Eine biographische Skizze

III. Liebe.

I.

Trotz Strindberg, Weininger and anderer Frauenverächter hat unsere Zeit eine rasche Zunahme der Schätzung des Mannes für die Persönlichkeit des Weibes miterlebt. Ein Zeichen unter vielen ist es, daß Ehen und Liebesverbindungen zwischen jüngeren Männern und Frauen, die einige oder mehrere Jahre älter sind, als sie selbst, in unserer Zeit immer häufiger werden.

Freilich sind solche immer vorgekommen. Aber da waren sie in einigen Fällen durch die Dankbarkeit des Mannes für Hilfe oder Verständnis verursacht, in anderen Fällen durch Berechnung, z. B. um ein Reich, ein Erbe oder ein Amt zu gewinnen, manchmal schließlich waren sie eine Folge jenes sinnlichen Zaubers, den gewisse Frauen bis in ihr spätes Alter bewahren.

Das für unsere Zeit Neue liegt darin, daß die Ursache immer häufiger gegenseitige Liebe ist.

Stendhal führt mit Recht Madame Dudeffand als Beweis dafür an, daß »l'amour passion« – oder wie Rahel sagt: »die neue europäische Liebe« – in vorgeschrittenem Alter auftreten kann. In unserer Zeit ließen sich weit mehr Beweise dafür anführen. Die Liebe gleicht jetzt jenem Krokus, den man Zeitlose genannt hat, weil er im Herbst und im Frühling gleich rasch und üppig aufschießt Die Aehnlichkeit läßt sich noch dadurch vervollständigen, daß die Blume, die im Frühling ungefährlich ist, es im Herbst nicht sein soll.

Heute kann man mehr als einen Mann sehen, der – wie der junge Spanier Mora für Mlle. Lespinasse – in glühender Liebe für eine zehn Jahre ältere Frau entbrennt oder sogar wie der junge Italiener Rocca sich in eine zwanzig Jahre ältere verliebt Rocca wurde von diesem Gefühl im ersten Augenblick ergriffen als Mme. Staël sich über die Bahre beugte, auf der der verwundete Jüngling ruhte. Als Freunde ihm sagten, daß sie ja seine Mutter sein könnte, antwortete er: dies sei ja nur ein Grund mehr sie zu lieben, und er wolle sie so hingebend lieben, daß sie ihn schließlich heiraten würde – wie dies ja auch geschah. George Sand, das wunderbarste aller Frauenwesen – feurig wie Wein, mütterlich wie Milch, gesund, reich und freigebig wie die Erde, die sie getragen, bezaubernd, unberechenbar und gefährlich wie das Meer, wurde ebenso von jüngeren wie von gleichalterigen und älteren Männern geliebt. Elizabeth Browning war um drei Jahre älter als Robert Browning, ein Altersunterschied, der für ihr Glück bedeutungslos war. Andere berühmte Frauen ließen sich in diesem Zusammenhang anführen, ich beschränke mich darauf, an George Eliot zu erinnern. Ihre Ehe mit dem dreißig Jahre jüngeren Mr. Cross war mir wie vielen anderen ein Rätsel, bis ich durch einen in die Verhältnisse Eingeweihten eine Erklärung erhielt, die mittelbar durch einen Passus in Herbert Spencers Autobiographie betätigt wurde. Er deutet hier nämlich an, daß er George Eliot zur Gattin hätte gewinnen können, wenn er es gewollt hätte, aber er habe sich nicht über ihren ungewöhnlichen Mangel an Anmut hinwegsetzen können.

Die »Gewissensehe«, die George Eliot mit H. Lewes einging – der sich von der Frau, die ihn jahrelang betrogen hatte, nicht gesetzlich scheiden lassen konnte, – soll, so sagte mir mein Gewährsmann, von seiner Seite nicht auf ein großes erotisches Gefühl begründet gewesen sein, sondern nur auf geistiger Sympathie und Dankbarkeit. George Eliot war also selbst nie der Gegenstand eines großen Gefühls gewesen, eines Gefühls, das zum Unmöglichen imstande ist, mit anderen Worten der Liebe, der jede echte Frau zu begegnen wünscht, bevor sie stirbt, bis sie ihr bei dem jungen Mann begegnete, den sie – mit sechzig Jahren – heiratete.

Zu diesen berühmten Frauen, die schließlich bei jüngeren Männern jene Liebe fanden, von der sie ihr Leben lang geträumt, gehört auch Rahel.

