1827

Mittwoch, den 3. Januar 1827

Heute bei Tisch sprachen wir über Cannings treffliche Rede für Portugal.

»Es gibt Leute,«sagte Goethe, »die diese Rede grob nennen; aber diese Leute wissen nicht, was sie wollen, es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondieren. Es ist keine Opposition, sondern eine bloße Frondation. Sie müssen etwas Großes haben, das sie hassen können. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten sie den, und sie hatten an ihm eine gute Ableitung. Sodann als es mit diesem aus war, frondierten sie die Heilige Allianz, und doch ist nie etwas Größeres und für die Menschheit Wohltätigeres erfunden worden. Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede für Portugal ist das Produkt eines großen Bewußtseins. Er fühlt sehr gut den Umfang seiner Gewalt und die Größe seiner Stellung, und er hat recht, daß er spricht, wie er sich empfindet. Aber das können diese Sanscülotten nicht begreifen, und was uns andern groß erscheint, erscheint ihnen grob. Das Große ist ihnen unbequem, sie haben keine Ader, es zu verehren, sie können es nicht dulden.«

 


 

Donnerstag abend, den 4. Januar 1827

Goethe lobte sehr die Gedichte von Victor Hugo. »Er ist ein entschiedenes Talent,« sagte er, »auf den die deutsche Literatur Einfluß gehabt. Seine poetische Jugend ist ihm leider durch die Pedanterie der klassischen Partei verkümmert; doch jetzt hat er den ›Globe‹ auf seiner Seite, und so hat er gewonnen Spiel. Ich möchte ihn mit Manzoni vergleichen. Er hat viel Objektives und erscheint mir vollkommen so bedeutend als die Herren de Lamartine und Delavigne. Wenn ich ihn recht betrachte, so sehe ich wohl, wo er und andere frische Talente seinesgleichen herkommen. Von Chateaubriand kommen sie her, der freilich ein sehr bedeutendes rhetorisch-poetisches Talent ist. Damit Sie nun aber sehen, in welcher Art Victor Hugo schreibt, so lesen Sie nur dies Gedicht über Napoleon: ›Les deux isles‹.«

Goethe legte mir das Buch vor und stellte sich an den Ofen. Ich las. »Hat er nicht treffliche Bilder?« sagte Goethe, »und hat er seinen Gegenstand nicht mit sehr freiem Geiste behandelt?« Er trat wieder zu mir. »Sehen Sie nur diese Stelle, wie schön sie ist!« Er las die Stelle von der Wetterwolke, aus der den Helden der Blitz von unten hinauf trifft. »Das ist schön! Denn das Bild ist wahr, welches man in Gebirgen finden wird, wo man oft die Gewitter unter sich hat und wo die Blitze von unten nach oben schlagen.«

»Ich lobe an den Franzosen,« sagte ich, »daß ihre Poesie nie den festen Boden der Realität verläßt. Man kann die Gedichte in Prosa übersetzen und ihr Wesentliches wird bleiben.«

»Das kommt daher,« sagte Goethe, »die französischen Dichter haben Kenntnisse; dagegen denken die deutschen Narren, sie verlören ihr Talent, wenn sie sich um Kenntnisse bemühten, obgleich jedes Talent sich durch Kenntnisse nähren muß und nur dadurch erst zum Gebrauch seiner Kräfte gelangt. Doch wir wollen sie gehen lassen, man hilft ihnen doch nicht, und das wohnhafte Talent findet schon seinen Weg. Die vielen jungen Dichter, die jetzt ihr Wesen treiben, sind gar keine rechten Talente; sie beurkunden weiter nichts als ein Unvermögen, das durch die Höhe der deutschen Literatur zur Produktivität angereizt worden.

