Zweites Buch: Über die Theorie des Krieges

Erstes Kapitel: Einteilung der Kriegskunst

Krieg in seiner eigentlichen Bedeutung ist Kampf; denn Kampf ist allein das wirksame Prinzip in der mannigfaltigen Tätigkeit, die man in der weiteren Bedeutung Krieg nennt. Kampf aber ist ein Abmessen der geistigen und körperlichen Kräfte vermittelst der letzteren. Daß man die geistigen nicht ausschließen darf, versteht sich von selbst, denn der Zustand der Seele hat ja den entschiedensten Einfluß auf die körperlichen Kräfte.

Das Bedürfnis des Kampfes hat den Menschen früh zu eigenen Erfindungen geführt, um sich die Vorteile in demselben zuzuwenden; dadurch ist der Kampf sehr verändert worden; wie er aber auch beschaffen sein mag, sein Begriff wird dadurch nicht verändert, und er ist es, der den Krieg ausmacht.

Die Erfindungen sind zunächst Waffen und Ausrüstung der einzelnen Kämpfenden gewesen. Diese müssen geschaffen und eingeübt werden, ehe der Kampf beginnt; sie werden nach der Natur des Kampfes eingerichtet, erhalten also von ihm das Gesetz; aber offenbar ist die Tätigkeit, welche sich damit beschäftigt, eine andere als der Kampf selbst; sie ist nur die Vorbereitung zum Kampf, nicht die Führung desselben. Daß Bewaffnung und Ausrüstung nicht wesentlich zum Begriff des Kampfes gehören, ist klar, denn bloßes Ringen ist auch Kämpfen.

Der Kampf hat die Einrichtung der Waffen und der Ausrüstung bestimmt, und diese modifizieren den Kampf; es ist also Wechselwirkung zwischen beiden.

Aber der Kampf selbst bleibt darum doch eine ganz eigentümliche Tätigkeit, und das um so mehr, als er sich in einem ganz eigentümlichen Element, nämlich in dem Element der Gefahr, bewegt.

Ist also je irgendwo eine Trennung verschiedenartiger Tätigkeiten notwendig, so ist es hier; und wir brauchen, um die praktische Wichtigkeit dieses Gedankens durchschauen zu lassen, nur leise daran zu erinnern, wie oft die tüchtigste Persönlichkeit in dem einen Felde als die unbrauchbarste Pedanterie in dem anderen erschienen ist.

Es ist auch keineswegs schwer, in der Betrachtung die eine Tätigkeit von der anderen zu trennen, wenn man die bewaffnete und ausgerüstete Streitkraft als gegebene Mittel betrachtet, von denen man, um sie zweckmäßig zu gebrauchen, nichts zu kennen braucht als ihre Hauptresultate.

Die Kriegskunst im eigentlichen Sinn wird also die Kunst sein, sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen, und wir können sie nicht besser als mit dem Namen Kriegführung bezeichnen. Dagegen werden allerdings zur Kriegskunst im weiteren Sinne auch alle Tätigkeiten gehören, die um seinetwillen da sind, also die ganze Schöpfung, d. i. Aushebung, Bewaffnung, Ausrüstung und Übung der Streitkräfte.

Es ist für die Realität einer Theorie höchst wesentlich, diese beiden Tätigkeiten zu trennen, denn es ist leicht einzusehen, daß, wenn jede Kriegskunst mit der Einrichtung der Streitkräfte anfangen und diese für die Kriegführung, so wie sie dieselben angegeben, bedingen wollte, sie nur auf die wenigen Fälle anwendbar sein könnte, wo die vorhandenen Streitkräfte dem gerade entsprächen. Will man dagegen eine Theorie haben, die für die große Mehrheit der Fälle geeignet, für keinen aber ganz unbrauchbar sei, so muß sie auf die große Mehrheit der gewöhnlichen Streitmittel und bei diesen auch auf die wesentlichsten Resultate gebaut sein.