Ihre Verheiratung mit einem vierzehn Jahre jüngeren Mann ist ihr einziger kühner Lebensversuch, während ihre Ansichten auf erotischem Gebiet die vorurteilslosesten waren. George Eliot hingegen verbrauchte all ihren Mut für ihre Gewissensehe, und nicht einmal der Schatten eines Reformgedankens auf erotischem Gebiet ist in ihren Büchern zu finden. Verzicht, Unterwerfung, Mitgefühl, Treue, das ist es, was sie verkündet. Sie erfüllte die damals außerordentlich bedeutungsvolle Aufgabe, zu zeigen, daß die evolutionistische Lebensanschauung genügend starke Triebfedern besitzt, um all die altchristlichen Tugenden hervorzubringen. Aber sie prüft den Wert dieser Tugenden niemals aus evolutionistischem Gesichtspunkt! Mit einer psychologischen Intuition, die man nur mit der Shakespeares vergleichen kann, offenbarte sie die Dramen, die sich in einfachen Lebensverhältnissen und halberwachten Seelen abspielen: in der Seele der Kinder und des Volkes. Aber die Psychologie und Ethik der Liebe und Ehe hat George Eliot, trotz ihrer eigenen Lebensschicksale, ebensowenig vertieft wie meine große geniale Landsmännin Selma Lagerlöf. George Sand hat in dieser Beziehung eine unvergleichlich größere Bedeutung besessen als George Eliot, Die Schwestern C. und E. Brontë haben in ein paar Gestalten mehr von dem liebenden Frauenherzen offenbart als George Eliot in ihrer ganzen Dichtung. Mme. Staël griff in »Delphine« die unauflösliche Ehe an; in »Corinne« stellte sie die Tragik der genialen weiblichen Persönlichkeit dar: die die Vorurteile des Mannes über die »Weiblichkeit« verletzt und so die erotische Anziehung ihrer Persönlichkeit schwächt. Rahel erlebte die letztere Erfahrung selbst mit Finckenstein und Urquijo. Schon vor »Delphine« und lange vor George Sand sprach sie aufrührerischere Gedanken aus als die beiden französischen Schriftstellerinnen.

Und so wie Mme. Staël, wie George Eliot hatte Rahel schon ihr größtes Gefühl einem anderen gegeben, als sie Varnhagen begegnete. Keine von ihnen erlebt so das Glück, so zu lieben, wie sie geliebt werden; aber sie erleben, daß ihre weibliche Persönlichkeit in ihrer voll entwickelten genialen Eigenart fähig ist, eine große Liebe zu erwecken. Sie sind darum wichtige Beispiele für die Evolution der männlichen Liebe, an der Madame Staël in Corinne verzweifelt hatte.

Aber während der Tod das Problem von Mme. Staëls und George Eliots zweiter Ehe bald löste, wurde Rahels und Varnhagens Bund ein Vorbild für jene glücklichen Verhältnisse, in denen so manche moderne Frau in schon vorgerücktem Alter die erotische Erfüllung ihres Wesens erlebt.

* * *

Rahels drei Liebesgeschichten sind typisch für die drei Grundformen der weiblichen Erotik: Liebe zur eigenen Liebe, Liebe zum Mann und Liebe zur Liebe des Mannes. Mit tausend feinen Schattierungen können sie ineinander übergehen, aber in der Liebe jeder Frau ist doch eine dieser Formen die vorherrschende.

Die Liebe der Männer hat bis auf weiteres nur zwei Grundformen: die Mehrzahl liebt in der Liebe sich selbst; nur eine Minderzahl liebt die Persönlichkeit der Frau.

Und doch will das neue Weib nur diese Liebe.

Das neue Weib, dessen sieghafte Revolution unsere Zeit miterlebt, begann schon im achtzehnten Jahrhundert hervorzutreten. Eine ihrer ersten Offenbarungen war die durch ihre Dichtung, ihre Kultur, ihre geistige Befreitheit, ihre Liebeskraft bemerkenswerte H.C. Nordenflycht in Schweden. Andere waren Mary Wolstonecraft-Godwin und Elizabeth Browning in England; in Frankreich könnten mehrere Namen genannt werden, unter denen die hervorragendsten Mademoiselle de Lespinasse und Madame Staël sind. In Deutschland entsprechen diesen Frauen Rahel und einige andere bedeutende Frauengestalten, namentlich unter den Frauen der romantischen Schule.

Das all diesen Frauen Gemeinsame ist, daß sie die Liebe nicht so sehen, wie noch die Mehrzahl ihrer Zeitgenossen sie sah – als den tändelnden und nur leicht verwundenden Amor – sondern in Gestalt des lebensgefährlichen Eros. Die Liebe war für sie nicht eine flüchtige Jugendepisode, auf die sie vom Ernst des Lebens aus lächelnd oder gerührt zurückblickten, nein, sie war selbst der Ernst des Lebens. Diese Frauen besitzen die höchste geistige Kultur ihrer Zeit, ganz so wie Heloise auf der Höhe ihrer Zeit stand, aber das hindert sie nicht, gerade so wie sie in einer Leidenschaft aufzugehen, einer ursprünglichen, naturstarken, flammenden und verzehrenden Leidenschaft. In welcher Zeit, in welchem Lande eine Frau mit dieser ganzen und großen Liebe geliebt hat, da hat diese Liebe für sie selbst die Einheit der Seele und der Sinne bedeutet, und zugleich die Forderung – oder wenigstens die Hoffnung – so geliebt zu werden, wie sie selbst liebte: mit einer Liebe, die die ganze Persönlichkeit des Mannes, seine menschliche, geradeso wie seine männliche Wesensart umfaßte.[1]

