Betrachtungen über die Liebe

Von der Liebe

Entsetzt schrecken die Schwachen vor der Liebe zurück.

»Liebe ist eine furchtbare Krankheit. Gebe Gott, daß ich ihr nie verfalle! Man bedenke bloß: meine mühsam geschaffene Ruhe wird zerstört, die Annehmlichkeiten, die mir teuer sind, werden vernichtet, die methodische Gleichmäßigkeit meines Lebens, meine geregelte Einteilung, meine beschaulichen Mußestunden sollen mir genommen werden! – Ein Abenteuer! Würde ich es bestehen? Wie würde ich daraus wiederkehren?« Und sie versenken sich in die Gemächlichkeit ihres Alltags. Schon beim Gedanken an Liebe zittern sie.

Die Starken aber rufen laut nach ihr. Sie ängstigt diese furchtbare, notwendige, herrliche Krise nicht! Sie wissen, daß die Seelen in sie nur versinken, um veredelt wieder zu erstehen. Ist das Leben der Mühe wert, wenn man die unvergleichlichen Freuden und Schmerzen der Liebe nicht kennt? Statt in ruhigem Egoismus dahinzuvegetieren, nehmen sie lieber alle Gefahren auf sich.

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Die große Leidenschaft ist unendlich selten. Um sie zu empfinden, muß man Seelengröße haben. In eitlen, selbstzufriedenen Wesen kann sie sich nicht entwickeln. Doch gibt es niemanden, der sich nicht rühmte, sie zu fühlen. Könnte ein Hengst sprechen, er würde zu der Stute, die man ihm zuführt, sagen: »Ich liebe dich wahnsinnig!«

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Die physische Liebe definiert Stendhal ganz kurz: »Auf der Jagd – eine schöne Bäuerin«. Diese Definition ist wahrscheinlich die schwächste, die man diesem großen Schriftsteller verdankt.

Ich glaube nicht, daß man schönen und gefälligen Bäuerinnen damals häufig auf der Jagd begegnete. In unseren Tagen ist solche Beute selten. Schuld tragen gewiß die Wilderer.

Doch auch zu Stendhals Zeiten hat man die physische Liebe in ihrer Schönheit ebensowenig wie heute bei der Verfolgung eines Hasen erleben können. Eine junge, hübsche Bäuerin, der man begegnet, wird wohl nicht sehr sauber sein, sie wird unerfreulich riechen und die ärgste Ungeschicklichkeit zeigen. Unter freiem Himmel kann man sie nicht entkleiden und man müßte wahrlich mehr als ausgehungert sein, um an einer so unzulänglichen Beziehung wirkliches Vergnügen zu finden.

Die Professionistinnen schenken uns die physische Liebe mit all jener Kunst und Verfeinerung, die nötig ist, in der Umgebung, wie sie für die Liebe geschaffen ist; nicht vom Flurschütz bedroht zwischen Würmern und Schnecken hinter einer Hecke, sondern im warmen Zimmer bei verschlossenen Türen zwischen feinem Linnen.

Viele Männer kennen bloß die physische Liebe und begnügen sich mit ihr.

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Neben der physischen Liebe und der großen Leidenschaft (muß betont werden, daß diese Begriffsumschreibungen nur willkürliche sind und daß es in Wirklichkeit zwischen beiden hunderte von verbindenden Brücken gibt?) wollen wir einem besonderen Gefühl, das man Don-Juanismus nennt, einen Platz einräumen.

Der Don-Juanismus kann die Sehnsucht nach dem Absoluten in der Leidenschaft sein. Don Juan sucht das einzige Weib, das er restlos zu lieben vermag. Er findet es nicht. So geht er von einer zur anderen, niemals glücklich, oder nur ein so schales Glück empfindend, daß er es sofort wieder verwirft. Und diese leidenschaftliche Jagd, diese Folge von endlosen Bemühungen und immer wiederkehrenden Enttäuschungen, die Hoffnung, die jedesmal erwacht und immer wieder zunichte wird, hat viel Tragisches. Man denkt kaum mehr an seine Opfer, nur an Don Juan selbst, der zu dem größten, unersättlichsten und enttäuschtesten Liebhaber wird.