Daß die Franzosen«, fuhr Goethe fort, »aus der Pedanterie zu einer freieren Art in der Poesie hervorgehen, ist nicht zu verwundern. Diderot und ihm ähnliche Geister haben schon vor der Revolution diese Bahn zu brechen gesucht. Die Revolution selbst sodann sowie die Zeit unter Napoleon sind der Sache günstig gewesen. Denn wenn auch die kriegerischen Jahre kein eigentlich poetisches Interesse aufkommen ließen und also für den Augenblick den Musen zuwider waren, so haben sich doch in dieser Zeit eine Menge freier Geister gebildet, die nun im Frieden zur Besinnung kommen und als bedeutende Talente hervortreten.«

Ich fragte Goethe, ob die Partei der Klassiker auch dem trefflichen Béranger entgegen gewesen. »Das Genre, worin Béranger dichtet«, sagte Goethe, »ist ein älteres, herkömmliches, woran man gewöhnt war; doch hat auch er sich in manchen Dingen freier bewegt als seine Vorgänger und ist deshalb von der pedantischen Partei angefeindet worden.«

Das Gespräch lenkte sich auf die Malerei und auf den Schaden der altertümelnden Schule. »Sie prätendieren, kein Kenner zu sein,« sagte Goethe, »und doch will ich Ihnen ein Bild vorlegen, an welchem Ihnen, obgleich es von einem unserer besten jetzt lebenden deutschen Maler gemacht worden, dennoch die bedeutendsten Verstöße gegen die ersten Gesetze der Kunst sogleich in die Augen fallen sollen. Sie werden sehen, das Einzelne ist hübsch gemacht, aber es wird Ihnen bei dem Ganzen nicht wohl werden, und Sie werden nicht wissen, was Sie daraus machen sollen. Und zwar dieses nicht, weil der Meister des Bildes kein hinreichendes Talent ist, sondern weil sein Geist, der das Talent leiten soll, ebenso verfinstert ist wie die Köpfe der übrigen altertümelnden Maler, so daß er die vollkommenen Meister ignoriert und zu den unvollkommenen Vorgängern zurückgeht und diese zum Muster nimmt.

Raffael und seine Zeitgenossen waren aus einer beschränkten Manier zur Natur und Freiheit durchgebrochen. Und statt daß jetzige Künstler Gott danken und diese Avantagen benutzen und auf dem trefflichen Wege fortgehen sollten, kehren sie wieder zur Beschränktheit zurück. Es ist zu arg, und man kann diese Verfinsterung der Köpfe kaum begreifen. Und weil sie nun auf diesem Wege in der Kunst selbst keine Stütze haben, so suchen sie solche in der Religion und Partei; denn ohne beides würden sie in ihrer Schwäche gar nicht bestehen können.

Es geht«, fuhr Goethe fort, »durch die ganze Kunst eine Filiation. Sieht man einen großen Meister, so findet man immer, daß er das Gute seiner Vorgänger benutzte und daß eben dieses ihn groß machte. Männer wie Raffael wachsen nicht aus dem Boden. Sie fußten auf der Antike und dem Besten, was vor ihnen gemacht worden. Hätten sie die Avantagen ihrer Zeit nicht benutzt, so würde wenig von ihnen zu sagen sein.«

Das Gespräch lenkte sich auf die altdeutsche Poesie; ich erinnerte an Fleming. »Fleming«, sagte Goethe, »ist ein recht hübsches Talent, ein wenig prosaisch, bürgerlich; er kann jetzt nichts mehr helfen. Es ist eigen,« fuhr er fort, »ich habe doch so mancherlei gemacht, und doch ist keins von allen meinen Gedichten, das im lutherischen Gesangbuch stehen könnte.« Ich lachte und gab ihm recht, indem ich mir sagte, daß in dieser wunderlichen Äußerung mehr liege, als es den Anschein habe.

 


 

Sonntag abend, den 12. [14.] Januar 1827

Ich fand eine musikalische Abendunterhaltung bei Goethe, die ihm von der Familie Eberwein nebst einigen Mitgliedern des Orchesters gewährt wurde. Unter den wenigen Zuhörern waren: der Generalsuperintendent Röhr, Hofrat Vogel und einige Damen. Goethe hatte gewünscht, das Quartett eines berühmten jungen Komponisten zu hören, welches man zunächst ausführte. Der zwölfjährige Karl Eberwein spielte den Flügel zu Goethes großer Zufriedenheit, und in der Tat trefflich, so daß denn das Quartett in jeder Hinsicht gut exekutiert vorüberging.

