Kartell der Heiligen

Wie unter Geier fühlt sich Tom Borg

Sind Presseverlage, die über VIPs etc. berichten wirklich für das demokratische Funktionieren der Gesellschaft so wichtig, dass sie unzählige Sonderrechte brauchen? So wie ein exklusives Leistungsschutzrecht für Pressetexte?

Wenn der exklusive Kreis der Presseverlage mit der nicht minder exklusiven Suchmaschine Google aneinander gerät, dann fliegen nicht nur die sprichwörtlichen Fetzen, nein, dann verkommen selbst Teufel und Mafia zu brave Sonntagsschüler.

Der Streit um das leistungsschutzrecht für Presseverlage ist so neu ja nicht. Doch der jüngste Versuch der Verlage, das Kartellamt zu instrumentalisieren, hat dieses glücklicherweise erkannt und zur Abwechslung einmal die Verlage gewarnt, dass eventuell die Verleger-Gemeinschaft VG Media in Sachen Leistungsschutzrecht eventuell ein verbotenes Kartell sein könnte.

Dieser Schuss vor den Bug war auch dringend nötig, nachdem die (Presse)Verlags-Lobby bereits ein exklusives Gesetz zum Schutz der Presseverlage durchsetzen konnte. Und die Betonung dabei liegt auf der ersten Silbe "Presse"-Verlage. Denn allen anderen Verlagen steht dieses Leistungsschutzrecht so nicht zu, was man auch salopp als Ungerechtigkeit bezeichnen könnte. Sind Presseverlage, die über VIPs etc. berichten wirklich für das demokratische Funktionieren der Gesellschaft so wichtig, dass sie unzählige Sonderrechte brauchen?

Dabei ist das ganze Gesetz an sich eigentlich ein Witz, wenn man es einmal ganz nüchtern und sachlich betrachtet. Denn die Presseverlage bestehen nicht nur auf der Vergütung ihrer Pressetexte, was ja letztlich ihr gutes Recht wäre. Nein, sie verlangen auch, dass Google das gefälligst nutzt, denn sie wollen in den Suchergebnissen auftauchen - und das möglichst prominent und gut. Das läuft auf eine Zwangslizenz hinaus. Denn wenn Google sich weigert, die Textschnipsel anzuzeigen oder ggfs. gleich ganz die Verlage aus den Suchergebnissen streicht, dann ist Google der böse Monopolist, der Geier. Zeigt Google die Schnipsel an, dann sitzt das Geier-Kartell auf der anderen Seite und verlangt Lizenzgebühren.

Genau dieser Widerspruch ist aber bedenklich. Bedenklich im Sinne der Freiheit und der Demokratie. Eine Gefahr für die freiheitliche Gesellschaft für die sich keine der der beiden Seiten ernsthaft interessiert. Doch, wo kämen wir hin, wenn ein Unternehmer andere Unternehmen zwingen könnte, seine Produkte zu nutzen und dafür auch zwangsweise bezahlt werden müsste? Das ist, als müsste man Geld dafür bezahlen, damit man ein Geschäft betreten darf, um etwas zu kaufen. Denn die eigentliche Dienstleistung der Presseverlage ist ja nicht die Listung in den Suchmaschinen, sondern sie wollen, dass die Besucher auf die Suchergebnisse klicken und damit auf die Webseiten der Presseportale wechseln. Ergo sollen die Suchmaschinen Lizenzgebühren dafür bezahlen, dass sie Werbung für die Presseverlage machen, damit diese anschließend etwas verdienen können.

Geheimer Masterplan?

Vorsorglich schieben die Presseverlage das Argument vor, dass die Suchmaschinen an der Werbung mit den Suchergebnissen verdienen. Sofern es die Suchergebnisse selbst anbetrifft, ist es wohl so. Mit Werbung finanzieren die Suchmaschinen ihre Dienstleistung für die Nutzer nichts zahlen müssen.

Doch ausgerechnet das News-Portal von Google ist ohne Werbung. Da werden nur Nachrichten aufgelistet - und das offenbar auch noch ohne dass diese optimal angezeigt werden. Denn in den Textschnipseln erscheinen immer häufiger Passagen in denen von Kommentieren, IP-Adressen und liken die Rede ist. Da hat das böse Google absichtlich den Anfang der HTML-Seite genommen und noch lange gesucht, wo denn der beste Text auf der Seite stehen könnte. Eine Bosheit Googles, weil dadurch noch klarer zu sehen ist, dass Google den interessierten Leser zu dem Angebot der entsprechenden Verlage schickt.