Es gibt noch einen anderen Don Juan, der lebt nur dem Wunsch, zu erobern, das große, gefährliche Spiel mit der Frau zu wagen und zu gewinnen.

Um diese Art des Don-Juanismus zu erklären, will ich die Beichte, die R. mir machte, hierhersetzen. Sie zeigt, daß dieser Don-Juanismus nicht notwendigerweise, wie der andere, einem besonderen Charakterzug entspringt, sondern eher einem gewissen Lebensalter.

»Viele Jahre hindurch«, erzählte mir R., »beherrschte mich der Wunsch, zu erobern. Ich wollte gefallen, Siege erringen: die schwersten waren die schönsten. Wenn ich eine neue Frau sah, war mein erster Gedanke nicht etwa, ob sie mir erreichbar sei, sondern: ›Ich werde sie besitzen‹. Ich fieberte bei diesem Gedanken und war doch zugleich besonnen wie ein Rechenmeister, während ich mir den Angriffsplan zurechtlegte, der sie in meine Arme zwingen sollte. Mit jeder Frau, mit jeder Verteidigung änderten sich meine Belagerungspläne. Einer Koketten spielte ich Gleichgültigkeit vor; leichtsinnig und zärtlich war ich mit den ernsten Frauen, ernst mit den frivolen. Nie erlaubte ich mir die Karten zu zinken, die ich benützte; ich wollte den Sieg nur meinem Können und nicht dem Zufall verdanken. Je nach den Umständen hemmte ich das Tempo, um Verlangen zu wecken, oder ich rannte so kühn und unerwartet eine Bresche, daß die Festung erlag, ehe ihr die Gefahr noch recht zum Bewußtsein gekommen war. In anderen Fällen wieder war mein Spiel ganz verfeinert: ein Krieg von Andeutungen, fingierten Überfällen und vorgetäuschten Rückzügen. – Ein Wort zur rechten Zeit kann unendlich tief dringen, in einer plötzlich unruhig gewordenen Seele Monate und Monate nachschwingen.

»Mühelos konnte ich mehrere Liebesangelegenheiten gleichzeitig betreiben und ihrem Ende zuführen, da ja die Dauer der einzelnen verschieden war.

»Dieses Spiel bereitete mir maßloses Vergnügen. Gibt es ein schöneres, erregenderes auf der Welt? – Eine Gegnerin vor sich zu haben, die zu lieben man bereit ist! Sie bekämpfen und sich gleichzeitig nach ihr sehnen! Einzigartige Erregungen ... Wie köstlich ist es, eine Frau, die lange Widerstand geleistet hat, zum ersten Male zu entkleiden! Sie wollte dich mit hochmütiger Kälte vernichten, sie meinte entschlüpfen zu können!

»Doch wenn ich sie besessen hatte, verlor sie ihren Reiz. Keine vermochte mich zu fesseln. War die Schlacht entschieden, zog es mich nach neuen Eroberungen. Mein Glück lag im Kampf und Sieg, nicht im Besitz.

»So lebte ich, seit ich der Kindheit entwachsen war, zehn Jahre.

»Mit Dreißig etwa begann ich zu begreifen, daß ich den Frauen besseres geben und mehr von ihnen fordern könnte; daß in dem Kampf, den ich gegen sie führte, viel Stolz und wenig Liebe lag. Eine neue Welt, die Welt des Gefühls, erschloß sich. Jetzt erst wußte ich, was Liebe sei...

»Der Don Juan-Trieb war in mir nicht ganz erstorben; manchmal erwachte er wieder, doch nur für kurze Zeit, und gab mir, trotz lebhafter Lust, nur mangelhafte Befriedigung.«

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Der Beginn einer Liebe, die Zeit vor den ersten Zärtlichkeiten, ist köstlich. Die Stunden verfließen in einer leichten, zartgefärbten Erregung, noch schlummert die Furcht vor Abweisung und der Gedanke an das erhoffte Glück. Es wäre höchste Lebenskunst, die Frau, die man zu lieben beginnt, in dieser Zeit nur selten zu sehen. Denn diese erste Stufe der Liebe ist berückend. Man müßte sie verlängern. Doch kann man die Rosenknospe überreden, Knospe zu bleiben?