Und Goethes Briefe an Frau von Stein, die Diderots an Sophie Voland zeigen, daß es auch damals schon Männer gab, die mit der feinsten Schätzung der ganzen Persönlichkeit der Geliebten zu lieben vermochten; die diese in allen ihren Schattierungen genießen, die mit der Geliebten alles teilen mußten, von den Andachtsstunden des Gedankens, bis zu den Früchten des Sommertags, und die nur so teilend sich wirklich besitzend fühlten.

Aber im großen ganzen waren sowohl diese Frauen wie diese Männer ihrer Mitwelt weit voraus, was jenes Gefühl betraf, das Rahel die »neue, europäische Liebe« nennt.

Ihre erste Märtyrerin war Heloïse, sie, die mit bewußtem Willen ihre ganze Seele und all ihre Sinne der Liebe gab, sie, die lieber Abälards Freudenmädchen heißen wollte als des Kaisers Gemahlin; sie, die mit rücksichtsloser Ehrlichkeit ihre weißglühende Leidenschaft beichtet, ihre Sehnsucht, ihr Leid, sie, die mit Stolz fühlt, daß ihre Seele durch dieses Feuer groß geworden, daß diese Treue gegen sich selbst ihr Adel ist. Sie besaß schon den klaren Blick des neuen Weibes für sich selbst und ihre Liebe, und sie leidet schon die Qualen, die in unserer Zeit unzählige Frauen gelitten haben, als sie erfuhren, daß die Liebe des Mannes nie ihrer Seele gegolten habe. Bei ihr findet man schon die einheitliche Liebe: die flammende Leidenschaft und die innige Zärtlichkeit, den Trotz gegen das Schicksal, das dem Liebesbedürfnis – dem höchsten und reinsten ihres Wesens – die Befriedigung versagt, und den Mut zu leiden, ja eher zugrundezugehen als nicht geliebt, d.h. gelebt zu haben.

Heloise hat ganz gewiß im Lauf der Zeiten die eine oder andere Seelenschwester gehabt, obgleich diese nicht ihre Macht besaßen, diese ihre Seele auszudrücken.[2]

Aber erst mit Werther trat der männliche Typus hervor, auf den diese Frauen gewartet hatten, ein Mann von solcher Seelenfeinheit, so rasch vibrierender Sensibilität, so tiefem Liebesbedürfnis, daß auch für ihn die Liebe die Lebensfrage wurde, ein Mann, der eine Heloisennatur so lieben konnte wie eine solche »grande amoureuse« geliebt sein wollte: mit allen Sinnen als Weib, mit der ganzen Seele als Persönlichkeit.[3]

Rahel teilte anfangs das Schicksal der zu früh gekommenen Frauen, dem Mann, der ihrer Liebe würdig war, nicht zu begegnen.

Daß der junge Graf Karl von Finckenstein sich in die weder durch Schönheit noch durch Gesellschaftsstellung oder Reichtum ausgezeichnete Rahel nicht nur verliebte, sondern sich auch mit ihr verlobte, zeigt, daß er ein Mann war, der durch sein Gemüt schon der neuen Zeit angehörte, obgleich er im übrigen nicht den Charakter besaß, der dieses Gemüt zu tragen vermochte.

Er und Rahel sahen sich zum erstenmal in der Oper, und ihre tiefe Musikliebe – die sich bei ihm mit einer ausgezeichneten Gesangskunst verband – war die erste Seelengemeinschaft, die sie einander näherte. Sie trafen sich im Gesellschaftsleben, denn Rahel befand sich gerade damals in jenem Stadium, wo sie etwas von all dem nachholte, was ihr ihre Kränklichkeit und ihre Seelenqualen in der ersten Jugend geraubt hatten. Sie war gerade in dieser Zeit jünger als ihre Jahre, mit der aufgesparten Lust an gesellschaftlichen Vergnügungen. So wirkte Rahel, die nun schon fünfundzwanzig Jahre alt war, fast wie ein ganz junges Mädchen, und erst später empfand der anderthalb Jahre jüngere Finckenstein das Drückende in Rahels ihm überlegener Persönlichkeit, während er anfangs seelenvoll genug war, nur ihren Zauber zu empfinden.

