Albert Schweitzer über Liebe

  • Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen,
    wenn wir ungefragt weggehen und Abschied nehmen müssen.

Albert Schweitzer

deutscher Arzt, Musiker, Philosoph und Theologe

* 14.01.1875 Kaysersberg, Elsass
† 04.09.1965 Lambarene (Gabun)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Von Geburt an werden viele Menschen darin trainiert, tüchtig zu sein, sich ein gutes Leben aufzubauen, möglichst Karriere zu machen und dann am Ende auf ein erfolgreiches Dasein zurückzublicken. Als besonders erfolgreich gilt heute noch immer der, der es zu etwas gebracht hat. Mit "etwas" ist vor allem und in erster Linie Wohlstand und Reichtum gemeint. Dinge, die beeindrucken, die man sehen kann, die nicht jeder hat. Dann ist man wer!

Und hat man es nur zum durchaus zwar begabten, aber materiell nicht erfolgreichen Künstler gebracht, ist man schon viel weniger. Man gilt trotz nachweislicher Talente in den Augen vieler als gescheitert. Denn Erfolg wird noch immer und in erster Linie über materielle Werte definiert.

Nicht nur Künstler betrifft dieses oft harte Urteil der Masse, wenn es darum geht, am Ende Lebensbilanzen zu werten. Jeder Mensch, der ein wenig Grips im Kopf hat, weiß: Diese Haltung zum Erfolg ist zwar üblich, aber ebenso lächerlich und primitiv. Dennoch bestimmt sie das innere Urteil vieler Mitmenschen und bedient die Haltung des Mainstreams. Alles Wesentliche bleibt dabei außer Acht. Doch gerade das Wesentliche ist es doch, das unverzichtbar in eine Lebensbilanz mit hineingehört, vor allem wenn es darum geht, die Spuren eines Lebens zu orten und die Wirkung zu hinterfragen.

Was hat man denn wirklich hinterlassen, wenn man stirbt? Der Reichtum, so man welchen hinterlässt, verschwindet in Windeseile unter den schon wartenden Erben. Mag er angelegt oder verjubelt werden: Der Verstorbene höchst persönlich wird damit allein in der Regel nicht wirklich lange und tief im Gedächtnis bleiben. Dafür braucht es ganz andere Reichtümer. Reichtümer, die man über die Arbeit und Wirkung des Seelischen erwirbt, die vom Geist und von der gelebten Tat zeugen.

Hier ist nichts käuflich und nichts vererbbar. Hier geht es um eine einzigartige Freiwilligkeit, die jedem Menschen möglich ist. Sie ist unabhängig von Krankheit oder Gesundheit, arm oder reich, gefangen oder frei. Hier wirkt die Liebe selbst tätig durch Hände, Worte, Haltung und Gesten.

Liebe im Spannungsfeld zwischen Sanftmut und Lebenskampf

Albert Schweitzer, dem Autor des obigen Zitats, lebte Liebe und Nächstenliebe. Er opferte sich für seine Mission auf und wurde zum Vorbild des Tätigen, der nicht nur vortreffliche Worte über die Liebe fand, sondern sie auch selbst umsetzte an den Ärmsten der Armen. Und weil er nicht nur redete, sondern viel tat, war er glaubwürdig in dem, was er sagte.

Er, der ständig von Tod und neuen Geburten umgeben war, der die Leiden und Schmerzen kannte, auch den Kampf, den Verlust, den Verzicht und schwierigste Arbeitsbedingungen, wurde nicht müde, an die Kraft der Liebe und der Nächstenliebe zu appellieren. Er steht als lebendes Zeugnis selbst für die Wahrheit seiner eigenen Worte.

Menschen, denen im Leben das Glück zu Teil wurde, in der unmittelbaren Umgebung eines Liebenden aufzuwachsen, werden von dieser wunderbaren Kraft Zeugnis ablegen können. Denn das Geschenk von Sanftmut und Güte, das sie erleben, wird auch ihr Leben bereichern und vor allem auch prägen. Sterben solche Menschen, bleibt eine Leere und eine Trauer, wie sie nicht auch bei jedem anderen Mitmenschen erlebt wird. Jetzt fehlt diese Kraft, diese besondere Ausstrahlung oder Zuversicht. Denn wahrhaft zu lieben ist eine Kunst, die erst wenigen Menschen gelingt. Liebe zeigt sich in der Zuverlässigkeit, die über die persönlichen Wünsche bereits erhaben ist. Wer liebt, kennt den Lebenskampf und die harte Arbeit der ständig fordernden Wirklichkeit. Er weiß diese auf andere Weise zu meistern als Menschen, die lieblos, frustriert, ständig gestresst, verängstigt oder enttäuscht durchs Leben gehen.

Menschen, die die Liebe gelebt haben, sind die, die wahren Reichtum hinterlassen und vor allem auch jene Spuren, die lange in Erinnerung bleiben. Spuren, die stark genug sind, dass sie selbst nach dem Tod noch eine solche Kraft entfalten, das sie in das Schicksal der Lebenden positiv hineinwirken kann.

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