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Die Anfänge der Liebe sind unruhig, ungewiß gleich denen der Flüsse. Dort, wo der Strom entspringt, genügte, so scheint es, das kleinste Hindernis, um seine Richtung zu ändern. An der Quelle ginge er ebensowohl hierhin wie dorthin. Doch sobald er sein Gefälle gefunden hat, ist weder göttliche noch menschliche Macht imstande, ihn aufzuhalten. Sicher seines Weges strömt er, wenn auch in vielfachen Windungen, dem Meere zu, das ihn ruft. Ebenso ist es mit der Liebe. Vielleicht könnte man sie im Augenblick des Entstehens ersticken? Sie ist erwacht, es ist zu spät. Nun trägt sie uns unaufhaltsam fort, bis an das Meer, in dem alle Flüsse sich verlieren und enden.

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Der Vorsichtige sagt: »Wenn du eine Frau siehst, die dir gefällt, fliehe, ehe du sie kennen lernst!«

Ebensogut könnte man dem Leben entsagen.

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Es gab Verliebte, die Hals über Kopf das Weite suchten, um einander zu fliehen. Die Furcht verwirrte sie derart, daß sie oft nicht wußten, wohin sie liefen, und sich erschöpft, halbtot, schließlich eines in des anderen Armen fanden.

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Nur melancholische Träumer behaupten, daß Liebe, selbst eine glückliche Liebe, nichts als Enttäuschungen gäbe. Zwei Wesen aber, die einander lieben und einander angehören, wissen, daß es kein anderes Glück für sie gibt, als jenes, das sie einander verdanken.

Die Dramen der Leidenschaft entstehen am häufigsten nach der vollzogenen Vereinigung. Kann das, wofür die Menschen ihre Existenz aufs Spiel setzen, das, was ihnen höher als Ehre und Leben steht, ein minderwertiges Gut, ein Nichts, eine Enttäuschung sein?

Und man sage nicht, sie wagten alles nur wegen eines Hirngespinstes, wegen eines Trugbildes ihrer Phantasie, nein, es geschieht um eines Erlebens willen, das sie kennen und dessen Stachel sie noch tief in ihrem Fleische fühlen.

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Man liebt eine Frau so sehr, daß man an Schlaf und Essen vergißt. Solange man sie nicht besessen hat, weiß man noch nichts von der Lust oder der Enttäuschung, die man mit ihr erleben wird.

Man betet sie an; man macht hundert Tollheiten, um sie zu erobern; sie wird schwach, sie gibt sich hin. Nach der Umarmung wird sie einem gleichgültig; man hat sich getäuscht; man liebt sie nicht mehr.

Nichts vermag einen im voraus zu belehren.

Alle früheren Erfahrungen sind nutzlos. Jedesmal findet man sich wieder vor dem Unbekannten. Die Wissenschaft kann tausend Fortschritte machen, die Gelehrten werden hierin ebenso unwissend bleiben, wie sie es heute sind, denn in diesem Punkt, der das Um und Auf der Liebe bildet, entscheidet allein der Versuch.

Dies ist der Grund, weshalb so viele Frauen zögern. Sie wissen, daß die Schwüre, die Versprechungen, die vorangehen, inhaltslose Worte sind, daß nichts ihnen Gewähr für das Morgen bietet, daß sie sich hingeben und – auf die Gefahr hin, zu enttäuschen – mit ihrem Körper zahlen müssen. Das Wagnis ist groß.

Glücklicherweise sind die Frauen mutiger als wir.

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Die Liebe ist ein Gefühl, das gebieterisch nach Handlung drängt. Die Naiven glauben, das Spiel wäre gewonnen, sobald es gelingt, die geliebte Frau zur Tat zu bestimmen. Schwerer Irrtum! Der wahre Kampf beginnt erst dann, und was voranging, war nur bedeutungsloses Geplänkel.