»Es ist wunderlich«, sagte Goethe, »wohin die aufs höchste gesteigerte Technik und Mechanik die neuesten Komponisten führt; ihre Arbeiten bleiben keine Musik mehr, sie gehen über das Niveau der menschlichen Empfindungen hinaus, und man kann solchen Sachen aus eigenem Geist und Herzen nichts mehr unterlegen. Wie ist es Ihnen? Mir bleibt alles in den Ohren hängen.« Ich sagte, daß es mir in diesem Falle nicht besser gehe. »Doch das Allegro«, fuhr Goethe fort, »hatte Charakter. Dieses ewige Wirbeln und Drehen führte mir die Hexentänze des Blockbergs vor Augen, und ich fand also doch eine Anschauung, die ich der wunderlichen Musik supponieren konnte.«

Nach einer Pause, während welcher man sich unterhielt und einige Erfrischungen nahm, ersuchte Goethe Madame Eberwein um den Vortrag einiger Lieder. Sie sang zunächst nach Zelters Komposition das schöne Lied ›Um Mitternacht‹, welches den tiefsten Eindruck machte. »Das Lied bleibt schön,« sagte Goethe, »sooft man es auch hört. Es hat in der Melodie etwas Ewiges, Unverwüstliches.« Hierauf folgten einige Lieder aus der ›Fischerin‹, von Max Eberwein komponiert. Der ›Erlkönig‹ erhielt entschiedenen Beifall; sodann die Arie ›Ich hab's gesagt der guten Mutter‹ erregte die allgemeine Äußerung: diese Komposition erscheine so gut getroffen, daß niemand sie sich anders denken könne. Goethe selbst war im hohen Grade befriedigt.

Zum Schluß des schönen Abends sang Madame Eberwein auf Goethes Wunsch einige Lieder des ›Divans‹ nach den bekannten Kompositionen ihres Gatten. Die Stelle: ›Jussufs Reize möcht ich borgen‹ gefiel Goethen ganz besonders. »Eberwein«, sagte er zu mir, »übertrifft sich mitunter selber.« Er bat sodann noch um das Lied ›Ach, um deine feuchten Schwingen‹, welches gleichfalls die tiefsten Empfindungen anzuregen geeignet war.

Nachdem die Gesellschaft gegangen, blieb ich noch einige Augenblicke mit Goethe allein. »Ich habe«, sagte er, »diesen Abend die Bemerkung gemacht, daß diese Lieder des ›Divans‹ gar kein Verhältnis mehr zu mir haben. Sowohl was darin orientalisch als was darin leidenschaftlich ist, hat aufgehört in mir fortzuleben; es ist wie eine abgestreifte Schlangenhaut am Wege liegen geblieben. Dagegen das Lied ›Um Mitternacht‹ hat sein Verhältnis zu mir nicht verloren, es ist von mir noch ein lebendiger Teil und lebt mit mir fort.

Es geht mir übrigens öfter mit meinen Sachen so, daß sie mir gänzlich fremd werden. Ich las dieser Tage etwas Französisches und dachte im Lesen: der Mann spricht gescheit genug, du würdest es selbst nicht anders sagen. Und als ich es genau besehe, ist es eine übersetzte Stelle aus meinen eigenen Schriften.«

 


 

Montag abend, den 15. Januar 1827

Nach Vollendung der ›Helena‹ hatte Goethe sich im vergangenen Sommer zur Fortsetzung der ›Wanderjahre‹ gewendet. Von dem Vorrücken dieser Arbeit erzählte er mir oft. »Um den vorhandenen Stoff besser zu benutzen,« sagte er mir eines Tags, »habe ich den ersten Teil ganz aufgelöset und werde nun so durch Vermischung des Alten und Neuen zwei Teile bilden. Ich lasse nun das Gedruckte ganz abschreiben; die Stellen, wo ich Neues auszuführen habe, sind angemerkt, und wenn der Schreibende an ein solches Zeichen kommt, so diktiere ich weiter und bin auf diese Weise genötigt, die Arbeit nicht in Stocken geraten zu lassen.«