Wenn die Besucher aber bei den Presseverlagen landen und Google auf dem News-Portal keine Werbung schaltet, worum geht es den Presseverlagen dann eigentlich? Wollen Sie, dass Google da Werbung drauf packt, damit sie auch etwas davon abbekommen können, weil die Presseverlage in 20 Jahren keine eigenes News-Portal aufbauen konnten, geschweige denn eine Suchmaschine speziell für Nachrichten und Pressetexte?

Oder sind die Heiligen Geier auf Seiten der Presseverlage noch cleverer: Wollen sie vielleicht Google & Co. provozieren, die News-Portale ganz zu beseitigen, damit sich dort keiner mehr orientieren kann. Und Google zum Streichen der Suchergebnisse provozieren, damit das "böse" Google stellvertretend für alle Suchmaschinen den Schwarzen Peter hält, während die Presseverlage sich freuen weil sie erreicht haben, was sie erreichen wollten: Keine Listung bei Google heißt letztendlich, dass interessierte User sich bei den (dann) bezahlpflichtigen Presseportalen anmelden müssen. Und da man als interessierter Bürger eine umfassende Berichterstattung sucht, müsste man sich wohl bei allen großen Verlagen einmal anmelden und darauf hoffen, dass man dort findet, wofür man sich interessiert, während man bei Google einfach schaut, wer etwas dazu anbietet.

Und bis es in letzter Konsequenz dazu kommt, sollen die Suchmaschinen bluten, bis die Presseverlage ein eigenes Konzept gefunden haben, das auch tatsächlich funktioniert. Als Jugendlicher las ich Karl Mays "Unter Geier". Wieso nur schickt mein Unterbewusstsein gerade jetzt diesen Buchtitel an die Oberfläche…?

Wer zahlt die Zeche?

Eigentlich sollten wir Bürger uns freuen, wenn die Kartelle der Geier, die sich allesamt selbst als Heilige und Bewahrer von Freiheit und Demokratie sehen, sich gegenseitig behacken. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass am Ende wir Bürger die Zeche bezahlen werden. Wer ein exklusives Leistungsschutzrecht für Pressetexte durchsetzt, der setzt am Ende vielleicht auch eine Pressesteuer durch - oder Google & Co. sehen sich gezwungen, für ihre Leistung Abo-Gebühren zu verlangen. Beides ist hochgradig unerwünscht.

Das die breite Masse sich darüber nicht aufregt, liegt vermutlich an Googles Image und daran, dass die meisten Bürger nicht davon betroffen sind. Anders als bei den GEZ-Gebühren, die jeder zu spüren bekommt und über die allseits geschimpft wird, wenn man die öffentlich rechtlichen Sender finanzieren muss, egal ob man sie nutzt oder nicht. Suchergebnisse werden letztlich auch angeklickt, um die eigentlichen Texte zu lesen, zu nutzen.

Geht uns nichts an? Doch! Wir alle sind letztlich entweder aktiv oder passiv davon betroffen. Im schlimmsten Fall läuft dieser Streit um das Leistungsschutzrecht darauf hinaus, dass Google seine Dienste, die Suchergebnisse mit Presstexte liefern, kostenpflichtig machen muss, um die Kosten zu refinanzieren. Alternativ könnten auch die Werbepreise erhöht werden, die wir auch wiederum alle indirekt durch erhöhte Produktpreise bezahlen müssten.

Es gibt aber auch noch einen anderen Aspekt, der die Ungerechtigkeit bei dieser ganzen Sache zeigt: Schreibt ein Pressetexter 10 Zeilen über einen Fußballspiel, ist der Link lizenzpflichtig. Schreibt ein Fußballfan eine erstklassige 100 Zeilen Analyse, dann gibt es dafür nichts, weil der Fan einen beliebten Blog betreibt, der aber eben kein Presseerzeugnis ist. Textschnipsel in Links auf Webseiten von Presseverlage sind lizenzpflichtig, Textschnipsel von Webseiten von anderen Verlagen, Organisationen oder Privatpersonen sind nicht lizenzfähig. Die gleiche Leistung - ungleiche Behandlung.

Spätestens da fragt man sich als neutraler Beobachter: Wenn Suchmaschinen wirklich Lizenzgebühren dafür zahlen sollen, dass sie Verlagen helfen, Geld zu verdienen, dann doch bittschön für alle gleich. Machen wir einen großen Topf a la VG SUCHMASCHINE aus der jeder Webseitenbetreiber anteilig etwas abbekommt. Das wäre zwar auch nicht das Gelbe vom Ei, aber von allen Übeln wohl noch das kleinste.

Aber irgendwie will es mir partout nicht in den Kopf, warum jemand, der kostenlos Werbung für einen anderen macht, Lizenzgebühren dafür zahlen soll, dass er diese Werbung macht? Man mag über Google sicherlich viel schimpfen. Aber in diesem Fall gilt wohl: Geier unter sich...

— 23. August 2014
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