Lizenz zum Töten

Schmutzige "saubere" Kriege sind ein Fall für Den Haag, meint Tom Borg

Rein moralisch und juristisch betrachtet haben die Drohnen-Krieger in etwa den gleichen strafrechtlichen Status wie Terroristen. Sie führen keine Kriege, denn diese wurden nie erklärt, aber sie töten Menschen. Damit sind sie keinen Deut besser als andere Mörder oder Terroristen - aber mit einem Unterschied: sie dürfen das.

Die Militärs in aller Welt haben seit einiger Zeit ein neues Spielzeug. Es heißt "Drohne". Gespielt wird es von dafür eigens ausgebildeten und staatlich bezahlten Killerfreaks in dafür eigens geschaffenen Hochsicherheitsräumen, bestens abgeschirmt von allem was störend wirken könnte. Die Öffentlichkeit ist dabei Störenfried Nummer 1.

Denn rein moralisch und juristisch betrachtet haben die Drohnen-Krieger in etwa den gleichen strafrechtlichen Status wie Terroristen. Sie führen keine Kriege, denn diese wurden nie erklärt, aber sie töten Menschen. Und damit sind sie ganz normale Mörder, die nach den Buchstaben des Gesetzes nicht besser sind als wild um sich schießende Amokläufer. Aber der moderne Drohnen-Krieger schießt nicht einfach so wild um sich, nein, ganz gezielt geht er vor. Penibel geplant werden die Tötungsaktionen, die mangels eines erklärten Krieges, als nichts anderes als mörderischer Terrorismus bezeichnet werden können, nein, müssen.

Die meisten Drohnen-Krieger gibt es derzeit in den USA. Seit dem ersten Drohneneinsatz unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush gab es alleine innerhalb Pakistans mehr als 2000 Tote. Laut Untersuchungen kamen geschätzt rund 160 Kinder ums Leben und mehr als 400 Tote sollen unschuldige Zivilisten gewesen sein.

In den USA bekommt man in einigen Bundesstaaten für deutlich weniger Tote die Todesstrafe aufgebrummt. Doch für die Toten des Drohnen-Terrorismus ist irgendwie keiner richtig verantwortlich. "Die US-Regierung übernimmt nicht die Verantwortung für bestimmte Angriffe", bringt es Verena Harpe von der deutschen Amnesty International Sektion auf den Punkt. Doch wer ist verantwortlich?

Wenn nicht die Regierung, dann wohl analog zu den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg die einzelnen ausführenden Personen, die Drohnen-Krieger, die mit ihren Spielkonsolen Peng-Peng-Bum spielen. Sie töten Menschen, ohne in erklärte Kampfhandlungen verwickelt zu sein; sie töten ohne sich in Notwehrsituation zu befinden; sie töten ohne dass ein Richter ein Urteil gesprochen hat, geschweige denn ein rechtsstaatlich korrekter Prozess stattgefunden hat. Somit sind mangels höherer Instanzen die einzelnen Soldaten, die per Konsole die Drohnen steuern persönlich zu belangen. Man sollte sie zur internationalen Fahndung ausschreiben und wegen Mordes anklagen.

Das ist lächerlich? Ja, vermutlich ist es das, denn die USA haben sich selbst eine Lizenz zum Töten ausgestellt und niemand geht dagegen vor. Weder muss ein Präsident Obama, der die Drohnen-Einsätze intensiviert hatte, seinen Friedensnobelpreis zurückgeben, noch bricht irgendwer die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab. Es wird schlichtweg akzeptiert, dass die USA - und alle anderen die wir nicht so offensichtlich zu sehen bekommen - von der Weltgemeinschaft einen Persilschein zum Töten nach Gutdünken erhalten haben. Da gibt es nicht einmal einen größeren Aufschrei, wenn eine Drohne eine Oma auf dem Feld oder 18 Arbeiter beim gemeinsamen Abendessen ins Jenseits befördert. Warum auch; wenn sie Nahrung anbauten, die von Terroristen verzehrt wurde, dann waren sie allesamt Unterstützer des Terrorismus, vollkommen klar, und somit völlig zu Recht eliminiert. Soweit habe ich die Militärs und Friedenspapst Obama verstanden.

Was drastisch schwerer zu verstehen ist, ist die Tatsache, dass der überwiegende Rest der Menschheit das einfach so hinnimmt. Und nein, das ist kein Affront gegen die USA, sondern ein generelles "wehret den Anfängen", denn in der Politik werden ja bekanntlich Fehler die alle machen kurzerhand zur neuen Regel erklärt. Oder haben wir diesen Schritt schon längst vollzogen? Mutieren wir zum "homo killerus"?

Da bleibt als letzte Hoffnung eigentlich nur noch Gottes Stellvertreter in Rom. Die katholische Kirche hat schon Bischöfen die Ex-Kommunion angedroht, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche und die Pille befürworten. Wenn der Schutz des Lebens hinter den Toren des Vatikans eine so große Bedeutung besitzt, dann sollte man vielleicht Mr. Oberkiller vor den Toren stehen lassen, wenn es ihn zu einer Audienz beim Papst gelüstet. Doch auch das wird vermutlich nicht geschehen, obgleich ein Franziskus dem Herrn Obama auch auf anderen Wegen die Leviten lesen könnte. Tut er es nicht, dann haben wir wohl tatsächlich ein neues Zeitalter erreicht, eines bei dem manche Menschen so viel gleicher sind, dass sie Gott spielen dürfen. Oder verneigt sich der Papst insgeheim schon heute beim Gebet gen Washington…?

Dabei trifft die Kritik mit Franziskus einen eigentlich recht sympatischen Herrn, denn man gar nicht attackieren mag. Aber als Hüter des Glaubens sollte er für seine Schäflein auch einmal in Sachen Drohnen ein klares Wort sprechen, wenn er nicht in Kauf nehmen möchte, dass seine Schäfchen vom Glauben abfallen. Denn die Lizenz zum Töten steht im Raum, sie wird genutzt, und es ist weit und breit niemand zu sehen, der dem ernsthaft Einhalt gebieten könnte. Wie viele Menschen, egal ob schuldig - nach wessen Gesetz oder Regeln eigentlich? - oder unschuldig müssen noch sterben bevor die Menschheit sich erhebt und dem Treiben Einhalt gebietet? Oder wollen wir es wirklich als neue Regel betrachten, dass Staaten beliebig Menschen töten dürfen, wenn es niemanden gibt, der sie zur Rechenschaft ziehen könnte…?

— 23. Oktober 2013
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