Er seinerseits war ein Mann, wie dazu geschaffen, von Rahel idealisiert zu werden. Vor allem besaß sein Wesen jene Verfeinerung des Aristokraten, jene Leichtigkeit und Anmut, die auf Rahel ihr Lebenlang die stärkste Anziehung ausübte. Dazu war er von ungewöhnlicher Schönheit. Die prächtige Gestalt, die edlen Züge des Antlitzes, die sanften blauen Augen, das goldblonde, seidenfeine Haar, das in natürlichen Locken seinen Kopf umgab, alles ließ ihn wie einen leibhaftigen Märchenprinzen wirken. Sein Gesang, seine vielseitige Bildung, sein Natursinn und seine Goethebewunderung, seine leichtgerührte Empfindsamkeit, all dies ließ Rahel an eine tiefe Seelengemeinschaft zwischen ihnen glauben. Und seine Briefe – die nebst einer Locke seines schönen Haares in Rahels Geheimfächern nach ihrem Tode gefunden wurden – sind inhaltsreich genug, damit Rahel glauben mußte, was er ihr stets versicherte: daß er ihr für »ewig« angehöre, daß sie alles Gute in ihm wachrufe, daß sie seine Persönlichkeit bilde, daß er bei ihr eine Klarheit und Wahrheit, eine Mannigfaltigkeit und Gefühlsstärke finde, wie bei keiner anderen.

Die Gewißheit, daß sie ihn liebte, ließ ihn vor Glück weinen, wenn er unter den blühenden Akazien ihre herrlichen Briefe las; und wenn sie in ihrem kleinen Dachkämmerchen zusammen zu den Sternen aufblicken, empfindet er vollkommene Seligkeit. Wie konnte Rahel – da sie ihn doch selbst liebte – daran zweifeln, daß sein Wille Stärke genug besitzen würde, um ihrer Liebe eine Zukunft zu schaffen?

Aber wie selten ist die junge Liebe stark! Ebenso selten als sie klarblickend ist, Sie ist in den meisten Fällen, diese junge Liebe, das berückende und berauschende Gefühl, jetzt endlich selber dieses Wunderbare zu erfahren, wovon die Dichter gedichtet und das die eigenen Träume umkreist haben; selbst dieses »Hangen und Bangen« zu empfinden, die Zärtlichkeitsausdrücke der Liebe zu tauschen, ihre großen schönen Worte zu hören und auszusprechen! Rahel gestaltete – wie unzählige hochentwickelte junge Mädchen vor und nach ihr – bei all dem Finckenstein zu einem andern um, als er war, und erst allmählich entdeckte sie, daß sie sein wirkliches Wesen nicht gekannt hatte, das Wesen, das nur Taten offenbaren können. Die Worte hingegen, die Liebende einander schreiben oder sagen, zeigen nur, was sie zu sein wünschen, oder was sie sich selber zutrauen, nicht was sie sind.

Als die Probe kam, zeigte es sich auch, daß Finckenstein ein schwaches Kind war, außerstande, ein großes Gefühl zu empfinden, darum auch außerstande, für das schwache, das er empfand, zu kämpfen.

Sein Vater war tot, und er lebte mit seiner Mutter und seinen vielen Schwestern auf dem Familiengut zusammen. Diese weiblichen Angehörigen beteten ihn mit einer eifersüchtigen Zärtlichkeit an, die ihn keinem Weibe gönnte; und dazu kamen noch die Adelsvorurteile, die von dem Gedanken, daß er eine Gattin von bürgerlicher – und noch mehr von jüdischer – Abkunft in ihren Kreis einfuhren sollte, tief verletzt waren. Allerdings hatten einige der schönen und reichen Jüdinnen Berlins vornehme Ehen geschlossen, aber dies hatte ihren neuen Verwandten keinerlei Freude bereitet So fanden sich viele Gründe für Finckensteins Mutter und Schwestern, ihm zu beweisen, daß die Heirat mit Rahel ihm selbst zum Unglück gereichen würde. Und so beginnt er in den Briefen an Rahel – wie alle schwachen Seelen – über das Schicksal zu jammern. Bald beteuert er Rahel seine Liebe, bald schreibt er, daß er es nicht ertragen kann, die Seinen leiden zu sehn. Rahel, die ihn liebt, hofft noch immer »ihm zu Liebe zu lieben«, sie glaubt seinen Versicherungen, leidet seine Leiden, und sie handelte »toll und richtig« wie sie es selbst nennt, indem sie an ihm festhielt, solange sie an seine Beteuerungen glaubte. »Helden waren wir beide nicht«, sagt sie, »er in seiner Weise nicht, ich in meiner Weise nicht«. Aber allmählich sieht sie ein, und schließlich spricht sie es auch aus: daß er sich bei ihr nicht glücklich fühlt – so wie darum auch sie nicht bei ihm – weil sie ihm imponiert. Sie begreift, daß seine Angehörigen an Macht gewinnen, weil sie selbst die Macht verloren hat, denn er fühlt sich unter dem Einfluß ihrer starken Persönlichkeit unbehaglich. Einmal ums andere stellte sie ihn vor die Wahl zwischen ihr und den Seinen; er kam zu ihr zurück, aber nur, um gleich wieder mit seinen Lamentationen zu beginnen. Rahel überhastete die Entscheidung nicht, sie wurde auch nicht von verletztem Stolz dazu getrieben, sondern einzig und allein von dem Gefühl, daß nur das Glück, das für beide notwendig war, ein wirkliches sein konnte. Ihre Verlobung dauerte vom Jahre 1796 bis 1800; unter unablässigen Liebesbeteuerungen und Tränen von seiner Seite, gemischt mit den für eine Natur wie die seinige unvermeidlichen Versicherungen: daß es ihm nicht an Energie fehle, aber – daß sein Herz darunter litte, den Seinen Leiden zuzufügen!

