Das vierte Kapitel

Über die Treue in der Ehe

Der Männer

Du, der du als Richter nicht Geschenke nimmst, weil es wider deinen Amtseid ist, weißt du, daß du ein Meineidiger bist, indem du deiner Frau untreu geworden? Wer zwang dich, ins Ehekloster zu gehen? Warst du nicht lange genug im Noviziat? Da du aber einmal die Gelübde abgelegt hast, warum wirst du niederträchtig? Wenn es keine Sünde wäre, neben dem Ehebett noch eine Ruhebank zu haben, so würde es schon darum unverantwortlich sein, weil es wider dein einmal gegebenes Wort ist. Ein Wort, ein Wort, ein Mann, ein Mann. Und wenn es dir schwer wird, Blumen zu sehen und sie nicht brechen zu dürfen, so ziehe in ein Haus ohne Garten. Ein Frauenzimmer gibt ihre Schönheit auf Leibrenten aus, wenn sie heiratet, und wie unverantwortlich würde es sein, einen Kontrakt dieser Art zu schließen und das arme Kind hernach hungern zu lassen.

Es wäre viel zu deiner Entschuldigung, wenn dich deine Ehefrau mit einem Paß für die Nebenwege versehen oder wohl gar eine Maklerin deiner Ausschweifungen sein sollte. Allein glaubst du dich dadurch rechtfertigen zu können? Der Staat ist hier Schiedsmann, und sobald es ausgemacht ist, daß nur ebensoviel Weiber als Männer in demselben geboren werden, so ist es Mord und Raub, sich nicht mit einer behelfen zu wollen. Ist es aber sogar wahr, daß in einem Jahr mehr Knäbchen als Mädchen geboren werden, so hast du Ursache, dem Himmel zu danken, daß du eine Frau hast, und die europäischen Staaten haben Ursache, die Eherechte auf alle nur mögliche Weise in Schutz zu nehmen und Ausschweifungen wie auswärtige Lotterien zu verbieten. Menschen sind das beste Produkt, das ein Land tragen kann, und die Bevölkerung ist die größte Achse im Staat, um die sich alles dreht. Die Bevölkerung dient zur Festung wider den Nachbarn und zum Magazin für den Bürger. Kein Boden ist so schlecht, daß er nicht Menschen nähren sollte. Wenn deren Hände nichts ausrichten, so haben sie noch etwas, welches auch auf felsigem Acker Frucht trägt: Verstand.

Der Ehepatron der protestantischen Kirche, Melanchthon, erlaubte dem Landgrafen Philipp, eine zweite Frau zu nehmen. Die Sache an sich ist eben so unerhört nicht, wenn ich nur wüßte, wie dieser geistliche Mann zu der Vollmacht gekommen ist, diesen Fall zu entscheiden. Wenn ein Landesherr eine unfruchtbare Gemahlin hätte und das Land deshalb verlegen wäre, so würde sich alles von selbst ergeben. Der, welcher die Gewalt hat, kann in diesem Fall privilegieren, allein es müßte nicht auf seinen Appetit, sondern auf den Vorteil des Staats dabei gesehen werden. Man reizt den Appetit durch verschiedene Speisen. Es gibt Völker (die Malabaren), die nur einerlei Speise genießen, und diese sind nicht so gefräßig.

Nicht allein aber der Staat, sondern das eigne Hauswesen sollte dich zur Treue in der Ehe ermuntern. Du entziehst deinen Kindern das, was die Gesetze ihnen zuerkannt haben, und schändest dich selbst, da du, anstatt Söhne und Töchter zu zeugen, Bastarde zur Welt bringen läßt, die du vor aller Welt verbergen mußt, die dein Weib verabscheut und denen du in jedem deiner rechten Kinder einen Todfeind erziehst. Ein Mann, der seine Frau verachtet, verachtet auch seine Kinder, denn er verwünscht die Gelegenheit, die ihn zum Vater gemacht hat.

Die Liebe hat bloß das Vergnügen zum Endzweck; in der Ehe ist dieses gegen andere, wichtigere Obliegenheiten eine Kleinigkeit. Willst du deine angetraute Frau bloß als einen Gegenstand der Freundschaft ansehen, so hättest du dazu kein Frauenzimmer nötig. Hältst du ein Frauenzimmer zu gewissen Dienstbezeigungen, die besonders auf die Reinigung der Zimmer und deiner Wäsche hinauslaufen, für notwendig, warum nahmst du nicht deines Vaters alte Schwester ins Haus? Ein großer Geist muß sich nur in gewöhnlichen Handlungen zeigen: ungewöhnliche bringen auch den mittelmäßigen zu einem ungewöhnlichen Schwünge. Treue gegen die Frau und Enthaltsamkeit sind sehr gemeine Tugenden, allein wenn du eine solche nicht erreichen kannst, was will bei einer schwereren werden?

Sieh da, ungetreuer Ehemann, dein Weib seufzt, und deine Tochter lacht über dich. Du buhlst mit Doris, wenn aber Dämon mit deiner Tochter es ebenso machen wollte? Du tust etwas, wovon du wünschen mußt, daß es nirgendwo, am wenigsten in deiner Familie, geschehen möge. Wo der Hausvater ausschweift, will ich keine Cousine oder Nichte heiraten; denn was ist glaublicher, als daß dieser Bösewicht unter dem Zeichen der Freundschaft seinen Lüsten genugtut und sein Haus zum Bordell und seine Familie zur Huren-Wirtschaft erniedrigt.

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