Symbole und Respekt

Zelebrierte Medienspektakel - und mehr nicht? Von Tom Borg

Wir beten das Kreuz Christi an und verneigen uns vor der Krone von Königen. Nichts gegen die Menschen denen diese Symbole etwas bedeuten und die sich aus tiefster innerer Überzeugung verbeugen. Aber das öffentliche Zelebrieren dieser Symbole macht daraus eine Show. Es wirkt wie eine Farce wenn einige wenige einem Symbol huldigen, und Dutzende von Journalisten und Fotografen umherlaufen auf der Jagd nach dem besten Foto.

In schöner Regelmäßigkeit kann man im Fernsehen miterleben, wie der Staat und öffentliche Würdenträger sich selbst zelebrieren. Manchmal ist es schon geradezu kindisch lächerlich das zu sehen. Typisches Beispiel ist der Bundestag wenn Mal wieder eine Vereidigung ansteht oder ein besonderer Anlass gegeben ist. Dann stehen alle voller – gespielter? – Ehrfurcht auf und singen brav die Nationalhymne. Wirklich alle? Nein, mitnichten. Man schaue nur auf die ganzen Fotografen und Kameraleute des Fernsehens. Wie die alle herumrennen und sich gegenseitig wegschubsen um selbst das beste Bild vom ergriffenen Bundestagspräsidenten zu schießen. Haben die keine Nationalhymne? Gilt die nur für die ausübenden Politiker im Bundestag? Andere mögen dies anders sehen, aber auf mich wirkt es einfach nur lächerlich, wenn da die versammelte Politprominenz mit ernster Mine stehend die Nationalhymne singt und Fotografen und Journalisten dazwischen herumrennen um die besten Fotos zu schießen. Das degradiert alle Teilnehmer bis hin zum höchsten Mann im Staat zu Statisten, Schauspieler die Show abliefern. Mit tiefen, inneren Respekt, den sicherlich einige der Politiker empfinden, hat das alles nichts mehr zu tun. Es ist einfach nur ein Medienspektakel, ein zelebriertes Symbol des Staates.

Dabei macht dieses Zelebrieren nicht bei der Politik halt. Im Gegenteil, Religion und Kirche setzen geradezu darauf. Selbst de Papst als Oberhaupt der Kirche spricht seinen Segen auf dem Petersplatz nicht – zumindest kommt es so rüber – für die Gläubigen sondern in erster Linie für die Kameras die auf ihn gerichtet sind. Und da sind sie wieder, die ganzen Fotografen samt Pressemeute. Bekommen die keinen Segen? Glauben die nicht an den lieben Gott in dessen Namen der Papst den Segen erteilt? Warum bleiben die nicht auch so ergriffen stehen wie die anderen Gläubigen? Wenn sie nicht fühlen, was die Gläubigen auf dem Petersplatz empfinden, können die ganzen Fotografen ja wegbleiben. Aber die wollen ja Geld verdienen mit dem Bild des Segen erteilenden Papstes, so wie dieser damit die Gläubigen in aller Welt bei der Stange halten möchte. Also alles nur Show, inszenierte Symbole?

Mit den letzten verbliebenen Königen ist es ähnlich. Sobald jemand eine Krone auf dem Kopf hat, gebührt ihm Respekt. Warum eigentlich? Andere Menschen müssen sich den Respekt durch ihr Leben und ihr Wirken erst verdienen. Gekrönte Häupter bekommen diesen per Definition. Genau genommen ist es nicht der König selbst, dem der Respekt gebührt, sondern die Krone als solche. Sie ist das Symbol, das der König als Zeichen seiner - verflossenen - Macht herumträgt.

Wir beten das Kreuz Christi an und verneigen uns vor der Krone von Königen. Nichts gegen die Menschen denen diese Symbole etwas bedeuten und die sich aus tiefster innerer Überzeugung verbeugen. Aber das öffentliche Zelebrieren dieser Symbole macht daraus eine Show wie sie auch ein Thomas Gottschalk oder Stefan Raab abliefern könnte. Es wirkt wie eine Farce wenn einige wenige einem Symbol huldigen, und Dutzende von Journalisten wild umher toben und drängen auf der Jagd nach dem besten Motiv. Wenn ein öffentliches Interesse an der Huldigung solcher Symbole besteht, warum kann der Regisseur des Fernsehens dann nicht vorher einen Blickwinkel festlegen? Schließlich wissen doch alle, was kommt. Aber irgendwie scheint das alles keinen wirklich ernsthaft zu interessieren. Es ist ein Job wie jeder andere – für diejenigen die Fotografieren genauso wie für die Fotografierten… Zumindest erscheint es mir so, wenn ich solche Spektakel im Fernsehen sehe.

— 21. März 2012
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