Eines anderen Tages sagte er mir so: »Das Gedruckte der ›Wanderjahre‹ ist nun ganz abgeschrieben; die Stellen, die ich noch neu zu machen habe, sind mit blauem Papier ausgefüllt, so daß ich sinnlich vor Augen habe, was noch zu tun ist. Sowie ich nun vorrücke, verschwinden die blauen Stellen immer mehr, und ich habe daran meine Freude.«

Vor mehreren Wochen hörte ich nun von seinem Sekretär, daß er an einer neuen Novelle arbeite; ich hielt mich daher abends von Besuchen zurück und begnügte mich, ihn bloß alle acht Tage bei Tisch zu sehen.

Diese Novelle war nun seit einiger Zeit vollendet, und er legte mir diesen Abend die ersten Bogen zur Ansicht vor.

Ich war beglückt und las bis zu der bedeutenden Stelle, wo alle um den toten Tiger herumstehen und der Wärtel die Nachricht bringt, daß der Löwe oben an der Ruine sich in die Sonne gelegt habe.

Während des Lesens hatte ich die außerordentliche Deutlichkeit zu bewundern, womit alle Gegenstände bis auf die kleinste Lokalität vor die Augen gebracht waren. Der Auszug zur Jagd, die Zeichnungen der alten Schloßruine, der Jahrmarkt, der Feldweg zur Ruine, alles trat entschieden vor die Anschauung, so daß man genötiget war, sich das Dargestellte gerade so zu denken, wie der Dichter es gewollt hatte. Zugleich war alles mit einer solchen Sicherheit, Besonnenheit und Herrschaft geschrieben, daß man vom Künftigen nichts vorausahnen und keine Zeile weiter blicken könnte, als man las.

»Eure Exzellenz«, sagte ich, »müssen nach einem sehr bestimmten Schema gearbeitet haben.«

»Allerdings habe ich das,« antwortete Goethe; »ich wollte das Sujet schon vor dreißig Jahren ausführen, und seit der Zeit trage ich es im Kopfe. Nun ging es mir mit der Arbeit wunderlich. Damals, gleich nach ›Hermann und Dorothea‹, wollte ich den Gegenstand in epischer Form und Hexametern behandeln und hatte auch zu diesem Zweck ein ausführliches Schema entworfen. Als ich nun jetzt das Sujet wieder vornehme, um es zu schreiben, kann ich jenes alte Schema nicht finden und bin also genötigt, ein neues zu machen, und zwar ganz gemäß der veränderten Form, die ich jetzt dem Gegenstande zu geben willens war. Nun aber nach vollendeter Arbeit findet sich jenes ältere Schema wieder, und ich freue mich nun, daß ich es nicht früher in Händen gehabt, denn es würde mich nur verwirrt haben. Die Handlung und der Gang der Entwickelung war zwar unverändert, allein im Detail war es doch ein ganz anderes; es war ganz für eine epische Behandlung in Hexametern gedacht und würde also für diese prosaische Darstellung gar nicht anwendbar gewesen sein.«

Das Gespräch lenkte sich auf den Inhalt. »Eine schöne Situation«, sagte ich, »ist die, wo Honorio, der Fürstin gegenüber, am tot ausgestreckten Tiger steht, die klagende weinende Frau mit dem Knaben herzugekommen ist, und auch der Fürst mit dem Jagdgefolge zu der seltsamen Gruppe soeben herbeieilt. Das müßte ein treffliches Bild machen, und ich möchte es gemalt sehen.«

»Gewiß,« sagte Goethe, »das wäre ein schönes Bild; – doch«, fuhr er nach einigem Bedenken fort, »der Gegenstand wäre fast zu reich und der Figuren zu viele, so daß die Gruppierung und Verteilung von Licht und Schatten dem Künstler sehr schwer werden würde. Allein den früheren Moment, wo Honorio auf dem Tiger kniet und die Fürstin am Pferde gegenüber steht, habe ich mir wohl als Bild gedacht; und das wäre zu machen.« Ich empfand, daß Goethe recht hatte, und fügte hinzu, daß ja dieser Moment auch eigentlich der Kern der ganzen Situation sei, worauf alles ankomme.