Die Kriegführung nun ist also die Anordnung und Führung des Kampfes. Wäre dieser Kampf ein einzelner Akt, so würde kein Grund zu einer weiteren Einteilung sein; allein der Kampf besteht aus einer mehr oder weniger großen Zahl einzelner, in sich geschlossener Akte, die wir Gefechte nennen, wie wir das im ersten Kapitel des ersten Buches gezeigt haben, und die neue Einheiten bilden. Daraus entspringt nun die ganz verschiedene Tätigkeit, diese Gefechte in sich anzuordnen und zuführen und sie unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden. Das eine ist die Taktik, das andere die Strategie genannt worden.

Die Einteilung in Taktik und Strategie ist jetzt im Gebrauch fast allgemein, und jeder weiß ziemlich bestimmt, wohin er ein einzelnes Faktum stellen soll, ohne daß er sich des Einteilungsgrundes klar bewußt ist. Wo aber solche Einteilungen vom Gebrauch dunkel befolgt werden, müssen sie einen tiefen Grund für sich haben. Diesen Grund haben wir aufgesucht, und wir können sagen, daß es eben der Gebrauch der Majorität ist, der uns zu ihm geführt hat. Dagegen müssen wir die von einzelnen Schriftstellern versuchten willkürlichen, nicht aus der Natur der Sache genommenen Feststellungen des Begriffs eben darum nicht gefaßt haben, auch als nicht im Gebrauch vorhanden betrachten.'

Es ist also nach unserer Einteilung die Taktik die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.

Wie sich der Begriff des einzelnen oder selbständigen Gefechts näher bestimmt, an welche Bedingungen diese Einheit gebunden ist, werden wir erst ganz deutlich machen können, wenn wir das Gefecht näher betrachten; jetzt müssen wir uns begnügen zu sagen, daß in Beziehung auf den Raum, also unter gleichzeitigen Gefechten, die Einheit gerade so weit reicht wie der persönliche Befehl, in Beziehung auf die Zeit aber, also unter Gefechten, die einander nahe folgen, so weit, bis die Krise, welche jedes Gefecht hat, ganz vorüber ist.

Daß hier zweifelhafte Fälle vorkommen können, nämlich solche, wo mehrere Gefechte auch allenfalls als ein einziges betrachtet werden können, wird unserem Einteilungsgrunde nicht zum Vorwurf gereichen, denn das hat er mit allen Einteilungsgründen wirklicher Dinge gemein, deren Verschiedenheiten immer durch abstufende Übergänge vermittelt sind. Es kann also allerdings einzelne Tätigkeitsakte geben, die ebensogut, und zwar ohne Veränderung des Gesichtspunktes, zur Strategie als zur Taktik zu zählen sind, z. B. sehr ausgedehnte Stellungen, die einer Postierung ähnlich werden, die Anordnung mancher Flußübergänge usw.

Unsere Einteilung trifft und erschöpft nur den Gebrauch der Streitkräfte. Nun gibt es aber im Kriege eine Menge von Tätigkeiten, die ihm dienen, aber von ihm doch verschieden, ihm bald näher verwandt, bald fremdartiger sind. Diese Tätigkeiten alle beziehen sich auf die Erhaltung der Streitkräfte. So wie die Schaffung und Ausbildung dem Gebrauch vorhergeht, so bleibt ihre Erhaltung demselben zur Seite und ist eine notwendige Bedingung. Genau betrachtet aber sind alle Tätigkeiten, die sich darauf beziehen, immer als Vorbereitungen zum Kampf zu betrachten, nur freilich als solche, die der Handlung sehr nahe liegen, so daß sie den kriegerischen Akt mit durchziehen und mit dem Gebrauch abwechselnd vorkommen. Man hat also ein Recht, sie wie die anderen vorbereitenden Tätigkeiten von der Kriegskunst im engeren Sinn, von der eigentlichen Kriegführung, auszuschließen, und man ist dazu genötigt, wenn man die Hauptaufgabe jeder Theorie, die Trennung des Ungleichartigen, erfüllen will. Wer wollte die ganze Litanei der Verpflegung und Administration zur eigentlichen Kriegführung zählen, da sie mit dem Gebrauch der Truppen zwar in beständiger Wechselwirkung steht, aber etwas wesentlich Verschiedenes davon ist!