Und so fiel die Entscheidung so aus, wie sie in solchen Konflikten auszufallen pflegt. Rahel, die am berechtigsten litt, aber am wenigsten klagte, wurde geopfert, und die eifersüchtigen egoistischen, kleinsinnigen Schwestern trugen den Sieg davon.

So blind war der Mann, der die Liebe einer Rahel gewonnen hatte. Aber es ist zweifellos, daß Finckensteins Gefühl für Rahel insoweit echt war, daß sie ihm die Stärke zu einer anderen Wahl hätte geben können. Die meisten Frauen in Rahels Lage hätten sich der Machtmittel bedient, die sie in ihrer Liebe, ihrem Leid, ihrer Persönlichkeit besaß.

Rahel tat nichts dergleichen. Sie hoffte solange als möglich, daß sein Gefühl ebenso stark sei als seine Worte. Als sie einsah, daß es weich und bleich war wie seine Schönheit, gab sie den Kampf auf.

Aber sie tat es erst nach Leiden, in die sich alle Bitterkeit der Vergangenheit mischte. Es war schon schwer für sie gewesen, wieder Hoffnung zu fassen, für sie, die durch ihre Geburt und ihre früheren Schmerzen so überzeugt war, zum Leiden geschaffen zu sein, die an dem Weg, über den die Glücklichen wanderten, im Schatten gestanden hatte, mit geschlossenen Händen, gewiß, daß in ihre Hand kein Goldapfel fallen würde. Und nachdem sie das Wunderbare erlebt, daß das Leben sanft die geschlossenen Hände geöffnet und seine schönste Gabe in sie gelegt hatte, konnte sie die Liebe nicht als etwas betrachten, um das sie kämpfen mußte. Sollte sie auch aufs neue einsam sein, nachdem sie Gemeinsamkeit gekostet, gedemütigt, nachdem sie Genugtuung erfahren, arm, nachdem sie Reichtum besessen – dies mußte sie eher ertragen als ihr innerstes Bewußtsein zu verletzen, das Bewußtsein des neuen Weibes: daß kein Mensch das Recht hat, einen anderen durch irgend eine andere Macht festzuhalten als die innerste Notwendigkeit dieses andern. Hatte der Geliebte selbst, sein Gefühl nicht die Stärke, die notwendig war, um ihnen beiden das Glück zu sichern, dann war ja auch nicht jener Inhalt vorhanden, der ihrer Verbindung Berechtigung, ihrem Zusammenleben Wirklichkeit geben konnte. Kein falscher Stolz, keine übel angebrachte Rücksicht bestimmten Rahel. Sie besaß in hohem Grade die Ueberzeugung der neuen Liebe, daß man vor allem Pflichten gegen seine Liebe hat, in erster Linie die, das Unwesentlichere dem Wesentlichen zu opfern.

Und als Rahel Finckenstein die volle Freiheit zu wählen gab, hegte sie noch im tiefsten Innern die Hoffnung der Liebenden – diese Hoffnung, die auch von der Unwahrscheinlichkeit leben kann – daß er sie wählen würde. Er zeigte im Gegenteil, wie recht jene Freundin Rahels gehabt hatte, die sein Herz mit einer Spielzeuguhr verglich, mit Ziffern und Zeiger, aber ohne Uhrwerk!

Rahel stand nun da, enttäuscht nicht nur vom Glück, sondern enttäuscht durch das Wesen des Geliebten. Sie klagte ihn nicht an: Er hatte, sagte sie, nach seiner Natur gehandelt, sie trug die Schuld, die nicht erkannt hatte, wie seine Natur beschaffen war!

Aber eine solche Erkenntnis ist nie ein Trost, oder zum mindesten ist der Weg zu dieser Trostquelle sehr weit Anfangs fühlte Rahel, wie alle, die ähnliches erlebt haben, daß die Schläge des Schicksals leicht sind, im Vergleich damit, sich in einem Menschen so tief enttäuscht zu sehen. Das ist die Qual, die die Persönlichkeit bis in ihre Grundfesten erschüttern kann, die ein auflösendes Gift in den geistigen Organismus trägt; und vor allem sind Naturen wie die Rahels dieser Qual ausgesetzt Denn diese haben ein grenzenloses Vertrauen zu dem Adel anderer, und das ganze Leben wird mit einem Schlag verwirrt, wenn dieses Vertrauen gerade durch den Menschen erschüttert wird, der es in unbegrenztem Maße eingeflößt hat. Die Spuren eines solchen Leids verwischen sich niemals. Ja, es liegt stets ein gezogenes Schwert zwischen uns und dem Leben, nachdem es – gerade als es uns am hellsten zu lächeln schien – uns plötzlich an der Kehle packte wie ein Mörder. Das kindergleiche Vertrauen zur Natur ist unmöglich, wenn wir entdeckt haben, daß sie es mit uns nicht gut meint.

