Benjamin Franklin über Zeit

»Zeit ist Geld« gehört zu den bekanntesten Redewendungen der modernen Welt – und zugleich zu den umstrittensten. Es bringt in nur drei Worten eine ökonomische Sichtweise auf das Leben zum Ausdruck: Zeit ist nicht nur wertvoll, sie ist ein direktes Tauschmittel, ein Kapital, das wie Geld eingesetzt, gespart oder verschwendet werden kann. Wer Zeit klug nutzt, wird reich – wer sie vertut, verarmt. Diese Haltung hat insbesondere im Zeitalter des Kapitalismus und der Industrialisierung an Bedeutung gewonnen.

Benjamin Franklin schrieb diesen Satz 1748 in seinem Buch »Ratschläge für junge Kaufleute«. Damit wollte er vor allem die Bedeutung von Fleiß und Effizienz betonen – Tugenden, die als Grundlage wirtschaftlichen Erfolgs gelten. Der Satz wurde zum Leitspruch des Unternehmertums, der Selbstoptimierung und des produktiven Lebensstils.

Doch genau dies ruft nach Kritik. Denn wenn Zeit nur unter dem Gesichtspunkt ihrer »Rentabilität« betrachtet wird, geraten andere Werte ins Hintertreffen: Muße, Ruhe, Freundschaft, Kreativität, Erholung. Wer ständig daran denkt, Zeit in Geld umzuwandeln, riskiert, das Leben selbst aus den Augen zu verlieren. Die Reduktion der Zeit auf wirtschaftlichen Nutzen führt zu Stress, Burnout und einem Gefühl ständiger Unzulänglichkeit. Nicht umsonst fordern moderne Gegenbewegungen: »Zeit ist Leben« – oder sogar: »Zeit ist Liebe«.

In unserer heutigen Gesellschaft, die von Geschwindigkeit, Effizienzdenken und Termindruck geprägt ist, sollte das Sprichwort kritisch hinterfragt werden. Denn, ja, Zeit ist kostbar. Aber ihr Wert bemisst sich nicht nur in Geld, sondern auch in der Tiefe menschlicher Erfahrung, in Momenten der Nähe, in sinnvollem Tun. Denn ist Zeit das wertvollste Gut, das wir besitzen. Ohne die Zeit sie genießen zu können, sind alle anderen Werte wertlos.