Das Problem heißt, eure Geliebte im gleichen Augenblick glücklich zu machen, in dem ihr selbst das Glück erreicht. Dies ist außerordentlich schwierig, und wenige Männer verstehen sich auf diese höchste Kunst. Jene, die dieses Geheimnis kennen, sind von den Frauen geliebt. Die anderen, die von ihnen verachtet, verjagt oder betrogen werden, sind nichts weiter – unnötig, nach komplizierten Erklärungen zu suchen! – als Stümper im Schlafgemach.

Die Erziehung, die der Mann in der Technik der Liebe erhält, ist schlecht. Ihr Beginn liegt meist in den Händen von Professionistinnen; ihr Beruf bringt es mit sich, daß die Männer Befriedigung finden, ohne nach dem Vergnügen ihrer Partnerinnen fragen zu müssen. Der Mann sieht bloß ein Werkzeug in ihnen, aus dem er persönliche Freuden zieht. Durch den Verkehr mit Dirnen wird sein Egoismus maßlos entwickelt. Üble Gewohnheiten sind die Folge.

Er heiratet. Das Bild hat sich geändert. Man muß sich anders verhalten. Aber wie? Seine Unwissenheit ist groß. Und hat er überhaupt Zeit, zu überlegen? Er liebt, er verlangt nach der Frau, er ist ungeduldig, brutal, er nimmt sie! Welche zerstörten Träume für ein junges Mädchen, das erwartete, zarte Hände würden es durch die Tore des Paradieses geleiten!

Der brutale Überfall in der Brautnacht ist eine erschöpfende Erklärung der großen Anzahl ungeliebter und deshalb betrogener Gatten.

Meist sind die ersten Begegnungen der Gatten für die Frauen abscheulich und für die Männer peinlich. Die Bemühungen des Mannes, das verletzte Schamgefühl der Frau, ihre Unerfahrenheit, ihre Furcht nehmen der physischen Liebe jeden Reiz. Wenn man noch das Neuartige der Situation, die Schwierigkeit des Übereinstimmens von zwei Individuen bedenkt, das Fehlen gemeinsamer Gewohnheiten, dann wird man begreifen, daß der – offenbar nur aus Ironie so genannte – Honigmond zu den sehr wenig beglückenden Zeiten im Leben gehört.

Die Frau ist um so enttäuschter, weil die Tradition ihr in Schrift und Wort diese ersten Wochen in den lebhaftesten Farben schildert. Im übrigen macht sie sich selbst sogleich auch zur Mitschuldigen dieser Lügen. Frauen, die in diesem Augenblick das Ärgste erlitten haben, hüten sich, dies einzugestehen. Sie schämen sich, als Einzige, wie sie meinen, eine Enttäuschung erlebt zu haben; darum schweigen sie, oder sie vermehren durch gefälschte Berichte die Illusionen, in denen ihre ahnungslosen Schwestern schwelgen.

Warum sagt man nicht einfach die Wahrheit? Warum weist man nicht darauf hin, daß die körperliche Begegnung zwischen einem Mann, der unerfahren oder brutal ist, oder der beides ist, und einem unwissenden Mädchen selten Glücksgefühle erregen kann?

Viele Frauen von wenig sinnlichem Naturell verbringen Nächte, vielleicht selbst Jahre, ohne anderes als Abscheu vor der physischen Liebe zu empfinden. Dieser Abscheu führt sie bald dazu, ihre Gatten zu verachten.

Männer, die es nicht nur mit Professionistinnen zu tun hatten, sind für die Ehe besser vorgebildet. Sie genossen bei den Frauen, die sie liebten, wertvollen Unterricht. Doch es gibt Gatten, die es voll Vorurteil ablehnen, ihre Frau so zu behandeln, wie einst die Geliebte. Sie meinen »die Mutter ihrer Kinder« in ihr ehren zu müssen!

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Und erst die Begegnung von zwei Wesen, die beide noch unberührt sind – kann man sich ausmalen, wie quälend und lächerlich sie verlaufen muß?