Wir haben in unserem zweiten Kapitel des ersten Buches gesagt, daß, indem der Kampf oder das Gefecht als die einzige unmittelbar wirksame Tätigkeit bestimmt wird, die Fäden aller anderen, weil sie sich in ihm endigen, mit aufgenommen werden. Hiermit haben wir ausdrücken wollen, daß allen anderen dadurch der Zweck gestellt wird, welchen sie nun nach ihren eigentümlichen Gesetzen zu erreichen suchen. Hier müssen wir uns über diesen Gegenstand näher auslassen.

Die Gegenstände der noch außer dem Gefecht vorhandenen Tätigkeiten sind sehr verschiedener Natur.

Der eine Teil gehört in einer Beziehung dem Kampf selbst noch an, ist identisch mit demselben, während er in einer anderen der Erhaltung der Streitkräfte dient. Der andere Teil gehört bloß der Erhaltung an und hat nur wegen der Wechselwirkung mit seinen Resultaten einen bedingenden Einfluß auf den Kampf.

Diejenigen Gegenstände, welche in einer Beziehung dem Kampfe selbst noch angehören, sind Märsche, Lager und Quartiere, denn sie begreifen ebenso viele verschiedene Zustände der Truppen, und wo Truppen gedacht werden, muß immer die Idee des Gefechts vorhanden sein.

Die anderen, welche nur der Erhaltung angehören, sind Ernährung, Krankenpflege, Waffen- und Ausrüstungsersatz.

Die Märsche sind mit dem Gebrauch der Truppen ganz identisch. Der Marsch im Gefecht, gewöhnlich Evolution genannt, ist zwar noch nicht eigentlicher Waffengebrauch, aber er ist so innig und notwendig damit verbunden, daß er einen integrierenden Teil dessen ausmacht, was wir Gefecht nennen. Der Marsch außer dem Gefecht ist aber nichts als die Ausführung der strategischen Bestimmung. Durch diese wird gesagt, wann, wo und mit welcher Streitkraft ein Gefecht gegeben werden soll, und dies zur Ausführung zu bringen, ist der Marsch das einzige Mittel.

Der Marsch außer dem Gefecht ist also ein strategisches Instrument, aber darum nicht bloß ein Gegenstand der Strategie, sondern, weil die Streitkraft, die ihn ausführt, in jedem Augenblick ein mögliches Gefecht konstituiert, so steht auch seine Ausführung unter taktischen und strategischen Gesetzen. Wenn wir einer Kolonne den Weg diesseits des Flusses oder Gebirgsarmes vorschreiben, so ist das eine strategische Bestimmung, denn es liegt darin die Absicht, dem Gegner, wenn während des Marsches ein Gefecht nötig werden sollte, dasselbe lieber diesseits als jenseits anzubieten.

Wenn aber eine Kolonne, statt im Tale der Straße zu folgen, auf dem sie begleitenden Höhenrücken fortzieht oder sich des bequemen Aufmarsches wegen in mehrere kleine Kolonnen spaltet, so sind das taktische Bestimmungen, denn sie beziehen sich auf die Art, wie wir im vorkommenden Gefecht unsere Streitkräfte brauchen wollen.

Die innere Ordnung des Marsches hat eine konstante Beziehung zur Gefechtsbereitschaft, ist also taktischer Natur, denn sie ist ja nichts anderes als die erste vorläufige Disposition zu dem Gefechte, welches vorkommen könnte.

