Jahren abschließen musste. Damit will man in Amerika erreichen, dass sich ausländische Tochterunternehmen in den USA an dortiges Recht halten und die ausländischen Investoren sich nicht einmischen. Deshalb müssen alle ausländischen Unternehmen diese Vereinbarung unterzeichnen, wenn sie in den USA investieren wollen.

So weit so gut. Woran ich mich störe, ist das unscheinbare Wörtchen "wollen". Dieses Wort signalisiert - im Gegensatz zu "müssen" - immer das Vorhandensein von Optionen, die Möglichkeit, auch anders handeln zu können. Und damit gilt nicht die Entschuldigung "es blieb uns gar nichts anderes übrig", sondern vielmehr der knallharte Vorwurf: "es wurde billigend in Kauf genommen". Man wollte Geschäfte machen. Und das ging nur nach den Spielregeln der amerikanischen Behörden. Doch man hätte auch in anderen Ländern investieren können. Aber deutsche Firmen investieren lieber in den USA, weil die Gewinnmöglichkeiten dort höher sind. Doch kann man damit abhanden gekommene Skrupel entschuldigen? Erlaubt ökonomischer Erfolg das Missachten moralischer Grundsätze? Oder gelten Moral und Ethik auch im Geschäftsleben?

Offenbar ist nicht nur Bankern der Sinn für Recht und Gerechtigkeit abhanden gekommen. Denn statt "Ohne diese Vereinbarung hätten wir in den USA kein Geschäft machen können" könnte man ja auch sagen "Mit dieser Vereinbarung wollen wir in den USA kein Geschäft machen". Aber Dollars in der Tasche wiegen offensichtlich schwerer als ein reines Gewissen. Wobei der Gipfel der Verwerflichkeit ist, dass CFIUS die Dinge nach amerikanischen Interessen regelt, was auch die Deutsche Telekom, stellvertretend für andere betroffene Unternehmen, einräumt, wenn sie durchblicken lässt, dass die Telekom beziehungsweise ihre US-Tochter nicht nur Zugriff auf umfangreiche Daten wie Verbindungs- und Rechnungsdaten gewähren muss, sondern der Konzern nach diesem Vertrag auch dazu verpflichtet ist, solche Daten nicht zu löschen - auch wenn ausländische Gesetze dies vorschreiben sollten.

Gesetzeskundige Buchstabenverdreher mögen mich korrigieren, wenn ich jetzt etwas falsches schreibe, aber das absichtliche Nichtbeachten von bestehenden Gesetzen ist - Gesetzesbruch! Somit hat sich die Deutsche Telekom - und wer weiß wie viele andere Unternehmen auch - vertraglich verpflichtet, die Gesetze anderer Länder zu brechen - um in den USA Kohle zu machen...?! Meine zwei Semester Recht liegen schon viele Jahre zurück, doch ich meine mich zu erinnern, dass ein Vertrag, der einen Vertragspartner dazu verpflichtet, Gesetze zu brechen, sittenwidrig und damit nichtig ist. Auf jeden Fall ist es hochgradig unmoralisch, wissentlich gegen Gesetze zu verstoßen um Dollars zu schaufeln. Und das Anhalten dazu letztendlich auch.

Doch kann man sich bei widersprechenden Gesetzeslagen überhaupt entscheiden, wessen Gesetze man befolgen möchte und wessen nicht? Befindet man sich da nicht in einem Entscheidungsdilemma dessen einzige Lösung darin besteht, seine eigenen Wünsche soweit zurückzuschrauben, bis man in der Lage ist, die Gesetze aller beteiligten Länder zu erfüllen? Natürlich geht das zu Lasten des Profits. Aber heiligt der Scheck wirklich immer die Mittel? Und wollen wir als Staat, als Gesellschaft, wirklich immer und in jedem Fall die moralische Absolution erteilen? Immerhin fällt es auf uns alle zurück, wenn es im Ausland heißt: Deutsche Firmen verstoßen gegen unsere Gesetze, um in den USA Profit zu machen. Nur weil ich ein deutscher Bürger bin, möchte ich aber dafür nicht auch noch gradestehen müssen…

— 25. Juli 2013
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