Und Rahel, die schon soviel gelitten hatte, glaubte sich nun zum Unglück auserkoren. Mit einem tiefen Wort drückt sie ihre Erfahrung und die sovieler aus, wenn sie von dem Schuldgefühl spricht; das man durch den Schmerz empfindet. Das ist nicht die Grübelei über die Fehler und Irrtümer, durch die man selbst eine der Ursachen seines Schmerzes gewesen sein kann. Nein, es ist, wie Rahel sagt, das Gefühl, nicht mehr eines der reinen Wesen der Natur zu sein, eine würdige Schwester all dieser stillen, gesunden, schönen Wesen – weil man die Mißhandlung durchgemacht hat, in die Verzweiflung versunken ist, in der man das Dasein hinwerfen wollte, um nur nicht weiter leiden zu müssen.[4]

Von diesem Augenblick an fühlte Rahel sich nicht mehr einheitlich: das heißt, sie lebte mit zwei Weltanschauungen, die im Innersten verzweifelnde, die ihre unmittelbare geworden war, und die lebensliebende, die nicht mehr die unmittelbare war, sondern die durch tägliche Siege erkämpfte Fähigkeit, »reiner, williger und reicher als irgend eine andere« den Reichtum des Daseins aufzunehmen.

Rahel sah Finckenstein elf Jahre später wieder, im selben Jahr, in dem er starb. Und wie tief sie gelitten, zeigen ihre Worte sowohl nach ihrem Wiedersehen, wie nach seinem Tode. Er war gekommen, »Kalt wie ein Frosch, beschämt wie ein ertappter Schelm«; er hatte von seiner schönen Frau erzählt, und Rahel schrieb nachher in ihr Tagebuch ein paar Seiten, die zeigen, daß sie sich selbst so ohne Schönheit, Anmut, Zauberkraft fand, daß dieser ihr eigener Mangel ihr eine Erklärung für ihr Unvermögen gab, Finckenstein wirkliche Liebe einzuflößen. Aber nach seinem Tode fühlt sie, daß die Verachtung, die er ihr im Leben einflößte, doch nicht aufgehört hatte. Denn der Tod konnte ihr Urteil über seine Erbärmlichkeit nicht ändern.

Es läßt sich darüber diskutieren, ob Weininger mit seiner Meinung recht hat, daß der Hauptbestandteil des Genies das Gedächtnis sei. Sicher ist, daß es eine Grundbedingung für Gefühlstiefe ist.

Rahel gehörte zu jenen, die sich nie durch den Tod oder die Zeit bestechen lassen. Ihr Herz hatte laut »dein Mörder!« gerufen, als Finckenstein ruhig vor ihr saß. Und sie wollte dieses ihr Herz nicht ändern, das die Natur selbst »aufrührerisch und mild« geschaffen hatte.

Ein Meer von Bitterkeit stieg in ihr bei dem Gedanken auf, daß dieser Mann solche Macht über sie gehabt hatte, ja noch hatte.[5]

* * *

In der ersten Zeit nach dem Bruch fand Rahel die bestmögliche Hilfe in einer Krankheit, die ihr die Ruhe und das Recht gab, sich in der Einsamkeit zu Resignation durchzukämpfen. Als sie dann, mit der Empfänglichkeit der Genesenden, wieder begann, ihren Sinn neuen Eindrücken zu erschließen, nahm sie eine Freundin – Gräfin v. Schlabrendorff – nach Paris mit. Die reichen Erlebnisse, die dies veranlaßte, kamen zur rechten Zeit, Rahels volle Empfänglichkeit wie ihre feine Auffassung zeigen sich in den Briefen an die Daheimgebliebenen, von denen sowohl Jean Paul wie Friedrich Schlegel meinen, daß sich ein besseres Bild des Pariser Lebens und der Franzosen als das, welches Rahel in ihren Briefen gab, gar nicht denken lasse.

Die beste Hilfe, die Rahel in ihren Bemühungen, die Lebensliebe wiederzugewinnen, fand, brachte ihr doch ein junger Landsmann. Es war ein dreiundzwanzigjähriger Jüngling, Bokelmann, den ein gemeinsamer Freund ihr geschickt hatte. Mit ungewöhnlicher äusserer Schönheit verband er eine Seele, offen wie eine Blume. Mit Wärme schloß er sich an Rahel gerade in dem Augenblick an, wo jedes Herz für Zärtlichkeit am empfänglichsten ist: wenn seine Wunden sich zu schließen beginnen.