Da der Marsch das Instrument ist, durch welches die Strategie ihre wirksamen Prinzipe, die Gefechte, verteilt, diese aber oft bloß mit ihrem Resultat und nicht mit ihrem faktischen Verlauf eintreten, so hat es nicht fehlen können, daß man in der Betrachtung oft das Instrument an die Stelle des wirksamen Prinzips gesetzt hat. So spricht man von entscheidenden, von gelehrten Märschen und meint diejenigen Gefechtskombinationen, zu denen sie geführt haben. Diese Substitution der Vorstellungen ist zu natürlich und die Kürze des Ausdrucks zu wünschenswert, um sie zu verdrängen, aber immer ist es nur eine zusammengeschobene Vorstellungsreihe, bei der man nicht versäumen muß, sich das Gehörige zu denken, wenn man nicht auf Abwege geraten will.

Ein solcher Abweg ist es, wenn den strategischen Kombinationen eine von den taktischen Erfolgen unabhängige Kraft zugeschrieben wird. Man kombiniert Märsche und Manöver, erreicht seinen Zweck, und es ist von keinem Gefecht dabei die Rede, woraus man schließt, daß es Mittel gibt, den Feind auch ohne Gefecht zu überwinden. Wir werden erst in der Folge die ganze folgenreiche Größe dieses Irrtums zeigen können.

Aber wenngleich der Marsch vollkommen als ein integrierender Teil des Kampfes betrachtet werden kann, so gibt es doch auch in ihm schon gewisse Beziehungen, die nicht dazu gehören, also weder taktisch noch strategisch Bind. Dahin gehören alle Einrichtungen, welche bloß zur Bequemlichkeit der Truppen dienen, die Ausführung von Brücken- und Wegebau usw. Dies sind bloße Bedingungen, sie können unter manchen Umständen dem Gebrauch der Truppen sehr nahetreten und sich fast mit demselben identifizieren, wie der Bau einer Brücke unter den Augen des Feindes; aber an sich sind es immer fremdartige Tätigkeiten, deren Theorie nicht in die Theorie der Kriegführung gehört.

Lager, worunter wir jede versammelte, also schlachtfertige Aufstellung der Truppen begreifen, im Gegensatze der Quartiere, sind ein Zustand der Ruhe, also der Erholung, aber sie sind auch zugleich die strategische Feststellung eines Gefechts an der Stelle, wo sie genommen werden; durch die Art aber, wie sie genommen werden, enthalten sie schon die Grundlinie des Gefechts, eine Bedingung, von der jedes Verteidigungsgefecht ausgeht; sie sind also wesentliche Teile der Strategie und Taktik.

Quartiere vertreten zu besserer Erquickung der Truppen die Stelle der Lager; sie sind also wie jene der Lage und Ausdehnung nach strategische, der auf die Gefechtsbereitschaft gerichteten inneren Einrichtung nach taktische Gegenstände.

Der Zweck der Lager und Quartiere ist freilich neben der Erholung der Truppen gewöhnlich auch noch ein anderer, z. B. die Deckung einer Gegend, die Behauptung einer Stellung; aber er kann sehr wohl bloß der erstere sein. Wir erinnern uns, daß die Zwecke, welche die Strategie verfolgt, eine sehr große Mannigfaltigkeit haben können, denn alles, was als ein Vorteil erscheint, kann der Zweck eines Gefechts sein, und die Erhaltung des Instruments, mit dem man den Krieg führt, muß notwendig sehr häufig der Zweck ihrer einzelnen Kombination werden.

