Habemus Papam

Wie viel vom Geist Malachias' saß in dem Konklave? fragt sich Tom Borg

Prophezeihungen und Verschwörungstheorien, politische Ränke und ein wenig christlicher Glaube vernebeln die Wahl eines jeden Papstes. Doch wie viel Politik und wie viel Religion entscheidet letztlich, wer Oberhirte der katholischen Kirche wird?

Die katholische Kirche mit dem Papst als Oberhaupt ist das Sinnbild von Religion und Glaube schlechthin. Doch machen wir uns nichts vor: Beim Glauben geht es um Gott, beim Konklave um Politik. Und deren oberstes Ziel ist es, die Kirche und ihre Macht zu erhalten und dazu alles zu unternehmen, um die Kirche positiv darzustellen. Da ist kein Raum für Experimente, Klärungen oder gar visionäre Gedanken.

Doch gerade letztere geistern immer wieder umher - nicht erst seit dem Rücktritt von Benedikt XVI.. Schon seit Jahrhunderten lesen die Menschen mit gruseliger Faszination die sogenannten Papst-Prophezeiungen des Malachias. Und obwohl diese heute mit großer Wahrscheinlichkeit als eine Fälschung gelten, die dem Malachias letztlich zugeschrieben wurden, treffen sie gelegentlich erstaunlich gut mit der Realität zusammen - zumindest wenn man bereit ist, das so zu sehen.

Gerade liefern uns Malachias' Prophezeiungen wieder eine einfach zu belegende Richtigkeit, denn sie sagten voraus, dass der 265. Papst außergewöhnlich lange im Amt bleiben wird, was bei Johannes Paul II. ja auch der Fall war. Dem Nachfolger wurde hingegen nur eine kurze Amtszeit in Aussicht gestellt, was ebenfalls eintraf. Und da soll man nicht ins Grübeln kommen?

Doch mich beschäftigt angesichts solcher Übereinstimmungen eher die Frage: Wie viel davon ist selbstbestimmt, also eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Joseph Ratzinger war immerhin ein äußerst belesener Theologe, der mit Sicherheit alle diese alten Schriften kennt - und somit auch die Prophezeiung über sich selbst. Und dennoch hat er diese Prophezeiung durch seinen Rücktritt wahr gemacht. War es Absicht? Wollte Benedikt durch sein Handeln das Augenmerk auf all diese Verschwörungstheorien, die sich ja auch um seinen Rücktritt selbst ranken, absichtlich anfachen, weil er auf anderem Wege keine Kraft mehr fand, die Diskussion zu entfachen? Spielte Ratzinger mit dem öffentlichen Fantasien um den sogenannten letzten Papst?

Immerhin geht es ja um nicht weniger als den Fortbestand der Kirche, ja der ganzen Menschheit. Denn die letzte, die 112. Prophezeiung besagt: In der letzten Verfolgung der heiligen römischen Kirche wird Petrus Romanus regieren, der seine Herde inmitten vielen Kummers ernähren wird. Danach wird die 7-Hügel Stadt vernichtet und der furchtbare Richter wird über die Menschen richten. Das Ende.

Es ist umstritten, ob mindestens ein Papst eine ähnliche mystische Vision hatte. Überliefert ist jedoch, dass im Jahre 1909, bei einer Audienz des Papstes, sich Pius X zurück lehnte und seine Augen schloss. Plötzlich schreckte er auf und schrie: Was ich sehe ist schrecklich, betrifft es mich selbst oder einen meiner Nachfolger?

Sicher ist nach der Aussage von Pius X., dass der Papst den Vatikan verlassen muss, auf einer Wegstrecke über die toten Priester hinweg. Dies deckt sich mit dem sogenannten 3. Geheimnis der Fatima-Prophezeiung. Auch sie spricht von einem von Kummer gezeichneten Kirchenoberhaupt, das durch eine zerstörte Stadt mit vielen Leichen wandelte. Während des Gebetes für die Verstorbene Seelen soll er dann erschossen werden. Das Ende der Kirche?

Prophezeiungen und Verschwörungstheorien

Der berühmte Seher Nostradamus, aus dessen Worten sich meist alles und auch nichts herauslesen lässt, schreibt über den Nachfolger Johannes Paul II. recht konkret: "Schwarz - Weiß zu Blau verbirgt sich in der Erde".

Josef Ratzinger kommt aus Bayern dessen Farben Weiß/ Blau sein. Über den Rest dieser Prophezeiung wurde viel spekuliert und wie fast immer wird man die Verschlüsselung des Nostradamus erst nach Eintreffen lösen können. Doch in diesem Fall wage ich eine Interpretation, die eigentlich naheliegend ist: Wenn man den ersten Teil schon als erfüllt ansieht, dann sollte der zweite wohl auch zutreffen. Benedikt XVI. sagte über seine bevorstehende Zukunft, er wolle sich ins Kloster zurückziehen und seine Zeit mit Gebeten und Meditation verbringen. Ratzinger "vergräbt" sich im Kloster - er "verbirgt sich in der Erde"…?