Die verständnisvolle Sympathie des Jünglings wirkte so, wie milde Lüftchen auf das niedergetretene Gras wirken: Blatt um Blatt richtet sich von neuem empor und fängt den Tau und die Sonne auf. Aber noch war Rahel nicht für eine neue Liebe bereit, und ihre eigene Freude an dem reichen, reinen jungen Gefühl, das ihr entgegentrat, entwickelte sich zu keiner anderen Art von Liebe als die, in der man nichts verlangt, in der man »das Liebliche nicht besitzen, nur blühen sehen will«. Und als sie nach ein paar Monaten des Zusammenseins in Paris voneinander schieden, sieht man aus Rahels Briefen, daß sie auch seine Neigung in dieses schöne Gefühl ohne Namen umwandeln will, das Rahel so richtig charakterisiert, wenn sie sagt, daß man sich ja aneinander freuen kann, wie man sich an einem lieblichen Kind, dem man zufällig begegnet, freut, ein Glück, das jedem angehören kann und das nicht den Willen einschließt, den Gegenstand der Liebe zu besitzen.

Und auf beiden Seiten wurde auch – nach mehrjährigem Briefwechsel – das Verhältnis nur eine schöne Erinnerung.

Auf dem Heimweg besuchte Rahel ihre in Amsterdam verheiratete Schwester. Sie nahm die Natur und Kunst Hollands und Belgiens mit feinem Verständnis auf. All die Herrlichkeiten der Kunst, die sie sich auf dieser Reise aneignete, riefen ihre Sehnsucht nach Italien wach. Aber wie sie später sagt, das Glück »mit meinen Sinnen und einem frohen starken Herzen Italien, das schöne, zu sehen« wurde ihr niemals zu teil.

Daß sie sich jetzt wieder sehnen konnte und daß diese Sehnsucht sich gerade dem Süden zugewendet hatte, zeigt, daß sie wieder jene Lebensliebe empfand, die sie erloschen gewähnt.

Sie drückt ihr Bewußtsein der Veränderung mit den Worten aus, daß »wir rouge et noir ewig mit uns ohne Willen spielen«: ob man gewinnt oder verliert, man fühlt doch, daß man lebt.

Schon in ihrem tiefsten Leid hatte Rahel sich gesagt, daß das Leben noch Freudequellen hatte, obgleich der Schmerz sie ihr jetzt verbarg. Sie hatte durch Bokelmann »das Notwendigste an Liebe« erlebt[6] und sie konnte jetzt in ihr Dachkämmerchen als eine Getröstete zurückkehren, wenn auch von jener Resignation erfüllt, die das noch junge Wesen sich alt fühlen läßt.[7]

Im Alter ist dagegen die Resignation unser einziges Mittel, um uns noch jung zu fühlen. Und dahin hatte Rahel noch einen weiten Weg.

* * *

Kein Zug bezeichnet Rahels Natur besser – und keiner macht sie in höherem Grade zu unserer Zeitgenossin – als daß sie niemals die Liebe bereut, die ihr so großes Leid verursacht hat, und sich auch nicht einredet, daß sie nie mehr lieben können wird. Sie weiß, die »welche Schmerzen haben, haben doch das Meiste«[8]

Und in diesen Zügen offenbaren sich die großen Naturen. Nur die leben, die sich selbst verschwenden.