Wenn also in einem solchen Falle die Strategie der bloßen Erhaltung der Truppen dient, so befinden wir uns dadurch nicht etwa in einem fremden Felde, sondern wir sind immer beim Gebrauch der Streitkraft, weil jede Aufstellung derselben auf irgendeinem Punkte des Kriegstheaters ein solcher ist. Wenn aber die Erhaltung der Truppen ín Lagern und Quartieren Tätigkeiten hervorruft, die kein Gebrauch der Streitkräfte sind, wie der Bau der Hütten, das Aufschlagen der Zelte, der Verpflegungs- und Reinlichkeitsdienst im Lager und Quartier, so gehört das weder zur Strategie noch Taktik.

Selbst Verschanzungen, deren Lage und Einrichtung ganz offenbar ein Teil der Gefechtsdisposition sind, also taktische Gegenstände, gehören doch für die Ausführung ihres Baues nicht zur Theorie der Kriegführung, sondern die dahin gehörigen Kenntnisse und Fertigkeiten müssen der ausgebildeten Streitkraft schon innewohnen; die Gefechtslehre setzt sie voraus.

Von den Gegenständen, welche der bloßen Erhaltung der Streitkraft angehören, weil keiner ihrer Teile sich mit dem Gefecht identifiziert, steht die Ernährung der Truppen demselben doch am nächsten, weil sie fast täglich und für jedes Individuum tätig sein muß. So geschieht es, daß sie den kriegerischen Akt in seinen strategischen Bestandteilen ganz durchdringt. Wir sagen: in seinen strategischen Bestandteilen, weil innerhalb des einzelnen Gefechts die Ernährung der Truppen höchst selten einen den Plan modifizierenden Einfluß haben wird, wenngleich der Fall doch auch denkbar genug bleibt. Die meiste Wechselwirkung wird also zwischen der Strategie und der Sorge für den Unterhalt der Streitkräfte eintreten, und es ist nichts gewöhnlicher, als daß die Rücksicht auf diese Unterhalt die strategischen Hauptlineamente eines Feldzuges und Krieges mitbestimmt.

Wie entscheidend und wie häufig diese Rücksichten auch sein mögen, der Unterhaltsbetrieb der Truppen bleibt immer eine von dem Gebrauch derselben wesentlich verschiedene Tätigkeit, die nur mit ihren Resultaten darauf Einfluß hat.

Viel entfernter stehen dem Gebrauch der Truppen die anderen von uns genannten Gegenstände administrativer Tätigkeit. Die Krankenpflege, so höchst wichtig sie für das Wohl eines Heeres ist, trifft doch dasselbe nur immer in einem kleinen Teil seiner Individuen und hat daher nur einen sehr schwachen und mittelbaren Einfluß auf den Gebrauch der übrigen; die Ergänzung der Ausrüstungsgegenstände tritt, insofern sie nicht schon durch den Organismus der Streitkräfte eine ihnen innewohnende fortlaufende Tätigkeit hat, nur periodisch ein und wird also auch bei den strategischen Entwürfen nur selten zur Sprache kommen.

Wir müssen uns aber hier vor einem Mißverständnis bewahren. Im einzelnen Fall können faktisch diese Gegenstände von entscheidender Wichtigkeit sein. Die Entfernung der Hospitäler und Munitionsvorräte kann sehr füglich als der einzige Grund für sehr wichtige strategische Entscheidungen gedacht werden; das wollten wir weder in Abrede noch in den Schatten stellen. Wir sprechen aber nicht von dem faktischen Verhältnis des einzelnen Falles, sondern von dem Abstrakten der Theorie, und unsere Behauptung ist also: daß ein solcher Einfluß zu selten ist, um der Theorie der Krankenpflege und der Munitions- und Waffenergänzung eine Wichtigkeit für die Theorie des Kriegführens zu geben, es also der Mühe wert erscheinen zu lassen, die verschiedenen Wege und Systeme, welche jene Theorien angeben möchten, mit ihren Resultaten in der Theorie des Kriegführens mit aufzunehmen, wie das mit der Ernährung der Truppen allerdings der Fall ist.