Noch hatte ich an dem Gelesenen zu bemerken, daß diese Novelle von allen übrigen der ›Wanderjahre‹ einen ganz verschiedenen Charakter trage, indem darin alles Darstellung des Äußern, alles real sei. »Sie haben recht,« sagte Goethe, »Innerliches finden Sie in dem Gelesenen fast gar nicht, und in meinen übrigen Sachen ist davon fast zuviel.«

»Nun bin ich neugierig, zu erfahren,« sagte ich, »wie man sich des Löwen bemeistern wird; daß dieses auf eine ganz andere Weise geschehen werde, ahne ich fast, doch das Wie ist mir gänzlich verborgen.« – »Es wäre auch nicht gut, wenn Sie es ahneten,« sagte Goethe, »und ich will es Ihnen heute nicht verraten. Donnerstag abend gebe ich Ihnen das Ende; bis dahin liegt der Löwe in der Sonne.«

Ich brachte das Gespräch auf den zweiten Teil des ›Faust‹, insbesondere auf die ›Klassische Walpurgisnacht‹, die nur noch in der Skizze dalag, und wovon Goethe mir vor einiger Zeit gesagt hatte, daß er sie als Skizze wolle drucken lassen. Nun hatte ich mir vorgenommen, Goethen zu raten, dieses nicht zu tun, denn ich fürchtete, sie möchte, einmal gedruckt, für immer unausgeführt bleiben. Goethe mußte in der Zwischenzeit das bedacht haben, denn er kam mir sogleich entgegen, indem er sagte, daß er entschlossen sei, jene Skizze nicht drucken zu lassen. »Das ist mir sehr lieb,« sagte ich, »denn nun habe ich doch die Hoffnung, daß Sie sie ausführen werden.« – »In einem Vierteljahre«, sagte er, »wäre es getan, allein woher will die Ruhe kommen! Der Tag macht gar zu viele Ansprüche an mich; es hält schwer, mich so sehr abzusondern und zu isolieren. Diesen Morgen war der Erbgroßherzog bei mir, auf morgen mittag hat sich die Großherzogin melden lassen. Ich habe solche Besuche als eine hohe Gnade zu schätzen, sie verschönern mein Leben; allein sie nehmen doch mein Inneres in Anspruch, ich muß doch bedenken, was ich diesen hohen Personen immer Neues vorlegen und wie ich sie würdig unterhalten will.«

»Und doch«, sagte ich, »haben Sie vorigen Winter die ›Helena‹ vollendet, und Sie waren doch nicht weniger gestört als jetzt.« – »Freilich,« sagte Goethe, »es geht auch, und muß auch gehen, allein es ist schwer.« – »Es ist nur gut,« sagte ich, »daß Sie ein so ausführliches Schema haben.« – »Das Schema ist wohl da«, sagte Goethe, »allein das Schwierigste ist noch zu tun; und bei der Ausführung hängt doch alles gar zu sehr vom Glück ab. Die ›Klassische Walpurgisnacht‹ muß in Reimen geschrieben werden, und doch muß alles einen antiken Charakter tragen. Eine solche Versart zu finden ist nicht leicht. Und nun den Dialog!« – »Ist denn der nicht im Schema mit erfunden?« sagte ich. »Wohl das Was,« antwortete Goethe, »aber nicht das Wie. Und dann bedenken Sie nur, was alles in jener tollen Nacht zur Sprache kommt! Fausts Rede an die Proserpina, um diese zu bewegen, daß sie die Helena herausgibt; was muß das nicht für eine Rede sein, da die Proserpina selbst zu Tränen davon gerührt wird! – Dieses alles ist nicht leicht zu machen und hängt sehr viel vom Glück ab, ja fast ganz von der Stimmung und Kraft des Augenblicks.«

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