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Anmerkungen:
  1. Man vergleiche z.B. die »Briefe der portugiesischen Nonne«, Schwester Marianne (herausgegeben von Carl Larsen, Inselverlag): »Briefwechsel zwischen Abälard und Heloise«, aus dem Lateinischen übersetzt und eingeleitet von Dr. Paul Adler (Diederichs). »Lettres de Mlle. Lespinasse«, herausgegeben von Comte Guibert (Garnier Freres, Paris, 1906).
  2. Man sehe u.a. Kort Breysig: Die Entstehung der Liebe (Zukunft).
  3. Dr. W. Nowack hat in seiner interessanten Studie: »Liebe und Ehe im deutschen Roman zu Rousseaus Zeiten, 1747–1774« daran erinnert, daß in der Renaissance das Weib wie der Mann ohne irgend welche »Emanzipationsbestrebungen« nach vollendeter Persönlichkeit strebte, weil ihr Recht in dieser Beziehung selbstverständlich war; daß schon damals vergeistigte Liebe zwischen Ausnahmenaturen hervortrat und stets außerhalb der Ehe, während Rousseau nicht so weit kam, weil er kein Verständnis für die Entwicklung der weiblichen Persönlichkeit hatte. Erst Goethe, der mit jeder Herzensfaser das neue Evangelium vom Sieg der Leidenschaft über die Vernunft eingesogen hatte, vertiefte Rousseaus Lehre und wurde der Entdecker der modernen Liebe. Werther vergeistigt seine Liebe zu Seelenverwandtschaft, er wird, von dem Individuellen im Wesen der Geliebten hingerissen, von der Poesie ihrer Natur. In Stella will Goethe schon einen Ehekonflikt im Geist unserer Zeit lösen, und er weiß, daß die Sitte umgewandelt werden muß, wenn sie nicht Unsittlichkeit werden soll. In allen seinen Werken zeigt Goethe die Ehrfurcht vor der Harmonie und Schönheit der Frauenseele, ohne die kein verfeinertes Seelenleben zwischen Mann und Frau denkbar ist, ohne die die Leidenschaft weder Hoheit noch Dauer hat ... Und was Goethe begann, setzte in Deutschland die romantische Schule und Jungdeutschland fort; in Frankreich St.-Simon, Michelet, Stendhal u.a.
  4. Wenn ich meine Wunden zur Schau tragen sollte, es wäre eine Schlachtbank! Oh, glauben Sie nicht, daß das, was ich Ihnen sage, übertrieben ist. Darum bin ich nur erschrocken, wenn mir etwas widerfährt, weil es auf ewig ist. Ein zartes Gemüt beleidigen, heißt es verderben.
    Die Bekanntschaft mit dem Unglück infamiert, ich lasse es mir nicht ausreden! Man ist kein reines Geschöpf der Natur, kein Geschwister der stillen Gegenstände mehr, wenn man einmal aus Schmerz, Erniedrigung, zusammengeängstet in Verzweiflung, gern seine Existenz gegeben hätte, um nicht schmerzfähig zu sein; wenn man alles, die ganze Natur für grausam gehalten hat ...
    Es ist keine von den Traurigkeiten, die wieder vergehen; die wie ein durch Wolken gebrochener Schein eine Gegend angenehm melancholisch verdunkeln und erhellen. Nein, die Gegend selbst ist zerstört, und meine ewig himmlische Laune kann nur Sonnenblicke darauf werfen ...
    Man ist entweder dem Wahnwitz oder dem Tode oder der Genesung ausgesetzt; mir sind die beiden ersten nicht widerfahren. Ich bin besser, kann ich auch nicht sagen; ich bin jenseits, möchte ich sagen ... vom Schicksal beschimpft, aber nicht mehr beschimpfbar. Unglück ist Schimpf vom Schicksal.
    Was ich nicht bekommen habe, kann ich vergessen, was mir aber geschehen ist, kann ich nicht vergessen. Behüte Gott jeden, dies zu verstehen.
  5. »Wie eine ihm zugestandene Kreatur fühlte ich mich, er hat mich verzehren dürfen.«
    »Aus jeder Flamme aber noch bring ich das unversehrte und auch empörte, ganz für sich selbst lebende Herz heraus ... Hätte er gestern durch einen Zauberring alles, was in den zwölf Jahren vorgefallen ist, ungeschehen machen können, so hätte er sich mein ganzes Leben wieder anlocken können, wenn er gewollt hätte! Dieses Laster nun von mir (denn wie soll ich es nennen, wie ansehen! – Ich tadle mich nicht: ich kenne mein Herz ganz: es ist gierig, es muß lieben; und es ist treu, denn es ist stark und ganz) – wird Tugend genannt, bei solchen Frauen, denen es gut geht.«
    Um die Stärke dieser Worte recht zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß Rahel dies schrieb, als sie Varnhagens Verlobte war. Das mildeste Urteil, das sie über ihn fällte, war streng genug: daß er ein Kind sei, das Werte zerstört hatte, von deren Größe es keine Ahnung gehabt.
  6. »Es muß sich einer an dem freuen, was in uns notwendig war, und unser niemals ruhendes Gewissen uns schaffen: und so müssen wir wieder an seiner Arbeit uns freuen!«
  7. »In meiner Seele ist Ruhe, in meinem Gemüt Gleichgewicht, in meinem Geist die gehörige Schnellkraft wiedergekommen.«
    »Am Ende sind alle unsere Tränen und herbsten Leiden doch nur um den Besitz; und man kann nie etwas anderes besitzen, als die Fähigkeit, zu genießen.«
    »Was die Menschen so eigentlich recht unglücklich macht, ist, daß man sich nicht entschließen mag, nicht glücklich zu sein. Sind wir aber einmal bis dahin gehetzt, so tritt plötzlich das Alter ein. Unser Bestreben ist nicht mehr nach dem Unendlichen, wir teilen das Leben und nehmen, wie man zu sagen pflegt, den Augenblick mit. Tränen, Glanz und Wut hat ein Ende; wir werden starr, freundlich und haben Falten. Das Alter kommt plötzlich und nicht nach und nach, wie man denkt; wie jede Erkenntnis.«
  8. »Ich habe wie Posa verloren und möchte doch nicht zu den Menschen gehören, die nicht sich aufs Spiel setzen. Wer ohne Panzer seinen Busen in der harten Welt umherträgt, der muß verwundet werden; das wüßt' ich nur nicht. Der Schreck ist das meiste, und wenn man das Bluten noch für Sterben hält. Wunden werden immer kommen, aber nicht unerwartet.«
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