Werden wir uns jetzt des Resultates unserer Betrachtungen noch einmal deutlich bewußt, so zerfallen die dem Kriege angehörigen Tätigkeiten in zwei Hauptabteilungen: solche, die nur Vorbereitungen zum Kriege sind, und in den Krieg selbst. Diese Einteilung muß denn auch die Theorie treffen.

Die Kenntnisse und Fertigkeiten der Vorbereitungen werden sich mit der Schaffung, Ausbildung und Erhaltung aller Streitkräfte beschäftigen. Welchen allgemeinen Namen man ihnen geben will, lassen wir dahingestellt sein, aber man sieht, daß Artillerie, Befestigungskunst, sogenannte Elementartaktik, die ganze Organisation und Administration der Streitkräfte und alle ähnlichen Dinge dahin gehören. Die Theorie des Krieges selbst aber beschäftigt sich mit dem Gebrauch dieser ausgebildeten Mittel für den Zweck des Krieges. Sie bedarf von den ersteren nur die Resultate: nämlich die Kenntnis der von ihr übernommenen Mittel nach ihren Haupteigenschaften.

Diese nennen wir Kriegskunst im engeren Sinn oder Theorie des Kriegführens oder Theorie des Gebrauches der Streitkräfte, welches alles für uns dieselbe Sache bezeichnet.

Diese Theorie wird also das Gefecht abhandeln als den eigentlichen Kampf, die Märsche, Lager und Quartiere als Zustände, die mehr oder weniger damit identisch sind. Den Unterhalt der Truppen aber wird sie nicht wie eine ihr angehörige Tätigkeit, sondern seinen Resultaten nach wie andere gegebene Umstände in Betracht ziehen.

Diese Kriegskunst im engeren Sinn zerfällt nun wieder selbst in Taktik und Strategie. Jene beschäftigt sich mit der Gestalt des einzelnen Gefechts, diese mit seinem Gebrauch. Beide berühren die Zustände von Märschen, Lagern und Quartieren nur durch das Gefecht, und diese Gegenstände werden also taktisch oder strategisch, je nachdem sie sich auf die Gestalt oder auf die Bedeutung des Gefechts beziehen.

Gewiß wird es viele Leser geben, die diese sorgfältige Unterscheidung von zwei einander so nahe liegenden Dingen wie Taktik und Strategie für sehr überflüssig halten, weil sie auf das Kriegführen selbst keinen unmittelbaren Einfluß hat. Freilich müßte man ein großer Pedant sein, um von einer theoretischen Einteilung die unmittelbaren Wirkungen auf dem Schlachtfelde zu suchen.

Das erste Geschäft einer jeden Theorie ist das Aufräumen der durcheinander geworfenen und, man kann wohl sagen, sehr ineinander verfilzten Begriffe und Vorstellungen; und erst, wenn man sich über Namen und Begriffe verständigt hat, darf man hoffen, in der Betrachtung der Dinge mit Klarheit und Leichtigkeit vorzuschreiten, darf man gewiß sein, sich mit dem Leser immer auf demselben Standpunkt zu befinden. Taktik und Strategie sind zwei in Raum und Zeit sich einander durchdringende, aber doch wesentlich verschiedene Tätigkeiten, deren innere Gesetze und deren Verhältnis zueinander schlechterdings nicht deutlich gedacht werden können, ohne ihren Begriff genau festzustellen.

Wem dies alles nichts ist, der muß entweder gar keine theoretische Betrachtung gestatten, oder seinem Verstande müssen die verworrenen und verwirrenden, auf keinen festen Punkt gestützten, zu keinem ruhigen Resultat gelangenden, bald platten, bald phantastischen, bald in leerer Allgemeinheit schwimmenden Vorstellungen noch nicht weh getan haben, die wir über die eigentliche Kriegführung deswegen so oft hören und lesen müssen, weil noch selten ein Geist wissenschaftlicher Untersuchung auf diesem Gegenstand geruht hat.

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