Egal, wie ernst man solche Prophezeiungen nimmt oder schlichtweg ignoriert, bekannt sind sie allemal. Auch Joseph Ratzinger kennt sie sicherlich alle und hat garantiert über sie nachgedacht. Und trotzdem trat er zurück und vergräbt sich im Kloster bei Gebet und Meditation? Macht er durch sein Handeln diese Prophezeiung nicht erst wahr? Er hätte ja auch gegen diese Prophezeiung ankämpfen und sie damit Lügen strafen. Aber er tat es nicht! Warum nicht?

Auch die Kardinäle des Konklave kennen solche Prophezeiungen wie auch die des Nostradamus: "Wenn ein schwarzes Wesen Papst wird, geht die Welt unter". Doch auch wenn es vor dem Konklave immer wieder hieß, dass die Hautfarbe für die Papstwahl keine Rolle spiele, wäre es wohl politisch unklug gewesen, einen Kardinal Peter Turkson aus Ghana, dessen Name immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, zum Papst zu wählen? Wäre es nicht ein gefundenes Fressen für all die Verschwörungsfanatiker wenn wir auf alle diese Spekulationen auch noch einen Papst aus Afrika wählen würden?

Wie viel von diesen Gedanken spielten eine Rolle im Konklave? Mögen all die Prophezeiungen und Verschwörungstheorien Unsinn sein oder auch nicht, populär sind sie allemal. Und der Papst als politisches Oberhaupt der Kirche, das er nun einmal ist, muss darauf Rücksicht nehmen. Und das gilt wohl genauso für die Kardinäle im Konklave bei der Papstwahl. Somit bleibt die Frage: Wie viel vom Geist Malachias' saß in dem Konklave?

Wenn aus Glaube Politik wird

Nun haben wir mit Franziskus einen neuen Papst, der sich entgegen der Prophezeiung nicht Paulus nennt. Jorge Mario Bergoglio gilt als wortkarg und medienscheu. Er hält Distanz zur Politik und prangert Missstände mit klaren Worten an wie Korruption, Armut und Ungerechtigkeit. Er ist ein Intellektueller, der bei Treffen der Kardinäle gerne in der zweiten Reihe saß statt in der ersten. Der Prototyp eines charismatischen Hirten, der seine Schäfchen mit starker Hand in eine glückliche Zukunft führt, sieht anders aus.

Hat die Kurie sich absichtlich einen Papst gewählt, der an seinem Amt scheitern muss? Einen, den sich die politikerprobten Kardinäle des Vatikans vor den eigenen Wagen spannen können? Dann könnte die 3. Weissagung Fatimas doch noch wahr werden. Denn angeblich soll Papst Johannes XXIII beim Lesen des Abschnitts "dass der Papst seine Herde betrügen und seine Schafe zum Schlachten, dem Vermächtnis von Luzifer selbst, überlassen werde", von seinen Emotionen überwältigt einen Ohnmachtsanfall gehabt haben, bei dem Gedanken, er könnte Teil dieser Prophezeiung sein.

Nimmt man diese Passage etwas weniger wörtlich und Luzifer als Symbol alles Bösen, dann können Skandale wie Missbrauch in der Kirche, Homo-Zirkel die als Kirchenobere ausleben, was sie ihren gläubigen Schäfchen untersagen wollen, oder generell das Finanzgebaren des Vatikans, dem immer wieder Geldwäsche und gern genommene Spenden aus unchristlichen Quellen nachgesagt werden, durchaus als Betrug an der Herde betrachtet werden, wenn der Papst dem nicht mutig entgegentritt und die Missstände erfolgreich bekämpft.

Aber kann Franziskus als Intellektueller aus der zweiten Reihe der Macht das wirklich leisten? Oder wurde er gerade deshalb gewählt, weil man hofft, dass er daran scheitert und alles so belässt wie es ist? Dann hätte die Kirche in der Tat einen Schritt in Richtung ihres eigenen Untergangs getan und Malachias, der die nach ihm benannten Prophezeiungen vermutlich gar nicht verfasst hat, würde im Nachhinein recht behalten. Prophezeiungen die sich selbst erfüllen? Wie viel davon ahnte, dachte oder fürchtete Joseph Ratzinger als er seinen Rücktritt bekannt gab? Er möchte den Rest seines Lebens mit Gebet und Meditation verbringen - weiß er, dass er damit, seinem Glauben folgend, mehr für die Menschheit erreicht als er es als Papst vermocht hätte?

— 14. März 2013
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