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In der Liebe hat jeder seine eigenen Gedanken über das, was erlaubt ist, und das, was es nicht ist. Die Mehrzahl der verheirateten Männer kennt ihre Frauen nicht anders als im Hemd!

Es gibt ganze Länder – Nordamerika, England – in denen eine anständige Frau sich entehrt fühlen würde, wenn der Mann ihr zumutete, nackt durch das Schlafzimmer zu gehen. Doch ein angelsächsischer Ehemann wird niemals einen solchen Einfall haben. Andere teilen die Dinge in natürliche ein, die erlaubt sind, und die übrigen, die verboten sind. Sie finden jene Stellung zulässig, weil sie natürlich sei, und verwerfen eine andere als widernatürlich. Solche Leute zeigen große Unwissenheit. Sie haben sich von der Natur ein recht blasses Bild gemacht. Würden sie einige naturgeschichtliche Bücher öffnen, dann wären sie entsetzt, sehen zu müssen, was die Natur alles in der physischen Liebe erfunden hat, und um wievieles sie die wüstesten Vorstellungen dieses armseligen mit Vernunft ausgestatteten Tieres, das der Mensch ist, übertrifft.

Wer sich also nach der Natur richten will (und ich wüßte nicht, welches andere Vorbild wir uns nehmen sollten), dem ist alles erlaubt. Und jeder möge unbeeinflußt entscheiden, woran er Gefallen findet.

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Nichts ist lächerlicher als die Einbildung, die wir lange Zeit nährten (die meisten Männer besitzen sie noch heute), daß wir über der Natur stünden.

Wir reden uns ein, daß unsere Tugenden überirdischen Ursprungs seien, daß sie uns über diese Welt erheben, daß sie den Stempel unserer göttlichen Entstehung bilden. »Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild.«

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Es gibt eine moralische Scham, die von Stendhal so vorzüglich beschrieben wurde, daß nichts mehr darüber zu sagen bleibt, und eine physische Scham, mit der wir uns befassen wollen.

Die Empfindungen der physischen Scham, die uns erhalten blieben, beweisen, daß unsere Handlungen immer noch von Ursachen bestimmt werden, die vor mehr als zehntausend Jahren zu bestehen aufhörten. (Und es gibt Leute, die an Freiheit glauben!) Die Tiere verbergen sich, wenn sie sich paaren, weil sie dann ohne Verteidigungsmöglichkeiten sind. Der Grund ist einleuchtend. Auch unsere Vorfahren in prähistorischen Zeiten, als Menschen einander noch jagten, waren den Tieren gleich gezwungen, für ihre Liebesakte Verstecke aufzusuchen. Doch seit jenen fernen Zeiten spielt sich der Kampf um das Leben nicht mehr in der gleichen Weise ab. Jetzt werden die Schlachten an der Börse und in den Fabriken geschlagen. In unseren Häusern sind wir vollkommen sicher.

Und doch verlangt ein Schamgefühl, das ein Erbteil jener entschwundenen Epochen ist, daß wir uns verbergen, wenn wir unsere Liebe betätigen.

Die Welt der Antike war schon so weit, dieses Vorurteil zu überwinden. Das Christentum ließ es von neuem aufleben: es erklärte das Fleisch als seinen Feind. Die Hemmungen der christlichen Gedankenwelt haben wir abgeschüttelt, doch dieses Schamgefühl hat sich an uns geklammert und läßt uns nicht los.

Das Nackte bleibt schamlos.

Die Scham ist von allen Mißratenen und Verwachsenen geschickt ausgenützt worden. Sie erklären, daß es gegen das Schamgefühl verstoße, sich in seiner Nacktheit sehen zu lassen. Und selbst im Bett behalten sie ihr Hemd an.

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Entkleide niemals eine Frau, die sich nackt nicht sehen lassen will. Ihr Schamgefühl ist neunmal unter zehn Fällen das berechtigte Bewußtsein einer physischen Unzulänglichkeit.

Zwischen schönen und jungen Menschen ist Schamgefühl eine überflüssig gewordene Überlieferung.

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