Wenn Medien ihre Macht missbrauchen

…kommt nicht selten Schwachsinn dabei heraus, meint Tom Borg

loading="lazy" Prinzipiell können wir abschalten oder umschalten, wenn uns etwas im Fernsehen nicht gefällt. Doch zumindest letzteres wird immer schwieriger, seitdem auch die öffentlich-rechtlichen Medien primär der Zuschauerquote hinterher hecheln, statt ihrem Auftrag nachzukommen.

Eigentlich wäre es gar nicht der Rede wert, wenn da nicht die nicht dumpf grollende Gefahr bestünde, dass die Medienmacht unser aller Leben nachhaltig durcheinander wirbeln kann, wenn sie es nur boshaft genug versucht.

Was ist passiert? Auf den ersten Blick nichts wirklich Welt bewegendes: T-Online, immerhin eines der renommierten Online-Portale, nominierte am 25. Mai 2014 Bettina Wulff, die ehemalige First Lady des Landes, zum Flop des Tages weil sie eine Einladung in den "Promi Big Brother"-Container ausgeschlagen hatte. Da fragt man sich doch glatt, ob die Redakteure noch alle Tassen im Schrank haben. Man sollte die Frau, egal ob man sie mag oder nicht, zum Top des Tages erklären, weil sie trotz Promotionbedürftigkeit nicht bei diesem Trash-Zirkus mitmacht. Hätte sie's getan, wäre sie garantiert der Flop des Tages gewesen, weil sie mitgemacht hat.

"Promi Big Brother" - ist das heutzutage eine gesellschaftliche Pflichtveranstaltung bei der man mitmachen muss, wenn man die Ehre hat eine Einladung zu erhalten?

Üblicherweise geistern durch solche TV-Formate neben B- und C-Promis auch solche Gestalten für die das Alphabet hinter "Z" um mindestens 10 weitere Stellen verlängert werden müsste. Es zeichnet einen Menschen eher positiv aus, sich dort nicht blicken zu lassen.

Auch das wäre jetzt nicht wirklich der Rede wert, würde dahinter nicht System stecken. Das System der Medien alles und jeden für ihren eigenen geschäftlichen Erfolg zu instrumentalisieren und die Konsumenten des Medienbreis zu verblöden - solange, bis sie es gar nicht mehr merken. Dazu passt das Vorgehen des Senders SAT.1, die Öffentlichkeit zwar medienwirksam wissen lassen, dass Bettina Wulff die Einladung nicht angenommen hat, während die Namen der Teilnehmer und die neuen Spielregeln nicht verraten wurden. Ein klares Nachtreten des Senders, der nach der Absage eines Promis unbedingt das letzte Wort haben möchte.

Anstand ade?

In früheren Zeiten, ok, sagen wir ruhig: im vergangenen Jahrhundert, das so lange ja nun auch noch nicht vorbei ist, wäre es üblich gewesen, dass man auf beiden Seiten über eine solche Einladung und deren Absage einfach Stillschweigen wahrt. Stattdessen finden sich ein Printmedium und ein Online-Portal um das breitzutreten, was für beide Akteure peinlich ist: Für SAT. 1 dass Bettina Wulff die Einladung ausschlägt und für Frau Wulff dass sie überhaupt eingeladen wurde - denn das sagt ja auch einiges darüber welche (fehlende) Wertschätzung der Sender dem ferngebliebenen Gast entgegen bringt.

Richtig mies wird die ganze Sache aber erst dadurch, dass dies nun auch noch mit einem "Flop des Tages" bedacht wird, was wiederum der Allgemeinheit signalisiert: Teilnahme bei jedem TV-Schwachsinn ist Pflicht. Wer es nicht beachtet, der ist einfach nur ein Flop, igitt, kennt ihr die etwa persönlich…? Darauf dann keinesfalls mit "Ja" antworten, sonst floppt man gleich mit.

Um zum dritten Mal: auch das ist nicht wirklich der Rede wert. Doch wenn man nicht darüber redet, wird es irgendwann zur Selbstverständlichkeit - so wie der Grammatikfehler den alle machen irgendwann zur Regel wird. Doch wollen wir wirklich eine solche Regel?

Prinzipiell können wir ja einfach abschalten oder umschalten, wenn uns etwas im Fernsehen nicht gefällt. Doch zumindest letzteres wird immer schwieriger, seitdem auch die öffentlich-rechtlichen Medien primär der Zuschauerquote hinterher hecheln, statt ihrem Existenz begründenden Auftrag nachzukommen. Seichte Unterhaltung wird zur Norm auf allen TV-Kanälen und allen Medien. Man wird fast schon schief angesehen, wenn man sich darüber aufregt, dass Trash-Formate so viel Erfolg haben. Es ist absolut uncool dies nicht toll zu finden.

Doch genau davor graut es mir: eine Gesellschaft, die sich von morgens bis abends an trashiger Unterhaltung aller Art und Form berauscht und gar nicht mehr mitbekommt, wie sie langsam aber sicher vom Image des Dichter- und Denker-Volkes wegdriftet Richtung "lebende Verfügungsmasse". Für mich bedeutet Leben mehr als nur gedankenloser williger Konsument zu sein. Und deshalb bekommt Frau Wulff, egal ob ich sie ansonsten mag oder nicht, ein zehnfaches "Daum hoch" für ihren Verzicht auf den "Promi Big Brother"-Container.

— 26. Mai 2014
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